fall des Herm vön Jagow in Berlin , hatte älN Mittwoch ein Nach- spiel vor dem Schöffengericht. Die Polizei und mit ihr die Etaatsanwalischaft erblickten in den Genössen N e u! i r ch und Ll l be r t die Veranstalter des Spazierganges, und in diesem selbst eine„polizeilich nicht genehmigte Versammlung unter freiem Himmel". Hauptzeuge war der Chef der politischen Polizei, der aber Nichts weiter aussagen konnte, als dah Neukirch„neben Albert gestanden" und dah Albert— fürchterliches Verbrechen!— vor den 6000 Versammelten ein Hoch auf das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht ausgebracht habe, in welches die KOOO eingestimmt. Darauf hätten die Arbeitersänger ein paar Lieder gesungen und Albert hätte die„Versammlung" ermahnt, ruhig und m losen Gruppen nach Hause zu gehen. Alles Dinge, die die Angeklagten gar nicht bestritten. Ja, beide gaben sogar offen zu,..as} der Spaziergang, wiö die Polizei tiefsinnig ver- »nutete, vorher verabredet war. Zwei andere Kriminalpolizisten hatten gar nur gehört, wie Reukirch zu einigen Leuten gesagt hatte:„Setzt euch doch!" Daraus hatte die Staatsanwaltschaft eine„Versammlung uner freiem Himinel" gemacht! Die Angeklagten liehen mit gröhter Wurschtigkeit das schwere Geschütz der polizeilichen Aussagen gegen sich aufführen und gingen der polizeilichen Manier, den Gerichten überflüssige Arbeit aufzubürden, energisch zu Leibe. Der Staats- anwalt beantragte für jeden der beiden Sünder 40 M. Geldstrafe. Das Gericht aber sprach beide Angeklagte kostenlos frei. Unberechtigtes Verbot einer Versammlung unter freiem Himmel. Zur Zeit der Ersatzwahl im ReichZtagswahlkreise Ko- bleirz-St. Goar hatte der Genosie Hausmann eine öffentliche Wählerversammlung unter freiem Himmel im Bienhorntal bei Pfaffendorf abhalten wollen. Der Polizeiverwalter in Ehrenbreitstein verweigerte aber die erforderliche Genehmi- gung mit der Behauptung, datz eine Gefahr für die öffent- liche Sicherheit bestehe. Dafür herhalten muhte die Erbitte- rung, die, wie die Polizei sagte,«infolge der Annahme der neuen Steuergesetze unzweifelhaft weite Volkskreise ergriffen habe". Dazu komme, daß in dem Wahlkreise die Anhänger der Zentrumspartei »veit überwiegen, also einer Partei, die mit die Verantwortung für die Annahme der Steuergefetze trage. Landrat und Regierungspräsident, bei denen durch Hausmann vergeblich Beschwerde geführt wurde, machten sich die Gründe zu eigen und meinten, bei den scharfen Gegensätzen der hier in Betracht kommenden Parteien müsie sehr woh! mit Rücksicht auf den Umstand, daß die zur Besprechung ge- langenden Gegenstände zu einer Erhitzung der Gemüter führen könnten, befürchtet werden, daß es in der Versamm- lung zum Ausbruch von Streitigkeiten zwischen den Ber - sammelten oder zwischen ihnen uno den überwachenden Be- amten kommen könnte. Hausmann klagte durch Rechtsanwalt Wolfgang Heine beim Oberverwaltungsgericht, vor dem er durch Rechts- anwalt Dr. B e h r e n d vertreten wurde. Das O b e r v e r- waltnngSgericht gab am Dienstag der Klage statt und erklärte unter Aufhebung der Beschwerdebescheide daS Versammlungsverbot für unberechtigt. Das Gericht geht davon'aus, daß die Gefährdung der öffent- lichen Sicherheit im Sinne des Reichsvereinsgesetzes nur an- genommen werden könne, wenn konkrete Tatsachen vorlägen, aus denen nach vernünftigem Ermessen eine nahe Möglichkei der Verwirklichung der Gefahr sich ergebe. DaS sei aber hierzu verneinen. Es fehle am tatsächlichen Anhalt für die An- nähme der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wegen der allein die Versammlung hätte verboten werden können. Die allgemeine Vermutung, daß eins Gefährdung zu besorgen sei, könne das Erfordernis, das bestimmte tatsächliche Gründe vorliegen müßten, nicht ersetzen. Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Vereinsgesetzes. Für eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel, die am 20. September 1908 im Dorfe Schönborn bei Breslau auf dem Grundstück des Gärtners Reimann stattfinden sollte, war vom Amtsvorsteher die Genchwigung versagt worden, weil eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten sei. Namentlich operierte der Polizciverwalter damit, daß in Schönborn wegen der„Treibereien der Sozialdemokratie", wie er sich geschmackvoll ausdrückte, eine so erbitterte Stim- mung herrsche, daß Ausschreitungen und eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit von der Abhaltung einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel befürchtet werden Müßten.— Der Parteisekretär Schölisch klagte vergeblich gegen den Amtsvorsteher beim Kreisausschuß des Krelses Breslau . Der Bezirksausschuß wies dann die Berufung des Klägers zurück. In dem Verfahren spielte der Verlauf einer Versammlung vom 5. Juli desselben Jahres eine große Rolle, die in Schönborn unter freiem Himmel abgehalten worden war. In der frag- lichen Versammlung war ein„Schaffer" des Gutes(der Amtsvorsteher ist selber Gutsbesitzer) mit einer Anzahl Leute, zum Teil Dominialarbeitcr. erschienen und hatte während der Ausführungen des Genossen Schütz wieder- holt Lärm gemacht. Dies„Treiben", um mit den Worten des Polizeigewaltigen zu reden, war schließlich derart, daß die Leute vom VetsamMluNgsgrundstück weggewiesen werden »nutzten. Der Schaffer begab sich mit seinen Leuten, Meist Knechten wont Gut, auf ein Stachbargrundstück und sie machten dort einen derartigen Radau, daß die Versammlung zeitweilig erheblich dadurch gestört wurde. Wie im preusiischen Polizeistaat nicht anders zu erwarten, wurden die Flegeleien der„Ordnungsfreunde" gegen die sozialdemokratischen Ein- berufer der Versammlung vom September zur Rechtfertigung des Verbots benutzt. Außerdem aber nvch ganz besonders eine von ckL Stellenbesitzcrn und Arbeitern unterzeichnete Ein- gäbe an den Amtsvorsteher, worin gesagt wird:„Wie wir hören, planen die Sozialdemokraten wieder eine Versamm- lung unter freiem Himmel. Wir sind in der Versammlung vom 5. Juli von den Sozialdemokraten beleidigt und be- schimpft worden. Wir bitten, keine weitere Versammlung unter freiem Himmel zu genehmigen, weil wir infolge der Beleidigungen im höchsten Grade erbittert sind und es nicht ausgeschlossen ist, daß sich die Erbitterung in Tätlichkeiten Luft machen würde." In der Begründung rechnete nun der Bezirksausschuß mit der„Erbitterung" und führte aus: Es lägen Tatsachen vor, die das Verbot rechtfertigten. Die Ver- sammlung vom si. Juli habe einen erregten Verlauf gc- liommen und sie Eingabe der A2 lasse keinen Zweifel, daß in- folge der Versaminlung eine starke Erbitterung gegen die So- zialdemokraten wegen ihrer Agitation herrschte. Hinzu koinme, daß die Worte des Referenten, das nächstenlat werde man seine eigene Polizei mitbringe», als eine Drohung mit Gewaltmaßregelu aufgefaßt worden sei. Das eine spätere, genehmigte Versammlung obne Störung verlaufen sei, wäre unerheblich. Jedenfalls rechtfertige sich das Verbot der Ver, iammlung vom.September. Gegen das Urteil legte der Kläger Revision ein. Vor dem Oberverwaltungsgericht vertrat ihn Rechtsanwalt Dr. B e h r e n d. Es wurde Vcrkennung des Begriffs der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in verschiedener Hin- ficht gerügt.' Unter anderem wurde auch darauf hingewiesen, daß die Eingabe der 42 einfach eine Rechtswidrigkeit sei. Eine solche Erklärung, daß man erbittert sein und stören werde, könne jeder Gewaltsmensch abgeben. Wegen solcher Erklä- rung dürfe nicht gegen die vorgegangen werden, die ihr Ver- sammlungsrccht ausüben wollten, sondern gegen die Erklärer selber. Gegen die Leute, die so mit dem Bruch des Land- friedens drohten, sei einzuschreiten. Das Ö b c r v er w a l tu n g s g er i ch t verwarf aber die Revision mit folgender Begründung! Als Revistonsinstanz habe der Senat diesmal nur zu prüfen, ob der Vorderrichtcr sich eines Rechtsirrtums schuldig gemacht habe. Das sei zu verneinen. Eine Ge» fährduNg der öffentlichen Sicherheit liege nicht nur da vor, wo bestimmte Rcchtsgüter(Leben, Gesundheit, Ehre) unmittel- bar in Frage ständen, sondern überhaupt bei jeder Gefähr- dung des Rechtsfriedens, die auch in einer Schlägerei be- stehen könne. Auch sei es falsch, wenn geltend gemacht werde, bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit müßte es sich um das Publikum außerhalb der Bersmnmlung handeln. Die Mitglieder der Versammlung bildeten eben das Publi- kum. Der öffentliche Friede sei auch dann gefährdet, wenn die Versammlungsteilnehmer gefährdet seien. Ferner sei eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht nur dann anzunehmen, wenn es sich um Vorgänge in der Versammlung selbst handelt, sondern auch dann� wenn aus An laß der Versaminlung Zustände eintreten, die die Gefährdung be- dingten(Tumult nach Auflösung usw.). Die Vorentschei- dung lasse keinen Rechtsirrtum ersehen. Das Oberverwaltungsgericht dehnt den Begriff einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit unseres Erachtens in diesem Urteil durchaus irrig aus. Echo im Lande. In K ö l n a. Rh. fand eine große von der Sozialdemokratie einberufene Bersammlimg statt, in der Protest gegen die Er- höhungder Zivilliste erhoben wurde. Im Polenlager gärt es ob der Zustimmung der polnischen Landtagssraktion zur Eihöhnng. Verschiedene polnische Blätter machen aufs schärfste Front dagegen. DaS Berliner Polenorgan bezweifelt, daß ein Fraktionsbeschlutz in oiesem Sinne gefaßt wurde und fordert, wenn dies der Fall sein sollte, die demokratischen Mitglieder der Fraktion zum Austritt auf. Dem Wortführer der Poleufraktion, Prälat JazdzewSki wird an» gekündigt, daß ihn feine regierungsfreundliche Haltung fein Mandat kosten werde. Preußische Rechtspflege. Die Strafkammer deS Landgerichts in Görlitz der- urteilte am Mittwoch den Genoffen Redakteur Robert Grötzfch aus Dresden wegen Richterbeleidigung zu einer un» erhört hohen Strafe. Die Beleidigung wurde in einem Artikel erblickt, der am 6. Oktober v. I. in der„G ö r l i tz e r V o l k S z e t t u n g" abgedruckt worden war. Die„Görlitzer Volkszeitung" bezog damals ihren politischen Teil noch aus D«Sden, den Grötzsch als verant- wortlicher Redakteur zeichnete. In dem Artikel ist eine Gerichtsverhandlung in klönigSberg kritisch besprochen. Ein Arbeiter in Labiau i. O.. ber angeblich Zechprellerei begangen haben soll, waS sich aber als unwahr herausgestellt hat, war vom Stadtwachtmeister Hartwig zum Krüppel geschlagen und dann noch von der Strafkammer in Königsberg wegen Widerstands gegen die Staats- gewalt verurteilt worden. Der Artikel, überschrieben:„Preu- ßische Rechtspflege", kritisierte dieses Urteil in scharfen Ausdrücken. Ter Vertreter der Anklage in Görlitz , Erster Staatsanwalt Hanne- mann, verteidigte das Verhalten des Stadtwachtmeisters und meinte, es könne ihm auch dann nicht ein Vorwurf gemacht werden, wenn er von der Schußwaffe Gebrauch gemacht und den Arbeiter erschossen hätte. Ten angeklagten Redakteur bezeichnete er als einen Menschen, der gewerbsmäßig beleidige und darum nicht anders behandelt werben kSnnr, als ein gewerbsmäßiger Ver- brccher. Er beantragte ö Monate Gefängnis und sofortige Verhaftung wegen Fluchtverdachtes. Einen Antrag des Vertei- digers auf Ladung des Verfassers der Notiz lehnte daS Gericht ab. DaS Urteil lautete auf 6 Monate Gefängnis. Der Antrag auf sofortige Verhaftung wurde abgelehnt. Zur Nachwahl in Cannstatt -Ludwigsburg . Die nationalliberale Partei hat den Ziegeleibesitzer Oettinger als Kandidaten aufgestellt, nachdem Rechtsanwalt List aus beruf- lichen Gründen die Kandidatur abgelehnt hat. Di« Fortschrittliche Volkspartei unterstützt auch den nenen Kandidaten. Weifte Raben. Hochrufe a u f S W a h l r e ch t sind kein grober Unfug, so hat in einer Reihe von WahlrechtSprozesien, die in den letzten Tagen vor der V o ch u M e r Berufungsstrafkammer zur Verhandlung kamen. das genannte Gericht erklärt. I» einer Sache— es handelte sich um einen biederen Kriegervereinler, der feine Unschuld beteuerte— erklärte der Vorsitzende, daß es bei der allgemeinen Erregung, die über die unglückselige Wahlrechtsvotlage entständen, verständlich sei, wenn sich ein sonst durchaus friedfertiger Mensch mit fortreißen lasse. Merkwürdigerweise ivurde aber gerade bei diesem gutgesinnten Mann ruhcsiorender Lärm angenommen und da» Strafmaß herabgesetzt. Der Vorsitzende bemerkte noch, wenn in diesein Falle die Anzeige unterblieben wäre, wäre auch nicht» ver- lorcn gewesen, denn auf einen Hochrnfer mehr oder weniger komme eS bei einem solchen Lärm nicht mehr an. Das alles sollte selbslberfländlich sein-- ist aber eine seltene Ausnahme in der preußischen Justiz! KulZUticl. Arbeiterfeindschast. Die Dumamehrheit offenbarte kürzlich aus Anlaß der Jnter- ition der Sözialdemokratett über die Ausweisung von 23 st reite»den Arbeitern der Armaturwerke von Hacken« thal in Moskau ihr wahre» Gesicht. Bei den Beratungen in der Kommission bemerkte der Betichterstaiter SchnbinSli, die Jnter- pellation sei abzulehnen» da die ausgewiesenen Arbeiter die übrigen Arbeiter an der Arbeit verhinderten, und ferner, da der Moskauer Gouverneur auf Grund des verstärlten Schutzes berechtigt gewesen et, zur Verhaftung und Ausweisung der Arbeiter zn schreitet». Die Kommissionsmehrheit ließ diese„Gesetzlichkeit" hochleben und lehnt« die Interpellation glatt ab._ Die Judenderfolgungen. Aus Petersburg wird telegraphiert: In vielen Städten der Provinz»Verden alle Häuser durchsucht, um festzustellen, öb nicht wvhltverechiigte Inden sich därin befinden! so sind im Gern« verncment SmolrnSt eine Reihe von Flecken von berittener Polizei umzingelt worden und alle Inden, denen nach dem Ermessen dieser niederen Polizeibeamten daS Wohnrecht nicht zustand, wurden verhaftet. Auf viele, die sich vor den Heldentaten der Polizei in den angrenzenden Wäldern versteckten. wurde eine förmliche Treibjagd veranstaltet. Aus der Umgegend der Orte, in denen diese unglaublichen Maßnahmen stattfinden» fliehen viele Juden, ihr Hab und Gut völlig preisgebend. Orhrf. Der Boykott. Smyrna, 11. Juni. Die Behörden erlaubten gestern die Ladung griechischer Dampfer durch Schiffsmann» schaften und christliche Arbeiter. Bkohammedanische Kreter wollten die Ladung gewaltsam verhindern. Darauf gab der Dragoman des griechischen Konsulats drei Revolverschüsse rn die Luft ab. Die Polizei schritt ein und zerstreute dre Kreter, worauf die Schiffe laden konnten. Die Ermordung Samiud. Konstantinopel , 10. Juni. Die Ermordung des Chefredakteurs Ahmed Samins wird allgemein als politischer Mord angesehen. Die Verwandten verlangten, daS Leichenbegängnis solle morgen stattfinden. Die Polizei ordnete jedoch aus Furcht vor De- monstrationen die sofortige Beisetzung an. Sämtliche zw dem Hause des Ermordeten führenden Straßen sind durch einen: starken Polizeikordon abgesperrt. Die von den Verwandten zu» gesperrte Haustür wurde erbrochen und der Leichnam gewalt- s a m ohne religiöse Zeremonien weggetragen und bestattet. Dies hat bei den Mohammedanern einen peinlichen Ein- druck gemacht. Amerika. Die Defraudationen des ZtiFertrusts. New Aork, 11. Juni. Die Geschworenen haben gestern zlvei hohe Beamte des Zuckertu st s Heike und Gerbracht für schuldig befunden, das amerikanische Zollamt durch falsches Verwiegen von Zuckerladungen betrogen zu haben. Das Urteil soll heute gefällt werde■— H119 der Partei. Delegation zum internationalen Sozialistenkongrrtz. Eine Versammlung des Sozialdemokratische» Ver- eins in Lübeck delegierte den Reichstagsabgeoktineten Th. S ch w a r tz. In der Versammlung wurde bedauert, daß die Maifeier nicht auf die Tagesordnung des internationalen Kon- gresseS gesetzt worden ist._ Auch»ine Fortbildung des Prefikechts. Einen gewaltigen Fortschritt in der Rechtsprechung bedeuten zwei Urteile, die von der an juristischen Merkwürdigkeiten reichen herzoglich sächsisch-altenburgische» Justiz gefällt worden sind. Am 2. Mai wurde der vcranilvortliche Redakteur der Men- vurger„Volkszeitung", Genosse Di kreiter, vom Schöffe«/ gericht Altenburg wegen angeblicher Beleidigung durch die Pcesss. zu einer Geldstrafe von 10,0 M. verurleilt. Zu einer Besonderheit wird dieser Urteilsspruch dadurch, daß er erfolgt ist, trotzdem dem Gerichte vom Privatkläger nicht die in Frage kommende Nummer der Zeitung vorgelegt werde» konnte. Der angeklagte Redakteur verlangte vom Gericht die Feststellung seiner Verantwortlichkeit durch die betreffende Nummer und erklärte, daß er sich an den Verhandlungen nicht be« teiligen werde. Er habe nur ein juristisches Jntereffe an der Sache. Er interessiere sich für nichts weiter als für die Frage, ob man einen Redakteur auch da»» bestrafen könne, wenn man den Nach- weis, daß er für den Inhalt einer Nummer verantwortlich sei, nicht führen könne. Trotzdem dieser Nachweis nicht erbracht werden konnte, wurde verurteilt. Das Gericht stützte sich darauf, daß es aerlchtsbekannt, ver Angeklagte sei Redakteur der„Altenburacr Volkszcituug". Außerdem hohe er in einem Zivilprozetz, oer sich Mit der gleichen Sache befaßte, feine Verantwort» lichkeit nicht bestritten. Dieses merkwürdige Urteil unterlag am 7. Juni der. Nachprüfung des Landgerichts Alten- bürg. Hier führte nun oer Angeklagte den Beweis, daß er die betreffende Ruinmet gar nicht verantwortlich gezeichnet habe. Man sollte nun glauben, daß eine glatte Freisprechung erfolgt wäre. Aber trotz des klaren Nachweises, daß er nicht verantwortlich für den unter«»klage stehenden Artikel sei, kam daS Gericht zur Ver- w e r f u n g o e r B e r u f u n g, Es tat noch niehr. Im EröffnungS- beschluh und im Strafantrag war ausdrücklich nur die Nummer der Zeitung unter Anklage gestellt worden, die der Verurteilte nicht verantwortlich gezeichnet hatte. Trotzdem kam das Landgericht zu einer Verwetfuug der Berufung, weil in einem drei Wochen später erschienenen Artikel, den der Angeklagte verant- wortlich deckte, auf den unter Anklage gestellten Artikel BeZug ge- nommen war. Zur Stütze seiner Klage hatte der klägerische Ber« treter auf diesen Artikel Bezug genommen, ohne ihn aber in ben Strafantrag einzubeziehen. Um nun feine Entscheidung zu recht- fertigen und den einmal gefaßten Sünder festzuhalten, konstruierte das Gericht aus der bloßen Erwähnung der nicht unter Klage ge- stellten Nummer einen Strafantrag und machte aus den drei Wochen auSeinanderlirgenben Artikeln eine einheitliche Handlung. So wird im Laude Altenburg„Recht" gesprochen. Selbstverständlich ist gegen dieses Urteil, das der Rechtsprechung gegen die Preffe neue Wege weist, Revision angemeldet worden. Bei dem bekannten Verständnis unserer Richter für die Presse kann man der Entscheidung der Revisionsinstanz mit einiger Spannung entgegensehen.: Berein deutscher Arbeiter in Prag . Den durch Prag reisenden Genossen zur Kenntnis, daß sich das Pripablokal des Vereins Prag !. Elisabeth st r. 10 l, befindet. Eine größere Anzahl Parteiblätter liegt auf. Auskünfte an Wochenhagen von 8 bis 9 Uhr abends, Sonntags von 10—12 Uhr vormittags. Aus dem russischen Parteilcben. Das Zentralkomitee deS jüdischen Arbeiterbundcs hat für die in nächster Zeit stattfiiidcude Konferenz folgende provisorische Tagesordnung aufgestellt: 1. Der Charakter unserer Tätigkeit; unsere Tätigkeit in den kulturellen Vereinen. 2. Unserx Gewerkschaftsbewegung. a Die Tätigkeit der sozialdemokratischen Dumafraktion im allgemeinen und auf dem Gebiete der jüdischen Frage im besonderen. 4. Die Sonnabends- und die Sonntags» ruhe. v. Unsere Tätigkeit in den Gemcindeinstitutioncn. 0. Unsere Presse. 7. Kampf um die Gleichberechtigung der jüdischen Sprache.. Ei» internationales Fest in Oestcrreichifch-Schlcficn. Arn 5. Juni war in Tesche« ein großes Arbeiterfest anläßlich der Eröffnung de» Arbeiterheims und einer Fahnen- en t h ü l l u n g. Die Beteiligung war größer als die an drei gleich- zeitig abgehaltenen bürgerlichen Festen zusammen, wie der Vergleich der von allen Richtungen veransiaitetcn Festzüge ergab. Es sprachen zu de» Massen die Genossen Abg. S ch u h m ei e r- Wien(deutsch ). Reger» Fretstadi(polnisch) und Abg. C i u g r- Ostrau, der kürzlich bei seinen» 60. Geburtötag von seinen Bergarbcilerkameraden viel« fach gefeiert wurde, in tschechischer Sprache. In der Zeit des Separatismus darf man eine solche Kundgebung deS alten, unrevi- dierten JntemationalismuS schon verzeichnen. polizcilithca, Oerichtiithca uftv. Die Methode der hohen Geldstrafen. Genosse Leopoldk vom„Halleschen Volksblatt" erhielt von der Schndertkammer in Halle wegen Beleidigung eine» ManSfcldcr Polizisten 800 W. GAdfirilfe gudikriert. Der Vorwurf, der den« Polizisten gemacht wurde, war durchaus nicht besonders schwer(er sollte einen iimgen Menschen„Bengel" genannt haben), außerdem halte L. die Sache in eurer Erklärung zurückgenommen, als er erfuhr, daß«c getäuscht worden. Trotzdem dre außergewbhn» sich hohe Strafe.
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