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bedenklich ist, an de  » Gniiidlagen des bewährten preußischen Wahl- rechts zu riittelm(Beifall rechts, lautes Gelächter links.) Die äußerste Linke will nicht nur ein Wahlrecht für 20jährige Männer und Mädchen, sondern ein Wahlrecht, daS dazu beitragen würde, nicht bloß über die Rechte dieses Hauses zur Tagesordnung über» zugehen, sondern auch über die Rechte der Regierung und der Krone und damit über das Fundament unseres Staatslebens.(Lebhafter Beifall rechts; Unruhe und großes Gelächter links,) Abg. Dr, Schiffer(natl,): Die Ausführungen des Vorredners neben mir keinen Anlaß zu längeren Ausführungen. Ich will nur seststellen, daß er von allen den Anträgen nur einen einzelnen herausgegriffen hat und nicht, um ihn ernsthaft zu besprechen. sondern nur, um an ihm ferne Witze zu üben.(Sehr gut I links.) Und dieser Antrag war der, der im Interesse des Mittel­standes liegt, der einzige, der beim Kulturträgerparagraphen zu- gunsten des Mittelstandes gestellt worden ist.(HörtI hört! lrnks.) Statt diesem Antrag zugunsten des Mittelstandes Beachtung zu schenken, macht Frhr  , v. Richthofen seine Witze darüber.(Sehr gut! links.) Herr V. R i ch t h o f e n hat nun der Staatsregierung den Vorwurf geniacht, daß sie bei einer verhältnisniäßig nebensächlichen Sache die Schicksalsfrage stellt. Derselbe Vorwurf trifft auch die Kow servativen. Warum sind sie gerade bei diesem Punkte zu keiner Berständi- gung bereit? Es handelt sich dabei doch um keine Ueberzeugungssache. Für die Konservativen sind ganz andere taktische Gründe maß- gebend.(Zustimmung links, Widerspruch rechts.) Ist denn die Dntteluiigsbestimmung sakrosankt? Wir haben Ihnen doch den richtigen Weg gewiesen.(Lachen rechts.) Unsere Anträge haben den Vorzug, daß sie vernünftig sind und daß sie daS Zentrum nicht privilegieren. Wir wollen eine gerechte Aus- gleichung aller Interessen im Lande.(Zuruf b. d. Soz.: Wir aber sollen heraus aus dem Parlament.) Herr S t r ö b e l hat sich zum Träger und Wiedergeber von Zeitungsklatsch gemacht. Die törichte Legende, daß wir erst die Anträge anderer Parteien abgewartet haben, ehe wir den ablehnenden Fraktionsbeschluß faßten, ist unwahr. Wir vertragen recht gut Rede und Gegenrede in unserer Partei. weil wir unS eine freie Ueberzeugung bilden wollen. Nun hat der bedeutungsvolle Herr v. Zedlitz hier Zensuren verteilt. Ruhmeskränze werden ihm diesmal nicht gewunden.(Heiterkeit.) Er hat beinahe blutige Tränen über unser Schicksal geweint.(Heiterkeit.) Dafür sind wir ihm herzlich und aufrichtig dankbar. Wir wissen ja, daß sein Schmerz uneigennützig ist, daß er nur aus Nächstenliebe und besonderer Neigung zu uns so handelt. (Heiterkeit.) Von Zeit zu Zeit höre ich Herrn v. Zedlitz gern. (Heiterkeit. Zuruf im Zentrum; Und hüte mich, mit ihm zu brechen l Erneute Heiterkeit.) Aber wir machen unsere Politik schon so, wie wir eS für richtig halten. Daß wir in der Finanzreform auch das Richtige getan haben, wird eine erfolgreiche Zu- kunft lehren! Herr v. Zedlitz hat als Zensor uns eine recht schlechte Zensur erteilt. Er hat uns geraten, den Sperling in der Hand zu nehmen. Dieses Federvieh ist aber bereits so gerupft, daß es eine kulinarische Schmeichelei ist, ihn als Sperling zn be- zeichnen.(Heiterkeit.) Nicht wir find am Scheitern der Vorlage schuld, sondern die Konservativen. Dr. Friedberg hat ein etwas schwan- kendeZ Bild der Persönlichkeit des Herrn v. Zedlitz gegeben. Wir fragen uns, wie kommt der kluge Herr v. Zedlitz gerade dazu, uns solche Vor- würfe zu machen, wie sie auch im.Berliner Tageblatt" erhoben wurden? Wir sind in letzter Zeit der Mittelpunkt verschiedener zärtlicher Auf- merksamkeiten in der Presse gewesen. Lob und Tadel lassen uns aber völlig kalt. Man versteht aber den Eifer des Herrn v. Z e d li tz, wenn man im.Tageblatt" liest, daß er sich in E l b e r- f e l d für ein Zusaminengehen der rechten Elemente der Nationalliberalen mit den Fceikonservativen ausgesprochen hat. Eliao illae laciymae(Daher diese Tränen). Das Ergebnis der Beratung ist, daß daS öffentliche Wahlrecht tot ist und nicht mehr auferstehen wird.(Beifall links; Widerspruch rechts.) Die Kon- servativen haben ihm den T o d e s st o ß gegeben.(Widerspruch rechts.) Das können Sie nicht verwischen, daS ist in der Geschichte eingegraben. Die indirekte Wahl ist tot. die öffentliche Wahl.ist tot, die Drittelung im Urivahlbezirk ist t o t.(Zuruf bei den So- zialdemokraten: Auch der Herr v. Zedlitz ist tot! Große Heiterkeit.) Präsident von Kröcher: Konnnen wir endlich wieder zum Leben zurück.(Erneute Heiterkeit.) Abg. Schiffer: Ihr Lachen beweist, daß Sie dem Ernst der Situation nichr gewachsen sind. Wir haben einen moralischen Sieg für unser Volk erfochten. Praktische Siege werden folgen.(Stür- niischer Beifall links, heftiger Widerspruch rechts und im Zentrum, lebhafte anhaltende Unruhe, Hoffmann(Soz.) ruft: Ruhig, der Leutnant kommt! Heiterkeit.) Damit schließt die Generaldebatte. Es folgt die Einzelbesprechung. Die ßZ 1 bis 5 werden unter Ablehnung der nationalliberalen Anträge angenommen. Abg. L e i n e r t(Soz.), der auf die Rednertribüne steigen will, verzichtet, als ihm von allen Seiten heftiger Widerspruch entgegentritt. Zum§ ki, der die Drittelung behandelt, erhält Abg. Freiherr V. Zedlitz das Wort.(Le inert(Soz.) ruft: Hei lewer noch! Große Heiterkeit.) Der Redner bedauert nochmals, daß eine Ver- ständigung ausgeschlossen erscheint. Abg. Dr. Friedberg(natl.): Sehr geschickt hat Frhr. v. Zedlitz seine vermittelnde Tätigkeit nicht ausgeübt. Er hat an allen Ecken und Enden angestoßen. Man sollte hieraus die Lehre ziehen, bei späteren Gelegenheiten Herrn v. Zedlitz nicht mehr zum Vermittler zu wählen. Abg. Borgmann(Soz.): Herr v. Zedlitz hat einmal vor zwei Jahren erklärt, er würde von» politischen Leben zurücktreten, wen» man von ihm sagen könne, daß eS mit seiner politischen Bildungssähigkeit aus sei. Dieser Zeit- Punkt scheint mir jetzt gekommen zu sein. Er kann sich höchstens rückwärts entivickeln wie ein Krebs.(Heiterkeit.) Ich kann nach all den Vorgängen der letzten Wochen Herrn v. Zedlitz nur den dringenden Rat geben: Geh' in ein Kloster, Octavio, verlasse die sündige Welt. (Allgemeine Heiterkeit.) In der nun solgenden Abstimmung werden sämtliche Anträge der Konservativen gegen die Stimmen der Konservativen und, so- weit sie die Regierung für unannehmbar erklärt hat, auch gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Für den Z 6 selvst stimmen nur die Freikonservativen und ein Teil der National- liberalen. Der§ 6 ist demnach abgelehnt. Ministerpräsident v. Bethmann Hollweg  : Durch diese Beschlußfassung ist eine Lücke im Gesetz entstanden. Es gibt nach Ihren Beschlüssen keine Bestimmungen darüber, in welcher Weise die Abteilungsbildung erfolgen soll. Nach der Stellung, die die verschiedenen Parteien diese« Hauses zu der Frage eingenommen und in diesen Beschlüssen bekundet haben, ist nach Auffassung der Staatöregierung die Aussicht auf eine Verständigung über diesen Bestandteil der Borlage ausgeschlossen. Ich er- kläre infolgedessen im Namen der königlichen Staatsregierung, daß sie auf dir Weiterberatuug des Gesetze« keine» Wert«ehr legt. (Allseitiger lebhafter Beifall.) Vizepräsident Dr. Porsch: Di- weitere Beratung der Wahlrechts« vorläge ist damit gegenstandslos geworden.(Heiterkeit und Be- �egung.) Hierauf vertagt sich das HauS auf Sonnabend 11 Uhr. Kleinere Vorlagen. Schluß 4 Uhr._ Gerichts- Zeitung* Macht geht vor Recht. Vor dem Schöffengericht Rixborf, Abteilung Jugendgericht, spielte sich unter Vorsitz des Amtsrichters Sauermann am Mitt- woch eine Verhandlung ab. die außerordentlich scharf illustriert� wie stark der im Irrtum ist, der da glaubt, vor Gericht Recht erhalten zu müssen. Angeklagt war der 17jährige Hausdiener Lorenz. Er soll am 13. Februar gegen 2 Uhr nachmittags an der Ecke der Anzengruber- und Kaiser-Friedrichstraße bei einem Zuge von etwa ISOO Personen der zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit und Ruhe auf der öffentlichen Straße ergangenen Anordnung des Polizeileut- nants Schäfer, weiterzugehen, nicht unbedingt Folge geleistet haben. Der Angeklagte bestritt entschieden, irgendeine strafbare Handlung begangen zu haben und stellte den Hergang folgender- maßen dar. Er sei mit mehreren Bekannten durch die Kaiser- Friedrichstraße nach der Berliner Straße zu gegangen, keinerlei Aufforderung sei an ihn ergangen. Plötzlich sei er von dem Polizei. leutnant festgenommen und dem Vizewachtmeister Moldenhauer übergeben worden. DaS würden seine von seinem Vater, der als Beistand erschienen war, geladenen neun Zeugen bekunden. Sie würden weiter bekunden, daß der Polizeileutnant eine andere Person verhaftet gehabt hätte, diese habe sich losgerissen, und an dessen Stelle �ei er nun gepackt. In der Beweisaufnahme bekundete der Wachtmeister Molden- haner nur, daß er den Angeklagten vom Polizeileutnant in Empfang genommen habe. Die Aussage des Polizeileutnants selbst stand diametral der der übrigen sieben vernommenen Zeugen ent- gegen. Er behauptete, eS fei aus der Menge heraus mit Steinen geworfen worden; der Angeklagte sei verhaftet, weil er nicht weiter- gehen wollte. Er habe niemand vorher verhaftet, der ihm aus- griffen wäre. Sieben Zivilzeugen bekundeten hingegen, der Fall sei in der Tat so gewesen, daß der Leutnant eine Person sistiert habe, diese habe sich losgerissen und an ihrer Statt sei der An- geklagte gepackt worden, an den eine Aufforderung, weiter zu gehen, nicht gerichtet wurde. Das Gericht beschloß, von der Vernehmung der weiteren Zeugen Abstand zu nehmen, wiewohl der Batcr des Angeklagten dringend bat, diese doch zu vernehmen, weil sie be- künden würden, daß der Polizeileutnant so aufgeregt gewesen fei, daß ihm der Schaum vor dem Munde gestanden habe. Vergeblich hatte der Vater wiederholt gebeten, einige Fragen an den Polizei- leutnant richten zu dürfen. Der Borsitzende meinte kurzweg: Fragen dürfen Sie nicht, das tue ich! Der Polizeileutnant wurde nach der Vernehmung eines jeden Zeugen voni Vorsitzenden befragt, blieb aber bei seiner Bekundung. Die Meldungen der Zivilzeuge«, daß auch sie noch etwas zu sagen hätten, ließ der Vorsitzende unbe- achtet. Nachdem sich das Gericht zunächst zurückgezogen hatte, richtete der Vorsitzende wieder einige Fragen an den Polizeileut» nant. Nach deren Beantwortung bat abermals der Bater, ihm Fragen zu gestatten. Das wurde abermals abgelehnt. Als das Gericht sich zurückzog, bemerkte der Vater: Macht geht eben vor Recht. Da sprang der Amtöanwalt auf und beantragte gegen den Bater drei Tage Haft wegen Ungebühr! Das Gericht zog sich zurück und verkündete dann zunächst das Urteil, daß der Angeklagte zu sechs Mark verurteilt sei, weil die glaubhafte Aussage des Polizei- leutnants die Anklage beweise. Ferner wurden dem Bater wegen Ungebühr 50 M. Geldstrafe, im Nichtbeitreibungsfalle fünf Tage Haft, auferlegt. Gegen das Urteil sowohl wie gegen den Beschluß sind natür- lich die notwendigen Rechtsmittel eingelegt. Die Verhandlung zeigt, wie eine Verhandlung nicht stattfinden soll. Der Richter hatte die Zeugen, die sich meldeten, um noch etwas zu bekunden, zu vernehmen. Es lag auch ferner nicht der geringste Grund vor, die beiden noch geladenen und erschienenen Zeugen, die über den so wichtigen Punkt, ob der Polizeileutnant aufgeregt war, eine Be- kundung machen sollten, nicht zu vernehmen. DaS Fragerecht stand dem Beistand zu. Freilich hatte er nicht direkt den Zeugen zu befragen, sondern die Fragen durch den Vorsitzenden vorlegen zu lassen. Das kann ein Nichtrechtskundiger nicht wissen. Der Vor- sitzende hat schon von Amtswegen alles zu tun, um einen Sach- verhalt aufzuklären, um wieviel mehr der Vorsitzende eines Jugend- gerichtshofs, den der Vater um Vorlegung einiger Fragen ersucht. Ueberdies war er verpflichtet, nach jeder Zeugenaussage den An- geklagten zn befragen, ob er etwas zu erklären habe, und ihm wie seinem Vater nach der letzten Zeugenaussage nochmals das Wort zu geben. Das hat er nicht getan. Sieben Zivilzeugen, durchaus unbescholtene Leute, sollten endlich doch mindestens so viel Glaub- Würdigkeit besitzen, wie ein Polizeileutnant, dessen Wahrnehmung begreiflicherweise durch die Ausregung, in der er sich befunden haben mag, getrübt war. Die tieffte Kluft zwischen gesundem Rechtsgefühl und Richtcrspruch zeigt« aber das Gericht, als es gar eine Ordnungsstrafe und gar von so außerordentlicher Höhe gegen den Vater deshalb verhängte, weil dieser, dem und dessen Sohne entgegen dem Gesetz das Wort verschränkt war, den wahren Ausspruch:Macht geht vor Recht!" schon vor Fällung des Urteils tat. Auch wenn, wie wir annehmen, das Kammergericht diesen ungeheuerlichen Beschluß aufheben sollte, verliert der mit- geteilte Vorfall nichts an seinem Wert zur Jllustrierung, weshalb ein so tiefes Mißtrauen gesund fühlender Staatsbürger gegen die Rechtspflege in Preußen herrscht und herrschen muß. Der Zeuge ohne Stehkragen. Kürzlich wurde unter dem Vorsitz des Herrn Amtsgerichtsrats Grützner beim Chemnitzer   Schöffengericht in einer BeleidigungS- fache verhandelt. Unter anderem marschiert auch ein sauber ge- kleideter Zeuge auf, dessen Hals pfui« kein steifgestärkter Leincnkragen. sondern der simple Kragen eines Sporthemdes zierte. Die Züge des Herrn Amtsgerichtsrates wurden düster.Warum haben Sie keinen Kragen an?" wandte er sich an den Zeugen,Sie werden dafür bluten müssen, wenn Sie sich nicht ordnungsmäßig kleiden können." DaS war am Anfang der Verhandlung. Bei der Zeugenvernehmung gestattete er sich die Frage noch einmal. Der Zeuge, ein Arbeiter, versicherte, daß er schwere Arbeit zu verrichten habe, aus diesem Grunde könne er die gewünschten Kragen nicht gebrauchen. Darauf der Herr Vorsitzende:Ich glaubs Ihnen zwar nicht! Aber weil Sie eine so schöne Ausrede haben, will ich sie gelten lassen." Der Herr Amtsgerichtsrat hatte also in einem Anfalle von richterlicher Milde seine Drohung von dem Blutenlassen nicht wahr gemacht. DaS ist edel gehandelt und verdient registriert zu werden. ES ist aber ein bedauerlicher Mangel, daß für unsere Ge- richte noch keine Kleiderardnung existiert, die Stiefelgröße, Hosen- weite. Kragenhöhe,-steife und-färbe und eventuell noch Schnurr- barttracht genau bestimmt. Es könnte dann gleich bei der Zeugen. ladung die Garderobezusammenstellung vermerkt werden, und alle für Richter, wie Herrn Grützner. so betrüblichen Zwischenfälle wären vermieden. Gegen solche Kleiderordnung hätten wir nichts einzu- wenden. Freilich müßten die Kosten für die Beschaffung derGe- richtökosten" vom Staat getragen werden. Dann käme so mancher endlich zu Kleidungsstücken, die er sich oft schon gewünscht, deren Beschaffung aber der schwarzblaue Steuerdruck verhindert hatte. Berleitung zum Meineid? Unter der schweren Anklage der versuchten Berleitung zum Meineid stand gestern die geschiedene Frau Hedwig Katz geb. Cru- ziger von der 4. Strafkammer des Landgerichts II. Die Anae- klagte war seinerzeit an dem bekannten Damenklub-Prvzeß be. tciligt, der gegen dieGroße Glocke" angestrengt war und so wenig erbauliche Dinge zutage förderte. Auf Grund einer Annonce der Angeklagten, die zur Beteiligung an einem von ihr zu begründen- den Damenklub aufforderte, war eine Schauspielerin Frl. D. mit ihr in Verbindung getreten und es hatte sich zwischen beiden bald ein homojexueller Verkehr herausgebildet, der etwa 3 Monate dauerte. Nach Abbruch des Verkehrs ist Frl. D. von der Angeklagten dauernd verfolgt und belästigt worden. In den Jahren 1906 bis 1908 führte die Angeklagte gegen ihren Ehemann den Eheschei- dungsprozeß. Der Ehemann erhob die Widerklage und benannte die D. als Zeugin dafür, daß seine Frau mit dieser während des Bestehens der Ehe ein unsittliches Freundschaftsverhältvis unter- halten habe. Im Verlaufe dieses Rechtsstreites hat die Angeklagte an die Zeugin mehrere Briefe geschrieben, in denen der Versuch der Berleitung zum Meineide erblickt wird. In einem an den Bruder der Zeugin gerichteten Brief ersuchte sie diesen, er solle seine Schwester veranlassen, auszusagen, daß sie ihr nur Rollen überhört habe. In einem anderen Briefe teilt sie der Zeugin mit. daß eine in Hamburg   vernommene Zeugin bereits ausgesagt habe, daß diese mit ihr(der Angeklagten) keinen unsittlichen Verkehr gehabt habe. In einem weiteren Briefe teilte sie dem Frl. D. den Inhalt des Beweisbeschlusses mit und schrieb ihr: sie selbst habe angegeben, daß sie mit ihr nur künstlerische Interessen gehabt und ihr die Rollen überhört habe. Als dann Frl. D. in einem Termin wahrheitsgemäß bekundet hatte, wie ihr Freundschaftsverhältnis zur Angeklagten tatsächlich gewesen sei, drückte ihr die letztere in einem Briefe ihr höchstes Erstaunen aus und ersuchte sie, sich noch einmal zu überlegen, ob sie die Aussage beschwören könne. Die Angeklagte bestritt, durch diese Briefe versucht zu haben, die Zeugin zu einer falschen Aussage zu bestimmen und machte über ZwecS und Ziel dieser Briefe ziemlich verworrene Aussagen. Gerichtsarzr Medizinalrat Dr. Hoffmann, der die AngeNagte auf ihren Geistes. zustand untersucht hatte, bekundete, daß sie eine sehr hysterische und nenrasthenische Frau sei, die seinerzeit viel in Spiritisten. kreisen verkehrt habe und sehr leicht suggestiven Einflüssen zu. gänglich sei, daß aber§ 51 auf sie keine Anwendung finde. Rechtsanwalt Dr. Coßmann suchte darzulegen, daß diese so anormal veranlagte Frau, die man nur bemitleiden könne, sicherlich keine Vorstellung von der Tragweite ihrer Briefe im strafrechtlichen Sinne gehabt habe. Das Gericht sprach auf Grund des Inhalts der Briefe ein Schuldig über die Angeklagte aus. Der Vorsitzende hob aber bei der Verkündung des auf 1 Jahr Zuchthaus lautenden Urteils hervor, daß der Gerichtshof bedauere, mit Rücksicht auf die ganze Persönlichkeit der Angeklagten und die ganz« Sachlage unter dieses vom Gesetz angedrohte Strafmatz in diesem Falle nicht heruntergehen zu können. Ter Verteidiger wird nunmehr ein Gnadengesuch für die Verurteilte einreichen. Wie muß eine Berichtigung aussehen? Wegen Rachdrucks und Nichtaufnahme einer Berichtigung rst am 14. Fdiruar vom Landgerichte Rottweil   der Redakteur des Schwarzwälder Boten". Dr. Renz, zu 10 und 3 M. Geldstrafe verurteilt worden. Ein von dem Schriftsteller M. imSchwäbischen Merkur" veröffentlichter Feuilletonartikel ist vom Angeklagten aus derKölnischen Volkszeirung" nachgedruckt worden. Der An- geklagte will ihn für einen sogenannten Korrespondenzartikel ge- halten haben, den jeder nachdrucken dürfe. Das Gericht hat aber widerrechtlichen Nachdruck festgestellt. Ferner hat er beim Abdruck einer Originalarbeit historischer Art einen Satz eingeschoben, der in einem gewissen Widerspruck zur Tendenz des Artikels kam. Der Verfasser verlangte darauf eine Berichtigung, daß die ein- geschobenen Worte nicht vom Verfasser, sondern von der Redaktion herrühren. Eine solche Berichtigung hat der Angeklagte nicht aus- genommen. Auf seine Revision sprach ihn am Donnerstag das Reichsgericht frei, soweit er wegen Nichtaufnahme der Berichtigung zu 3 M. verurteilt worden ist. Die Gründe hierfür sind von all- gemeinem Interesse. Der Verfasser des betreffenden Artikels hatte nämlich keine fertig stilisierte Berichtigung an den Angeklagten gesandt, sondern in einem Briefe nur die Berichtigung der betreffen- den Veröffentlichung verlangt. Das Reichsgericht sprach sich nun dahin aus, daß der Redakteur nicht verpflichtet ist, die Berichtigung selbst aufzusetzen, daß dies vielmehr die Pflicht desjenigen ist, der die Berichtigung verlangt. Da die Voraussetzungen einer Berichti- gung im Sinne des Preßgesetzes nickt vorlagen, so mutzte auf Frei- sprechung erkannt werden. Soweit der Angeklagte wegen Nach- drucks verurteilt worden ist, wurde seine Revision als unbegründet verworfen._ Hottehiih-fWursl. Wegen angeblich umfangreichen Pferdcwnrsischiviudrls war der Agent Wilhelm Jacob seinerzeit vom Schöffengericht Berlin-Mitte auf Grund des Nahrungsmittelgesetzes zu K Monaten Gefängnis und 1000 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Das Schöffengericht nahm als erwiesen an, daß Jacobi in den Jahren 1908 und 1909 in Tausenden von Fällen Wurst verkauft habe unter Vcrschweigung »es Umstandes, daß diese Wurst nicht aus Rind- und Schweine- fleisch, sondern aus Pferdefleisch hergestellt war. Als der Polizei- tierarzt Barchmann in einigen Fällen festgestellt hatte, daß es sich tatsächlich um Pfcrdcwurst handelte, wurden bei Jacobi zahlreiche Frachtbriefe und Rechnungen polizeilich beschlagnahmt und daraus der Beweis geliefert, daß Jacobis Ilmsatz ein sehr großer war und sich über ganz Deutschland   erstreckte. Das Schöffengericht hatte auf die höchste zulässige Strafe erkannt, in der Erwägung. daß der Angeklagte den reellen Wursthandel in der schwersten Weise geschädigt habe und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Angeklagte auch noch nach Einleitung des Strafversahrens sich nicht dazu bequemt habe, von seiner unreellen Wurstfabrikation abzu- lassen. Gegen das schöffengerichtliche Urteil hatte Jacobi Be- rufung eingelegt, die gestern vor der 6. Strafkammer des Land- gerichtS I verhandelt wurde. Die umfangreiche Beweisaufnahme der zweiten Instanz fiel für den Angeklagten wesentlich günstiger auS. Der Angeklagte führte den Beweis, daß er vielfach in der Zentralhalle reelle Wurst auf Auktionen aufgekauft und versandt habe. Er behauptete außerdem, daß die Kunden, die von ihm Pferdewurst bezogen haben, diese Eigenschaft der Wurst auch gekannt baben. DaS Gericht hielt nur die Falle, über welche sich der Polizei- tierarzt Borchmann gutachtlich geäußert hatte, für bewiesen und ermäbigte die Strafe auf 1 Monat Gefängnis und 200 Mark Geldstrale.__ Ein schwerer Eisenbahnunfall, bei welchem eine Person getötet worden war, hatte gestern ein Nach« spiel vor der 3. Straffammer des Landgerichts III. Wegen fahr­lässiger Tötung war der Rangiermeister Rudolf Zinke aus Bernau  angeklagt. Am Nachmittag des 18. Februar d. I. waren auf dem Güterbahnhof Bernau mehrere Arbeiter der Firma Bcrger in Bromberg   damit beschäftigt, von der sogenannten Viehrampe au» 20 Kipplowrys in einen Güterzug zu verladen. Zu derselben Zeit hatte der jetzige Angeklagte den Rangierdienst zu leiten. Wie ihm die Anklage vorwirft, soll er nun mehrere Eisenbahnwagen aus daß schon von den Güterwagen besetzte Gleis haben zurückdrücken lassen, anstatt Anweisung zu geben, daß die einzurangierende» Wagen schon vorher hielten. Diese Unterlassung soll zur Folge gehabt haben, daß ein in der Fahrt befindlicher Eisenbahnwagen auf die Güterwagen auffuhr. Durch den heftigen Zusammenprall wurde ein Arbeiter Hermann Schwanck von einem herunterfallenden Lowry getötet. In der gestrigen Verhandlung bekundete der von Rechtsanwalt Dr. Herbert Fröntet geladene Geh. Regierungsrat Courtoi», daß der Angeklagte bei den bestehenden örtlichen Ver« Hältnissen nicht mit der Möglichkeit eines Zusammenpralls rechnen konnte, zumal der auffahrende Wagen außerdem noch uit einem Bremser besetzt gewesen war. Staatsanwalt Taube beantragte deshalb selbst die Freisprechung, auf welche das Gericht auch er­kannte. Die Strafkammer beschloß ferner auf Antrag des Ver- teidigers auch die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen AuS, lagen und die Kosten der Brrteidignng der Staatskasse aufzuerlegen. 'Serantworflicher Redakteur Richard Barth  , Berlin  . Für den Inseratenteil verantw.: Th. Glocke, Berlin  . Druck u.«crlag:Vortvärt» Buchdruckerei«. BerlagSanstglt Paul Singer&(fo, Berlin   SW.