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Nr. 135. 27. Jahrgang. 1. KkilW des Jormärts" Iniinn lolUIntt jZonntag, 12. Juni 1910. Hbüfeordnetenbaus» 84. Sitzung, Sonnabend, den 11. Juni,' vormittags 10 Uhr. Am Ministertisch: v. Rheinbaben. Die zweite Lesung des Wohnungsgeldzuschuhgesetzes wird fortgesetzt. Abg. Boisly(natl.): Ueber 100 große und mittlere Städte sollen nach der Vorlage im Tarif herabgesetzt werden. Dagegen hat sich mit Recht ein Sturm der Entrüstung in den Beamte�- kreisen erhoben. 07 000 Beamte wohnen in den deklassierten Städten. Wenn wir jetzt die Kommissionsbeschlüsse annehmen, kann ja das Reich vor dem Jahre 1918 seine Tarife abändern und sich unseren Beschlüssen anpassen.(Bravo ! bei den Nationallibe- ralen.) Abg. Rewoldt(frei!.): Ein Teil meiner Freunde hält die Grundlagen des Gesetzes für falsch, ein anderer Teil stimmt der Regierungsvorlage im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes und der Uebereinstimmung mit dem Reiche zu. Der Herr Finanz- minister weist darauf hin, daß kein Beamter weniger bekommt, als er bis 1909 gehabt habe, das 1909 beschlossene Provisorium aber käme nicht in Betracht. Das trifft nicht zu. Wir haben das Pro- visorium beschlossen, obgleich wir die Klasseneinteilung des Reiches schon kannten. Diese formten wir nicht akzeptieren aus schwer- wiegenden sachlichen Gründen, weil wir überzeugt waren, das Provisorium enthalte das, was der Beamtenschaft zukommt. Auf dieses Provisorium haben die Beamten sich eingerichtet, und man kann eS doch nun nicht auf einmal wie mit einem Schwamm hin- wegwischen.(Sehr richtig!) Wir sind ja überzeugt, daß die preußischen Beamten ihre Loyalität nicht für 40 M. aufgeben werden, aber wir verlangen aus sozialen Gesichtspunkten, daß der Staat seine Beamten ausreichend bezahlt.(Sehr richtig!) Jnter- essant wäre vor allem eine Feststellung, in welchem Maßstabe von der Deklassierung gerade die Unterbeamten betroffen werden. Sollte die Regierung diesen Gesichtspunkten noch nicht in den Kreis ihrer Erwägungen gezogen haben, dann allerdings würde ich es auch für besser halten, wenn das ganze Gesetz scheitert. (Bravo !) Abg. Wald siein(Fortschr. Vp.): ES soll uns hier eine Vorlage, die wir seinerzeit nicht akzeptiert haben, auf dem Umwege über den Reichstag aufoktroyiert werden.(Sehr richtig! links.) Die Beamten werden durch diese Vorlage um so mehr enttäuscht sein, als ihnen bei der Beamtenbesoldung gerade Hoffnungen auf die Erhöhung der Wohnungsgeldzuschüsse gemacht wurden.(Sehr richtig!) Wir werden gegen das Gesetz stimmen, wenn die Kommissionsbeschlüsse nicht auftecht erhalten werden.(Bravo ! links.) Wir bedauern, daß nicht auch die Konservativen in der Kommission für die Beschlüsse der übrigen Parteien eingetreten sind. Einem einstimmigen Beschlüsse des Hauses gegenüber hätte die Regierung zweifellos auf ihrem«Unannehmbar" nicht be- standen.(Bravo ! links.) Abg. StrSbel(Soz.): Wir werden in erster Linie für die Verbesserungsanträge stimmen. Freilich befriedigen diese Anträge unsere Wünsche keineswegs, und wir würden selbst einen anderen Antrag gestellt haben dahingehend, die Sätze des Wohnungsgeldzuschusses für die Unterbeamten überhaupt zu erhöhen, wenn auch nur die aller- geringste Hoffnung auf Annahme dieses Antrages vorhanden ge Wesen wäre.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Regie rung lehnt nun sogar die minimale Verbesserung der Kommission ab. Leider haben sich auch innerhalb der Parteien starke Teile ge- funden, die sich ebenfalls auf den Boden der Regierungsvorlage stellen wollen. Allein die fortschrittliche Volkspartei und die Sozialdemokraten lehnen sie ab. Es ist überhaupt sehr merkwürdig, daß sich in dieser Frage eine Zersplitterung innerhalb der Par- teien zeigt. Ich meine, solche Fragen können doch nicht nach den lokalen Interessen gelöst werden, sondern sie müssen prinzi- p i e l l erwogen werden. Wenn durch die Regierungsvorlage, durch die Deklassierung von 100 Orten, den unteren Beamten und einem Teil der mittleren Beamten nachträglich ein Unrecht geschieht, so muß es das politische Gerechtigkeitsgefühl jeder Partei bedingen, daß die ganze Partei dagegen stimmt.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Es geht aber nicht so, daß diejenigen, bei denen ein Interesse des betreffenden Wahlkreises nicht in Frage kommt, ein- fach für die Deklassierung stimmen, und ein anderer Teil, der von Kreisen gewählt ist, wo Verschlechterungen eintreten, für Verbesserungsanträge stimmt. Das ist eins Politik, die auch ihnen vom Standpunkt der Logik aus unmöglich erscheinen sollte.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Im Kleines Feuilleton. Schumann» und die Marseillaise . Im 150. Geburtsjahr des Rouget de Lisle , das zugleich das 100. Geburtsjahr Robert Schu- manns ist. sei ein Werk in Erinnerung gebracht, daß diese beiden im Bunde miteinander und mit Goethe zeigt. Wie nämlich Schumann die Melodie der Marseiller Hymne in seiner Komposition derBeiden Grenadiere" Heinrich Heines verarbeitet hat. so hat er sie nicht minder packend in seine Ouvertüre zu Goethes Hermann und Dorothea " verflochten. Die Klänge des Revolutionsliedes ziehen sich durch das ganze Tonstück, wie es denn auch nach sechs oder sieben einleitenden Takten damit b e- ginnt, und zwar pianissiomo. Diese Ouvertüre war nämlich für ein Singspiel bestimmt, dem die Goethesche Dichtung zugrunde lag. und die erste Szene stellte den Abzug von Soldaten der französischen Republik dar. Die ganze, kurze, aber sehr reizvolle Ouvertüre ist aus unseren Konzertsälen so gut wie verschwunden und das hat mit ihren Klängen die Marseillaise getan! Dabei find die markigen v-dur-Akkorde dieser Schumannschen Fassung von außerordentlicher Pracht. Goethe allerdings, der kein sonderliches Musikverständnis hatte, meint: Dieses revolutionäre Tedenm habeohnehin etwas Trauriges, Ahnungsvolles, wenn es auch noch so mutig vorgetragen wird". Schumann hat durch die Wahl der Tonart gerade bei dieser Goethe-Ouverture den Alten glänzend desavouiert. Denn v-dur gitt ja auch nach der über- lieferten Deutung der Tonarten(die natürlich anfechtbar, aber von Schumann selbst in seinen Schriften bedingt anerkannt ist) als Aus- druck vonTriumph, Sieg, Festjubel' I JesuS-Anekdoten. In der Bremer Ortsgruppe des Monisten- bundes(I) hat Pastor Wietzke einen Vortrag gehalten über dieGe- schichtlichkeit Jesu, nachgewiesen besonders durch den Begriff der Anekdote". Das Schema des durchaus ernstgemeinten Vortrags war, nach bürgerlichen Zeitungsberichten, das folgende: Begriff der Anekdote: 1. Agnus xroxirnuin(Artbegriff), Anekdoten sind biographische Erzählungen. 2. Die spezifische Differenz: Anekdoten sind gelegentliche plötzliche Jmprovi- sationen eines GenieS. Die Anekdote ist biographisches Persönlichkeits« Extempore. Natürlich gibt eS auch falsche Anekdoten. In den Synoptikern(den ersten drei Evangelien) finden sich aber 5060 echte Anekdoten. Zusammenfassung: Echte Anekdote kann nur von Persönlichkeiten erzählt werden, die ihren Platz in der geordneten Weltgeschichte einnehmen, d. h. existiert haben(Obersatz). Da wir über einen angeblichen Jesus von Nazareth eine Reihe echter(?) Anekdoten finden(Untersatz), so folgt: So muß Jesus von Nazareth nicht nur existiert haben, sondern eine historische Person- lichkeit gewesen sein." vorigen Jahre hat man sich über die Deklassierung außerordentlich entrüstet und jetzt werden noch mehr und zum Teil größere Orte deklassiert. Speziell für die Unterbeamten ergeben sich aus der Deklassierung geradezu unerträgliche Verhältnisse. Die Unter beamten haben bei der Besoldungsresorm am schlechtesten ab- geschnitten.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es ist da- mals unbestritten geblieben, daß die bayerischen Unterbeamten weit besser besoldet werden als die preußischen Unter beamten, während in Preußen die höheren Beamten besser bezahlt werden als in Bayern. (Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Daß die Besoldungsaufbesserungen für die Unter beamten nicht genügen, ist seinerzeit auch von den bürgerlichen Par- teien im Reichstage zugestanden worden. Ich habe ftüher schon nachgewiesen, daß diese Stellungnahme damals einfach Wahlbem* gogic war. Nur der Finanzminister in Preußen bestreitet, daß die Gehaltsaufbesserung der Unterbeamten zu gering gewesen ist. Herr v. Rheinbaben bestreitet ja schlechthin alles, was zweifellos erwiesen ist, sogar die eigene preußische amtliche Statisttk, wie wir vorgestern erlebt haben, wo er von den 19 Millionen preußischer Arbeiter sprach, die nirgends existieren, die einfach aus der Luft gegriffen sind.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Der Finanzminister geht mit den Zahlen so fahrlässig um, daß er ge- legentlich auch sich selbst einmal durch seine eigenen Zahlen wider- legt. Er hat selbst zugegeben, daß die Aufbesserung der unteren Beamten 20 Proz. beträgt. Das soll aber nach ihm nicht nur eine Entschädigung für den Mehraufwand infolge der Lebensmittel- teuerung usw. sein, sondern soll auch eine Steigerung an Kultur- genüsien bedeuten. Nun hat vorgestern der Herr Finanzminister sich auf C a l w e r und dessen Zahlen berufen. Aber gerade Calwer hat, wie der Finanzminister selbst ausführte, eine Steige- rung der Lebensmittelpreise um 22�4 Proz. herausgerechnet.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Gehaltsaufbesserung bleibt also nach Calwer noch hinter der Steigerung der Ausgaben für die notwendigen Lebensaufwendungen zurück. Der Herr Finanz- minister sollte also etwas vorsichtiger zitieren und hier nicht alles vortragen, was ihm von einem sorglosen Geheimrat zugesteckt ist. (Abg. Hoffmann: Wenn er aber nichts anderes hat?) Nun sollen die unteren Beamten durch die Deklassierung noch mehr geschädigt werden. Nach den amtlichen Zahlen sollen 75 000 von 224 000 in Betracht kommenden Beamten in eine höhere Klasse aufrücken, 82 000 bleiben in der gleichen Ortsklasse, er- halten aber ein höheres Wohnungsgeld. Dabei ist kein einziger Unterbeamter, denn die Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses ist bekanntlich nur den mittleren und höheren Beamten zuteil geworden.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) 07V00 Beamte werden aber durch die Deklassierung schlechter gestellt; davon ist natürlich ein unverhältnismäßig großer Prozentsatz Unterbeamte. Herr Rewoldt hat vorhin auf seine Frage an die Regierung, wie viel Unterbeamte von der Deklassierung betroffen würden, keine Antwort erhalten. Es ist eigentlich befremdend, daß eine solche Frage erst hier gestellt wird, und daß die Regierung von vorn- herein nicht darüber Auskunft gegeben hat.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Richtig ist auch, was Herr Rewoldt sagte, daß die Verschlechterung viel mehr ins Gewicht fällt als die Ver- besserung. Die 159 000 aufgebesserten Beamten erhalten pro Kopf 37 M. mehr; die 07 000 Deklassierten werden aber um 72 M. pro Kopf geschädigt. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Sehr richtig hob der Berichterstatter in der Kommission hervor, die Deklassierung sei besonders bedenklich bei den Unterbeamten. Bei diesen sei bisher schon eine große Zahl von persönlichen und Teuerungszulagen mit der Begründung fortgefallen, daß sie nunmehr durch eine höhere Besoldung gedeckt seien. Infolgedessen hätten die Unterbeamten in diesen Städten namentlich die Eisenbahn­beamten durch die Besoldungsreform überhaupt keine nennens- werte Aufbesserung erhalten. Wenn jetzt die Deklassierung ein- trete, so würtzen viele Unterbeamte bis zu sechs Jahren überhaupt nicht aufgebessert werden, während in dieser Zeit durch das Heranwachsen der Kinder die Ausgaben für die Familie wachsen würden, wofür doch die Zulage berechnet sei.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch der Finanzminister hat in der Kom­mission zugegeben, daß viele Unterbeamte nur die geringfügige Aufbesserung von4M. erhalten.(Hört! hört! bei den Sozial demokraten.) Es ist kennzeichnend für die sozialpolitische Aufi fassung unserer Regierung, daß sie jede Milderung dieser un- glaublichen Härten abgelehnt hat. Für die Unterbeamten ist kein Geld da. Als aber vorgestern 354 Millionen zur Erhöhung der Krondotation gefordert wurden, ohne daß der mindeste Notstand nachgewiesen werden konnte(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten), wurde alles glatt bewilligt. Hier, wo eine wirkliche Notlage für Zehntausende vorliegt, wie sogar ein Parteigenosse des Herrn v. Zedlitz anerkannt hat, hat Das ist die angewandte Methode der Berliner Hoftheologie Harnack kann einpacken. Die Entvölkerung Spaniens . Einem relatativen Bevölkerungs- rückgang unterliegen mit Ausnahme von Italien alle romanischen Staaten; am härtesten davon betroffen sind aber Spanien und Portugal . Der Bevölkerungsrückgang Spaniens hängt im Gegensatz zu dem Frankreichs weniger mit dem Rückgang der Geburten zu- sammen als mit der immer mehr steigenden Auswanderung, die durch die Mißwittschaft im Lande veranlaßt ist. Wie dieZeitschrift für Sozialwissenschaft" berichtet, betrug die Zahl der spanischen Auswanderer im Jahre 1904 etwa 40 000, 1900 aber bereits 122 000. Diese Menschenmasse ergießt sich hauptsächlich nach den spanisch sprechenden Republiken Südamerikas , besonders nach Argentinien . In diesen Staat wanderten 1900 von den 122 000 spanischen Auswanderern allein 73 000 ein. Diese Steigerung der Auswanderung hat in Spanien zu einer richtigen Bevölkerungsnot geführt. Von 1837 bis 1900 wuchs denn auch Spaniens Bevölke- rung nur um eine Million, nämlich von 17 auf 18 Millionen, und für die Volkszählung, die demnächst stattfinden soll, wird überhaupt keine Zunahme mehr, sondern ein Rückgang erwartet. Die Zahl der sichtbaren Sterne. Mt bloßem Auge vermögen wir nur solche Sterne wahrzunehmen, die innerhalb des sechsten Lichtgrades liegen, das sind, nach den astronomischen Berechnungen, am ganzen Himmel nicht mehr als 7047. Aber selbst diese können nicht aus einmal wahrgenommen werden; denn es erscheinen niemals mehr als rund 4000 zu gleicher Zeit auf unserem Horizont. Diese Zahl schnellt jedoch sofort ins Enorme, wenn man mit einem einfachen Fernglas die hinter dem sechsten Grade liegenden Sterne aufsucht: mtt einem Opernglas kann man rund 100000, mit einem Fernglas von 0 Zennmeter Durchmesser 300 000 Sterne sehen. Mit den Rieseninstrumenten, wie sie etwa die Licksternwarte in Amerika besitzt, können Sterne 17. Grades gesichtet werden. Zur Feststellung und Berechnung ihrer Zahl braucht man die Photo- graphische Platte, und durch sie ist festgestellt, daß die Zahl der Sterne bis zum 15. Grad mindestens hundert Millionen beträgt. Nach Kapteyn bettägt die Gesamtzahl aller durch die Riesenteleskope sichtbaren Sterne 240 Millionen und die Zahl aller durch die photo- graphische Platte festgehaltenen 000 Millionen. Wie spricht der Hund? Die Naturlaute der Tiere in der Menschensprache wiederzugeben, ist keine ganz leichte und einheitliche Unternehmung. In derZeitschrift für Deutsche Wortforschung" untersucht Oskar Hauschild systematisch die Naturlaute der Tiere in Schriftsprache und Mundart. Wie vielspältig die Lösungen sind, mag daS Kapitel über den Hund zeigen. Der Verfasser unterscheidet für die Wiedergabe des Hundelauts fünf Gruppen, die Wau-Gruppe, die Bell-Gruppe, die Winsel« und Heul- Gruppe, die Knurr-Gruppe man wieder einmal kein Geld. Und da wundern Sie sich, wenn wir von volksfeindlicher Klassenpolitik sprechen und nennen das Verhetzung. Ach nein, wir Sozialdemokraten treiben keine Ver- hetzung; wir hängen nur der Katze die Schelle um.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Unter den Anhängern der Regierungs- Vorlage gibt es ganz besondere Gemütsmenschen, man möchte sagen Gemütsathleten. So sagte ein Kommissionsmitglied: Wenn die Unterbeamten, welche sich unter den 30 Proz. schlechter gestellten Beamten befänden, die Beibehaltung des Provisoriums wünschten, so sollten sie doch bedenken, daß ihnen schon vor der Besoldungs- reform die Teuerungszulagen gegeben worden seien, um ihnen vorzeitig die bevorstehende Gehaltserhöhung zukommen zu lassen; und wenn sie jetzt sagten, sie bekämen nichts, weil sie schon früher etwas bekommen hätten, so liege darin eine Warnung, zemandem etwas zu früh zu geben.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das betreffende. Mitglied gehörte wohl zu der edlen Brot- und Fleischwucherpartei. Erst macht man die Verteuerung, dann verhöhnt man die Beamten wegen ihrer Klagen. Selbst wenn aber die Kommissionsbeschlüsse angenommen würden, wären die Wünsche der Unterbeamten keineswegs be- friedigt. Der Wohnungsgeldzuschuß für die Unterbeamten ist viel zu niedrig; er beträgt im Durchschnitt 300 M. gegenüber 540 der mittleren und 874 bezw. 1404 M. der höheren Be- amten.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch Redner bürgerlicher Parteien haben dieser Meinung Ausdruck gegeben. Der Wohnungsgeldzuschuß für die Unterbeamten müßte mindestens auf durchschnittlich 300 M. erhöht werden. Der Herr Finanz- minister kam wieder mit seiner lOOprozentigen Aufbesserung seit 1873. Ist konstatiere erneut, daß von damals bis 1900 die Un- geheuerlichkeit bestand, daß der Wohnungsgeldzuschuß für die Unterbeamten 75 bis 240 M. betragen hat.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Dafür kann man sich in Berlin höchstens ein Zimmer, nicht einmal zwei mieten. Daß da eine lOOfache Auf­besserung kommen mußte, war selbswerständlich. Wenn man den Unterbeamten etwas gegeben hat. so deshalb, weil die qualifizierten Arbeiter sich höhere Löhne erkämpft haben, als sie zum guten Teil die Beamten beziehen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Das Verdienst also an der Aufbesserung der Gehälter der Unter- beamten kommt den Arbeitergewerkschaften zu.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dem preußischen Finanz. minister erinnert die Forderung von 300 M. Wohnungsgeldzuschuß für die Unterbeamten freilich schon an den Zukunftsstaat. Wir sind ihm dankbar für eine solche Einschätzung des preußischen Gegenwartsstaates.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Der Herr Minister braucht auf unseren Zukunftsstaat gar nicht zu warten, er braucht sich nur den i s-zialdem-ckratischen Gegenwartsstaat anzusehen. Im.,BorwärtS"-Betrieb, den man doch als einen so- zialdemokratischen ansprechen kann, soweit nämlich sozialdemokra- tische Grundsätze innerhalb unserer heutigen Gesellschaft über- Haupt durchgesetzt werden können, bettägt das höchste Redakteur- gehalt 4800 M., während kein Zeitungsseher weniger als 3000 M. bezieht, was<mch ganz selbstverständlich ist bei dem aufreibenden Dienst, obendrein bei Nachtzeit, den die Zeitungssetzer zu leisten haben. Aber auch die Redaktionsboten imVorwärts", die schon einige Jahre im Dienst stehen, erhalten 27.50 und 34 M. Wochen- lohn, das sind 1404 und 1708 M. pro Jahr, pro Tag 4,58 M. und 5,00 M.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Es gibt sehr viele preußische Beamte, die einen solchen Lohn nicht be- ziehen(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.), und die unge- heure Mehrheit der preußischen Staatseisenbahnarbeiter, denen man noch verfassungswidrig das Koalitionsrccht nimmt, bezieht ein weit geringeres Einkommen. Also folgen Sie nur dem Beispiel des sozialdemokratischen Gegenwartsstaates. Doch Sie werden das nicht tun, Sie werden vielleicht sogar den Unterbeamten das Wenige noch nehmen, was sie bis jetzt schon zu besitzen glaubten. Und das 48 Stunden später, nachdem man hier 3)4 Millionen verschlendert hat!(Oho! rechts. Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Solche Taten werden auch die konservativen Beamten zum Nach- denken bringen. Das beweisen ja die letzten Wahlen.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Debatte. Die ersten Paragraphen werden in der Kommissionsfassung angenommen. Beim§ 4 erklärt Finanzminister v. Rheinbaben nochmals den entscheidenden Kommissionsbeschluß für unannehmbar. Nach kurzer Debatte wird der Kommissionsbcschluß gegen einen Teil der Rechten und des Zentrums angenommen, ebenso der Rest der Vorlage. Eine Resolution der Kommission, die die Regierung er- sucht, durch entschiedenes Eintreten im Bundesrat die Schnapp-Gruppe. Jede dieser Gruppen zeigt wieder eine reiche Mannigfaltigkeit. So erscheint in der ersten Gruppe zunächst der wauwau". Im Niederdeutschen wufft" der Hund. Aber der Laut wird auch als bau, boff, biff, buff wiedergegeben. Im Bayrischen bedeutetbaugssen": bellen wie kleine Hunde. Siebauzen" jedoch auch, siegautzcn" undpaunsen". Sie blaufen, baffen und bäffen, blaffen und bläffen, sie machenLau hau", siehautschen" in der Schweiz , sie gauzen, giffen, klautschen, klaffen, kliffen, knäffen, mausen, zauern, schauken.--- Und all das verüben sie bloß in der Wau- Gruppe! Humor und Satire. Vor dem preußischen Herrenhaus. Fremdenführer (Ostpreuße ):Das da ist das preußische HarrenhauS." Fremder(schwerhörig):Da schau her, a NarrenhauS. Herr» schaft, is dös nobel! Da wern aber wohl nur die ganz vornehmen Verrückten eingesperrt?" Die Würde des Hauses.Ich habe die Würde des Hauses gewahrt," sagte der Junker, da warf er die Dienstmagd, die er geschwängert hatte, zur Tür hinaus. Regentenhumor. Also auch gepanzerteFSusteschützen nicht vor Furunkeln? Das werde ich mir nierken. Eine chinesische Militärdcputation habe ich schon empfangen. Wie die Kerle die Augen zusanimenkniffeu I Wenn ich nur wüßte. ob das in der R a s f e liegt, oder ob sie mich etwa s ch e e l a n» gesehen haben I .(Der Postillon") , In einem Kloster.Wer hat Euch denn den BischostSstab geschenkt?" Ach. irgend so'n Nachkomme von den korrumpierten Fürsten, die die Pervexston des Glaubens und der Sitten rmter dem Name» Reformation förderten!" Auskunft.Wie viele Fakultäten hat die Universität in Ihrem Städtchen?" Warten S' mal, meine Tochter war verlobt mit einem Juristen, von einem Theologen hatte sie ein Kind und ein Alt- Philologe hat sie geheiratet; somit hat die Universität drei Fakultäten." _(Jugend.") Notize«. Dr. Goldscheider. der arztliche Direktor deS Nudolf-Virchow-KrankenhauseS, hat eine Berufung als ärztlicher Direktor des poliklinischen Universitätsinstituts in Berlin erhalten. der er Folg« zu leisten gedenkt.