müsse. Die Notwendigkeit dieser Aufrechterhaltung hat uns dieRegierung in ihrer Wahlstatistik und in der Denkschrift bewiesen.Auch in dieser Frage hat der Ministerpräsident seine Ansichtgeändert. Er hat sich ferner einverstanden erklärt mit der fastvölligen Beseitigung der sogenannten Kulturträger. Mit einemWort: in einer ganzen Reihe von Fällen hat die Regierung ihrenStandpunkt vogständig preisgegeben und Herr von B e t h m a n nH o l l w e g hat kein Unannehmbar ausgesprochen. Er hat imGegenteil gesagt, er vinkuliere sich nicht.(Heiterkeit links.) Damuhte es allerdings auffallen, vah Herr von Bethmann Hollwegmit einem Male erklärte, von den Beschlüssen d�S Herrenhauseskönne nicht abgegangen werden, es müsse unbedingt bei der imHerrenhause angenommenen Drittelung bleiben. Wenn sich fürdiese Drtttelung keine Mehrheit finde, müsse eben die Vorlagescheitern. Ein anderer Ausgang war ja eigentlich kaum zu er-warten. Wir freuen uns dieses Ausgangs.(Sehr wahr! bei denSozialdemokraten.) Wir hätten nur gewünscht, daß das Zentrumund die Nationalliberalen dem grausamen Spiel schon früher einEnde gemacht hätten.(Sehr richtig! links.) Sie hätten von Anfangan erklären müssen, mit einer anständigen WahlrechtZvorlage istdoch nicht z» rechnen und die Negtcrungsvarlage ist vollkommenunannehmbar. Das Zentrum hat ja auch heute wieder erklärt, eshabe vieles preisgeben müssen und manches zurückgestellt. Vielbesser wäre es gewesen, wenn das Zentrum sich zu solchen Kon-Zessionen gar nicht hergegeben hätte. Würde diese Vorlage an-genommen worden sein, das Zentrum würde damit die Sachedes Volkes verraten haben, und es hätte sicher bei dergroßen Masse seiner Wähler keinen Dank gcerntet.(Sehr wahr!bei den Sozialdemokraten.) Darüber kann doch kein Zweifel be-stehen, daß die Wahlrechtsvorlage in der gegenwärtigen Form keineWahlreform ist und eine demokratische Wnhlreform schon ganz undgar nicht. Das einzige, was die Vorlage bieten konnte, war dasgeheime Wahlrecht. Aber gerade dieses geheime Wahlrechthat man vollständig preisgegeben und entwertet. Damit hat mandas erreicht, was Freiherr von Zedlitz vorgeschlagen hatte, umden sozialdemokratischen TerrorlSmuS»mnBglich zu machen. Aufdem Lande draußen soll das öffentliche Wahlrecht beibehaltenbleiben. Diesen Wünschen des Frciherrn von Zedlitz ist daS Jen-trum entgegengekommen. Das geheime Wahlrecht, daSuns diese Vorlage bringen sollte, wäre der arbeitenden Bevölkerungkeinen Pfifferling wert gewesen. DaS Wahlrecht wäre auch nachdieser Vorlage lediglich zugeschnitten gewesen auf die Jiitcrcsicn derherrschenden Klassen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten!)Den großen Massen der Wähler auf dem Land« war nach dieserVorlage direkt die Möglichkeit genommen, das Wahlrecht auSzu-üben. ES ist überaus erfreulich, daß diese WahlrechtSvorlage nunim OrkuS verschwunden ist und daß nunfreie Bahn«zeschasfe» ist für einen neuen Wahlrechtskampf,an dem sich diesmal hoffentlich auch das Zentrum beteiligen wird.(Sehr gut! bei den Sozialdemokratin.)Nun zu den Anträgen und zu den wichtigsten Punkten desWahlgesetzes, wie der schwarz-blaue Block sie angenommen bat. Esist nonvendig und wichtig, daß die Haltung der einzelnen Parteienzu den Haiiptbestimmuugen der Reform noch einmal beleuchtet wird.Da war zunächst dieMaximicrung.Man wollte durch die Einführung der Maximierung den über-großen Einfluß des großen Geldsocks abschneiden. Man wollteden Einfluß der Millionäre auf die Gestaltung der einzelnenKlasse» möglichst eindämmen. BIS MaximierungSgrenze sah die Re-gieruii(| 6000 M. an. An dieser MaximierungSgrenze hat nicht ein«mal die Z e n t r u m S p a r t e i festzuhalten versucht. Es ging inseinen Konzessionen an die Konservativen so weit, daß eS derErhöhung der Maximierung von 6000 M. auf 10 000 M. zustimmte,so daß die Bcschneidung deS Einflusses des großen Gcldsacks äuberstbeschränkt wurde.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) DaSHerrenhaus hat dann beschlossen, daß nur S000 M. bezw. 6000 M.aber lediglich von der S t a a ts ei n k o mmensteu er zurAnrechnung kommen sollten. Diesen Beschlüssen des Herrenhause»,die lediglich zugunsten der großen Latifundienbesitzer gefaßt wurden,hat die Regierung zngestimnit. Sie hat also mit einemWort geradezu in eine vollständige Beseitigung ihrer Maximierunggewilligt. Was will nun der Antrag der K o n f e r v a t t v e n, denHerr Friedberg als eine» Antrag bezeichnet hat, auf den manunter Umständen eingehen könne? Er bedeutet nicht ein-mal eine Rückkehr zu den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses,sondern besagt nur, daß auch die Kommunalzuschläge einschließlichder Staatseinkominensteuer über 3000 bezw. über 6000 M. hinausnicht angerechnet werden sollen. Das ist keineswegs identisch mitder Nichtanrechnung sämtlicher Stcuerzuschläge. Wenn jemand in derGroßstadt 6000 M. StaatSeinkommensteuer zahlt und es werden176 Proz. Kommunalsteuerzuschlag erhoben, so sind daS 10000 M.6000 Plus 10 000 M. machen schon 16 000 M. Wenn wir dann dieübrigen Steuern noch hinzurechnen— Grundsteuer, Gewerbesteuer usw.— so ergebt sich ein Betrag von mindestens LOOOO M., derkünftig in Anrechnung gebracht werden kann. Da» ist alsoeine Verdoppelung derSumnie. die vom Abgeordnetenhausbeschlossen war. Auf diesen Antrag kann das Zentrum auf keinenFall eingehen. Er würde kaum 2—3000 Wähler berühren.Auch in der Frage derDrittelung in den Urwahlbezirke«hat die Regierung eine ganz eigenartige Rolle gespielt. Zuerst erklärtesie, eS könne gar nicht voran gedacht werden, daß eine Drittelungüber die Gemeinde vorgenommen oder daß überhaupt größereDrittelungSbczirke eingeführt werden könnten. Di« Drittelung nachUrWahlbezirken bedeute eine» gewissen Schutz des Mittelstandes undder kleinen Leute. Das trifft auch unbedingt zu. Gerade durch dieDrittelung in den UrWahlbezirken haben ja bisher vielfach auch minder-besitzende Wähler in die zweite, ja sogar in die erste Klasseaufrücken können. Wenn in Berlin eine Anzahl s o z i a l d e m o>k r a t i s ch e r Abgeordneter gewählt worden ist. so ist da» nur durchdie Drittelung in den Urwahlbezirken möglich gewesen. Wirddiese Drittelung aufgehoben, dann verschwindet selbstverständlich dieMöglichkeit für die Aibeiterklasse, auch nur einen einzigen Ab-geordneten durchzubringen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Die große Masse der Wähler wäre als» vollstLndtg rechtlos.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Es müßte doch auch für Sieein geradezu unerträglicher Zustand sein, daß die Partei,die auch in Preußen die allermeisten Wähler hat— 600 000 an derZahl— hier durch sechs Abgeordnete vertreten ist, während andereParteien mit weniger Wählern, wie da» Zentrum, mit 105 Abgeordnetenvertreten sind. Die Partei de« Freiherrn von Zedlitz mit ihren 36 000Urwählern schickt sogar jetzt 60 Abgeordnete hierher.(Hört! hört! bei denSozialdemokraten.) Gerade die Regierung hatte die Drittelung inden UrWahlbezirken als etwa« bezeichnet, was der übermäßigenP l u t o k r a t i s i« r u» g des Wahlrechts wenigstens bis zu ememgewisse» Matze entgegenwirkt. Daher ist es ganz unbegreiflich, wiedieselbe Regierung im Herrenhaus für eine andere Drittelungeintreten konnte. Was soll man zu einer solchen Regierung sagen?Wir Sozialdemokraten wissen ja, was wir davon zu halten haben.Wir wissen, weshalb die Regierung gtrade den Wünsche» desgroßen Geldsackes entgegen kommt. Ist sie doch eine Klassen-regierung. ein Ausschuß der herrschenden Klassen.(Sehrrichtig I bei den Sozialdemokraten.) Wenn sie da« nicht tun würde,es würden für sie daraus mancherlei Unannehmlichkeitenerwachsen. Wenn die Regierung so unbedingt den Wünschen undForderungen de» großen Geldsacks entsprechen will, dann hätte siewenigstens so vorsichtig sein sollen, in der Begründung der Vorlageauf die günstige Wirkung der Drittelung in den UrWahlbezirken nichthinzuweisen. Die Beseitigung der Drittelung in den UrWahlbezirkensollt«, da« hat auch Freiherr v. Zedlitz ausgeführt, hauptsächlichdem Uebelstande abhelfen, daß auch reiche Leute uuter Umständenin der dritten Klasse wählra. Daß die große Masse des Volkes.die Masse der Arbeiter, der kleinen Bauern und kleinen Beamtenin der dritten Klasse wählen muß. daü verstehtsich ganz von selbst. Freiherr von Zedlitz hält«S für ganznatürlich und Wünschenswert, daß diese Massen vollständig entrechtetsind. Aber das unter Umständen ein Mann wie Fchrst Bülow,bevor er seine Erbschaft gemacht hatte, in der dritten Klasse wählenmußte, daß ist für ihn ungeheuerlich. Wenn die Minister mit ihrenKutschern und Schustern in der dritten Klasse wählen müssen, so istdas das Unerträgliche, und deshalb will man die Drittelung in denUrwahlbezirken beseitigen. Natürlich hat Herr von Zedlitz nebenbeinoch den sehnsüchtigen Wunsch, die wenigen Sozialdemokraten hierim Hause möglichst herauszuwerfen. Als ob wir Sozialdemokratennicht gerade die Bcrtreter der großen Masse des Volke« wären.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Unter dem Schutze deSgeheimen Wahlrechts bei den Neichstagswahlen sind nichtlveniger als1800 000 Stimiiien für die Sozialdemokratie in Preußenabgegeben worden, und bei der öffentlichen Wahl haben immernoch mehr als 600 000 Wähler ihre Stimmen für die Sozialdemo-kratie abgegeben. Wenn ich etwas wie ein Empfinden für politischeGerechtigkeit und Billigkeit bei Herrn v. Zedlitz und seinen Freundenvoroussctzen könnte, ich würde daran appellieren. Ich verzichteaber darauf, weil ich ein solches Empfinden bei den Herrenüberhaupt nicht vorauszusetzen vermag.(Sehr wahr Ibei den Sozialdemokraten.) Nun ist es sehr eigentümlich, daß dieKonservativen in dieser Beziehung den Wünschen des Herrenhauses und des Herrn v. Zedlitz entgegeukommen und dieDriitelungsbezirke bis ans 5000 Personen vergrößern wollen. Dasbedeutet auch eine außcrerdciitlichr Schädigung der Interessen derarbeitende» Bevölkerung. Herr v. Heydebraud hat erstbeute wieder behauptet, daß die Konservativen die Jyter-essen des kleinen Mannes und des Mittelstandes ver-treten. Wie kann man dann aber einen solchen Antrag stellen!(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Allerdings habe» ja dieKonservativen vom M i t t e l st a n d eine eigentümliche Vorstellung.Die„Kccuzztg." hat den Mittelstand in zwei Gruppen eingeteilt.Die erste Gruppe von 3000 bis 9600 M. Einkommen warder kleine Mittelstand.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.)Und die zweite Gruppe des Mittelstandes waren diejenigen miteinem Einkommen von 9500 bis 30 500 M. Wenn Sie dieLeute mit solchem Einkommen zum Mittelstande rechnen, dann habenSie allerdings recht, daß dieser Mittelstand eine große Rolle auchbei dem Dreiklasienwahlrecht spielt. Faßt man aber den Begriffde« Mittelstandes so wie die Regierung, daß man nämlich zu ihmdie Leute mit 1600 bis 6500 M. Einkommen rechnet, dannwerden durch den Antrag, zu dem sich jetzt die konservative Parteihat bereit finden lassen, gerade deren Rechte und Interessen in derschlimmsten Weise geschädigt und grsährdet. Ich verstehe, daß da«Zentrum das Odium eines solchen abermalige» VolkSverrats nichtauf sich nehmen mag und erklärt: auf diese Dinge können wir unSnicht einlassen. Hoffentlich bleibt daS Zentrum fest. DieNattonalliberalen wollen, daß die HerrenhauSbeschlüsseauch hier angenommen und daß so die großen Massen, desVolkes vollständig entrechtet werden. Wie das eine liberale Parteimit ihrem politischen Gewissen vereinbaren kann, ist mir völlig un-begreiflich. Sie kann sich auch nicht durch Unwissenheit und Naivitätschützen. In der Kommission hat der nationalliberale Abgeordnete,der die Vergrößerung der Drittelungsbezirke verlangte, erklärt:Wenn davon die Sozialdemokratie einen Nachteil hat, dann zieheich den Antrag sofort zurück.(Hört! hört! bei den Sozial-demokraten.) Inzwischen ist das den Herren unzähligeMal« klar gemacht morden. Da darf«ine liberale Parteinun erst recht nicht ihre Hand zu einer solchen Maß»nähme bieten.(Abg. Hoffmann: Sie nennt sich ja bloß liberall)Die von den Nattonalliberalen beantragteErhöhung der Miuimicrnngkommt in diesem Stadium der Verhandlungen überhaupt nicht mehrin Frage. Daß diese beantragte Erhöhung nicht schon angenommenist, ist lediglich Schuld de« Zentrum». Die beantragte Minimterungwäre immerhin eine verhältnismäßig nicht unwesentliche Verbesserungde« Wahlrecht« zugunsten des Mittelstande» und der Arbeiterklassegewesen. Aber das Zentrum hat diese Verbesserung nieder-gestimmt, ebenso einen freisinnigen Antrag, der darauf hinauslief,daß in der ersten Klasse mindestens'/s. in der zweiten Klassemindestens s/. und in der dritten Klasse mindestens a/B der Wählervorhanden fein müssen. Es war ja überhaupt eine ganz eigen«artige Konstellation tn der Wahlrechtskommission. Man erivarieteeinen Zusammenschluß aller Wahlrechtsfreunde zu einem Block derLinken. Da« Zentrum ober hat sich sogleich zu den Kon-servativen geschlagen und die Anträge der Linken abgelehnt. EShat immer die Ausrede gebraucht, daß sonst überhaupt nichts zustandegekommen wäre.(Sehr richtig! im Zentrum.) Nun, e« wird hoffentlichauch nichts zustande kommen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo»kraten.) DaS Zentrum hat sich umsonst blamiert bis auf die Knochen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Lärm im Zentrum.)Warum ist da» Zentrum nicht mit den Nationalliberalen zusammen-gegangen, die doch wahrhastig keine enragierten Demokraten sind?Wenn damals die Vorlage gescheitert wäre, dam» hätte sich da«Zentrum wenigsten» nicht allzu sehr blamiert. So aber trägtes da«Odium de« BolkSverratSmit hinaus in« Land.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemo-traten. Lärm im Zentrum.) ES wird dafür büßen müssen bei dennächsten ReichStagSivahlen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.Widerspruch im Zentrum.) Umsonst schiebt da« Zentrum dieKulturkampfpaukerei nicht in den Vordergrund deS öffentlichen Lebens. ES hat auch seine guten Gründe, wenn da« Zentrumoffene Aussprachen mit Sozialdemokraten in seinen Versammlungenscheut. Das ist die Courage, die da» Zentrum hat! Run, wirwerden dafür sorgen, daß die Taktik des Zentrums überall erkanntwird.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Auch an der Frage derKulturträgerist da? Zentrum nicht schuldlos. ES hat selbst einen Antrag aufPrivilegierung der Akademiker eingebracht und durchgedrückt. Wiekann sich da Herr Herold hierherstellen und die Herrenhaus-beschlüsfe beklagen. Eigentümlich ist. daß sich die Nattonalliberalenauf einen ähnlichen Standpunkt gestellt haben. Sie haben einenAntrag gestellt, daß alle Leute mit einem Einkommen von 2700Mark, die über dreißig Jahre alt sind, in die zweite Klasseaufrücken sollen. Die ganzen Kulturträgeranträge laufenletzten Endes darauf hinaus, daß dir Klasscnschcidung nochviel schärfer und brutaler ausgestaltet«erden soll. Die so-aenaimte Bildung ist doch heute auch nur ein Privilegium de« Be«sitz-S.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Da« können dochselber die Konservativen nicht bestreiten. Gegen die Kulturträgerhat sich früher auch die.Kölnische Volkszeitung* ausgesprochen, diegeschrieben hat, daß die Persönlichkeit Bebel« oder eine« Giesbert«den Beweis dafür lieferten, daß man auch ohne akademisches Studiumund ohne die Ablegung eines ExanienS sich ein sehr hohe« Maßvon allgemeiner Bildung aneignen könne. Und jetzt hat sich daSZentrum selbst bereit finden lassen, für solche Kulturträger zustimmen.(Hört! hört! links.) DaS ist Zentrumstheorie undZentrumSpraxi»! Wer sind denn die wirklichen Träger der Kultur?Wenn heute beispielsweise ein Schiller leben würbe, so würde erwahrscheinlich kein Kulturträger sein.(Heiterkeit link».) Im Herren-hause freilich hat«in Mitglied gesagt. Schiller wäre doch unterdie Kulturträger aufgenommen worden, denn er habe ja seinmedizimsche« Examen gemacht!(Heiterkeit links.) Da« stimmtnicht, denn er ist schon frühzeitig der KarlSschul« entlaufen. DaßSchiller aus Grund seiner dichterischen Werke, etwa der Räuber, desDon Carlos wegen oder gar wegen Kabale und Liebe(Zurufbei den Sozialdemokraten: Wilhelm Telll) zum Kulturträgergemacht worden wäre, glaube ich nicht. Friedrich Hebbelwar gar nur ein einfacher Kirchspielschreiber und auchPeter Rosegger wäre in Preußen kein Kulturträger. G e r h a r tHauptmann hat nicht einmal das Einjährigen-Examen abgelegt.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Aber Laufs!) Laust selbst«verständlich! Sie sehen, daß die Männer, auf die Deutschlandstolz sein kann, nicht unter deu KulturtrSgerparagraphe« fallenwürde«, sondern nur die Leute mit einer abgestempelten Bildungund irgend einem Examen. Auf diese formale Bildunggeben die hervorragendsten Gelehrten nur sehr wenig. Auchder nationalliberale Antrag, die Privilegierung erst nach dem30. Lebensjahre«intreten zu lassen, rrifft nicht daS Richtige. Prof.O st w a l d hat erst kürzlich nachgewiesen, daß die großen Denkerund Dichter ihre größten Leistungen vor dem 30. LebenS-jähre vollbracht haben.(Hört I hört I links) ES ist einfachempörend, daß die große Masse des Volkes, die doch eigentlich erstalle wirtschaftlichen und geistigen Werte schafft, absolut nicht« zusagen hat, wenn eS ihr nicht gelingt, etwas über die Hälfte derWahlmänner auch der zweiten Klasse auf ihre Seite zu bringen.So sorgen dir Konservativen, so sorgt das Zentrum und so sorgendie Nattonalliberalen für den Mittelstand.Nun hat Freiherr von Zedlitz zuletzt ein Klagelied darüber an-gestimmt, daß die Vorlage scheitern werde. Er meint« zwar auch,daß die Wahlrechtsvorlage wiederkommen werde, aber es seisehr fraglich, ob sie dann so ausfallen»verde, wie sie diesmal ans-gefallen iväre. Das ist ein wahres und ehrliches Wort desFreiherr» von Zedlitz. Es besieht allerdings für die Reaktion dieGefahr, daß die neu« Wahlrechtsvorlage viel radikaler und demo-kratischer miSfallen inuß, als die jetzige.(Lebhafter Wiedersprnchrechts, wiederholte Zustimmung Imf«,) Hoffentlich legt sich dasZentrum da nicht ans die Bärenhaut und greift aktiv in denWahlrechtSkanipf ei». Bei den Nattonalliberalen werden die Jung-liberale» die Abgeordneten auf ihre Pflicht aufmerksam machen.Wenn Sie(zu den Nationalliberalen) auch diesmal mit einemblauen Auge davon gekommen sind, Sie haben einen ganzunerhörten Dnfel gehabt.(Heiterkeit links.) Sie haben Ihre radikalklingenden Anträge erst gestellt, als Sie die Anträge der Kon-servativen bereits kannten.(Widerspruch bei den Nationalliberalen.)Nun, im Lande ist der Eindruck vorhanden. Sie wußten nicht, wasSie machen sollen, und haben gewartet, bi« Sie erfuhren, daß dieKonservattven von Ihnen nicht« mehr wissen wollten.(Sehrrichtig I link«, Wideripruch bei den Nattonalliberalen.) Die Be-schwerde deS Abgeordneten Friedberg, in der Presse würdenso viele Unwahrheiten verbreitet über die internsten Angelegen-heiten der nationalliberalen Partei, wäre am besten an dieAdresse der Nattonalliberalen selbst zu richten gewesen.(Sehr richtig Ilinks.) Gerade in der nattonalliberalen Presse ist der Krieghin- und heraegangei», und es hat lange gedauert, bis die Presseeinig war. Hoffentlich hält die Partei jetzt an den nattonalliberalenGrundsätzen fest. Es wird eine neue Vorlage kommen, zu der dieNattonalliberalen werden Stellung nehmen müssen. Wenn dann auchdie Freisinnigen ihre Schuldigkeit tun, dann muß sich das Zentrumder Linken anschließen»md nicht Herrn von Heydevrand.(Sehr wahr! links.) Dann wird die neue WahlrechtSvorlage eineganz andere Form annehmen, als der jetzige schensälige Wechselbalgsie hatte. Dieser Wechselbalg wird ja jetzt glücklicherweise scheiternund wir alle freuen unS darüber.(Bravo I link«.) Auch dem Zentrumwird ein Stein vom Herzen fallen, da es jetzt m», alle Verantwortunglo» wird. Scheitert die WahlrechtSvorlage auch beim zweiten Mal.so wird sie ein drittes Mal komme«, bis Regirrung und Herrenhausmürbe gemacht sind. Wir werden die Wahlrechtsfeinde vor demVolke draußeii brandmarken und entlarven. Wenn das geschieht undwenn alle wahlrechtSsreundlichen Parteien zusammengehen, dann wirdetwas Besseres beranSkommen. Wenn das Zentrum sich abermals ineinen Schacher- und in einen Kuhhandel für die Konservativen einläßt,dann tvird ein von diesem schwarz-blauen Block beschlossenes reaktionäresWahlgesetz nur von kurzer Dauer sein.Es würde von einem Sturm de» Uuwillrn« hinweggefegt«erden.Man müßte ja an der Einsicht und an dem Verstände des Volkesverzweifeln, wenn es in seiner Mehrheit nicht zu oer Ueberzengunggelangte, daß eS allerhöchste Zeit ist, das allgemeine unvgleiche Wahlrecht in Preußen zu erobern. Unendlich wichtigeFragen, die Fragen der S t a a t s b e t r i e b e, der I u st i z, derPolizei und oer Schule, alles steht auf dem Spiele. Dabat das Volk alles Interesse daran, seinen Anschauungenhier zum Siege zu verhelfe». Die arbeitende Bevölkeruiig und diesozialdemokratische Partei»verden dafür sorgen, daß der Wahl»rechts stürm iinmer mehr ansch»villi und alleReaktionäre hinwegfegt.(Lebhafter Beifall bei denSozialdemokraten.)Abg. Frhr. v. Richthofrn(k.): Herr Ströbel hat un« nicht«Neues gesagt. Es ist hier so viel von Maximierung undMinimierung die Rebe. In beziig auf de» Kräfteauflvand und dieLänge seiner Rede gilt da« Wort von der Maximierung, bezüglich desInhalts kommt aber die Minimiernng in Betracht.(Heiterkeit rechts.)Dr. Friedberg hat mir unfreiwilligen Humor vorgeworfen. Wennin an im GlaShause sitzt, soll man nicht mitSteinen lverfen. Ich könnte mit einer Retourkutsche auf dieNattonalliberalen aiitivorten, aber die Situation ist dazu zu ernst.Die Nattonalliberalen wollen die Kulturträgereigenschaft auch den«jenigen geben, die 2700 M. Einkommen haben und 30 Jahre altsind. Warum wählt man nicht 40 Jahre? Mit 40 Jahren darfman einem nattonalliberalen Jngcndverein nicht mehr angehören.Wir sind mit dem Ministerpräsidenten ganz einverstanden, daß«rein« bessere Ansicht entschieden vertreten iviro.Wir wünschen ein parke, energische Regierung.(Lachen links.) Am 16. März erklärte der Ministerpräsident, daßsich die Regierung mit den Beschlüssen deS Abgeordnetenhausesabfinde, bis auf Einzelheiten. Wir hielten darum alle anderenFragen, auch die der Drittelung, für eine Rebenfrage. Etwasanderes wäre es gewesen, wenn der Ministerpräsident erklärt hätte,daß die Drittelung eine Hauptsache sei. Wir haben uns dannnatürlich gewundert, daß diese Nebenfrage auf einmal im Herrenhausezum Kernpunkt der ganzen weiteren Gestaltung des Gesetzes gemacht»vurde.(Sehr richtig! rechts.) Die indirekte Wahl ist auch nach Ansichtgroßer Nationalltberaler früherer Zeit ein wesentlicher Faktor für eineruhige Politil. Die Regierung hätte von ihr nie abgehen, hätte an denGrundlagen unseres WahlftiftemS nicht rütteln sollen.(Sehr richtig lrechts.) Nun hat Herr von Zedlitz behauptet, wir kämen von derSchuld nicht lo». die öffentliche Wahl beseitigt zu haben. Wir Ve-finden uns da in guter Gesellschaft, denn Herr v o n Z e d l t tz hatmit seinen Freunden auch für die geheime Wahl gestimmt und sichnoch vor Einbringung der Wahlvorlage in einem Berliner Blatteebenfall« dafür erklärt.(Große Heiterkeit.) Er hat am wenigstenVeranlassung, uns gewissermaßen den Vorwurf zu machen, daß wirleichtsinnig Prinzipien preisgegeben hätten.Auch in der Dritte lungsfrag« war e« Freiherrv. Zedlitz, der seinerzeit zu allererst den Antrag, betreffend dieDrittelung in Urivahlbezirken eingebracht hat.(Hört l hört!) Frei-Herr v. Zedlitz hat zwar das bei der dritten Lesung damit zu recht-fertigen gesucht, daß er sagte, das sei damals notlvendig gewesen.um die Zlistimmung de« Zentrums zur Miquelschen Steuerreform zuerkaufen, er habe aber geivußt, daß er damals eine Dummheitbegangen habe. Gerade die MittelstandSleute in meinerFraktion betonen mit aller Entschiedenheit, wir sollen inden Konzessionen gegenüber dem Herrenhause nicht zuweit gehen. Unser Antrag bezüglich der Drittelung entsprichtwörtlich der Fassung, wie sie die Kommission des Herrenhauses inder zweiten Lesung beschlossen hatte. DaS bedeutet doch gewiß einEntgegenkomme» gegenüber dem Herrenhause. Ebenso haben wirbezüglich der Maximierung einen vermureliiden Antrag gestellt. Wirsind hier nicht so plutokratisch»vie das Herrenhaus. Dir Freund-schaft sür de» Kulturträgcrparagraphcn ist in meiner Parteiimmer geringer geworden. Bei aller ernster Absicht hatsich die Sache nahezu als Unmöglichkeit herausgestellt.(Sehrrichtig I rechts.) Wenn man gewissen Leuten, die sich in derSelbstverwaltung verdient gemacht haben, ein erhöhtes Wahlrechtzuspricht, könnte man eS auch denen, die sich in ehrlicher Arbeit, inLandwirtschaft und Industrie bewährt haben, nicht vorenthalten. Meinepolitischen Freunde sind zwar bereit, diesen Gedanken irgend wie näherzu treten, aber die Mehrheit meiner Partei ist für Ttreichung de«ganzen Kulturträgerparagraph»«.(Beifall.) Wenn jetzt aus diesenVerhandlungen kein greifbare« Resultat zustande kommt, so wird dieRegierung mit un» der Ansicht sein, daß es sehr gefährlich und sehr