Einzelbild herunterladen
 
  

Nr. 122.

Abonnements- Bedingungen: Abonnements Preis pränumerando: Bierteljährl. 3,30 Mt., monatl. 1,10 M., wöchentlich 28 Pig. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Bfg. Sonntags nummer mit illustrierter Sonntags Beilage Die Neue Welt" 10 Pfg. Post­Abonnement: 1,10 Mark pro Monat. Eingetragen in die Post- Zeitungs­Preisliste. Unter Kreuzband für Deutschland   und Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 8 Mart pro Monat. Postabonnements nehmen an: Belgien  , Dänemark  , Holland  , Italien  , Luxemburg  , Portugal  , Rumänien  , Schweden   und die Schweiz  .

Erichcint täglich außer Montags.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

27. Jahrg.

Die Infertions- Gebühr beträgt für die sechsgespaltene Kolonel geile oder deren Raum 50 Pfg., für politische und gewerkschaftliche Vereins und Versammlungs- Anzeigen 30 Pfg. ,, Kleine Anzeigen", das erste( fett­gedruckte) Wort 20 Pfg., jedes weitere Wort 10 Pfg. Stellengesuche und Schlaf stellen- Anzeigen das erste Wort 10 Bfg., jedes weitere Wort 5 Pfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inferate für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.

Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Sonnabend, den 28. Mai 1910.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

Verworfen und verscharrt!

Fret ist die Bahn! Der Stein, den eine feindliche| Und als ob es damit nicht genug wäre, steigert der Reichs-| fie zeigen konnten, was sie für das Recht des deutschen   Volkes Regierung auf den Weg gerollt hatte, den die Wahlrechts- kanzler die aufpeitschende Wirkung seiner Vorlage noch durch zu leisten vermögen, haben sie schmählichen Bankrott tämpfer gehen, ist fortgeräumt. Das elende Machwerk ist be- die wütenden Ausfälle auf das Wahlrecht des ansagen müssen. Aus eigener Straft vermögen sie seitigt, der Wunsch aller ehrlichen Freunde der Wahlreform deutschen   Volkes. nichts zustande zu bringen. Der Ansturm von außen

erfüllt. Geblieben ist nur das Eingeständnis der Re- So vollendet Herr v. Bethmann in kürzester Zeit das war es, der sie an die Arbeit zwang, der Ansturm von außen gierung und des Dreiklassenhauses selbst, Aufklärungswerk der Sozialdemokratie, steigert die Wahlrechts- allein kann sie zwingen, bessere Arbeit zu leisten. daß das verhaßte Privilegienwahlrecht nicht bewegung, der er Stillstand gebieten wollte, enthüllt dem Das jämmerliche Schicksal der Bethmannschen Reform mehr aufrechterhalten werden kann, geblieben deutschen   Volke den völligen Bankrott eines ist nicht nur dem Ungeschick dieses Ministers zu danken. der Zwang, aufs neue an der Reform sich zu versuchen. Regierungssystems, das nur mehr Stillstand bedeutet Gewiß, wenn Herr v. Bethmann das Scheitern der Vorlage Nur wenige Monate sind verstrichen seit dem Moment, und zum schlimmsten Hindernis jeder Weiterentwickelung ge- beabsichtigt hätte, er hätte taum anders operieren können. Darüber noch viele Worte zu verlieren, ist müßig und die wo der saubere Plan der Regierung an die Deffentlichkeit worden ist. drang, durch eine Scheinreform der Wahlrechtsbewegung die Was Herr v. Bethmann begonnen, das sehen die bürger- Atten über diese politische Stapazität sind geschlossen. Diesen Spize abzubrechen. Aber es waren Zeiten des Kampfes und lichen Parteien des Dreiklassenparlaments, fezen erst recht Toten sollen die Toten begraben. Aber selbst wenn Herr die Anstrengungen sind nicht unbelohnt geblieben. Die Ab- die geborenen Gesetzgeber des Herrenhauses im selben Geiste v. Bethmann so gefchickt wäre, wie er ungeschickt ist, er hätte Denn in einem fichten der Voltsfeinde sind vereitelt, das Machtbewußtsein und mit gleicher Wirkung fort. Vom Recht des Volkes ist die Wahlreform faum zu Ende gebracht. und die Siegeszuversicht der Massen mächtig gewachsen. Was nicht die Rede, ein wüster Streit um Mandate wird bald zum Privilegienparlament entfesselt eine Wahlreform, die zu elend ein Hindernis der Wahlrechtsbewegung werden sollte, ist ihre einzigen Inhalt der Verhandlungen! Wie auch anders? ist, als daß die Kräfte des Volkes selbst für sie aufgerufen die Zwischen des Nuznießer stärkste Förderung geworden. Privilegs und das werden können, nichts als heftigste Mandatsgier und Der Kampf um die Wahlrechtsvorlage hat das preußische Drängen der Massen draußen, hatte sich sich ja ja die Beutesucht. An dem entfesselten Streit geht sie Nur wenn eine Wahlreform von Regierungssystem in seiner ganzen Arbeiterfeindlichkeit und Regierung gestellt; die Regierung hat den Parteien schließlich zugrunde. Volksfremdheit enthüllt. Kein moderner Staat tann heute die Sorge um die Sicherheit der Beute aus dem unveräußer dem unwiderstehlichen Drängen der Volks. mehr die breiten Voltsmassen von der politischen Selbstlichen Besitztum des Volkes genommen; umso ungestörter massen getragen ist, nur dann ist sie auch den Privilegierten bestimmung ausschalten. Auch das preußische Volt hätte die glaubte sie sich dem Kampf um die Teilung hingeben zu zum Trotz zu vollenden.

Die entscheidende Sitzung.

Eine bergnügte Leichenfeier war es, zu der sich die Mitglieder des Abgeordnetenhauses fast vollzählig eingefunden hatten, um der an Lebensschwäche dahingesiechten Bethmannschen Mißgeburt das lekte Geleit zu geben. Stonnte es zu Beginn der Sitzung noch zweifelhaft sein, ob das Kind noch heute von seinem Leiden erlöst werden würde, so stand doch schon nach der ersten Viertel­stunde sein Schicksal fest. Der Ministerpräsident war in höchst eigener Person erschienen, um einige konservative Anträge, be­sonders den Antrag auf Bildung von Drittelungsbezirken bon 1750 bis 5000 Einwohnern, sowie die ursprünglichen Beschlüsse des Abgeordnetenhauses als unannehmbar zu bezeichnen, und der ,, ungekrönte" König von Preußen, Abg. b. Heydebrand, er. widerte ihm ebenso unzweideutig, daß die Konservativen sich keinerlei Vorschriften machen lassen, sondern das tun, was sie für richtig halten. Noch klarer als sonst ließ der konservative Führer durchblicken, daß sie die Herren im Staate sind und daß die Re­gierung sich ihrem Willen zu fügen hat. Eine schüchterne Er­widerung, die Herr v. Bethmann Hollweg   stammelte, blieb ohne jede Wirkung.

Dreiklassenschmach nie so lange ertragen und längst feine tönnen. Und großen Gewinn hat das deutsche   Volk, das Und das ist jetzt unsere Aufgabe: Das Hindernis ist aus politische Rechtlosigkeit abgeschüttelt, hätte es nicht im Reichs zur Rolle des Zuschauers verurteilt war, aus diesen dem Wege geräumt, die neue Wahlreform kann, sie muß tagswahlrecht das wichtigste Mittel in seinen politischen Stämpfen Stämpfen gezogen. In dem Schacher um die Mandate kommen. Wie sie gestaltet wird, das hängt nicht ab bon dem erblicken müssen. Aber immer mehr stellt sich heraus, daß der schwand rasch jede Scheu und die wahre Natur der privile- Willen der Herrschenden, das hängt ab von der Macht, deutsche Reichstag   nur ein Schattendasein führen kann, so gierten Parteien trat nadt zu Tage. Dem Zentrum vor die das Volt selbst hinter sein Recht zu sehen gewillt ist. lange ihm eine unabhängige, absolute Regierungsgewalt ent- allem darf sein Verrat an dem Volksrecht nicht Die Frage der Wahlreform ist die Frage der der gegensteht, die Ziel und Richtung nicht empfängt von der vergessen werden. Für die imponierende Wahlrechtsbewegung Opferfähigkeit und Entschlossenheit Vertretung des deutschen   Volkes, sondern die nur das Voll- der Sozialdemokratie hatte es nur Spott und Hohn gehabt. Massen. Ein Abschnitt des Stampfes ist vorüber, ein neuer beginnt. zugsorgan ist für die schmale Schicht von Junkern und Was will denn diese Partei, die ja im preußischen Landtag Großkapitalisten, die das Parlament des größten und teine nennenswerte Vertretung besitzt? Wozu der Sturm im Mit Genugtuung und Stolz darf die Sozialdemokratie auf ausschlaggebenden Bundesstaates zu ihrer unumschränkten Lande, wo doch die Entscheidung im Parlamente drinnen diese Monate zurückblicken, in denen ihre Attion das Domäne gemacht haben. So wurde dem deutschen   fallen wird, in dem das Zentrum so imponierend vertreten ist? politische Leben beherrscht hat. Ein guter Anfang war's, an Volfe endlich klar, daß die preußische Wahlrechtsfrage zur 8war wußte das Zentrum ganz genau, daß nur das Eingreifen den Massen ist es, dem guten Anfang die würdige Forsehung wichtigsten Reichsfrage geworden, daß hier der Kampf aus der Massen selbst, die immer mächtiger werdenden Demonstrationen folgen zu lassen. Die Wahlreform der Wahlrechtsfeinde ist tot, es lebe die gefochten werden muß um die politischen Machtverhältnisse in den hartnäckigen Widerstand besiegt, die Wahlrechtsfrage ins Deutschland  . Kein Fortschritt in Deutschland   ohne Ueber- Rollen gebracht hat. Aber was tat das Zentrum im Parla- Wahlreform des Volkes! windung der Privilegienherrschaft in Preußen! Die politische ment? Warum spielte es sofort die Entscheidung in die Entwickelung im Reiche kann nicht vorwärts, solange Hände der Konservativen, dieser schlimmsten Feinde jeder nicht der Sieg in Preußen errungen ist. Noch immer Rechtserweiterung? Warum versuchte es nicht einmal parla­besitzt das deutsche   Volt nicht den Staat, den es mentarisch zu kämpfen, nachdem es den Wahlrechtskampf sich als politisch voll und gleichberechtigtes Ganzes nach draußen schmählich im Stich gelassen? Die Antwort ist frei seinen Sträften und gemäß seinen Interessen gestalten kann. lich nicht zweifelhaft. Im Bunde mit den Konservativen ist Das deutsche Reich steht unter der Gewaltherrschaft das Zentrum die herrschende Partei geworden und um die der preußischen Junter und solange bleibt die Reichs- Herrschaft zu behaupten, ist es bereit, gemeinsame Sache mit gründung ein unvollendetes Stückwert, solange nicht der den Konservativen zu machen, mit ihnen zusammen, wenn preußische Partikularismus zerbrochen, das Reich aus der auch nach anderer Methode und unter anderen Vorwänden, Knechtung durch den preußischen Landtag und seiner Regie- die Massen in ihrer Rechtlosigkeit zu Der innere reaktionäre Charakter des rung erlöst ist. Der politische Wille im Reich und in Preußen erhalten. muß endlich die gleiche Richtung erhalten, erst dann ist die Zentrums war freilich der Sozialdemokratie kein Ge­Bahn frei für den politischen Fortschritt, erst dann kann das heimnis; daß er aber auch den immer noch großen gleiche Wahlrecht auch int Reiche feine Wirkung Massen, die dem Zentrum bisher gefolgt sind, kein entfalten und können die demokratischen Formen ge- Geheimnis mehr bleibe, dafür läßt sich jetzt mit ganz anderem schaffen werden, in denen die entwickelten lassen. Erfolge und viel schlagenderer Beweiskraft arbeiten als zuvor. gegensätze ihren endgültigen Austra g finden Die Loslösung dieser Massen aber aus dem Gefolge der Reaktion, für die der Wahlrechtsverrat des Zentrums mächtig Eine nationale Frage in dem wirklichen Sinne vorgearbeitet hat, wird zu einem Ereignis von größter politi­So waren die Würfel bereits gefallen, als der Führer des des vielmißbrauchten Wortes ist also die preußische Wahl- scher Tragweite werden. Zentrums, Abg. Herold, zu einer langen Rede ausholte, durch rechtsfrage. Doch mit welch gräßlicher Unfähigkeit stehen ihr Daß aber das Zentrum überhaupt einen Vorwand für die er sich bemühte, das Zentrum als die einzige Partei hin­die herrschenden Kreise gegenüber. Da ist die Regierung des feinen Verrat finden konnte, ist vor allem die Schuld der zustellen, die mit Ernst und Eifer an dem Zustandekommen einer Herrn v. Bethmann Hollweg  , der in dem wichtigsten Problem Nationalliberalen, ihrer Feindschaft gegen das Wahlreform in demokratischem Sinne gearbeitet habe, eine Be der inneren Politit nichts weiter erblickt als ein lästiges demokratische Wahlrecht. Ihre Stimmen verhelfen den konser- hauptung, die ihm niemand glaubt, der den Gang der Wahlrechts­Ueberbleibsel aus der Erbschaft ihrer Vorgänger und der sich vativen Feinden des gleichen Rechts erst zur Majorität, ihre debatten auch nur einigermaßen aufmerksam verfolgt hat. Man nun anschickt, mit heimtückischer List einige neue Paragraphen Ablehnung erschwert den parlamentarischen Kampf. Neben merkte es Herrn Herold an, wie lieb es ihm war, noch in letter zu erfinden, die nichts ändern, aber doch eine Aenderung vor- dieser Todsünde haben gerade die Nationalliberalen in Stunde den Kopf aus der Schlinge ziehen zu können. Zentrum wird es jetzt natürlich so darzustellen suchen, als habe täuschen sollen. Statt einer Neugestaltung des Wahlrechts, die das der Wahlrechtsvorlage nur eine Gelegenheit für Mandats es dem Volte ein Recht erobern wollen, woran es aber von der unerträglich Gewordene beseitigt, bringt Herr von Bethmann beute gesehen, haben gerade sie am zähesten dort gekämpft, Regierung verhindert sei. Nußen   wird ihm dieser jesuitische Hollweg Vorschläge zu einer Aenderung der Wahltechnik, zu wo es, wie bei der Drittelungsfrage, um noch Kniff nicht; wir werden es als unsere vornehmste Aufgabe be­einer anderen Art der Stimmabgabe und zählung. So mehr Entrechtung ging, und zuletzt sind sie nur trachten, dem Volte die Augen über die wahre Natur dieser Partei wird sein Entwurf zu dem Geständnis der absoluten durch die Gunst der politischen Situation vor dem Aeußersten au öffnen. Lebhafter gestaltete sich die Debatte, als die Herren Dr. Unfähigkeit der preußischen Regierung, bewahrt worden, die Wahlreform in ihrer noch verderbteren Friedberg  ( natl.) und Freiherr v. 3e blik( ft.) zu Worte die unabweislichsten Bedürfnisse des deutschen   Volkes Form zu akzeptieren. zu erfüllen, ja sie auch Von fie auch nur zu verstehen. So hat die Beratung der Wahlreform vor allem dankens- tamen. Der nationalliberale Redner gebärdete sich als wütendster Oppositioneller, ihm war die schwere Aufgabe, zugefallen, die bornhein erklärt sich Herr v. Bethmann Hollweg   als willen- werte Stlarheit geschaffen über die Stellung der herrschenden Deffentlichkeit in den Glauben zu versehen, daß die National­und ideenloser Geschäftsträger der Junker und Großkapitalisten Parteien Klarheit auch über die klägliche politische liberalen niemals auch nur daran gedacht hätten, den Herren­und statt an ein politisches Problem, denkt dieser armselige mpotenz des Privilegiertenparlaments und seiner Re- Hausbeschlüssen zuzustimmen. Die Nervosität und Gereiztheit, mit Bureaukrat nur daran, daß sich in der Mandatsverteilung gierung. Die Herren haben ja sonst nie genug Rühmens der er sprach, legte Zeugnis davon ab, welch heftige Stämpfe der privilegierten Parteien nur ja teine Aenderung ergebe! machen können von ihren Leistungen. Das erste Mal, wol innerhalb der nationalliberalen Fraktion ausgefochten sind, bis

tönnen.

Das