sie sich endlich— der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe—auf die Seite der Opposition geschlagen hat. Deshalb war es rechtwenig am Platze, daß der freikonservative Scharfmacher Freiherrv. Zedlitz den Nationalliberalen bittere Vorwürfe über ihreAbschwenkung nach links machte. Bei den Nationalliberalenhandelt es sich nur um die Höhe des Preises, der ihnen gebotenwird; sie sind jede Stunde bereit, umzufallen, und wenn sie dies-mal festgeblieben sind, so einmal aus Furcht vor den nächstenNeichstagswahlen und zweitens, weil ihnen die Trauben zu hochhingen.Eine gründliche Abrechnung mit den bürgerlichen Parteiennahm Genosse Ströbel vor, der namens der Sozialdemokratendas Wort ergriff. Das heuchlerische Verhalten des Zentrums,die jammervolle Rolle der Regierung, die Wahlrechtsfeindschaftder beiden konservativen Parteien, das haltlose Hin- und Her-schwanken der Nationalliberalen, all das ließ Ströbel nochmalsRevue passieren, um im Anschluß daran aufs neue die Ver-sicherung abzugeben, daß die Sozialdemokratie den Wahlrechts-kämpf mit dem Scheitern der Vorlage nicht als be-endet betrachtet, sondern ihn jetzt erst recht mit frischenKräften und neuem Mut beginnen werde.Vor Ströbel hatten die Abgg. F i s ch b e ck(Fortschr. Vp.)Und Dr. v. Jazdzewski(Pole) den Standpunkt ihrer Parteien,die die Einführung des Reichstagswahlrechts für Preußen ver-langen, betont. Nach einem Wortgefecht zwischen dem Kon-servativen Freiherrn v. Richthofen und dem NationalliberalenSchiffer konnte der Präsident endlich den Schluß der General-debatte verkünden.Die Spezi alberatung nahm nur wenige Minuten in Anspruch.Die meisten Redner, auch die von unserer Seite gemeldeten, ver-zichteten aufs Wort, um die Todesqualen abzukürzen. NurBorgmann versetzte noch dem Scharfmacher v. Zedlitzeinen wohlverdienten Hieb, über den sich ims ganze Haus undauch die Vertreter der Negierung herzlich freuten— bei der Unbeliebtheit des freikonservativen Führers kein Wunder!Die ersten fünf Paragraphen wurden nach den Beschlüssendes Abgeordnetenhauses angenommen, der am heißesten umstrittene§ S, der von der Bildung der Drittelungsbezirke handelt, wurdein jeder Fassung abgelehnt. Und nun erhob sich Herr v. B e t h-mannHollweg, um zu erklären, daß die Regierung auf dieWeiterberatung der Vorlage kein Gewicht lege. Lebhaftes Bravoder sechs Sozialdemokraten begleitete diese Erklärung, ein Bravo,das aber nicht etwa der Person Bcthmanns galt, sondern einAusdruck der Freude darüber war, daß nun die Bahn freiist für eine neue volksfreundliche Wahlrechtsvorlage.=:Der StahlkampfIm Krelfe fauer-Candeshut.AuS dem Wahlkreise wird uns geschrieben:Am 1 Juni findet die Reichstagsersatzwahl statt, die durch da?Ableben des freisinnigen Vertreters Dr. Hermes nötig gewordenist. Der Wahlkampf wird von allen vier beteiligten Parteienmit großem Eifer geführt. Ganz besondere Anstrengungen machtdie Fortschrittliche Volkspartei mit ihrem Kandi-baten Büchtemann, früher Oberbürgermeister in Görlitz.Dieser Herr hält alle Tage Versammlungen ab; neben ihm sindnoch der Reichstagsabgeordnete Sommer, der Gewerkvereins-redakteur Goldschmidt-Berlin, der Parteisekretär Schuhmacher undein Herr Müller-BreSlau tätig. Die Herren Fortschrittlichen be-künden ihren Fortschritt, indem sie zu ihren Versammlungennur„verfassungstreue Wähler" einladen. So wollensie die Sozialdemokraten von ihren Versammlungen fernhalten.Tapfer sind sie immer gewesen, unsere Linksliberalen.Die Konservativen, deren Kandidat der MajorS t r o s s e r, Landtagsabgeordneter für Breslau, ist, bemühen sichverzweifelt, den Fortschrittler aus der Stichwahl zu drängen. Diekonservativen Versammlungen sind indes durchgängig miserabelbesucht, ein Beweis, daß die bisherigen Wähler der Konservativenbedenklich von ihnen abrücken. Herr Strosser hält aber jede Ver-sammlung ab, so sprach er in Wittgendorf, einem größeren Bauern-dorfe, vor neun Personen. Zu seiner Unterstützung sind nochim Kreise ein Pastor Nitschke und ein SchornsteinfegermeisterConrad aus Breslau tätig, welch letzterer in Mittelstands- undHandwerkerfragen macht. Es dürfte aber kaum gelingen, Zustromaus dem Mittelstand für die Konservativen zu gewinnen.In schäbiger Weise kämpft das Zentrum, das einenRechtsanwalt H e r s ch e l- Breslau aufgestellt hat, gegen dieSozialdemokratie. Es hat zwei Flugblätter mit den ab-gestandensten Ladenhütern des Reichsverbandes gegen die Sozial-demotratie verbreitet. Es wird allerdings nicht viel damit aus-richten; das Zeug findet kaum noch in den rückständigsten WinkelnAnklang.Der Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie alssolcher hat noch nichts im Wahlkampf von sich hören lassen. Keineder bürgerlichen Parteien scheint sich von diesem fragwürdigenHelfer etwas zu versprechen.Der Sozialdemokratie, die eine rege Agitation ent-faltet, macht der Lokalmangel erhebliche Schwierigkeiten. Indem überwiegend ländlichen Kreise— als Industrie kommen nurTextilbetriebe mit über 80 Proz. weiblichen Arbeitern und einigeSteinbrüche und Kohlengruben in Betracht— stehen unserer Parteinur wenige Lokale zur Verfügung. Selbst in Landeshut, nachJauer, das 15 000 Einwohner zählt, mit 14 000 Einwohnern daszweite Jndustriestädtchen des Wahlkreises, ist nur ein kleinesSälchen für sie zu haben. Sie ist deshalb fast ausschließlich aufVersammlungen unter freiem Himmel angewiesen. Erfreulicher-weise ist die Witterung diesen Veranstaltungen günstig. Aber dazu diesen Versammlungen behördliche Genehmigung notwendigist, so gibt es natürlich allerhand Schwierigkeiten. Jüngst verbotder Amtsvorsteher von Lösch eine solche Versammlung im Bollen-hainer Kreise mit der-schriftlichen Begründung, daß nicht g e»nügend P o l i ze i o r g an e zur Ueberwachung derVersammlung vorhanden seien und somit eine Gefähr-dung der öffentlichen Sicherheit zu fürchten wäre. Diese originelleBegründung hat natürlich unseren Genossen nicht genügt. Siehaben Beschwerde beim Landrat eingelegt. Der Landrat aberist— der Vater des Amtsvorstehers von Lösch. Welchen Erfolginan sich von einer Beschwerde beim Vater über den Herrn Sohnversprechen kann, ist leicht vorauszusehen. Daß dies ungerecht-fertigte Verbot ein Grund zur Kassierung der Wahl sein kann,das scheinen die Behörden zu vergessen. Allerdings, ehe eS zudieser Kassierung käme, würde ja ohnehin die Lebensdauer diesesReichstages abgelaufen sein.Der Höhepunkt der Bewegung wird am kommenden Sonntagerreicht werden. An diesem Tage finden IS Versammlungenstatt; in einigen davon spricht der Landtagsabgeordnete GenosseLeinert. 30 Versammlungen haben bisher stattgefunden. Ge-nosse Pokorny-Bochum hielt einige speziell für die Bergarbeiterab. Neben ihm agitierten die Genossen Fritsch-Liegnitz, Schön»wälder-Neurode, die Redakteure der Breslauer„Volksmacht" undvor allen Dingen der Kandidat, Genosse Pr oll- Landeshut. Diesozialdemokratischen Versammlungen waren durchgängig gut be-sucht und die Ausführungen unserer Redner fanden stets leb-haften Beifall. Die sozialdemokratischen Flugblattverteilerhaben sich überall guter Aufnahme erfreut. Unsere Genossen er-warten den Wahltag mit den besten Hoffnungen.Das Stimmenverhältnis bei der letzten Wahl war das folgende:Sozialdemokratie S01S, Konservative 5050, Freisinn 5728, Zentrum4307 Stimmen. In der Stichwahl siegte der Freisinnige Dr.Hermes mit sozialdemokratischer Hilfe über den Konservativen.Aus den Freisinn fielen 8340, auf den Konservativen 7594Stimmen.Die Cinigungswrbandlungen imBaugewerbehaben am Freitag unter Leitung der Herren GeheimratWiedfeldt vom Reichsamt des Innern, Oberbürger-meister Dr. B e u t l e r» Dresden und GewerbegerichtLratDr. P r e n n e r- München im Reichstag ihren Anfang ge-nommen.— Die Sitzung begann mit einem charakteristischenVorspiel. Der Untern.ehnierverband von Ostpreußen hattein einem Flugblatt die Behauptung aufgestellt, daß dieArbeiter um Verhandlungen gebeten hätten, da ihnen die Mittelausgegangen seien. Genosse Bömelburg brachte dieseUnwahrheit sofort zur Sprache, und Geheimrat Wiedfeldtstellte fest, daß diese Behauptung tatsächlich jeder Grundlageentbehrt. Die Verhandlungen seien vom Staatssekretär Del-drück ausgegangen, der sich zuerst an den Unternchmcr-Ber-band gewandt und, nachdem er Zustimmung von dieser Seiteerhalten hatte, die Arbeiterorganisationen gefragt hatte, diedenn auch ihre Bereitwilligkeit zu Verhandlungen erklärt hatten.Auch die Herren Dr. P r e n n e r und Dr. B e u t l e r er-klärten, daß sie von keiner Seite beeinsiußt seien.In der Sache selbst erklärten sich die Unternehmer bereit,auf Grund des alte» Bertragsniusters zu verhandeln, sie be-halten sich aber vor, ihre sämtlichen Anträge wieder einzn-bringen. Zunächst verlangten sie wiederuni den zentralenAbschluß der Tarife, eine Forderung, die die Arbeiter mitEntschiedenheit zurückwiesen. Wenn die Unternehmer dasauch bestreiten, so ist es doch ein offenes Geheimnis, daß derzentrale Abschluß der Tarife in ihrer Hand ein Mittel seinsoll, wegen irgend eines kleinen Tarifvergehens in irgendeinem kleinen Ort gegen die gesamten Bauarbeiter in ganzDeutschland vorzugehen. Uebcr diesen Punkt konnte eineEinigung nicht erzielt werden.Ebensowenig einigte man sich über die Frage der Ueier-stunde» sowie über die Frage der Arbeitszeit. Auch über denVorschlag der Unternehmer, daß der tariflich festgesetzte Lohnnur für geübte Bauhilfsarbeiter gezahlt werden soll, wurdekein Einverständnis erzielt.Gleichfalls halten die Unternehmer an ihrer Forderungfest, daß. statt des bisherigen Einheitslohnes Staffel» oderDurchschnittslöhne zulässig sein sollen.Heute werden die Verhandlungen fortgesetzt.politilcke deberlicbtBerlin, den 27. Mai 1910.Der Leutnant und zehn Mann!Wie eine Reihe von Blättern mitteilen zu können glaubt,waren am Freitag ganz besondere Vorbereitungen dafür getroffen worden, zum ersten Male den Rausschmeiß-Paragraphen, den jüngst die blau-schwarze Mehrheitdes Abgeordnetenhauses angenonnnen hat, in die Praxiszu übersetzen. Dem Polizeileutnant des„zuständigenReviers", Wilhelmstraße 29, soll nämlich eine Dienst-anweisung zugegangen sein, wie er sich bei dem Hinauswurfeines Abgeordneten zu benehmen habe. Danach solle sich derReviervorstand bereit halten, auf Benachrichtigung vom Ab-geordnetenhause jederzeit in kürzester Frist mit der erfordcr-lichen Mannschaft dort zu erscheinen. Im Abgeordnetenhansehabe er sich bei dem Präsidenten zu melden und von diesemdas schriftliche Ersuchen zum Eingreifen in Empfang zunehmen und auszuführen.Wir glauben kauin, daß diese Anweisung auf R e k l a-mation des Präsidiums des Abgeordnetenhauseserfolgt ist. Sind wir doch sicher, daß dies Präsidiumdas Eingreifen des Polizeileutnants unendlich vielmehr fürchtet, als die sozialdemokratischenMitglieder des Hauses! Wissen die Herren Kröcherund Porsch doch ganz genau, daß die Anrufung des Polizei-leutnants sie politisch vollständig unmöglich machen würde.Es war deshalb sicher kein Freundesdienst, daßman die Rotlz von der Bereitschaft des Polizeileutnants indie Presse lanzierte. Sollten aber die Vorbereitungen desPolizeiministers resp. des Polizeipräsidiums wirklich expreßfür die Wahlrechtsdebatte am Freitag getroffenworden sein, so bewiese das nur lvicdeeum eine geradezu be-mitleidenswerte Ahn ungslosigkeit dieser Bc-Hörden, denn die Verhandlungen am Freitag konnten schondeshalb unmöglich einen tragischen Charakter annehmen,weil ja die Verscharrung des Wahlrechtswechselbalgs auf derganzen Linken und wieviel mehr erst bei der Sozialdemo-kratie nur die heitersten Gefühle auszulösen ver-mochte!Immerhin bedeutet die Meldung von der Dienstanweisung an den Polizeilentnant des„zuständigen Reviers" eineüberaus freche Provokation! Wenn man davonirgendeine Einschüchterung der sozialdemokratischen Landtags-fraktion erwartet, so täuscht man sich gründlich. Die sozial-demokratische Fraktion wird sich so wenig künstlich pro-dozieren lassen, als sie sich davon a b h al t e n lassenwird, bei den ihr passend erscheinenden Gelegenheiten in ders ch ä r f st e n und rücksichtslosesten Weise gegen Ver-gewaltigungsakte des Proletariats Protest zu erheben. Willdann einer der Herren Präsidenten die Hilfe des Polizei-leutnants in Anspruch nehmen, so werden die Sozialdemo-traten seinem Tatendrang nicht das geringste Hindernis inden Weg legen!_Die Etatsberatung der Lords.Während man im Dreiklassenhause den Bethmannschen Wechsel-balg verscharrte, vertiefte sich die angeborene Weisheit der Preußi-schen LordS in die Geheimnisse des Etats. Irgend ein Graf Seydlitzschrie nach einem Maulkorbparagraphen für das Abgeordnetenhaus.Der alte reaktionäre Professor Hillebrand aus Breslau wettertegegen eine Universität in Frankfurt a. R. Ein Dutzend Oberbürgermeister rückten mit lokalen Wünschen aller Art heran. Einiger»maßen modern klangen die Ausführungen des Aachener ProfessorsDr. Borchers. Um aber bei seinen Herrenhausgenossen nicht in denVerdacht deS Radikalismus zu kommen, bekannte auch er sich zudem Grundsatze, daß die Religion dem Volle erhalten bleiben müsse.Freilich will er eine Religion haben,„die dem deutschen Volks«charakter entspricht". Bon unseren geistlichen Stellvertretern GotteShat er nur eine sehr geringe Meinung. Meinte er doch, die Er»Haltung der Religion könne nicht erreicht werden durch den geist-lichen Stand, der dem Volke von Jahr zu Jahr fremder werde.Man könne die Jugend nicht dauernd zwingen, das zu glauben,was vergangene Generationen für wahr gehalten hätten. Die Rück»ftändigkeit auf religiösem Gebiet sei immer mit Intoleranz ver»Kunden. Die politische Beeinflussung des Volkes durch die katbolischeGeistlichkeit muß verhindert werden. Heute stehe niemand demChristentum ferner, als die orthodoxen Geistlichen.Zum Schutz der Orthodoxie rückten sofort der Kultusministerv. Trott zu Solz und der ehemalige Hausminister v. Wedel insFeld. Ueber Modernisierungswünsche in bezug auf das Gymnasiumäußerte sich der Bürgermeister Rive-Halle. So war man schließlichbis in die siebente Stunde des NachniittagS gekommen, die Zeit desSoupers war da, und so vertagte das Hohe Haus die Fortsetzungseiner tiefgründigen Betrachtungen auf den folgenden Tag.Kulturträger.Die„Korrespondenz des Bundes der Landwirte' brachte nochunmittelbar vor der Abstimmung über die Wahlrechtsvorlage imAbgeordnetenhause eine scharfe Erklärung gegen das Kulturträger-Privileg. Grundsätzlich sei der Vorschlag durchaus symparhisch, nichtmehr die Steuerleistung allein als Maßstab stir die Klasseneinteilungder Wähler zu benutzen. Aber die Auswahl der Kulturträger seidoch enorm schwierig und weder von der Regierung nochvom Herrenhause bestiedigend gelöst worden. Geradezu alsaufreizender Schlag ins Gesicht aller in p r a k t i»schen Berufen ergrauten Staatsbürger müsseeS empfunden werden, wenn z. B. die Ableistung des Abiturienten-«xamens für das Aufrücken in eine höhere Wählerklasse maßgebendsein solle. Gäbe eS doch ungezählte Taufende von Beispielendafür, daß gerade Leute, die auf der Schule glänzende Leistungenaufwiesen, im späteren Leben vollständig versagten. Der Artikelschließt mit den Worten:„Wir können angesichts dieser hier nur angedeuteten außer-ordentlichen Schwierigkeiten für richtige Auswahl der etwa stimm-rechtlich zu begünstigenden„Kulturträger" und im Hinblick aufdie höchst bedauerlichen Konsequenzen, welch«Mißgriffe bei dieser Auswahl nach sich ziehenmüssen, nur wünschen, daß besonders dieser sog.„Kultur-träger-Paragraph" nochmals sehr eingehender Erwägung iin Abgeord-netenhause unterworfen werden möge. Man darf nicht außer achtlassen, daß man mit der Abstempelung einzelnerGruppen vonStaatSbürgern als. Kulturträger"allen übrigen sagt: Ihr seid in unseren Augenkeine solchen„Kulturträger"! Man sollte nicht ver-aessen, wie verbitternd dieses Urteil wirken kann und wiesehr es gegen seine Urheber von politischen Agitatorenausgenutzt werden würde, wenn etwa nicht alle bürger-lichen Parteien diesem Urteil zustimmen sollten. C a v« n u t00 nsules!"Es wird gut sein, sich diese Auslassungen für später zu merken!Die Polizeiattacke vor dem Soliuger Rathausebei der Wahlrechtsdemonstration am 6. März d. I.kommt am nächsten Dienstag, den 31. Mai, vor dem Landgericht inElberfeld zur Verhandlung. Angeklagt sind nicht die Polizeibeamten,die auf die Demonstranten eingehauen haben, sondern die GenossenDittmann, Schaal und Wendemuth von der„Bergt-sckien Arbeiter stimme" in Solingen sowie der Redakteur des„General-AnzeigerS" Herr Gehrke; erstere drei wegen ihrerReden in der am 3. März abgehaltenen Protestversammlung,Wendemuth außerdem wegen der Darstellung der Vorgänge inder.Arbeiterstimme" und Gehrke wegen des Berichts im„General-Anzeiger". Von der Staatsanwaltschaft sind 24 Zeugen geladen,darunter 17 Polizeizeugen, während die Verteidigung 37 Zeugenaufmarschiere» lassen wird, die Augenzeugen der Vorgänge am Rat-Hause waren. Der bürgerliche Redakteur hat die Vorgänge amRathause ähnlich dargestellt, wie die„Arbeiterstimme". Er wardazu umso eher in der Lage, da sich die Attacke unter den Fensternseiner Privatwohnung abspielte.Deutsche Redefreiheit.Gegen den Professor Ludwig Gurlitt hat die DresdenerStaatsanwaltschast ein Verfahren wegen Gotteslästerungeingeleitet. Gurlitt hatte im Dresdener Monisienbund einen Vor-trag über das Thema»Kind, Religion und Schule" gehalten, wobeier die Zwickauer Thesen der sächsischen Lehrer-schaft für eine Reform des Religionsunterrichtsals noch lange nicht weitgehend genug bezeichnete. Erverlangte den völligen Ausschluß des Religions-untericht« aus der Schule. Auf Grund der in diesemVortrage gewählten Ausdrücke ist nun Anzeige erstattet worden unddie Staatsanwaltschaft hat das Verfahren ein-geleitet!_Wahlrechtsprozesse.Die Genossen Walter und Bosawe in Höchst a. M.wurden zu je 30 M. Geldstrafe verurteilt, weil sie alsVeranstalter und Leiter eines nicht genehmigten De-monstralionSzuges betrachtet wurden, der am 13. Februarin Höchst stattfand._Wieder ein Soldatenschinder von der Garde.Wegen Mißhandlung eines Untergebenen und Anmaßung vonStrafgcwalt hatte sich am Freitag der Unteroffizier H a r o t k evom Garde-Train-Bataillon vor dem Oberkriegsgericht des Gardekorps zu verantworten. An einem März-abend betrat H. als Unteroffizier vom Dienst die MannschaftS-ftuben, um abzufragen. Soldat Sanier war gerade dabei, sich aus-zukleiden und zu Bett zu gehen. Der Unteroffizier hatte einenBrief bei sich, der für S. bcstimnit war. Er rief den Namen de»Soldaten und als der Gerufene herbeikam, mußte er mchreremaleauf- und ablaufen. Der Vorgesetzte tat dann die Acußerung:„Dich soll der Teufel frikassieren!", und er bestellte den Unter-gebenen auf seine Stube. Dort setzte sich der Llngeklagte auf einFensterbrett, nahm eine Flasche Bier und trank daraus. Während-dem mußte Sauter fortwährend Laufs cq ritt und Knie-beuge machen. Die Kräfte des Mannes ließen bald nach under fing an zu stöhnen. Mit den Worten:„Wenn Du stöhnst, machich mir gar nichts daraus!" befahl H. dem Mißhandelten, in denanstrengenden Ucbungen fortzufahren. S. mußte auch Laufschrittauf der Stelle machen und die Beine hochwerfcn, schließlich sogardie Pantinen ausziehen und in den Strümpfen weiter rennen.Der Unteroffizier sagte dabei:„Wenn die Strümpfedurchgelaufen sind, dann melden Sie sich morgen früh, ichwerde Ihnen neue kaufen!" Als S. beteuerte, er könnein der Kniebeuge nicht tiefer gehen, erwiderte derAngeklagte:„Halt die Schnauze oder ich scklage Dir die Flaschean den"Kopf, wenn Du noch ein Wort sogii i Sanier mußte nuadie Arme seitwärts halten und in dieser Stellung in die Kuiebeugögehen und Laufschritt auf der Stelle üben. So wurde er eineganze Stunde hindurch gequält. Er torkelte schließlichauf seine nebenan liegende Stube, sank am Tisch nieder und begann