Ar. 184. 27. Jahrgang. 1. KtilU des.KnMs" Kttlim Sonnabend, 11. Inn ! 1910. Mgeoränetenkaus. 88. Sitzung vom Freitag, den 10. Juni, vormittags 11 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen zunächst Wahlprüsuugen« Die Wahlen der Abgeordneten v. d. Knesebeck sfrk.), Fisch- b e ck(Fortschr. Bp.), W i tz m a n n snatl.), Büchtemann(Fortschr. Bp.). Wagner(Fortschr. Vp.), Mogk(natl.) und v. Negelein(k.) werden ohne Debatte für gültig erklärt. Bei der Wahl des Abg. S p i n z i g(frk.) werden gemäß dem Kommissionsantrage Beweiserhebungen beschlossen. Die Wahl des Abg. Sauermann(Z.> beantragt die Kommission fiir gülttg zu erklären. Nach kurzer Diskussion beschließt das Haus demgemäß. Für gültig erklärt werden noch die Wahlen der Ab- geordneten v. Conrad(frk.), Frhr. v. S ch ö n a i ch(L). Die Wahl des Abg. Reinbacher(Fortschr. Bp.) beanttagt die Kommissiou ebenfalls für gültig zu erklären. Die Wahl in Rixdorf-Schöneverg. Abg. Ströbel(Soz.) begründet einen Antrag Borgmann, die Wahl für ungültig zu erklären. Unser Protest gegen diese Wahl stützt sich auf zwei Hauptgründe, erstens darauf, daß in R i x d o r f die Steuerergebnisse der Liste von 1907 zugrunde gelegt sind, in Schöneberg die für 1908. Zu diesem Punkt hatte die Wahlprüfungskommission Er- Hebungen beschlosten. Der Rixdorfer Magistrat hat die Beschwerde bestätigt. Er erklärte, die Zugrundelegung der Steuer vom Jahre 1907 sei notwendig gewesen, die Steuerrollen für 1903 seien noch nicht vollständig vorhanden gewesen. Tat- fache ist also, daß für die A r b e i t e r st a d t R i x d o r f das Jahr 1907, für die Bourgeois st adt Schöneberg die Steuern vom Jahre 1903 maßgebend waren. Ein solches Verfahren halten wir für gänzlich ungerechtfertigt. Nach§ 19 des Wahlgesetzes sollen die Wahlen nach Maßgabe der zu entrichtenden Steuern in drei Abteilungen geteilt werden. Der Berliner Magistrat erklärte im vorigen Jahre ganz richtig in seiner Auskunst, daß die Worte„nach Maßgabe der zu entrichtenden Steuer", die im Gesetz ohne Zeit- bestimmung gebraucht seien, nur auf die Gegenwart bezogen werden könnten. In Nixdors wurden aber zahlreiche Wähler nicht auf Grund der zur Zeit der Auslegung der Listen geleisteten Steuern, sondern auf Grund der Steucrleistung des vorhergehenden Jahres in die Abteilungen eingestellt. Im vorigen Jahre hat sich die Wahlrechtskommission und das Plenum des Abgeordnetenhauses allerdings auf einen anderen Standpunkt gestellt. Sie erklärten, daß, wenn nur für einen Teil der Wähler die Steuer festgesetzt sei, dann alle Wähler nach der vor- jährigen Liste auf die Abteilungen zu verteilen seien. Ich habe da- mals dieser Auffassung lebhast widersprochen und auch Teile des Zentrums stellten fich auf den sozialdemokratischen Standpunkt. Aber selbst wenn man den Standpunst der Mehrheit des HauseS vom vorigen Jahre verttitt, wäre die Berechtigung des sozialdemo- kratischen Protestes anzuerkennen, denn eS ist etwas ganz Ungeheuer- liches, wenn innerhalb eines Wahlkreises in einem Orte das Steuer- jähr 1997, in einem anderen das Jahr 1998 für die Steuerdrittelung zugrunde gelegt wird. Man renommiert ja so viel mit dem Wachsen des Arbeitereinkommens. Daher würden auch nach Ihrer Auf- fassung die Arbeiter in Rixdorf, die dort die ungeheure Mehrheit bilden, durch die Zugrundelegung der Steuer vom Jahre zuvor auf das schwerste benachteiligt. In Schöneberg aber. wo die besitzenden Klassen numerisch ausschlaggebend sind, brachte man das Wachstum des Einkommens durch Zugrundelegung der Steuern von 1998 in Anioendung. Wie jammervoll es überhaupt um die Rechte des Volkes, der Arbeiter in dem Wahlkreise Rixdorf- Schöneberg bestellt ist, zeigt die Tatsache, daß für die sozialdemokratische Partei dort 28 764 Ur- wählcrstimmcn abgegeben sind, für alle anderen Parteien nur 10 355. Das dürfte interessant sein für den Herrn Finanzmini st er, der bezweifelt, daß eine große Anzahl Arbeiter hinter der Sozial- demokratie stehen. Das sind fast ebenso viele Wähler, wie die Freikonservativen im ganzen Lande aus sich vereinigt haben. Aber all diese Wähler sind hier vollständig ohne Per- tretung. Ich erinnere auch daran, daß seinerzeit die vier Ber- liner sozialdemokratischen Mandate für ungültig erklärt wurden, eben weil verschiedenartige Listen aufgestellt worden waren. Damals wurde das Sleuerjahr 1993 für die Ein- kommen bis 8990 Mark in Anrechnung gebracht, für die Kleines feuilleton. Da» neue Shphilis-Heilmittel. Wir berichteten vor einiger Zeit von den Forschungen des Prof. Paul Ehrlich (Frankfurt a. M.). dem eS gelungen sein soll, ein wirksames Mittel gegen die entsetzliche Syphilis gesunden zu haben. Natürlich mußte und muß man die Nachrichten über solche Erfindungen, so lange nicht alles auf's genaueste wissenschaftlich überprüft ist, mit Vorsicht und Zurück- Haltung aufnehmen, damit nicht Hoffnungen erweckt werden, denen die schrecklichste Enttäuschung auf dem Fuße folgt. Wir warnten denn auch damals vor überstürzten Illusionen und wiederholen diese Warnung auch heute noch, obwohl inzwischen durch weitere Proben und Untersuchungen die Wahrscheinlichkeit im Wachsen ist, daß EhrlichS Mittel in der Tat Heilungen zu erwirken vermag, wo die ärztliche Wissenschast bisher versagte oder erst nach unsäglich langer Behandlung Erfolge— und zwar manchmal recht karge und zweifel- hafte— erzielte. SanitätSrat Dr. Weetselmann, der Leiter der Haut- und GeschlechtSkrankheiten-Abteilung des Rudolf-Virchow-KrankenhauseS, hat dieser Tage eine größere Zahl Kranker vorgestellt, die mit EhrlichS Mittel behandelt worden sind, daS den Namen führt: „Dichlorhydratdioxydamidobenzol"— kürzer:„Ehr- lich Nr. 696". Bei all jenen von Dr. Weetselmann vorgestellten Kranken ist.Ehrlich Nr. 696' nur ein einziges Mal eingespritzt worden, und die Wirkung soll geradezu in Erstaunen setzen. In ärztlichen Kreisen glaubt man. mit„Ehrlich Nr. 696' sei endlich das Mittel gegen die Syphilis gefunden. Hoffen wir, daß diese optimistische Auffaffung sich bewahrheitet.... Freiligrath im wilden Westen. Von der bewundernden An- erkennung, welche schon früher dem Dichter der Revolution im fernsten Westen von den deutschen Auswanderern und Flüchtlingen entgegengebracht ward, gibt Fr. Kapp in seinem Werke„Aus und über Amerika" einen ergötzlichen und zugleich tiefbewegenden Be- richt. Ein paar Exemplare der 1858 in New Uork er- schienenen sechsbändigen Gesamtausgabe von Freiligraths Gedichten kommt in einer Ansiedelung des fernen Nordwestens zur Versteigerung; der Kreis oer Bieter, lauter heimatflüchtige Männer, die der Sturm des Jahres 1848 in diese Wildnis geworfen hat: ein Dr. juris aus Hessen , der jetzt mit einem Joch Ochsen Fuhrmannsdiciiste tut; ein ehemaliger kurhessischer Justizbeamter; ein vormaliger Arzt in der ungarischen Armee; ein flüchtiger preußischer Offizier, em pfälzischer Schulmeister, ein paar Hanauer Freischärler, ein Dresdener Schneider und was der wunderlichen Menschenkinder mehr sind, die zusammen keine 3 Dollar bares Geld haben. Dafür wird in Naturalien gesteigert; der Darmstädter Doktor ersteht die 6 Bände für eine Last Brennholz, der Offizier bezahlt einen Band, mit einem selbstgefertigten Stuhl, ein dritter zahlt in Mehl, ein vierter in Sägeblöcken, bis endlich trotz aller Armut sechs vollständige Exemplare abgesetzt sind.„Laßt uns wenigstens die Gedichte kaufen', sagt eine verkümmert und ver- arbeitet aussehende Frau zu ihrem Manne,.wäre es auch nur 1 Einkommen über 3990 Mark, wo die Listen noch nicht vorlagen, (auf das Jahr 1997 zurückgegriffen. Heute soll das, was in Berlin unrichtig war, für Rixdorf-Schöneberg richtig sein.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wo bleibt da die Logik, die Gerechtigkeit, wo bleibt die politische Billigkeit? I Herr Fischbeck wird nachher wahrscheinlich mit der formalen Ausrede kommen, daß in Berlin die Verschiedenartigkeit der Drittelung innerhalb der UrWahlbezirke eriolgt ist.(Sehr richtig! bei der Fortschr. Volkspartei.) Wenn aber innerhalb des gleichen Wa bezirks Rixdorf- Schöneberg verschiedene Steuerzahlen für die Klaffendrittelung zu Grunde gelegt werden, so ist das für jeden Menschen mit sozialem Empfinden, mit gesunder Logik und politischem Anstandsgefühl genau das gleiche.(Widerspruch, sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn das damals als unbillig empfunden wurde, so haben wir das Recht, auch beute zu verlangen, daß Sie die Wahl Reinbacher für ungültig erklären. Die Unzulässigkeit der Heranziehung verschiedener Jahre wurde seinerzeit von der Mehrheit genau so begründet, wie ich heute die Unzuläsfigkeit der Verschiedenartigkeit der Steueranrechnung in Rixdorf und Schöneberg begründet habe. Auch damals war das Moment der von einem zum anderen Jahre variierenden Steuer leistung ausschlaggebend, und jetzt soll mit einem Male dieses Moment völlig ausscheiden. ES soll gleichgültig sein, weil eben diesmal die Proletarier, die kleinen Handwerker und kleineu Geschäftsleute die Leidtragenden sind. Deren Jntereffen kommen für Sie offenbar nicht in Frage. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Kommen Sie nicht etwa mit der kläglichen Ausrede, die Sozialdemokraten hätten im vorigen Jahre sich für die Zulässigkeit der Zugrundelegung der Steuer- leistung verschiedener Jahre bei der Wahl der Berliner Abgeordneten erklärt. Gewiß, wenn Sie im borigen Jahre sich auf unseren Standpunkt gestellt hätten, hätten wir keine Veranlassung, daS Verfahren, das jetzt in Schöneberg -Rixdorf angewandt ist, an- zufechten. Aber Sie haben unseren Standpunkt ja nicht anerkannt und deshalb verlangen wir jetzt von Ihnen Konsequenz. Sie sollen zeigen, ob Sie Ihre Beschlüsse lediglich davon abhängig machen, ob die UngültigkeitS erklärung einen Vertreter der Sozialdemokraten oder den einer bürgerlichen Partei betrifft. Unser zweiter Protestgrund war, daß bei der Zuteilung von Wählern mit gleicher Steuerletstung viel- fach nicht die alphabetische Reihenfolge der Namen der Wähler, sondern der Straßen angewendet worden i st. Der Rixdorfer Magistrat gesteht diesen Fehler auch unumwunden zu und entschuldigt sich dainit, daß er zur schleunigen Aufstellung der Listen zum Teil junge Anwärter habe annehmen müffen. Diese ungeheuerliche Verletzung des Wahlreglcments will die Kommission ebenfalls durchgehen lassen. Sie sagt, das fei kein Grund für die Ungültigkeitserklärung, denn bei richtiger Anwendung des Wahlreglements wäre auch kein anderes Wahl ergebnis eingetreten. Als wir aber bei den Berliner Wahlen Beweiserhebungen darüber verlangten, ob die angeblich falsche Auf- stellung der Listen am Wahlresultat das geringste ändern würde, erklärte die Mehrheit dieses Hauses, daß es darauf gar nicht an komme, sondern daß die bloße Tatsache von Verstößen für die Ungültigkeitserklärung genüge. Also die Kommission kann so und kann auch anders, je nachdem eS sich um den Hinauswurf eines Sozialdemokraten oder eines Ange- hörigen des Byzantinerblocks handelt. Auf Ihre Ent- scheidungen mögen ja diese Darlegungen ohne Einfluß sein. Aber das entrechtete Volk, die Wahlrechtsheloten, die jetzt fchon unter dem erbärmlichen Wahlsystem so schwer leiden, werden sich empören, wenn sie erfahren, daß man die kläglichsten Kniffe und Pfiffe zur Anwendung bringt, um ihr ohnehin so erbärmliches Wahlrecht noch mehr zu verkürzen.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Abg. Fischbeck(Fortschr. Vp.): Die Kommission hat bei dieser Wahl genau die gleichen Grundsätze wie bei den Berliner Wahlen und zahlreichen anderen beobachtet. Die ganze Beweisführung des Herrn Ströbel fällt in sich zusammen, wenn mau den springenden Punkt, den Herr Ströbel ja selbst erwähnt hat, berücksichtigt, daß nämlich in Berlin in den UrWahlbezirken, wo die Steuerlisten zu- sammengezählt und dann gedrittelt wird, verschiedene Steuerlisten bei der Aufftellung der Wählerlisten zugrunde gelegt waren, wäh. rend es sich bei dieser Wahl um verschiedene Steuerlisten in ver- schiedenen Gemeinden handelt. Rixdorf und Schöneberg sind doch keine gemeinschaftlichen UrWahlbezirke. Im übrigen hätte Herr Ströbel besser getan, über diesen Wahlprotest nicht noch zu reden, denn die Art, wie dieser Protest eingebracht ist, ist in der Kom. um das schöne Gedicht: Ehre jeder Stirn voll Schweiß!'— „Der Blick', sagt Kapp,„mit welchem die Frau ihren Mann ansah, und die Freude, mit welcher sie das gegen zwei irdene Krüge erhandelte Buch einsteckte, hatten etwas ungemein Rührendes und enthielten eine vollständige Passionsgeschichte.'(Aus der von der Buchhandlung Vorwärts zur Erinnerung an den 199. Geburtstag unseres großen Dichters herausgegebenen Freiligrath- Nummer. 16 Seiten illustriert 9,29 M.) Humor und Satire. Duell. Bon dem Peary wie vom Cook Hat der Nordpol bald genugk, Ihn hat jeder der zwei Kunden Teils entdeckt und teils erfunden. Wären sie, bei gleicher Schärfe, Teutsche Krieger der Resärfe, Hätten sich die Exgenossen Mittels des Duells erschossen. Wirklich ward auch über Nacht Eine„Forderung" überbracht. Dr. Cook schlug sich als Danke: Er zedierte sie an Franke. Zweikampf zwischen Nordpollichtern, Posenfrei, gesund und nüchtern, Ohne Wunden, ohne Schuß. Nur daß einer„bluten" muß. Gottlieb im„Tag'' Hat Jesus gelebt?„Ganz offen gestanden, lieber Amts- bruder. hätte ich lieber gesehen, daß Jesus in Preußen gelebt hätte; dann hätten wir wenigstens seine polizeiliche Anmeldung." Der Lokalschulinspektor:„Im großen und ganzen bin ich mit den Leistungen der Klasse zufrieden, aber Sie sollten doch unter der Hand festzustellen suchen, ob der Vater des Knaben, der den Satz„das Zentrum ist die vornehmste Stütze von Thron und Altar' so unorlhographisch geschrieben hat, nichl doch Sozial- demokrat ist!" Sein weiches Herz verträgt das«i ch t.„Nein, liebe Frau, Ihre Wohnung in meinem Hause müssen Sie sofort räumen! Sie haben Ihre Arbeit verloren, Sie haben Ihre Möbel verkauft. Sie haben nichts zu essen, außerdem ist Ihr Mann ein Krüppel,— so viel Unglück auf einem Haufen kann ich in meinem Hause nicht sehen, das greift mich zu sehr an I' _(»Der wahre Jacob'.) Notizen. — Diekastriert«„Medea' im D eutschen Theäter am 29. Mai war, wie man uns nachträglich mitteilt, nicht das einzige Exemplar dieser Art.„Schon am ersten Pfingstfeiertag wurde dieselbe Borstellung auf der Reihnardtschen Bühne in sechzig Mission mit Recht als Frivolität bezeichnet worden. In vielen Punkten ist Protest erhoben, weil es den Wahlmännern angeblich an wenigen Stimmen gefehlt hätte, trotzdem tatsächlich die sozial- demokratischen Wahlmänner gewählt waren.(Hört! hört!) Wenn man der Kommission zumutet, tagelang über Protestpunkte zu ver- handeln, die sich nachher als völlig unbegründet herausstellen, so soll mim sich nicht noch hierher stellen und die Sache zu beschönigen suchen.(Sehr richtig! bei der Fortschrittlichen Volkspartei .) I. Ströbel(Soz.): Das, worüber Herr Fischbeck zuletzt geredet hat, kommt ja bei dem, ivas ich ausgeführt habe, gar nicht in Frage. Nach dieser Richtung hin war gegen die Feststellungen in der Kommission gar nichts einzuwenden. Also das hätte sich Herr Fischbeck ersparen können, aber die Absicht war ja zu durchsichtig. Im übrigen hat Herr Fischbeck meine Ausführungen nicht zu entkräften vermocht. Wenn Sie den Grundsatz aufstellen wollen, daß mit Recht in einem Wahlbezirk die eine Stadt die Listen so aufstellt, und die andere die Listen so, dann ist der Wahlkorruption Tür und Tor geöffnet. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wer schützt uns davor, daß das absichtlich geschieht? Mir sieht es beinahe wie Absichtaus. Es wird oft vorkommen, daß eine kleine Bour- goiesiestadt in der Wahlkreiseinteilung verkoppelt ist mit einer Pro- letarierstadt und daß die kleine Stadt mit den Steuerlisten fertig ist, die Proletarierstadt noch nicht. Wenn dann das eine Jahr ein Jahr der wirtschaftlichen Depression und das folgende ein Jahr des Aufschwungs ist, wo die Erhöhungen der Löhne eine erhebliche Rolle spielen, wie das in Rixdorf der Fall gewesen ist, dann braucht man in der Proletarierstadt nur das vorige Jahr heranzuziehen, um die Arbeiter in der scheußlichsten Weise zu benach- teiligen. Wenn Sie sich das überlegen, werden Sie mit mir zu dem Ergebnis kommen, daß, wenn man den Proletariern das geringe Maß von Rechten, das ihnen das Dreiklassenwahlshstem zugesteht, wenigstens sichern will, man mit solchen Ungeheuerlich- ketten, wie sie in Rixdorf vorgekommen sind, aufräumen und die Wahl von Reinbacher für ungültig erklären muß.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Der Antrag der Kommission auf Gültigkeitserklärung ber Wahl wird hierauf gegen die Stimmen der Sozialdemokraten an- genommen. Es folgt die zweite Lesung des Gesetzes, betreffend die öffent- lichen Feuerversicherungsanstaltcn. Eine längere Debatte entspinnt sich lediglich über einen Z e n« trumsantrag auf Streichung des Kommissionsbeschlusses, wo- nach die Anstalten verpflichtet sind, ein Viertel ihres Vermögens in preußischen Staats- oder in Reichspapieren anzulegen. Schließlich wird der Antrag abgelehnt und das Gesetz in zweiter Lesung und hierauf en bloc in dritter Lesung angenommen., Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs über die Wohnungsgeldzuschüsse für Beamte. Eine Reihe von Anträgen wünscht Aenderungen in den OrtS- klaffen. Finanzminister Frhr. v. Rheinbabcn: Der Standpunkt der Re- gierungen ergibt sich aus dem historisch gewordenen Zustand, wo- nach stets auf eine Uebereinstimmung der Beschlüsse des Reichs und Preußens in bezug auf den Wohnungsgeldzuschuß der Bc- amten das größte Gewicht gelegt wurde. Von diesem Gesichtspunkt aus bitte ich um Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Nach den Kommissionsbeschlüssen wird eine große Ungleichheit zwischen verschiedenen Kategorien der preußischen Beamten geschaffen. Das wird kein Beamter verstehen können. Eine solche Regelung des Wohnungsgeldzuschusses ist für die Regierung unannehmbar. Ein Scheitern der Vorlage wäre aber um so bedauerlicher, da die Regierungsvorlage für das Gros der Beamten eine Verbesserung bedeutet. Abg. v. HennißS-Techlin(kons.): Die Situation liegt jetzt klar so, daß, wenn nicht die Kommissionsbeschlüsse beseitigt werden, die Vorlage gefallen ist. Dafür können meine Freunde die Verant- wortung nichtübernehmen. Im Interesse der großen Mehr- zahl der Beamten bitte ich, kleine lokale Interessen zurückzustellen. (Bravo ! rechts.) Abg. GieSvertS(Z.): Der größere Teil meiner Freunde wird, dem Zwange der Dinge Rechnung tragend, für die Regte- rungSvorlage eintreten. Ein anderer Teil bleibt auf den Kommissionsbeschlüssen bestehen. Wir hätten gewünscht, daß die starke preußische Regierung bei den Beratungen des Reichs. tags ihren Einfluß mehr zugunsten der preußischen Beamten in die Wagschale geworfen hätte.(Bravo ! im Zentrum.) Minuten heruntergehunzt. Leider wurde über diese Dreistigkeit nicht mal mit Zischen quittiert. Abgesehen von der Kürzung, war auch das Spiel unter aller Kritik, stellenweise geradezu schmierenmätzig. Nicht fünf Groschen war die ganze Vorstellung wert. Wenn die Leitung der Neuen Freien Volksbühne mitgeteilt hat. daß ihre Mitglieder, die der jämmerlichen Vorstellung am 29. Mai beigewohnt haben, entschädigt werden sollen, so müßten gerechterweise wir Besucher der Pfingstvorstellung ebenfalls entschädigt werden, selbst wenn diese Borstellung an das„Deutschs Theater" schon bezahlt sein sollte. In Mitgliederkreisen der„Neuen Freien Volksbühne" macht sich stark die Ansicht geltend, daß auch auf anderen Pachtbühnen im letzten Spieljahr gegen früher auffallend nachlässig gespielt worden ist. Der Vereinsleitung ist der Vorwurf nicht zu ersparen, daß sie neuerdings wegen der Reklame für das Voltskunsthaus andere künstlerische Interessen ihrer Mitglieder nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit verfolgt hat." — Der internationale Schriftstenerkongrefc j der— wie nur dem Münchener Wochenblatt„Die Lese" entnehmen— vom 27. August bis 1. September d. I. in Luxemburg tagen soll, wird außer Fragen des Urheberrechts und Nachdrucks auch die Er- richtung eines Museums von Nachdrucken und Nachbildungen be- handeln. I" iP'���ierte Berner Uebereinkunft zum Schutze der Werke der Literatur und Kunst ist am Donnerstag im Auswärtigen Amt zu Berlin ohne Vorbehalt von Deutschland , Belgien , Haiti , Liberia , Luxemburg , Monako und der Schweiz unter- zeichnet worden. Japan ratifizierte unter dem Vorbehalte der Artikel 8 und 11 der neuen Konvention betreffend das Uebersetzungs - recht und das Aufführungsrecht an musikalischen Werken. Düste- mark, Frankreich . Großbritannien . Italien . Norwegen . Schweden , Spanien und Tunis waren noch nicht in der Lage, die Ratifikations - Urkunden niederzulegen, weil die Vorarbeiten in diesen Ländem noch mcht so weit gediehen sind. — Zum Rektor der Technischen Hochschule in Berlin für das Studienjahr 1919/11 ist der Geheime Regierungs - rat Dr. mg. Heinrich Müller gewählt worden. Müller, der zur Unter- scheidung von den vielen Namensvettern nach seiner Geburtsstadt Müller- Breslau genannt wird, hatte schon einmal(1395/96) das Rekt-rgt inne. — Die Trümmer einer alte« Stadt au» dem 14. Jahrhundert sind etwa 29 Kilometer von Zarizyn (Ruß- land) bloßgelegt worden. Die aufgefundenen Münzen weisen auf die Zeit der türkischen Usbeken-Fllrsten(13. bis 14. Jahrhundert) hin. �.Ein Denkmal für die Fremdenlegion. In Saida m Algerien wurde kürzlich ein Denkmal enthüllt, das zur Erinnerung an die Soldaten der Fremdenlegion errichtet ist, die in den Kämpfen in Süd-Oran den Tod fanden. ES ist ein Werk des Bildhauers Robert Delandre; auf einem Piedestal, zu dem Stufen hinanfuhren, steht in kriegerischer Haltung ein Offizier des Kolonialheeres. der in einer Hand die französische Fahne schwingt und mit dem Degen in der anderen auf einen am Fuße des PiedestalS kauernden riesigen Löwen weist.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten