Befugnis fiBertrngen, bon der Preußen bisher einen sehr ke- scheidenen Gebrauch geniacht hat. Nur, wo es gar nicht anders geht, also in den gemischtsprachigen Gegenden, find Bestimmungen zugunsten einer fremdeu Sprache getrosfen worden. Der K 7 erteilt der Landesregierung ausdrücklich die Befugnis, fiir Berfammlnngen unter freiem Himmel die Anweisung zu treffen, daß bereits eine einfache Anzeige genügt»ud eine Genehmigung nicht not- wendig ist. Tie preußische' Ausführungsverordnung hat hiervon aber nicht Gebrauch gemacht. Fiir Preußen gelten da einfach die unerträglichen Beftimnmngeu des Reichsvereinsgesetzes. Fast alle anderen deutschen Bundesstaaten wollen weiter gehen in der Versammlungs- und Bcreinsfreiheit. nur Preußen hat widersprochen und sein Schwergewicbt hat wieder einmal einen Fortschritt verhindert. Immer wieder müssen loir die schwersten Angriffe gegen die preußische Verwaltung richten wegen der zahlreichen kleinen Mittel, mit denen sie neben und gegen das Gesetz unausgesetzt das Ber sammluugs- und Brremsrrcht erschwert und unterbindet. Ich erinnere an die Saalabtrcibung, die polizeilichen Schikanen und an den Versuch, Saal- besitzer durch Hypothekeukündigung von der Ucberlassnng ihrer Säle an Sozialdemokraten und andere Lppofitionsparteien abzu- halten. Wir haben ein ungeheuerliches Material darüber, daß die preußische Regierung schamrot werden müßte. sLachen rechts.) Allerhand sicherheitspolizeiliche Beftimnmngeu müfien dazu herhalten, um das Versammlungsrecht zu erschweren. Im Königreich des Herrn v. Heydebrand(Heiterkeit) hat die Phantast« der Polizei sogar eine gar nicht existierende Scharlachepidemie in 20 Kilometer Entfernung vom Versammlungs- lokal entdeckt, um eine Versammlung unmöglich zu machen. Bon dieser alten polizeilichen Nadelstichpolitik können die Sozialdemokraten und die proletarischen Gewerkschaften ein langes Lied singen.(Sehr wahrl bei den Sozialdemo- kraten.) In B r e s l a u hat man trotz des Versprechens des Herrn Ministerpräsidenten eine hilfsrichterliche Entscheidung fertig gebracht. die die Gewerkschaften als politische Organisationen erklärt und so den Erfolg erzielt, die Teilnahme Jugendlicher an diesen Ge- werkschaften unmöglich zu machen. Die Polizeiorgane geben sich die stärkste Mühe, ohne jeden plausiblen Grund allerhand geWerk- schaftliche und politische Organisationen unbequemen Charakters für nichtgeschlossene Vereine zu erklären, um den Sprachenparagraphen gegen sie anwenden zu können. So hat man eine Vertreterkonferenz unserer polnischen Parteigenossen für Rheinland und Westfalen , an der insgesamt 14 Genossen teilnahmen, als eine öffentliche Bernnstaltiing angeschru,(Hört! hört! bei den Sozial- demokraten) und infolgedessen den Gebrauch der polnischen Sprache bei dieser Zusammenkunft verboten. In Charlottenburg hat man versucht, den polnischen Wahlverein als eine nicht ge- schlossene Organisation zu konstruieren, obwohl seine Mitgliederzahl nicht mehr als 500 beträgt. Ich erinnere noch daran, daß die Kieler Polizei bei der dortigen Friedenskundgebung im Sommer vorigen Jahres es einem Vertreter der englischen Nation, der kurz vorher mir Vertretern der preußischen Regierung feierlichst zu- sammengetafelt hatte, unserem Genossen Macdonald verwehrt hat, das Wort zu ergreifen.(Hört, hört k bei den Sozialdemokraten.) Mit einer besonders kläglichen Judikatur haben wir in bezug auf die Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel in Preußen zu rechnen. Gewöhnliche Leichenbegängnisse sind nach dem Gefe(j von der Bestimniung des Z 7 ausgenommen. Die preußische Judikatur macht aber dann schon ein Leichenbegängnis zu einem ungewöhnlichen, wenn irgend jemand ein paar Worte am Grabe spricht, oder irgend eine Fahne oder ein sozialdemokratisches Abzeichen getragen wird. Mit unglaublichen Gründen werden Versammlungen unter freiem Himmel verboten. So in dem Dorfe Schönborn bei Breslau , weil eme Ge- fährdung der öffentliche« Ordnung mit Rückficht daraus für vor- liegend erachtet wurde, daß Gegner geneigt fein würden, Radan zu machen und eS unter Umständen zu Tätlichkeiten kommen könnte. (Hört l hört I b. d. Soz.) Ein anderer Fall hat sich im Reichstags- Wahlkreis Koblenz -St. Goar abgespielt. Dort erteilte die Polizei die Genehmigung zu einer Versammlung unter freiem Himmel mit der Begründung nicht, daß infolge der Annahme der neuen Steuer- gesetze»»zweifelhast weite B-ttskeise von Aufregung ergriffen seien, daß die Zentrumspartei überwiege und ei infolgedessen leicht zu Ruhestörungen kommen könnte.(Hört I hört! bei den Sozial- demolraten.) In diesem Falle hat das Oberverwaltungsgericht das Verbot für ungerechtfertigt erachtet, aber welche Perivektiven eröffnen sich bei einer solchen VerwaltungspraxiS. In Ober- s ch l e s i e n wird eine Verfanmilung unter freiem Himmel nicht ge- stattet, weil am selben Tage ein Ablaßfest stattfindet, wo eine große Volksmenge zusammenkomme. Die zu Gebote stehend« Polizei sei nicht imstande, alles zu beaufsichtigen.(HörtI hörtl bei den Sozialdemokraten) I« dem Verbot einer anderen Versammlung unter freiem Himmel in Oberschlesieir heißt es:„Ich muß be- fürchten, daß die hiesige Bürgerschaft, wenn nicht energische Abwehr- maßregeln gegen die sozialdemolratijcheu Bestrebungen getroffen werden. schließlich zur Selbsthilfe greifen würde, um dem Treiben des von gewissenlosen Agitatoren aufgehetzten B-lkeS Einhalt zn tun.« Das ist ein Amtsvorsteher so ganz nach dem Herzen der Rechten dieses Hauses. Dieser amtliche Akt bedeutet eine geradez« un- erhörteAnmaßung dieses Hetzrn, dessen Entscheid übrigens ein außerordentlich feines Gefühl für das Recht auf Revo» lution verrät. In Genthin ist ein Umzug verboten worden, weil in einer Nachbarstadt von Angehörigen der OrdmnigSParteicn aus den Häusern Töpfe, Teller und Schüsseln auf die W a h l r e ch t S d e m o n st r a n t e n auf der Straße geworfen worden seien. Nachdem wir es erlebt haben, daß man die bei den Straßendemonstrationen besonders tätigen Schutzleute de- koriert, daß der Landesdirektor der Provinz Brandenburg , der Präsident des Herrenhauses sogar Sammlungen für die Polizeibeanuen veranstaltet hatte, die in be)onders tüchtiger Weise Bürgerblnt vergossen haben, kann natürlich eine solche Praxis der preußischen Verwaltung nicht mehr Wunder nehmen. Sie steht freilich in schroffstem Widerspruch zu dem Versprechen des Herrn von Bethniann, daß das Vereinsgesetz nicht schikanöser Weise gehandhabt werden soll. Bayern , Württemberg, Baden und Hessen könnten mit ihren Einführungsgesetzen geradezu vorbildlich für Preußen sein, wenn sie nicht ein Schrecken für die preußische Rückständigkeit wären.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die preußische Verwaltungspraxis aber läßt das selige Sozialistengesetz wieber auferstehen. Gerade das preußische Vorgehen verhindert die allmähliche An- pasinng der polnischen und der sonstigen fremden Bevölkerung an die deutsche Kultur in all den Gegenden, wo fremde Arbeitermassen sich anhäufen. Besonders für Rheinland und Westfalen sowie für das Ruhrrevier ist dies Verhalten geradezu Verhängnis- voll. Preußen stellt gegenüber den süddeutschen Staaten gewisser- maßen den Krähwinkler Landsturm in ber deutschen Politik dar. Aber gerade diese Rückständigkeit be- wirkt, daß wir um so rascher vorwärts kommen. Dir letzten Ersatz- wählen zeigen, wie der Wind in Deutschland weht. Je rückständiger Preußen bleibt, um so schneller und siegessicherer wird die Sozialdemokratie voranschreiten.(Bravo ! bei den Sozial- demokraten.) Geheimrat v. Hermann: Für die ersten drei Anträge liegt ein praktisches Bedürfnis nicht vor, denn der Minister des Innern hat den Gebrauch der litauischen, masurischen, wendischen, französischen und in einigen Kreisen der dänischen Sprache bereits zugelassen. Ich bitte Sie, sämtliche Anträge abzulehnen. Die noch weiter- gehenden Anträge der Polen und Sozialdemokraten den Geist de» Vereinsgesetze» mit sich selbst in Widerspruch «tzen. Solange wir mit Straßendemonstrationen zu rechnen haben, solange noch das Recht auf die Straße proNamiert wird, kann die Regierung ihre Machtmittel nicht preisgeben.(Bravo I rechts.) i Auf Vorschlag des Präfidenten vertagt sich das Haus. Präs. v. Kröchcr bittet um die Ermächtigung, die nächste Sitzung für morgen anzusetzen, je nachdem, ob Vorlagen aus dem Herrenhause noch einmal an das Abgeordnetenhaus zurückkommen. Die Abgg. Stanke(Z.) und Dr. Liebknecht(Soz.) bean- tragen, für morgen eine besondere Sitzung zur Erledigung der Sprachenanträge anzuberaumen. Die Anträge werden abgelehnt und dem Präfidenten die nachgesuchte Ermächtigung erteilt. Schluß 4*/| Uhr._ Siebenter ordentlicher GenoMchaftstag Den München , 14. Juni. Zweiter Bcrhandlungstag. Bericht des Vorstandes erstattet Verbatidsvorsitzender Max Radestock- Dresden . Er ergänzt den �gedruckt vorliegenden Bericht. Das Jahr 1M9 habe bis zu den Sommermonaten wie das Vorjahr unter dem Zeichen der Krisis gestanden. Da die Mehrzahl der größeren Konsum- vereine im Hochsommer ihr Geschäftsjahr abschließen, sei das Ge- schäftsiahr 1903/09 als ein reines Krisenjahr zu be- trachten. Trotzdem fei ein Stillstand in der Eniwickelung des Ver- bandcs nicht eingetreten, sondern ein erfreulicher Fortschritt zu verzeichnen. Die Zahl der Mitglieder stieg auf 10 4 7 0 0 0, sie erfuhr damit eine Zunahme um 80000. Stärker drückte das Krisenjahr aus die Zunahme des Umsatzes. Der U m s a tz im eigenen Geschäft betrug 247 Millionen Mark, der Zuwachs beträgt 21 Millionen Mark, gegenüber 86 Millionen im Borjahre. Im Geschäftsjahr sei besonders alles getan worden, um den A u s b a u des Verbandes zu sördern; es ist eine juristische Abteilung eingerichtet worden, die sich gut bewährt hat. Die er- richtete Papier Warenfabrik habe sich ebenfalls gut cnt- wickelt. Viel Arbeit haben dem Vorstand die Tarifverhand- l u n g e n mit den Bäckern und Transportarbeitern gemacht. TaZ Projekt, Errichtung von Ferienheimen, sei leider gescheitert. Alles in allem sei die Tätigkeit des Vorstandes eine arbeitsreiche ge» Wesen. Mit dem Abschluß deS Geschäftsjahres könne man zu- frieden sein. Dann gab Heinr. Kaufmann- Hamburg den Bericht de» Generalsekretärs, der zunächst eingehend über die EntWickelung der Verlags- a n st a l t des Zentralverbandes berichtete. Der Betrieb glieder? sich zurzeit in vier Abteilungen, nämlich die kaufmännische Ab- teilung, die Versicherungsabteilung, die Buchdruckerei und Buch- binderet und die Papierwarenfabrik. Der Umsatz der Verlags- cmstalt betrug im Jahre 1909 773 658,69 M., gegenüber dem Vor- jähre ist dies ein Zuwachs von 290 000 M. Kaufmann verbreitete sich eingehend über die Verhältnisse bei den einzelnen Zweigen der Verlagsanstalt und betont» daß diese sich in lebhafter und gesunder EntWickelung befindet, und daß sie immer mehr be- strebt ist, den ihr angewiesenen und zukommenden Teil der Eigen- Produktion für den organisierten Konsum in die eigene Hand zu nehmen. An die Konsumvereine richtet Redner die Bitte, auch ihrerseits genossenschaftliche Treue zu üben und alle ihre Auf- träge an Drucksachen und Papierwaren aller Art der Verlags- anstatt zuzuführen. Kaufmann besprach dann die EntWickelung des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine. Redner verwies aus das Jahrbuch des Verbandes und beschränkte sich darauf, einige der wichtigsten Ziffern, die die EntWickelung des Zentralverbandes zeigen, zum Vortrage zu bring interessante Vergleiche der EntWickelung des Zenti mit der deS britischen Genossenschaftsverbandes. Im zählte der britische Genossenschastsverband 1701 Ge! 1909 nur 1561. Der Rückgang ist eine Folge der KmMNtMWDö Der Umsatz betrug 1903 1784 Millionen Mark und 1909 2173 Mill. Mark. Dem Zentralverband deutscher Konsumvereine gehörten 1903 685 und 1909 1119 Genossenschaftsvereine an, der Umsatz stieg von 176 456 549 M. im Jahre 1903 aus 382 066 681 M. im Jahre 1909. Betrug also der Umsatz des Zentralverbandes 1903 nur ein Zehntel deS Umsatzes des britischen Genoffenschafts- Verbandes, so 1909 nur noch ein Sechstel. Das ist unzweifelhaft ein Zeichen, daß die EntWickelung des Zentralverbandes eine sehr gute ist. Der enorme Fortschritt in den englischen Genossenschaften be- ruhe auch mit darin, daß man dort dem genossenschaft- li che n Fsio r t b i l d u n g s u n t er? r i ch t viel Aufmerksamkeit schenkt und dafür große Aufwendungen macht. In England wur- den 1909 1 800 000 M. für genossenschaftliche Unterrichtskurse ausgegeben und daneben noch 1 200 000 M. für gemeinnützige Zwecke. In Deutschland seien aber für beide Zwecke 1909 nur 400 000 M. ausgegeben worden. Das müsse anders werden. Auch Deutschland müsse auf diesem Gebiete mehr leisten, denn der FvrtbildungSunterricht sei eine Lebensfrage für die Genossenschaf- ten. Als Ziel schwebe ihnen eine konsum genossenschaft- liche Universität vor. Wenn auch dieses Ziel noch nicht so bald erreicht werde, so könne aber doch schon'sehr viel auf diesem Gebiete getan werden und«S sei zu hoffen, daß man auch bald zu diesem Ziel komme. Der Vorstand und Ausschuß habe sich eingehend mit der Frage beschäftigt und unterbreitete folgende Re- solution: „Der siebente ordentliche Genossenschaftstag des Zentral- Verbandes deutscher Konsumvereine vom 13. bis 17. Juni 1910 in München nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis, daß Vorstand und Ausschuß des Zentralverbandes deutscher Konsum- vereine eine Kommission zur Prüfung der Frage des konsum- genossenschaftlichen Fortbildungs Unterrichts eingesetzt haben. Der Genossenschaftstag beschließt, daß zur För- derung des konsumgenossenschaftlichen Fortbildungsunterrichts ein Unterrichtsfonds errichtet werde, der von dem Sekretariat des Zentralberbandcs deutscher Konsumvereine von den übrigen Mitteln des Zentralverbandes getrennt zu verwalten ist. Ueber die Verwendung dieser Mittel entscheiden Vorstand und Aus- schuß des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine und in deren Auftrage die von diesen beiben Körperschaften hierfür ein- gesetzte besondere Kommission. Der GenosscnschastStag ersucht die Verbandsvcreine dringend, aus ihren jährlichen Erübrigungen ausgiebige Zuwendungen dem Unterrichtsfonds zur Verfügung zu stellen und an das Sekretariat des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine abzuführen. Kaufmann betont am Schlüsse seiner Ausfilhrungen, die Konsumvereine würden in ausgiebigster Weise die Mittel für die Unterrichtskurse zur Verfügung stellen, der Zentralverband und die Großeinkaufsgesellschaft werden zu den Kosten beisteuern. Die Genossenschaftstage hätten immer zur Weiterentwicklung der Genossenschaft beigetragen. Möge auch dieser Genossenschaftstag ein Markstein in der Entwicklung der Genossenschaften sein. Nehmen Sie die Resolution einstimmig an und handeln Sie auch danach!(Beifall.) Vorsitzender Barth- München macht bekannt, daß ein Antrag eingelaufen ist, von der Rede des Vertreters der Stadt München , Rechtsrats Dr. Merkt, Seperatabzüge herstellen zu lassen und an die Gemeinden, die die Genossenschaften noch bekämpfen, zu ver- senden. Barth bemerkt dazu, der Vorstand habe das gleiche erwogen und werde danach zu handeln suchen. Der Antrag wird dem Vor- stand zur Berücksichtigung überwiesen. Zu den Bericksten spricht nur«in Redner, Adam- Kiel, der die Anregungen bezüglich des Fortbildungsunterrichts unterstützt. Eine weitere Ausbildung der Angestellten sei nötig. Wenn em Nachwuchs erzogen werden solle, dann müsse man in dieser Frage weiter als bisher gehen. Die Resolution des Vorstände» und Ausschusses wird dann gegen eine Stimme angenommen. Ueber„Genossenschaftliche Zeit- und Streit- fragen" referierte hierauf der Rechtsbeirat des Zentralperbandes deutscher Konsumvereine, Rechtsanwalt Dr. R i e h m» Hamburg In seinen längeren Ausführungen gab Redner einen Rückblick über die Geschichte des Genossenschaftsgesetzes und besprach an der Hand von Gesetzes- und Urteilsenftcheidungen hauptsächlich ver- waltungstechnische Fragen, wie z. B. die Warenabgabe an Nicht- Mitgliedern, der Verkauf von Waren im Großen, Bei- und Aus- trittserklärungen usw. An der Debatte beteiligte sich nur Professor Dr. Stau- d i n g e r- Darmstadt, der sich gegen das Borgsystem wendet. Es sei besser, zu sagen, es wird unter keinen Umständen geborgt, als daß Ausnahmen gemacht werden, bei denen die Aermsten doch nicht berücksichtigt würden. Man solle besser einen Fonds schassen, aus dem man den Aermsten unter die Arme greifen kann. Pro- fcffor Staudinger richtet an den Referenten die Frage, wer ver- antwortlich zu machen sei, wenn der Lagerhalter gegen das Verbot der Verwaltung borgt. Dr. R i e h m beantwortet die Frage dahin, daß dann der Lagerhalter für allen Schaden aufzukommen hat. Er borge dann auf eigene Rechnung und Gefahr. Ueber die Entwicklung der Unter st ützungSkasse des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine berichtet Generalsekretär Kaufmann- Hamburg . Der Unter- stützungskasse sind nur ein geringer Teil der Vereine angeschlossen. Am Ende des Berichtsjahres betrug die Zahl der angeschlossenen Vereine 143 und die Zahl der Mitglieder 3808. Da die Kasse die fünftährige Karenzzeit vorsieht und jetzt erst im fünften Rechnungs- jähre steht, werden Unterstützungen erst ab 1. Januar 1911 aus- bezahlt. Das Kassenvermögen ist demzufolge bisher stetig ge- wachsen, am Ende des Geschäftsjahres betrug es 1 119 890,87 M., der Zuwachs gegenüber dem Vorjahre beträgt 375 536,17 M. An Beiträgen der Mitglieder und Genossenschaften gingen 375 299,02 Mark ein. Der Bericht wurde ohne Debatte entgegengenommen. Die Verhandlungen werden auf morgen vertagt. Frau von Schönebeck vor den Gefckworenen. In der gestrigen Verhandlung bezog sich der Hauptteil der Be- Weisaufnahme auf die Vernehmung der Rittmeister o. Graczfchen Eheleute. Die Angeklagte wurde während der Vernehmung von einem längeren Schrei- und Wcinkrampf befallen. ES mußte des- halb die Verhandlung unterbrochen werden. Nach Wiederaufnahme der Verhandlung wurde die Beweisaufnahme fortgesetzt, mutzte aber gegen 4 Uhr nachmittags, weil die Angeklagte wieder verhcmdlungs- unfähig geworden war, auf heute vertagt werden. Rittmeister Graez schildert unter anderem, daß eS ihm am 26. Dezember aufgefallen ist, daß das eine Fenster in der Schöne- beckschen Wohnung nicht verriegelt war. Die Burschen, die befragt wurden, erklärten, den Riegel nicht aufgemacht zu haben. v. Gäben, so bekundet der Zeuge weiter, machte eigenariige Be- merkungen. Er erklärte wiederholt: Hier liegt der Tote, da ist nichts mehr zu machen; oben sind die Lebendigen, das ist die Haupt- fache. Der Zeuge hatte sofort die Empfindung, daß der Major sich nicht selbst erschossen hat, sondern erschossen worden ist. Frau Ritt« meister Graez schildert, wie sie von Frau v. Schönebeck gerufen wurde. Als sie die Schlafttube betrat, schrie die Angeklagte: Gustel, Gustel, da ist er ja! Sie habe offenbar sie für ihren erschossenen Mann gehalten. Sie schien dem Wahnsinn nahe. Die Zeugin sagte ihr zur Beruhigung, der Mann sei noch nicht tot. er sei im Lazarett. Was über Frau v. Schönebeck in sexueller Beziehung gesprochen wurde, habe sie für Klatsch gehalten. Erst später von der Angeklagten selbst, die sie mit den Kindern in ihrem Hause auf- sie erfahren, daß es doch mehr als Klatsch war. Es ütternde Szene gewesen, als am Abend nach der Tat 'ren Sohn ins Bett brachte, sich auf den Rand des mit ihm betete. Sie betete lange; dem Jungen Änen in den Augen. Sie verließ dann vollständig eVschLkZMsbat'Schlafzimmer. Hauptmann v. Gäben erkundigte sich nach Fkau v. Schönebeck , als diese bei der Zeugin war. Sie ließ ihn aber nicht hinein. Einen Brief des Herrn v. Gäben nahm der Rittmeister v. Graez ab, gab ihn aber nicht der Angeklagten. v. Gäben hatte der Zeugin gesagt, sie möge die Frau nicht aus den Augen lasse«, damit sie keine Dummheiten mache, sie habe ein' Fläschchcn, da» milffe sie ihr wegnehmen. Als v. Göben dann davon sprach, sie könne froh sein, den Mann los zu sein, da er sie schlecht behandelt habe, und in überschwänglichcm Ton« von der An- geklagten sprach, habe die Zeugin das Gespräch abgebrochen. Daß der Major tot sei, erfuhr die Angeklagte zu Mittag durch den Ritt- meister Graez. Sie wollte durchaus den Mann auf dem Totentager sehen. Im Lazarett wurden sie aber nicht vorgelassen. Am nächsten Tage, dem Tage vor dem Begräbnis, fuhr dann Frau v. Schönebeck nach dem Lazarett hin und blieb über eine Stunde bei der Leiche. Die Angeklagte war außerordentlich aufgeregt, als sie die Leiche sah. Sie rief immer: Gustel, Gustel, Du Guter, Du Lieber! küßte die Hand der Leiche, streichelte sein Gesicht, seine Arme und Hände und war sehr schwer von der Leiche fortzubringen. Am Begräbnis bat die Zeugin die Angeklagte nicht teilzunehmen: sie konnte es auch nicht, weil sie über den Beginn der Totenfeier�b'naus durch den Kriegsgerichtsrat Conradi vernommen wurde. � Tage vor dem Begräbnistag machte die Angeklagt! tungsversuch. Sie hatte den Ofen geöffnet und a» flasche etwas in ein Wasserglas gegossen. Frau Gr die Ausführung des Selbstmordversuchs und nahm' an sich. Der Rittmeister Graez bekundet noch, die Angekk� von Ansang an nicht ganz normal erschienen. Bevo' Damen bei der Rcgimentsbesichtigung vorgestellt wurden die Angeklagte ihn um Zigaretten ersucht. Am Morgen' zember sagte der Hauptmann v. Göben: der Regiment! deur habe ihm einmal verboten, mit Frau v. SchönebecH verkehren, v. Göben habe dann zugesetzt:„WenH das nol passiert, gehe ich der Sache auf den Grund; wenn mir noch einmal vorgehalten wird, werde ich die Sache erledigen. Ich schieße verflucht gut und treffe, wen ich will, Ich habe schon mehrere totgeschossen."_ Soziales* Gewerbe- oder Handlungsgehilfe? In der Lcbensmittelabteilung zweier hiesiger Warenhäuser werden gelernte Schlächter mit dem Zerkleinern des Fleisches, mit dem Abwiegen und Berkaus desselben an die Kundschaft be- schäftigt. Sie sind in einem schriftlichen Anstellungsvertrag aus- orücklich als Schlächter und mit einer eintägigen Kündigungsfrist für beide Teile engagiert. Zivei dieser Angestellten, die nach dem Vertrag mit eintägiger Kündigung entlassen worden waren. klagten am Dienstag beim hiesigen KaufmannSgericht auf Schadenersatz wegen unrechtmäßiger Entlassung, da sie nicht als Gewerbe-, sondern als Handlungsgehilfen anzusehen seien, für welche die gesetzliche sechSwöchcntliche Kündigungsfrist auch durch Vertrag nicht auf weniger als einen Monat verkürzt werden darf. Die Vertreter der beiden beklagten Firmen erklärten, daß die Kläger keine Handlungsgehilfen, sondern Schlächter seien, die in- folge ihrer technischen Fertigkeiten sich am besten für die Zer- teilung des Fleisches und den Berkauf eigneten und auch lediglich in dieser Abteilung b�chästigt würden. Auch seien die Kläger nach dem bon beiden Teilen unterschriebenen Vertrage Schlächter eingestellt worden. Auch der Sprechmeister Fleischerinnung erklärte als Sachverständiger, diese Augeste� seien Gcwcrbegchilsc», aber keine Handlungsgehilfen. TaS' nungSschiedsgericht der Schlächter stehe auf demselben Standpti Das KaufmannSgericht stellte sich jedoch mit Recht auf den gegeugcsetzteu Standpunkt. Es erklarte sich für zuständig und urteilte die beklagten Firmen dem Klageantrage entspreck Aus der Begründung durch den Vorsitzenden Dr. Gordon war. entnehmen, dstz das Gericht die hauptsächliche Beschäftigung der
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