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KU vertreten, ganz besonders dte Sozialdemokratie zu bekämpfen. Statt dessen ist er, wie der Artikel sagt, Schrittmacher der Sozial- dcmokratie geioorden. Ter Staatsanwalt sieht in diesem Wort eine schwere Beleidigung. Ich selbstverständlich nicht. Wenn der Landrat absichtlich die Sozialdemokratie unterstützt hätte, würde ich annehmen, das; er den Berus zum Märtyrer fühlte, denn dann würde er sofort weggejagt»verde». So ist es iratürlich nicht gc- meint, sondern der Angeklagte Zielowski wollte damit sagen: Der Landrat leistet durch sein ungeschicktes Vorgehen der Sozialdemo- iratie Vorschub. Wenn ich auch nicht Parteigenossen haben möchte. die sich wegen eines Streites um eine Laterne der Sozialdemo- Iratie anschließen wollen, so ist es doch berechtigt und bewiesen, daß durch das Vorgehen desJ2andrats die Sozialdemokratie im Wittgcnsteincr Kreise an AnHanger gewonnen hat. Der Landrat hat es durch sein Vorgehen mit den Mitgliedern des Krieger- Vereins, den Beamten, den Bürgern und den Bauern, ja fast mit ollen Leuten im Kreise gründlich verdorben. Ich habe die Emp- findung: die Tätigkeit des Herrn Landratö Dr. Schröder wird damit ein vorläufiges Ende finden. Jedenfalls hat der Angeklagte Zielowski den vollen Beweis der Wahrheit erbracht. Er hat in maßvollster Weise öffent- liche Mißstände gerügt und niemanden beleidigt. Er ist daher freizusprechen. Der Verteidiger Rechtsanwalt Frey« Siegen bemerkte in seinem Plaidoycr u. a.: In mindestens fünf Fällen grenze das Vorgehen des Landrats hart an Erpressung.(Große Bewegung im Zu- hörerramn.) Genosse Heine sagte darüber in seiner zweiten Rede: Hnnderte von braven Arbeitern sind auf Grund deS§ So3 des Straf­gesetzbuches, also wegen Erpressung bestrast worden, weil sie Arbeitswillige veranlassen wollten, sich ihrer Organisation an- zuschließen. Diesen Arbeitern nützte ihre Beteuerung nichts, sie glaubten nichts Unrechtes zu tun. Der Landrat hat sich in mehreren Fällen derselben Straftat und zwar in noch viel erheb- licherem Maße schuldig gemacht. Hieraus werden die e r f o r d e r- lichen Konsequenzen zu ziehen sein. Das Gericht sagte in der Begründung des Urteils, das be- kanntlich dem Genossen Zielowski ZOO M., dem Redakteur Riech! 200 M. und den AngeNagten Roinpel und Achenbach je 60 M. G e l d st r a f e auferlegte, u. a.: Der Gerichtshof hat in dem Falle Stern den Beweis der Wahr- heit für geführt erachtet. Der Landrat war nicht befugt, den Lehrer Stern wegen angeblichen RichtgutgrüßenS in seiner amtlichen Eigen- schaft zur Rede zu stellen und auch nicht, ihn ins Landratsamt vor« zuladcn. Der Gerichtshof hat serner im Falle Spieß den WahrheitS- beweis für geführt erachtet. Der Landrat hat dem Zeugen Spieß lediglich die Milchlieferung entzogen, weil letzterer sich außer stände erklärte, die Milch dein Landrat für seinen Privathaushalt früher zu liefern. Ebenso ist erwiesen, daß der Landrat dem Bäckermeister Kayser hat sagen lassen: er würde ihm die Brotlieferung für das ikreiskrankenhaus entziehen, wenn er nicht den Mitgliedsbeitrag für den landwirtschaftlichen Kreisverein sofort einsende. Da Kayser dies nicht tat, wurde ihm die Brotlieferung entzogen. In mehreren anderen Fällen hat der Gerichtshof den Beweis der Wahrheit nicht für geführt eradjtet..., ES ist nicht bewiesen, daß der Landrat nur Offiziere im Vor- stände deS Kriegervereins haben wollte. Auch für die Be- hauptung, daß der Landrat Schrittmacher der Sozialdemokratie ge- wefen fei, ist kein Beweis erbracht worden. Es hat kein Zeuge be- kündet, daß er durch das Borgehen des Landrats sich der Sozial- demokratie angeschlossen habe. Daß andere Leute dies getan haben, ist eine Behauptung, die nicht nachgeprüft werden kaim... Dagegen hat der Gerichtshof als festgestellt erachtet, daß der Landrat ferne Untergebenen schroff behandelt hat. Bei der Strafzumessung hat baS Gericht neben strafmildernde Umstände als strafschärfend in Betracht gezogen, dte Schwere der Beleidigungen,.die die Autorität eine» Staats- beamten aufs schwerste erschüttern müssen". Was zur Kritik des Urteils zu sagen ist, haben wir oben schon gesagt. Jedenfalls ändert der Spruch des Gerichts nichts daran. daß der Landrat Dr. Schröder ein gerichteter Mann ist und daß mit ihm die preußische Verwaltung verurteilt ist, die diesen schneidigen Beamten bis zuletzt gedeckt hat. Rur unter dem Schutze eines solchen Systems kann sich überhaupt ein Landrat, wie dieser Dr. Schröder herausbilden. Er steht nicht vereinzelt da in der preußischen Verwaltungshierarchie, er ist der vollendete Typ des höheren preußischen Beamten, der keine Grenze seiner Machtbefug- nisse anerkennt, der in den Bürgern Untergebene sieht, die zu parieren haben, ohne zu muksen und der ohne Bedenken seine amtliche Gewalt gebraucht, um die.Schlechtgesinnten", d. h. die, die ihm nicht passen, mürbe zu machen. Diesem System einen tüchtigen Schlag versetzt zu haben, das ist das Verdienst der Frankfurter Volksstiinme' und des Genossen Zielowski. Die Presse der Sozialdemokratie hat hier wieder ihre Aufgabe, öffentliche Miß- stände aufzudecken, treu erfüllt und sie wird sie weiter unbeirrt erfüllen, obgleich, wie der Vorsitzende des Siegener Gerichts in der Urteils- begriindung sagte,die Herren wissen, daß' der Presse der Schutz des tz ISS des Strafgesetzbuches(von der Wahrung berechtigter Interessen) nicht zur Seite steht". gas Zentrum für neue nniltärausgaben. DieGermania " hat den neuen Militärforderungen gegenüber, die von der nationalliberalen und der agrarischen Presse in edlem Wettbewerb gestellt worden sind, eine sehr sympathische Haltung eingenommen. Natürlich, denn der blauschwarze Antiwahlrechtsblock wird sich doch nicht von Nationalliberalcn und Freikonservativen an Bewilligungs- freudigkeit für militärische Zwecke überbieten lassen I Auch die Märkische V o l k s z ei t un g", das Zentralorgan der katholischen Vereine für Berlin und Umgegend", steht an Begeisterungsfähigkeit für den Militarismus hinter der Germania " nicht zurück! Die Feststellungen der offiziösen Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", daß erstens die neue Militärvorlage schon im kommenden Herbste auf der Bild- fläche erscheinen, daß sie zweitens ein Ouinquennat darstellen und daß sie drittens sich im Rahmen der bisherigen Zusagen, das heißt im Geiste der Versprechungen des ausgeschiedenen Kriegsministers v. Einem halten soll, bezeichnet das ultramontane Organ alsim allgemeinen be- friedigend". Mit Freuden begrüßt es dieMärkische Volkszeitung". daß die Gerüchte, das Heer solleauf Kosten der Marine auf halbe Ration gesetzt" werden, absolut unzutreffend sind. Es sei überaus lobenswert, daß man die Schlagfertig- keit der Armee erhalten wolle, da man einsehe, daßim Ernstfalle das Heer mehr Wert sei als die Flotte". Liege doch Deutschlands Stärke in seinem Landheer. Davon, daß Deutschlands Landheer aufhalbe Rationen- gesetzt werden solle, war natürlich gar keine Rede. Es fragte sich nur, ob abermals eine runde Summe von Millionen mehr verausgabt werden solle für die Schaffung neuer Bataillone, neuer Eskadrons, neuer Pionierabteilungen und was dergleichen mehr war. Nicht um eine Herabse,tzung der Ausgaben für die Landarmee handelte es sich, sondern nur darum, ob die AuS- gaben beträchtlich vermehrt werden sollten! Die Absicht der Regierung aber, aus dieser beträchtlichen Ver- mehrung zu bestehen, bezeichnet die Zentrumspresss als eil- sreulich! In dem Augenblick also, wo für die Unter- stützung der durch die Steuerpolitik dös Schnapsblockes brot- los gewordenen Tabakarbcitcr kein Geld mehr vorhanden ist, wo sich das ultramontanc Beschwichtigungsprojekt einer Witwen- und Waiscnversicherung, die von den Abfällen des agrarischen Zollraubs, für den auch das Zentrum ein- getreten war, gespeist werden sollte, vollends als plumper Schwindel herausstellt, wagt es das Zentrum, von neuem für militaristische Ausgaben einzutreten! Und das unter dem demagogischen Vorwand, daß im Ernstfalle das Heer doch mehr wert sei als die Flotte, daß Deutschlands Stärke in seinem Landheer liege. Ja, haben denn nicht inzwischen die Ausgaben für die Marine fast eine halbe Milliarde erreicht, ist es nicht das Zentrum gewesen, das stets für die ungeheuerliche Steigerung der marinistischcn. Ausgaben eingetreten ist? Mit der Motivierung, mit der jetzt also die Zentrumspresse ihre militaristische Bewilligungs- freudigkeit zu beschönigen sucht, übt sie an ihrer Verschwen- dungssucht für den Marinismns nur die grausamste Selbst- krit.k! Aber noch eins ist charakteristisch für das Zentrum. Von dem Ouinquennat, das heißt der Regelung der Verhältnisse der Landarmee auf 5 Jahre hinaus, mag dieMärkische Volkszeitung" nichts wissen. Sie möchte vielmehr ein Pro- v i s o r i u m für das Jahr 1912 geschaffen haben. Das sei empfehlenswert, weil dann erst eine bessere Uebersicht über die wirklichen Erträge der neuen Steuern vorhanden sei. Das ist natürlich nur ein f a u l e r V o r w a n d. In Wirklichkeit möchte das Zentrum die Erhöhung des Militär- etats in vollem und dauerndem Umfange erst dann be- willigen, wenn es die Reichstagswahlen überstanden hat! Das Zentrum hat sich durch seine Bewilligung der Reichs- finanzreform, seine Zustimmung zur Bewilligung der Krön- dotation und durch seinen imfamen Wahlrechtsverrat eine so kolossale Verantwortung aufgebürdet, daß es dieses Schuld- konto selbst seinen so geduldigen Wählern gegenüber nicht noch vermehren möchte!_ poUtifcbe GebcrHcbt. Berlin , den 13. Juni 1910. Groß-Berlin im Abgeordnetenhause. Am Montag beriet das Abgeordnetenhaus einen Antrag Linz (Z.) und Genossen, der die Regierung um Einbringung eines Gesetzentwurfs ersucht, durch den die Bestimmungen der Landgemeindeordnung über die Verbindung nachbarlich belegener Gemeinden behufs Wahrnehmung kommunaler Angelegenheiten auf alle Provinzen entsprechend ausgedehnt werden und ferner eine Verbindung von nachbarlich belegenen Stadtgemeinden unter sich zu denselben Zwecken zulässig ist. In Verbindung damit stand ein Abänderungsantrag Zedlitz(fk.), der sich speziell auf Berlin bezieht und einen Gesetzentwurf verlangt, durch welchen zum Zwecke einheitlicher Regelung des Verkehrs, des Bebauungsplanes. der baupolizeilichen Vorschriften und der Waldfrage ein Zweck- verband Groß-Berlin und aus diesem ein besonderer Ver- waltungsbezirk nach Art der Regierungsbezirke gebildet wird. Der Standpunkt der sozialdemolratischen Fraktion war ge- geben durch das Kommunalprogramm für Preußen sowohl als durch die Beschlüsse der Gemeindevertreterkonferenz vom 6. Mai 1306, die ausdrücklich die sozialdemokratischen Gemeindevertreter verpflichten, durch die Gesetzgebung die Bildung von leistungsfähigen Zwangsverbänden zur finanziellen Erfüllung der allen Gemeinden gemeinsamen Aufgaben zu fordern. Diesen Standpunkt vertrat Genosse Hirsch im Gegensatz zu den meisten anderen Rednern, die in solchen Zwangsverbänden einen Eingriff in das Selbstver- waltungSrecht erblickten. Mit Recht wies unser Redner nach, daß davon gar keine Rede sei und daß wir ja ein SelbstverwaltungS- recht in Preußen gar nicht haben. Der Antrag Linz gelangte schließlich, nachdem die Regierung erklärt hatte, daß ein ent- sprechender Gesetzentwurf in Vorbereitung sei, zur Annahme, der Antrag Zedlitz wurde in eine Kommissino begraben. Der freisinnige Antrag betr. die gesetzliche Regelung der Rechts st ellung der Studierenden an den Uni- versitäten. der von dem Abg. v. L i S z t begründet wurde, gab unserem Genossen L i e b l n e ch t Veranlassung, die vorsint» flutlichen Zustände auf dem Gebiete deS Universitätsrcchts zu schildern und sich in wärmster Weise der berechtigten Interessen der Studenten anzunehmen. Ten Herren von der Rechten freilich waren seine Ausführungen, in denen er die zarte Behandlung randalierender Studenten und die Auflösung ernster studentischer Vereine, z. B. der sozialdemokratischen Studentenvereine, gegen- überstellte, sichtlich unangenehm, sie suchten durch das sie charakteri- sierende Lachen sich über die unangenehme Situation hinwegzu­täuschen, in die sie durch die Peitschenhiebe Liebknechts versetzt waren, aber vergebens, sie zeigten dadurch nur, wie sehr die Aus- führungen unsere» Genossen am Platze waren. Besonders tat sich Herr Kreth, der Pseudojunker, durch Ungezogenheit hervor. Der Antrag selbst gelangte zur Annahme. Am Dienstag sollen wieder Initiativanträge beraten werden. Die Stichwahl in Usedom -Wollin . Auf den 17. Juni ist der zweite Gang in dem Wahlkreis an der Odermündung festgesetzt worden. Freitag also schon wird die Entscheidung fallen. Angesichts dessen verdoppeln sich die Anstrengungen der Konservativen und des Zentrums, den Freisinn zur Ausgabe einer Parole gegen die Sozialdemokratie, für die Junker zu zwingen. Mit den massivsten Drohungen wird nicht gespart. DieKueuzzeitung" bringt am Montag einen LeitartikelEine folganschwere Entscheidung", worin cS heißt: ..... Mit Stillschweigen oder mit dem beliebten Auswege, der Wählerschaft zu überlassen, auf welche Seite sie sich schlagen will. wird der Fortschritt sich diesmal nicht von einer unzweideutigen Stellungnahme befreien können. Lehnt er die baldige AuS- gäbe einer Wahlparole zugunsten des konservativen Kandidaten ab und unterläßt er eS. mit allen Kräften für deren Be- folgung zu sorgen, dann ist dieS gleichbedeutend mit dem Ein- treten für den sozialdemokratischen Bewerber, der ohnedies vor dem Konservativen schon einen starken Vorsprung hak.... Der fast noch einzige Rückhalt, den die Fortschritler haben, ist die konservative Stichwahlhilfe. Verscherzen sie sich jetzt durch sozialistenfreundliches Verhalten in Ueckermünde auch noch diese, dann mögen sie sehen, was für Geschäfte sie fortan mit den freundnachbarlichen Sozial- demokraten noch macheu werden." Und dieKonservative Korrespondenz" erklärt am Schluß einer längeren Notiz: Das Lerbalten des Freisinns in Ueckermünde-llfedom-Wollin wird von entscheidender Wirkung sein für die Stellung- nähme der Konservativen gegenüber der Fortschrittlichen Volks- Partei bei den zukünftigen Wahlen'" DieDeutsche Tageszeitung" sucht den: Freisinn eben- falls zu beweisen, daß er ous Selbsterhallungstrieb sich der Reaktion ve.rschxeibm muß: Für Len Liberalismus handelt es sich eben darum, 06 er mit einer sinn- und gewissenlosen Hetze gegen die rechtsstehenden Parteien wie gegen die altliberalen Elemente zugleich eine Politik des Selbstmordes zugunsten der Sozialdemokratie betreiben oder ob er endlich wieder zu einer Politik der Besonnenheit und Ehrlichkeit zurückkehren will, dir eine Verständigung zwischen rechts und links ermöglicht." Sehr interessant ist der Eifer, mit dem die Zentrums- presse sich an der Bearbeitung des Freisinns beteiligt. Die Köln . Volkszeitung" meint, es müsse doch selbst für frei- sinnige Politiker peinlich sein,jetzt die Parole für die Sozial- deniokratie auszugeben, nachdem ihnen soeben erst die Kon- servativen das Mandat in Jauer -Bolkenhain vor dem sozial- demokratischen Zugriff gerettet haben". Und entrüstet sag! sie alsdann zu der Aufforderung desBerliner Tageblatts", gegen die Konservativen zu stimmen:... Wir sind einiger- maßen neugierig darauf, wie lange noch angesichts solcher Erfahrungen die Lammesgeduld und Gutmütig» keit der Konservativen nicht reißen wird." DieGermania " läßt sich aus dem Wahlkreise schreiben: ..... Die Situation, die bereits heute für den Fortschritt feststeht, ist für ihn eine geradezu tödlich gefährliche. Jede andere bürgerliche Partei wird einfach den Gegner der-Sozial- demokratie wählen dürfen, ohne einen erheblichen Teil ihrer An- Hänger dadurch zu verstimmen oder aar abzustoßen. Der Fort- schritt aber ist in einer sehr fatalen Lage: entscheidet er sich für den Soziademokraten, so macht er sich bei den Handwerksmeistern und Fabrikanten und Bauern vollends unmöglich; stimmt er für den Konservativen, dann gibt es wieder beimBerliner Tage- blatt" ein großes Wehegeschrei und die radikaleren Fortscht�tler werden ins rote Lager hinübergetrieben. Diese Situation ist eben diejenige, die das allmähliche Hinsterben des Freisinns herbeigeführt hat. Sie wird um so häufiger wiederkehren, je intensiver der Freisinn die Hetze gegen den schtvarzblagen Block" betreibt und damit die Sozialdemokratie fördert." Die Nationalliboralen des Wahlkreises, die im ersten Wahlgang für den Freisinn gestimmt haben(trotzdem sein gewaltiger Stimmenverlust), fordern bereits auf, für den Konservativen zu stimmen. Die offizielle freisinnige Presse aber hütet sich, eine Meinung kundzugeben. Die Freisinnige Zeitung" stellt sich überhaupt tot und die Vossische Zeitung" erklärt, daß die Parteileitung nichts zu entscheiden habe, sondern die Ausgabe der Parole der Organi- sation des Wahlkreises überlassen müsse. Es sieht also sehr danach aus, daß sich der Fortschritt um eine klare Ent- scheidung herumzudrücken versuchen wird. Daß ihm das nach keiner Seite hin nützen wird, sollten sich die Herren, die die neue geeinigte Partei zu leiten haben, selbst sagen können._ Verminderte Einnahmen. Nach offiziösen Angaben hat die Einnahme des Reichs an Zöllen im Monat Mai d. Js. 461/-j Millionen Mark be­tragen. Für die Zeit vom 1. April biS Ende Mai d. Js. stellt sich die Zolleinnahme auf 01 Millionen Mark, das heißt Milli­onen Mark weniger als in den entsprechenden beiden Monaten des JahreS 1900. Gegen den Etatsvoranschlag für das Rechnungsjahr 1010 bleibt die Einnahme für April und Mai d. Js. um etwa 14 Millionen Mark zurück. Dte Steuerschraube kann also bald wieder in Funktion treten._ Borromäus-Rummel. Nach dem schmählichen Verlauf der BorromäuS-Jnterpella- tionen im Landtage wird von den evangelischen Gläubigen noch immer versucht, den Enzyklikarummel in Gang zu halten. Am Sonntag fand in Berlin im Zirkus Busch eine Protestversamm- lung statt, zu deren Besuch durch knallroten Anschlag an den Kirchentüren schon tagelang vorher aufgefordert wurde. ES hatten sich denn auch Versammlungsbesucher in ziemlich reicher Zahl eingefunden, um sich die auf der Tagesordnung stehende Paarung zwischen Karpfen und Kaninchen nicht entgehen zu lasten. Sollten doch der konservative Abgeordnete S t r o s s c r und der fortschrittliche Abgeordnete Naumann in die Schranken treten, um gemeinsam eine Lanze für die christlich-evangelische Religion zu brechen. Einem Teile der evangelischen Christen erschien diese Paarung wohl doch zu widernatürlich, denn als der konservative Major a. D. Strosser zu reden begann, empfing ihn ganz programmwidrig großer Lärm, so daß Herr Naumann ganz ver- blüfft drein schaute. Auch ein Zeichen der Zeit, daß sogar evan- gelische Christen nichts mehr von preußischen DreiklassenhauSjunkern wissen wollen! Daß Herr Naumann in seiner Rede nicht über allgemeine tönende Phrasen hinauskam, versteht sich bei ihm am Rande. Wie sollte er auch dazu kommen, aus diesem ganzen Treiben ssie Kon- sequenz zu ziehen, die der bekannte Pfarrer T r a u b- Dortmund in derChristlichen Freiheit" fordert. Traub scheibt dort über die Enzyklika: Aber laßt sie doch ruhig so weiter machen. Je toller, desto besser. Es ist nur ehrliche Konsequenz, was der Papst aus- plaudert. Es ist gut, daß die Diplomatie seine Worte nicht verkleistert hat. Wir werden jetzt, wenn alles hart auf hart geht, nur gesunden, wenn es heißt: Trennung von Kirche und Schule. Trennung von Kirche und Staat. Aufhebung des Botschafterpostens beim Vati» kan, der schon läng st eine staatsrechtliche Un- geheuerlichkeit ist. Aufhebung des Religion S- Paragraphen im Strafgesetzbu ch." So etwas ist doch nichts für den liberalen Schönredner Friedrich Naumann ! Nach Schluß der Versammlung gab e» wieder einmal eine Straßendemonstration. An der Spitze einer mehrtausendköpfigen Menge begab sich der Vorstand des evangelischen Bundes zum Neuen Markt und legte dort am Lutherdenkmal einen Kranz nieder. Zum Schluß sangen die Teilnehmer der polizeilich nicht genehmigten Straßendemonstration ein Kirchenlied. Bon einem Einschreiten der Polizei war erfreulicherweise nicht» zu spüren. Hoffentlich verfahren in Zukunft die Polizeiorgane auch Sozial- demolraten in gleich liberaler Weise. Der sächsische König bekanntlich gehört das sächsische Königshaus der katholischen Kirche an> hat in einer Konferenz mit den Staatsministern sein Bedauern erklärt über die Angriffe auf die evangelische Kirche. Er habe, wie er erklärte, in Aussicht genommen, ein Handschreiben an den Papst zu richten. Wenn das nichts hilft...'_ Die eine reaktionäre Masse in Sachsen . Für die kommenden allgemeinen ReichStagwahlen im König. reich Sachsen hatte vor kurzem die.Kreuzzeitung" die Frage ausgeworfen, ob es den Konservativen möglich sei, bei den sächsischen Wahlen für Angehörige der n a t i o n a l l i b e r a l e n Partei im ersten Wahlgang einzutreten. Sie verneinte das in ent- schiedenster Weise, namentlich bezüglich einiger Mitglieder der nationalliberalen Fraktion, wie die Abgeordneten Dr. Junik, Weber und Stresemann . DieNationallib. Corr." aber er, klärt jetzt: