Oeltcmicb.Annahme des Budgets.Wie«, 24. Juni. DaS Abgeordnetenhaus hat denStaatsvoranschlag für 1S10 in dritter Lesung angenommen.Vom„Gott Nimm".Der Bürgertlub, das ist die christlischsoziale Fraktion desWiener Gemeinderates, hielt Mitwoch eine Sitzung über die AffäreH r a b a ab, die mit der Verwerfung des Uebereinlommens, daßdie christlichsozialen Drahtzieher geschlossen hatten, endete. DerBürgerklub hielt den Ausschluß Hrabas aufrecht, der auch inder Folge keine Referate im Gemeinderat und Stadtrat mehrerhalten soll.Schweiz.Das Absynth-Verbot.Bern, 24. Juni. Der Nationalrat und der Ständerat habe»das Ausführungsgesetz zu dem Artikel der Verfassung betreffend dasAbsynth-Verbot angenommen. Dadurch werden vom 7. Ok-tober ab die Fabrikation, die Einfuhr und der Verkauf von Absynthund aller Nachahmungen in der ganzen Schweiz ver-boten.Spanien.Der Kampf der Klerikalen.Madrid, 23. Juni. Die klerikale Campagne dauert fort. DerKardinal-Erzbischof Aguirre gibt in einem Briefe den Damender Hcrz-Jesu-Kongregation den Ratschlag, in allen Städten und Ort-schaffen einen Kreuzzug zu organisieren, um die Mönche zu ver-teidigen, die jetzt hart bedrängt werden und deren Rechte manschmälern wolle und die doch der beste Schutz und die beste Stützeder Kirchen sind. Es werden zahlreiche klerikale Meetingsveranstaltet, speziell in Barcelona, wo ein Komitee dauernd tagt.DaS Komitee für soziale Verteidigung ist gestern in Madrid zu-sammengetreten und beschloß, alle Mittel anzuwenden, um die PolitikCanalojaS zu zerstören. Bei dieser Gelegenheit ist erklärtworden, daß alle Katholiken Spaniens den Bürger-krieg der offiziellen Einführung der weltlichenSchulen vorziehen werden.Kelgien.Eine Protestversammlung.Brüssel, 23. Juni.(Eig. Ber.)Die hiesige„Liga der Menschenrechte" hat kürzlich einMeeting veranstaltet, das einem Protest gegen die„ErmordungFinnlands" wie gegen die von der russischen Regierung angesuchteAuslieferung des Revolutionärs G a l g a s galt. An dem Meetingbeteiligten sich außer bekannten liberalen und demokratischen Parla-inentariern auch der neugewählte sozialistische Deputierte H u h s-manS und der Gemeinderat Genosse Vinck. In der Resolutionwurde der belgische Justizminister aufgefordert, im Namen der EhredeS Landes das Begehren der russischen Regierung nach AuslieferungG a r g a S' entsprechend der von der belgischen Regierung infrüheren Fällen eingenommenen Haltung abzulehnen.ßolland.Eine Enzyklika-Debatte.Haag, 24. Juni. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammerrichtete v a n D o o r n an die Regierung die Anfrage, ob sie in derAngelegenheit der Borron, äus-Enzyklika protestierthabe oder zu protestieren gedenke. Der Minister des Aus-wältigen erwiderte, es handele sich um eine rein innereAngelegenheit der katholischen Kirche. VerschiedeneDeputierte der protestantischen Partei schlössen sich der Regierungan. N o l e n s erklärte im Namen der Katholiken unter Hinweis aufdie Antwort des Papstes an Deutschland, daß seine Partei sich ander Debatte nicht beteiligen werde.CörheLDer griechische Boykott.Konstantinopel, 24. Juni. Der Boykott gegen die Griechenwird auf das strengste gehandhabt. Mehrere griechischeKaufleute wurden gezwungen ihre Läden zu schließen. DaS Boykott-komitee beabsichtigt, den Boykott bis zu einer definitiven fürdie Türkei günstigen Lösung der kretischen Frage fortzusetzen.Zahlreiche Wechsel griechischer Kaufleute wurden nicht eingelöst.Hmenha.Kein Schutz des KoalitionSrechtS.Washington, 23. Juni. Das Repräsentanten-haus hat nach lebhafter Debatte einen Antrag abgelehnt,nach welchem das Antitrustgesetz und die Gesetze über denzwischenstaatlichen Handel auf Gewerkvereine nichtangewendet werden sollen.Eue der Partei.Der Kampf gegen die sozialistische Presse in Amerika.Das rasche Wachstum der sozialistischen Bewegung iu denVereinigten Staaten veranlaßt die großkapitalistischen Machthaberund ihre politischen Werkzeuge, die bisher mit den gezähmtenArbeiterführern a la Gompers so trefflich ausgekommen waren,zu den brutalsten Unterdrückungsversuchen.Nirgends in der Welt stoßen die Klassengegensätze schärferaufeinander als in dem pennsylvanischen Jndustriebezirkvon Groß-Pittsburg, wo der Stahltrust sein Produktions-zentrum hat und Massen namentlich ausländischer Lohnsklavenunter den. traurigsten Arbeitsbedingungen in mörderischer Weiseausbeutet. Dort liegt Mac K e e s Rocks, wo die ungelerntenAusländer den Kanipf gegen den allmächtigen Trust durchgeführthaben, dessen sich die alten Unions nicht getrauten. Und dort er-scheint in New Castle seit zwei Jahren die„Free Preß" als sozio-listisches Organ in einer Auflage von jetzt rund 12 000. Die Machthaber suchen nun mit aller Macht dieses Organ der Arbeiter zubeseitigen. Schon 15 Genossen sind zu hohen Geld- und Gefängnis-strafen wegen angeblicher Verletzung des Zeitungsgesetzes, wegenderen im gleichen Falle eine dortige kapitalistische Zeitung frei.gesprochen war, verurteilt worden.Nun soll ein Hauptschlag geführt werden. Der Staatsanwalthat aus Grund eines noch aus der Zeit der englischen Herrschaft(vor 1776!) stammenden Gesetzes die Redaktion angeklagt, gelegent-lich des großen Kampfes in den Zinnhütten des Trusts„mit Ge»Walt, falsch, hinterlistig und gegen den Staat und seine Gesetzeeinen Aufruhr veranlaßt zu haben". Dabei bleibt eine Zeitung,die Behörden und Streikbrecher zur Bewaffnung und zum Blutbadaufgerufen hat, unbehelligt. Es ist zu erioarten. daß dieses uralteGesetz, wenn es dort mit Erfolg geltend gemacht würde, bald überdie ganze Republik Anwendung finden würde. Daher ist es dieSache der ganzen Arbeiterbewegung, zu deren Verteidigung diePartei in New Castle um Geldunterstützung bittet.In anderer Weis« sucht man dem„Appeal to Rcason",dem in Girard(Kansas) in einer Auflage von 414 000(EndeMai) erscheinenden Wochenblatt, die Existenz zu untergraben.Dieses tapfere, von Fred Warren u. a. herausgegebene Organhat den Kampf gegen die Willkür und Korruption der kapitali-stischen Behörden mit besonderer Schärfe geführt. Es hat in letzterZeit die Bund esge richte, die als stärkster Hort der Klassen-Herrschaft dienen, unerbittlich bloßgestellt und einige hohe Richterals völlig verkommene und käufliche Subjekte gebrandmarkt. Jetztführt dort John Kenneth Turner. Verfasser des Buchs„Dasbarbarische Mexiko", den Kampf gegen die blutige Unterdrücker-Wirtschaft des alten mexikanischen Präsidenten Diazund gegen die ihm Helfershelferdienste leistenden Behörden derGrenzgebiete der Union. Dort wurde auch der jetzige H i l f s-General st aatsanwalt Lawler der Union angeklagt, alsStaatsanwalt in Kalifornien mexikanische Flüchtlinge völlig will-kürlich verhaftet und im Gefängnis in grausamster Weise behandeltzu haben. Diese Heldentaten haben dem Biedermann das Ver-trauen des Präsidenten Taft, des Kollegen und Verehrers desTyrannen Diaz, und damit die Berufung nach Washington ein-getragen.Jetzt hat er sich für die Angriffe gerächt, indem er den Post-meister anwies, dem„Appeal" den Po st vertrieb zu ent-ziehen. Ob dieser Willkürakt zu halten ist, wird sich zeigen.Jedenfalls wird er der Verbreitung des Blattes, das nötigenfallsunter Kreuzband versandt werden kann, keinen Eintrag tun. ImGegenteil. Marren setzt in einein offenen Briefe an Lawler dieSachlage auseinander und nimmt den Kampf, den die unwürdigenNachfolger der Jefferson und Washington mit so unsauberenMitteln führen, tapfer auf. Sicher wird es der demnächst er-scheinenden Roosevelt- Nummer des Blattes, die an Handder Tatsachen den Ncklamehelden des amerikanischen Bürgertumsdarstellen wird, nicht an Abnehmern fehlen.pollreilicbes, ClembtlicKes ulw.Das Entfalten einer roten Fahne kein grober Unfug.Unsere Genossen von Neunkirchen beteiligten sich in diesemJahre an der Maifeier in Waldmohr, machten also einen Aus-flug in die nahe Pfalz und benutzten dazu die Bahn bis nach Alt-stabt, von wo aus sie zu Fuß weiter marschierten. Zu diesem Aus-flug hatten sie sich eine rote Fahne angefertigt und twrauf dieAufschrift:„Sozialdemokratischer Wahlverein für Ottwciler-St. Wendcl-Meisenheim, Sitz Neunkirchcn" anbringen lassen.Dieses staatsgefährliche Abzeichen trug der Genosse K. dem kleinenZug voran. Vor dem Bahnhof Neunkirchen ließ er die Fahne imWinde flattern. Der Gendarm Glies erkannte noch rechtzeitig dieGefahr, in welcher das Vaterland schwebte, und rannte ins Bahn-Hofsgebäude zum Stationsvorsteher, der aber kein Verständnis fürdie Gefahr hatte. Darauf kehrte der Gendarm zu den Mant-festanten zurück und wollte ihnen verbieten, den Bahnsteig zu be.treten, was sich unsere Genossen entschieden verbaten. Die Fahnerollten sie ein, bestiegen den Zug und fuhren zum Maifest. GenosseK. erhielt darauf ein Strafmandat von 0 M. wegen Verübung grobenUnfugs. Gegen dieses Strafmandat legte K. Berufung ein underzielte am 22. Juni vor dem Schöffengericht zu NeunkirchenFreisprechung. Das Gericht erblickt in der Entfaltung einerFahne keinen groben Unfug. Wollte man die Entfaltung einerroten Fahne als groben Unfug ansehen, weshalb sollte dann nichtdas Entfalten einer weißen Fahne dasselbe sein. Die NeunkirchenerPolizei hat also wieder einmal eine Niederlage in ihrem Kampfegegen den„Umsturz" erlitten._Freigesprochen wurde Genosse Pierenkämper vom„Bochum er Vokksblatt" von der Anklage der Beleidigungeines Straßenbahnschaffners, dem borgeworfen war, doppelte Fahr-Preise einkassiert zu haben. Der Wahrheitsbeweis wurde erbracht.Sie„sozisltlemolü'sMchea"OrtsIii'SDiieDlialken.Sitzung der ReichsversicherungSordnungS«ko m Mission am Freitag, den 24. Juni.Fast die ganze Sitzung wurde noch in Anspruch genommendurch die Aussprache über die„sozialdemokratischenO r t s k r a n k e n k a s s e n".Die Konservativen und Nationalliberalentreten für die Entrechtung der Arbeiter sowohl in bezug auf ihreVertretung im Vorstand und Ausschutz als auch in bezug auf dieWahl des Vorsitzenden ein. Gegenwärtig würden die ArbeiterSozialdemokraten als Kassenbeamten anstellen. Das sei eine Be-günstiqung der Sozialdemokratie.Die Genossen Hoch, Molkenbuhr und Eichhorn tratendicicn Ausführungen entschieden entgegen. Die Arbeiter habendasselbe Recht, in die von ihnen zu besetzenden Stellen die Leutezu wählen, zu denen sie Vertrauen haben, wie es die Unternehmerin den Berufsgenossenschaften und der Staat in allen Zweigen derVerwaltung tun. Wenn man den Arbeitern dieses Recht entreißt.während man es den Unternehmern und dem Staate läßt, so seidas eine unerhörte Entrechtung der Arbeiter. Ueberdicsschädige es die Krankenversicherung aufs schwerste. Denn erstdurch die Selbstverwaltung der Arbeiter in ihren Krankenkassenseien die wichtigsten Fortschritte in der Krankenfürsorge erzieltworden. 25 Jahre hätten die Arbeiter jetzt ihr Selbstverwaltungs-recht. Es habe sich aufs b e st e bewährt, wenn auch hier unddort— wie überall— Fehler vorgekommen sein mögen. Jeden-falls habe es sich viel besser bewährt, als die Alleinherrschaft derUnternehmer in den Bcrufsgenossenschaften. Und doch soll dieAlleinherrschaft der Unternehmer in den Berufsgenossenschaftenunangetastet bleiben, das Selbstverwaltungsrecht der Arbeiter inden Krankenkassen dagegen vernichtet werden. Wo aber bleibendie Beweise von den Miß ständen in den Kranken-lassen, von denen in der Begründung der Regierungsvorlage dieRede ist?Herr Ministerialdirektor Caspar antwortete darauf, daßsolche Mißstände sehr schwer zu beweisen seien. Selbst-verständlich könne man in jedem Falle auch solche Umstände geltendmachen, die die Vorgänge in einem anderen Lichte erscheinen lassen.Deshalb habe es keinen Wert, einzelne Fälle vorzutragen.Die nationalliberalen Abgeordneten Hausmannund G o e r k i sowie der konservative Abgeordnete Paulitvaren aber so vorsichtig nicht. Sie hatten von irgend einem Lügen-verband das„Material" bekommen und wagten sich damit aufs—Eis. Unsere Genossen waren aber darauf gesaßt. Sie hatten dienötigen Vorkehrungen getroffen, um über jeden Fall sofort genaueErkundigungen einzuziehen und konnten daher in ihren Antwortensofort die Unwahrheit der behaupteten Tatsachen nach-weisen. So sollten an der Krankenkasse in München geradein die am besten bezahlten Stellen nur Sozialdemokraten ohneRücksicht auf ihre Qualifikation gebracht sein, während in Wahr-heit der Rendant der Kasse kein Sozialdemokrat ist undseine Tüchtigkeit selbst von der Aufsichtsbehörde anerkannt wordenist. In Kiel soll der Geschäftsführer ein sozialdemokratischerAgitator sein, der einen rücksichtslosen T e r r o r i s m u S auf dieBeamten für die sozialdemokratische Partei ausübe, sogar Gelderder Kasse für die„sozialdemokratische Bibliothek" des Verbandesbewilligt habe. In Wahrheit ist der Geschäftsführer höchst wahr-schcinlich kein Sozialdemokrat; er wakl früher Arbeitgeberund ist weder damals noch jetzt politisch hervor-getreten. Außerdem ist schon nach dem geltenden Gesetz dieVerwendung der Kasscngelder zu anderen Zwecken als der Kranken-Versicherung ausdrücklich verboten, so daß, wenn der an-geführte Fall wirklich wahr wäre, die Aufsichtsbehörde schon längsteingeschritten wäre. Daß trotzdem die drei Abgeordneten eine solcheoffenkundige Unwahrheit in der Kommission vortrügen, sei be-zeichnend.Die kläglichste Rolle spielte jedoch das Zentrum. DieSozialdemokraten erinnerten die Herren daran, daß schon— König Stumm den Arbeitern das Recht abgesprochen habe,selbständig ihre Angelegenheiten zu regeln und deshalb seit jeherverlangt habe, die Arbeiter dürften nicht Vorsitzende einer Orts-trankenkasie sein. Dagegen fiten bisher auch die Herren Hitze undT r i m b o r n aufgetreten. Jetzt hätten sie sich auf denselbenStandpunkt gestellt und genau dieselben Gründe wie früher KönigStumm angeführt, die sie bisher bekämpft hatten. lAbg. Tr i mb o r n berief sich darauf, daß er und feine Freundeden Arbeitern„n u r" das Recht, den Vorsitzenden zu wählen,nehmen, alle anderen Rechte aber lassen wolle. Das müsse manaber tun, weil es die Arbeitgeber nicht gern sähen, daßdie Arbeiter sogar den Vorsitzenden in der Ortskrankenkafse be-stimmen. Diese Verteidigung erschien selbst seinem ParteifreundBecker nicht genügend. Er hielt es daher für notwendig, sichüber den angeblichen Terrorismus der Sozialdemokratie zu ent-rüsten. Das war das einzige, was dieser Abgeordnete, der einchristlicher Arbeitersekretnr ist, in dem Augenblick zu tun wusite,als es galt, eins der wichtigsten Arbeiterrcchte zu verteidigen. Beider Abstimmung enthielt sich dieser„Arbeitervertreter" der Stimmeund zeigte damit den Arbeitern, wie sie ihr eigenes Recht preis-geben, wenn sie als ihre Vertreter solche Männer in den Reichstagentsenden.Abg. Dr. M u g d a n mußte sich gegen den Vorwurf des Zen-trums und der Konservativen verteidigen, daß er früher selbst fürdie Entrechtung der Arbeiter eingetreten ist. Die Vorlage enthaltedurchaus nicht das, was er befürwortet habe. Unter den gegebenenVerhältnissen seien sowohl die Vorschläge der Vorlage als des Zen-trums schädlich und würden auch der Sozialdemokratie nicht nurkeinen Abbruch tun, sondern im Gegenteil neuen, für sie wert-vollen Agitationsstoff liefern.Abg. K u l e r s k i stellte sich auf den Standpunkt der Sozial-demokraten.Schließlich wurden die Anträge der Sozialdemokraten, die dasSelbstverwaltungsrecht der Arbeiter in seinem jetzigen Umfangewiederherstellen wollten, gegen die Stimmen der Sozialdemo-kraten, Fortschrittler und des Polen abgelehnt. Dannwurde von den Konservativen, den Nationallibe-r a l e n, dem Zentrum und der Wirtschaftlichen Ver-e i n i g u n g die Entrechtung der Arbeiter in bezug auf die Wahldes Borsihenden angenommen. Dagegen wurde die Entrechtungder Arbeiter in bezug auf die Zusammensetzung des Vorstandesund des Ausschusses gegen die Stimmen der Konservativen,Nationalliberalen und der Wirtschaftlichen Ver-einigung abgelehnt.Das Zentrum hatte in seiner Verlegenheit einen angcb-lichen Verbesserungsantrag eingebracht. Wenn sich die Vertreterder Arbeitgeber und der Arbeiter nicht über einen Vorsitzendenverständigen, soll das Versicherungsamt einen„Vertreter" als Vor-sitzenden bestellen. Dazu verlangte der„Verbesserungsantrag" desZentrums: Ein Arbeitgeber darf nur dann als Vertreter bestelltwerden, wenn die Mehrheit der Gruppe der Arbeiter igegen dieseWahl keinen Einspruch erhebt; ein Arbeiter nur, wenn die Mehr-heit der Gruppe der Arbeitgeber nicht diesen Einspruch erhebt.Der Antrag hat gar keinen Wert, weil ja ein Vertreter über»Haupt nicht gestellt wird, wenn sich beide Parteien über einen Vor-sitzenden verständigen können. Die Mehrheit aber, die soeben dieEntrechtung der Arbeiter beschlossen hatte, nahm auch diesenAntragan.Das Zentrum hatte seinem Antrag auch noch die Bestimmunghinzugefügt, daß der„Vertreter" dann kein Stimmrecht hat, wenner nicht gewähltes Mitglied des Vorstandes ist. Dieser Satz wurdeaber gegen die Stimmen des Zentrums, der Sozial-demokraten und des Polen abgelehnt.Für die Wahl der Arbeitgebervertreter schreibt die Vorlagevor, daß das Stimmrecht der einzelnen Arbeitgeber nach der Zahlihrer versicherungspflichtigen Arbeiter und Angestellten bemessenwird; die Satzung kann es abstufen und eine Höchstzahl derStimmen vorschreiben. Aus diese Weise können die kleinenUnternehmer von den großen vergewaltigt werden. Die Be-stimmung wurde aber von den Konservativen, N a t' o na I-liberalen, dem Zentrum und der WirtschaftlichenVereinigung angenommen..Die Wahlen sollen nach den Grundsätzen der Verhältniswahlstattfinden. Auf Antrag der S o z«i l d e m o k r a t e n wurde derZusatz gemacht, daß die Frist zwischen der Ausschreibung der Wahlund der Wahl selbst mindestens vier Wochen betragen muß unddurch die Satzung noch weiter verlängert werden kann.Ferner wurde der Antrag der Sozialdemokrat l! � a n-genommen, nach dem die Sahung bestimmen kann, dafe dieWahl nach Bezirken oder Berufsgruppen erfolgt.Endlich war in der Vorlage gestattet, daß die Satzung mit Gc-nehmigung des Oberversicherungsamtes die Vorstandswahl andersals nach den Grundsätzen der Verhältniswahl regelt. Diese Aus-nahmebestimmung wurde auf Antrag der Kozialdemo»kraten gestrichen.Fortsetzung Sonnabend.Sie ßestyrMung der Beweisführung.In der Fortsetzung der Debatte in der Justizkommission überden ß 232, der die Einschränkung der Beweisführung zuungunstendeS Angeklagten bringen soll, ergab sich in der Freitagsitzung, daßfür die Regierungsvorlage im allgemeinen wenig Liebe bor-Händen war, obwohl einigen Abgeordneten, so Heinze(natl.hund Wagner(k.), die Absicht der Regierung noch nichtreaktionär genug ist. Aus den Reden der Regierungsver-trcter klang wiederum die Neigung hervor, im Wege dieser Be-stimmung insbesondere die Beweisführung in Belcidigungsprozesseneinzuschränken und zu erschweren. Abg. Gröber sucht durch einenAntrag die Vernehmung von Sachverständigen zu unterbinden.Abg. Wagner(Sachsen)(k.) beantragt, daß ein Gericht dieBeweisanträge ohne weiteres dann ablehnen kann, wenn eS c i n-stimmig der Uebcrzeugung ist, daß diese Anträge nur gestelltsind, um die Sache zu verschleppen. Abg. Spahn will die Ent.scheidung über den Umfang der Beweisaufnahme dem freienErmessen des Gerichts entziehen; ferner sollen die im Ver»fahren vor dem Schwur-, Reichs- oder Landgericht herbeigeschafftenBeweismittel nicht abgelehnt werden dürfen. Nach einem pol-nischen Antrage sollen nur die Beweisanträge abgelehntwerden können, wenn das Gericht die dadurch zubeweisenden Tatsachen als wahr unterstellt.--Unsere Genossen beantragten vor allen Dingen, daß dieBestimmung über die Ablehnung der Sachverständigen in demAntrag Gröber gestrichen wird. Sie stellten ferner eine ReiheUnteranträge zu den Zentrumsanträgen.— Die Freisinnigen er-klärten sich im Prinzip für den Antrag Gröber, sie waren abergegen die sozialdemokratischen Unteranträge.Nach fünfstündiger Dauer der Debatte ergab die durch diezahlreichen Anträge recht kompliziert sich gestaltende Abstimmungfolgendes Resultat: der sozialdemokratische Antrag wurdegegen die Stimmen unserer Genossen abgelehnt. Für denAntrag Gröber stimmten 13, dagegen 14, darunter die Zentrums-abgeordneten Kalkhof. Spahn und Wellstein, ferner die4 Nationalliberalen. 4 Konservative, 2 Reichsparteiler und derAntisemit: ein freisinniger Abgeordneter fehlte. Von dem Rc°gierungsentwurf wurde der Absatz 1 des 8 232 folgendermaßengestaltet:„Die Beweisaufnahme ist auf Tatsachen zu erstrecken.die für die Entscheidung von Bedeutung sind." Die Worte„nachdem freien Ermessen des Gerichts" wurden gestrichen. DerAbsatz 2 blieb unverändert. Der dritte Absatz erhielt folgendeFassung:„Ist das Beweismittel zur Verhandlung herbeigeschafft.so kann der Antrag nicht wegen Bedeutungslosigkeit der Beweis-tatsache für die Entscheidung abgelehnt werden." Als vierter Absatzwurde dem§ 232 angefügt:„Die Borschriften der§§ 71 und 83bleiben unberührt."In der Gesamtabstimmung wurde der Paragraph in der ge»änderten Form mit 18 gegen 8 Stimmen angenommen. DieSozialdemokraten stimmten dagegen." Nach 8 234 wurde die Verhandlung auf Sonnabend vertagt.