Zr. 178. 27. Jahrgang.nlM des Lomiick"Altustag. 2. August 1910.vie Taktik im Nahirechtskamps.VII. jlIm 6. Abschnitt:„Bedingungen des politischen Massenstreiks"erklärt Genosse Kautsky, daß die Anschauung, die er hier vertrete,nicht etwa ein Produkt des Bedürfnisses zu bremsen sei, daß ersie vielmehr schon vor mehr als 6 Jahren in der Neuen Zeit ineiner Artikelserie„Allerhand Revolutionäres" entwickelt habe.Er habe schon damals dargelegt, daß die Bedingungen des öko-nomischen Streiks ganz andere sind, als die des politischen, daßdie ökonomischen Faktoren, die den Erfolg der Arbeiter begünstigen,bei einem Massenstreik um so weniger bestehen, je mehr er einallgemeiner, ein Generalstreik wird. Der Massenstreik erzieleseine Wirkung nicht durch Aushungerung der Kapitalisten, denneher kämen die Proletarier zum Hungern, sondern durch die Des-organisation der Regierungsgewalt. Er zwinge die Staatsgewaltzur außerordentlichen Machtentfaltung und lähme gleichzeitigihre Machtmittel in möglichstem Maße. Er errege die Bepurch-tungen der großen Besitzer um ihr Eigentum und ihr Leben, erzersplittere die Armee, die überall zum Schutz verlangt werde,ermüde die Soldaten in zwecklosem Dienst, erschüttere die Diszi-plin der Armee, verwirre die Regierung usw., und wenn dannKopflosigkeit bei der Regierung und ihren höheren Vertretern ein-trete, dann sei sie verloren.„Ein derartiger Streik ist also keine einfache Sache und er-fordert eine ganze Reihe von Vorbedingungen. Genossin Luxem-bürg sagt in ihrer Broschüre über den preußischen Wahlrechts-kämpf, S. 10:„Die Welt vermag nicht vierundzwanzig Stunden zuexistieren, wenn die Arbeiter einmal die Arme kreuzen."(Stür-Mischer, lang anhaltender Beifall.)In der Tat ist es ein erhebendes Bewußtsein, der Trägerder Welt zu fein, aber das darf uns darüber nicht täuschen, daßzum Gelingen eines Massenstreiks noch mehr gehört, als bloßes„Kreuzen der Arme".Die Bedingungen eines solchen Streiks werden aber teilsdurch die ökonomische EntWickelung, teils durch unsere Tätigkeitimmer mehr gegeben und damit die Aussichten auf einen Sieg imMassenstreik immer mehr verbessert.Die ökonomische EntWickelung vermehrt die Zahl der Prole-tarier und konzentriert sie. Unsere Tätigkeit in den Partei-organisationen, in den Gewerkschaften, in der Presse, den gesetz-gebenden und städtischen Körperschaften organisiert die Arbeiter,verleiht ihnen Kraftgefühl und Disziplin, aber auch politischeAufklärung, Einsicht in die Organisation unserer Gegner.Während eines Massenstreiks wird sich's nicht bloß darumhandeln, die Arme zu kreuzen, sondern den organisatorischen Zu-fammenhang des Proletariats im ganzen Reiche zu wahren. Wirmüssen darauf gefaßt sein, daß alle unsere Vertreter beim Beginneines solchen Streiks verhastet, unsere Blätter unterdrückt werden.Die sogenannten„Unteroffiziere" werden dann den Kampf zuleiten haben. Sie müssen dafür sorgen, daß die einzelnenGruppen in Fühlung bleiben und einheitlich vorgehen; daß sichdie Masse nicht provozieren läßt zu Straßenschlachten, aber auchnicht einschüchtern durch trotzdem vorkommende Gewalttaten. Siemüssen genau wissen, welches unsere Forderungen sind, dürfennicht zum Rückzug blasen, ehe diese erfüllt sind, müssen aber auchdahin wirken, daß der Kampf sich nicht in Einzelkämpfen umlokale Beschwerden auflöst."Kautsky setzt dann weiter auseinander, daß die Bedingungenfür den Massenstreik sich stetig bessern, daß in der Armee dasUebergewicht der Rekruten aus der Industrie über die der Land-Wirtschast beständig wächst, daß die Unzufriedenheit der Staats-arbeiter wachsen muß, da die Finanznot zur„Sparsamkeit" treibt,so daß die Gehälter nicht mehr erhöht werden, während Steuernund Preise und Unsteiheit gesteigert werden. Wie gleichzeitig obenin den Regierungskreisen Kopflosigkeit, Haltlosigkeit, Einsichtslosig-feit wachse, dafür gebe die Geschichte der letzten Jahre Beweisegenug. Je schwieriger die Verhältnisse in den Staaten werden, sodaß nur noch energische Reformen auf Kosten der Besitzenden helfenkönnten, um so weniger werden sich Staatsmänner von Intelligenzund Charakter bereit finden, gerade das Gegenteil des Notwendigenzu tun, wie es heute von den herrschenden Klassen verlangt werde.So sinke das Ansehen der Regierung und wachse die Aussicht, daßdiese Staatsmänner beim Massenstreik den Kopf verlören.kleines feuilleton.Was steht in der Zeitung? Eine interessante Statistik hatPaul Stocklossa vorgenommen. Er hat eine Augustwoche hindurchden Inhalt von 30 Zeitungen aller Richtungen(auffälllger Weisemit Ausnahme sozialdemokratischer Blätter) auf ihren Inhaltuntersucht und veröffentlicht den Befund in dem neuesten Heft derZeitschrift für die gesamte Staatswisscnschaft.Stocklossa hat 13 Berliner und 17 Provinzzeitungen vorgenom-men, liberale, parteilose, demokratische, konservative, zentrümliche;große, mittlere und kleinere. Den Stoff hat er in IS Abteilungengegliedert.Das Gesamtergebnis stellt folgende Tabelle dar. die er durcheinen Vergleich mit einer ähnlichen französischen Statistik ergänzt:Prozent FrankreichBörse............ 21,39—Innere Politik...... 9,31 16,3SUnterhaltungsliteratur._..... 6,29 12,15Auswärtige politische Nachrichten... S.23 6,35Verbrechen, Unfälle, Skandale.... 4,31 8,25Allerlei lLokajes)........ �,S1 5,45Sport, Jagd.......... 2,61 2,05Wissenschaft......•.•••* 1,�5Leitartikel über innere Politik.... 1,84 6,45Theater und Schaustellungen.... 1,30 4,45Künstlerische Mitteilungen..... 1.43—Nützliche Mitteilungen....... 1.01 3,95Nciseschilderungen........ 1-31 0,65WasserstandSnachrichten...... 3,83—Leitartikel über äußere Politik.... 0,77_ 1,50Gesamtumfanq des redaktionellen Teils 65,62 72,20Anzeigen........... 34,38 26,80Gesamiumfang......... 100,00 100,00Zunächst geht klar aus diesen Ziffern die Macht des Inseraten-teils hervor. Er nimmt mehr als ein Drittel des Raumes ein,beim„Berliner Tageblatt" und dem„Berliner Lokal-Anzeiger" so-gar mehr wie rie Hälfte. Dann herrscht die Börse und derunterhaltende Teil. Die bloße Mitteilung von Tatsachen, Nach.richten überwiegt weit die kritischen Betrachtungen. Am wenig.sten Interesse ist für die— auswärtige Politik, soweit es sichnicht um bloße Berichte, sondern um Erörterungen handelt. Beider p a r t e i l o s e n Presse tritt die politische Abstumpfung natur-lich weit greller hervor. So hat der„Berliner Lokal-Anzeiger"0.15 Proz. Raum für innere und 0,00 Proz. Raum für äußerePolitik, dagegen für Wasserstandsnachrichtcn 0,83 Proz.. für Ver.brechen usw. 5,10 Proz., für Sport 3,97 Proz., für Lokales 5,22Prozent. Der Vergleich mit Frankreich ergibt, daß dort daspolitische Interesse erheblich stärker ist.Diese Arbeit stellt einen ersten groben Versuch dar, der abersehr dankenswert ist. Es handelt sich hier um nicht weniger undVicht mehr, gls um die statistische Ermittelung des geistigen Massen-„Alle diese Bedingungen eines erfolgreichen Massenstreikswenden sich im Laufe der EntWickelung und der sozialdemokratisch-gewerkschftlichen Organisations-, Aufklärungs- und praktischen.Neformarbeit immer mehr zugunsten des Proletariats. Soll aberem Massenstreik unter preußischen Verhältnissen zum Siegeführen, dann ist es vor allem notwendig, daß er von vornhereinmit überlvältigender Wucht auftritt, in einer Mässenhaftigkeitund einer Begeisterung, die alles mit sich fortreißt, die ganzearbeitende Bevölkerung ergreist, sie mit wildestem Ingrimm undtiefster Verachtung für das bestehende Regime erfüllt."Nicht daß das ganze Proletariat zum Gelingen des Streiksorganisiert sein müsse; das werde wohl kaum je erreicht werden.Aber der Massenstreik werde nur dann möglich, wenn die Masse desProletariats sich wie ein Mann erhebe. Eine derartige einmütigeErhebung im ganzen Reiche werde nur möglich sein unter demDrucke eines gewaltigen Ereignisses, daß das gesamte Proletariatplötzlich aufs tiefste erbittere, ihm den Sturz des herrschenden Ne-gimes als Lcbcnsnotwendigkeit aufzwinge. Es müsse ein Sturmsein, der vor allem jeden Widerstand im eigenen Lager hinwegfege.Wenn Genossin Luxemburg die Frage zur Diskussion stelle, obdie Situation reif sei für einen Massenstreik, so zeige das schon,daß die Situation diese Reife noch nicht erlangt habe...... So lange man noch streiten und untersuchen kann, ob derMassenstreik am Platze sei oder nicht, so lange ist das Proletariatals Gesamtmasse noch nicht von jenem Maße Erbitterung undKraftgefühl erfüllt, die notwendig sind, soll sich der Massenstreikdurchsetzen. Wäre die nötige Stimmung dafür im März vor-Händen gewesen, dann mußte eine abmahnende Stimnie wie diemeine von einem Protest tosender Entrüstung erstickt werden.Mir ist kein erfolgreicher Massenstreik bekannt, der mit einerDiskussion in einer Zeitschrift darüber, ob er am Platze sei, ein-geleitet wurde. Das Unerwartete, Plötzliche, Elementare desMassenstreiks ist eine der Bedingungen seines Erfolges.Aber wenn dem so ist, welchen Zweck hat es, den Massen-streik zu diskutieren, dessen Kommen ja nicht von uns abhängt?Sicher, der Zeitpunkt seines Kommens hängt nicht von unsab, wohl aber, wenn er einmal ausgebrochen ist, sein Sieg. Nurdann wird dieser möglich, wenn eine starke organisierte prole-tarische Macht vorhanden ist, die weiß, um was es sich handelt,was sie will, die dem ungestümen Strome der Volkswut, der vonselbst losbricht, sein Bett gräbt und ihn dorthin leitet, wo erbefruchtende politische Wirkung üben kann, der sonst nach mannig-facher Zerstörung erfolglos im Sande verliefe.Je mehr die organisierten Proletarier mit der Idee desMassenstreiks vertraut sind, je mehr sie überlegt haben, wodurcher am kräftigsten wirkt, wohin sie seine Kraft zu lenken haben,um so eher dürfen wir erwarten, baß sie sich den ungeheuren An-forderungen an seine Klugheit, ihre Einsicht, ihren Zusammen-halt, ihre Ausdauer, ihre Selbstzucht, ihre Kühnheit gewachsenzeigen, die eine derartige unerhörte Situation an sie stellt.Das theoretische Diskutieren ist in diesem Falle um so not-wendiger, weil der politische Massenstreik als äußerstes, letztesMittel des Klassenkampfes keines ist, das sich leicht wiederholenläßt. Aus der Praxis lernen hieße hier, zu teueres Lehrgeldzahlen. Da gilt es, die nötige Erkenntnis soweit als möglichdurch theoretische Arbeit zu gewinnen.Noch von einem anderen Standpunkt aus ist eS nötig, dieIdee des Massenstreiks zu diskutiren. Die Politik der Massen,aber auch die unserer Gegner wird eine ganz andere, wenn diesewie jene wissen, daß das Proletariat nicht wehrlos jeder Gewalt-tat gegenübersteht, daß auch heute noch wie ehedem eine Grenzehat Tyrannenmacht. Die Idee des Massenstreiks verleiht demProletariat erhöhtes Kraftbcwutztscin und vermag den Uebermutseiner Gegner zu dämpften, freilich unter Umständen auch ihreAngst und Nervosität zu vermehren. Sind ihnen Konzessionenauf friedlichem Wege abzuringen, dann am ehesten dort, wo dieIdee des Massenstreiks im Proletariat lebendig ist.Aus den verschiedensten Rücksichten ist die Diskutierung derIdee des Massenstreiks sehr nützlich, ja unerläßlich, soll der prole-tarische Klassenkampf im jetzigen Stadium seine volle Kraft undKlarheit gewinnen. Aber ganz verkehrt scheint es mir, denZeitpunkt eines Massenstreiks durch eine theoretische Dis-kussion in der Presse herausfinden zu wollen. Jene hohe Be-geisterung und Erbitterung, die allein einem Massenstreik zusiegreichem Durchbruch verhelfen kann, ist so wenig eine Pökel-wäre, daß sie keine Woche Lagerns verträgt. Sie müßte längstVerbrauchs, um eine Bildungsstatistik allerersten Ranges. Derschlimmste Fehler des vorliegenden Versuchs ist die Unterlassung,die Zeitung nach der Parteirichtung und dem Leserpublikum zusondern. Der methodische Fehler ist so handgreiflich, daß er ab-sichtlich begangen zu sein scheint, vielleicht, um gewisse unangenehmeErgebnisse zu vermeiden. So erklärt sich wohl auch nur die sonstunverständliche Ignorierung der sozialdemokratischen Presse.Der LuxuS amerikanischer„Kulturträger". Der Multimillionär�der unter der Last seines Goldes seufzt und vergeblich darüber nach-grübelt, wie die schwere Bürde des Geldiiberflusses sich erleichternläßt, kann in seiner Bedrängnis manche erlösenden Anregungen vonseinen amerikanischen Leidensgeführten empfangen. Sommervillenund Wohnungseinrichtungen sind drüben entstanden, die an Glanz.Luxus und Kostspieligkeit alle Märchenpaläste von Tausend undeiner Nacht in den Schatten stellen. Eine englische Wochenschrift unter-nimmt einen Rundgang durch diese amerikanischen Schlupfwinkeldes Reichtums und stellt sorgsam gesammelte Zahlen zusammen.Der verstorbene Mr. DerkcS hatte nicht weniger wie 8 Millionen M.für die Einrichtung des Palastes ausgegeben, den er sich in der5. Avenue in New Dork errichtete und für dessen Bau 12 MillionenMark angelegt wurden. Man fragt sich unwillkürlich, wie es über-Haupt möglich ist, solche Summen für ein Privatheim auszugeben.Allein für ein Schlafzimmer wurden 1 200 000 M. ausgegeben. DasBett kostete genau 40 000 M., und die alte Seidentapete wurde für141000 M. erstanden. Für die geringsten Kleinigkeiten wirddas kostbarste Material, am liebsten seltene Antiquitäten,angeschafft. In dem New Aorker Palast des Senators Clarkist z. B. ein Raum eingerichtet, der für sich allein ein großes Ver-mögen verschlungen hat. DaS Gemach kostete 800 000 M. AberSenator Clark wird in den Schalten gestellt durch die Auf-Wendungen, die Mr. Marchand für sein Heim gemacht hat.Da ist besonders ein Zimmer, wohl das teuerste der Erde: dasSchlafzimmer. Dieser eine Raum hat alles in allem rund 4000000 M.gekostet I Allein für das Bett sind 760 000 M. angelegt worden, dieübrigen Möbel kosten 1 000 000 M. Da sieht man Stühle, dievöllig aus Elfenbein gearbeitet sind mit reichen Einlegungen ausreinem Golde. Stuhl für Stuhl ein Vermögen. Die Wandbekleidunghat 256 000 M. verschlungen. Die geschnitzten Türen des Zimmersmit ihren Inkrustationen und den feinen Intarsien mußten mit60 000 M. bezahlt werden. Man ist schon abgestumpft, wenn manhört, daß Commodore Gerry für das märchenhafte Treppenhausseines Heims— eine prachtvolle massive Marmortreppe mit Gold-schmuck und kunstvollem Geländer— 40000 M. gezahlt hat und findetes beinahe selbstverständlich, daß Kornelius Vanderbilt eine Millionfür seinen Ballsaal geopfert hat. Bei Morgan sehen wir einenKonsolentisch, der für sich allein 1400 000 M. bedeutet, einensilbernen Tafclschmuck. der 200 000 M.. und einen alten Schrank.der genau 800 000 M. gekostet hat. Wir gehen verwirrt und er-müder an den Gemälden, Teppichen und Bildhauerarbeiten vorüber,für die Morgan wohl mehr als 20 Millionen Mark geopfert hat,und in der Bibliothek wirft man nur auf drei Bücher einen Blick.Das eine ist der mit Gold und Juwelen geschmückte Band der„LvanLoIia quatuor", der 200 000 M. wert ist; daneben liegt einverraucht sein, ehe die Diskussion nur erst in Gang gekommet»wäre."Im Schlußabschnitt„Ermattungsstrategie und Wahlkampf" setztGenosse Kautsky den Zitaten der Genossin Luxemburg ausMommsen über die Strategie Fabius Cunctators,„die für unsereDiskussion nichts beweisen", den Hinweis auf Delbrücks„Ge-schichte der Kriegskunst" entgegen,„wo auf Grund der neuestenForschungen, im Gegensatz zum alten Mommsen, diese Strategiegerechtfertigt wird". Dann führt Kautsky weiter aus, daß er unterErmaltungsstrategie, nicht wie Genossin L. ihm unterschiebe,„bloßen"Nichtsalsparlamentarismus im Gegensatz zu jeder Massenaktionverstehe. Er bezeichne als solche Strategie vielmehr die Gesamtheitder Praxis des Proletariats seit dem Ende der 60er Jahre. Dazugehöre nicht bloß der Parlamentarismus, sondern auch glücklichausgefochtene Lohnbewegungen und Straßendcmonstrationen-Gerade die jüngste Demonstrationskampagne sei ein Muster erfolg-reicher Ermattungsstrategie gewesen. Niederwerfungsstrategie wäreder Versuch gewesen, die in Treptow verbotene Versammlung dortdoch abzuhalten, Ermattungsstrategie war es, dem Feinde auszu-weichen, und ihn durch ein Manöver zu überlisten, das die lieber-legercheit unserer Organisation über die des Gegners ins hellsteLicht stellte.„Ich bin also weit entfernt davon,„Nurparlamentarismus"zu predigen. Aber das ist kein Grund, die Bedeutung des Paria-mentarismus zu unterschätzen. Es wird unter den gegebenenpolitischen Verhältnissen kaum ein Mittel geben, außer einemsiegreichen Massenstreik, das so große moralische Wirkung übt wieein großer Wahlsieg.Eine der Hauptaufgaben unserer Strategie besteht darin, daSKraftgefühl des Proletariats und das Zutrauen der Masse zuuns zu steigern. Das wird erreicht durch sichtbare Erfolge. Nichtsist so erfolgreich wie der Erfolg, sagt ein englisches Sprichwort.Je stärker unsere Partei den Massen erscheint, desto eifriger wer-den sie ihr zuströmen, desto größer ihre Ansprüche, ihre Kühnheit,desto mehr werden sie schließlich der Partei nicht bloß folgen,sondern sie vorwärts drängen.Es gibt also wenig Erfolge, die so sinncnfällig der Masseunsere steigende Kraft dokumentieren, wie Wahlsiege, wie die Er-oberung neuer Mandate. Die Massen treiben nicht Statistik, siekönnen nicht immer die ökonomische und politische Entwicklunggenügend verfolgen. Die Parteipresse ist ihnen oft unzugänglichund die gegnerische Presse lügenhaft. Aber wie immer sie lügenund fälschen mag, gewonnene Mandate kann sie nicht umlügen.Wie jedes Streben nach Erfolg, kann freilich auch das nachMandaten irrestihren, zur Anwendung von Mitteln veranlassen,die dem Erfolg des Augenblicks den der Zukunft opfern. Gegensolches Streben muß man natürlich stets auftreten, das hindertaber nicht, daß jedes ehrlich, in prinzipieller Agitation erfochteneMandat ein großer Erfolg ist, der die Volksmasse belebt, an«feuert, unsere Sache fördert. Wohl müssen wir in die Wahl-kämpfe eintreten, um unsere Prinzipien zu propagieren und dieder Gegner zu widerlegen, nicht minder aber auch, um Wahl-kreise zu erobern und dadurch unseren wachsenden Einfluß imVolke zu dokumentieren und weiter an Einfluß zu wachsen."?,Die gegenwärtige Situation ist nun eine solche, die es unSermöglicht, wenn wir unsere Schuldigkeit tun, einen Wahlsieg voneiner Wucht zu erkämpfen, die ihn zu einer Katastrophe für dasherrschende Rcgierungssystem gestaltet.Diese Anschauung begegnet natürlich wieder gewaltigemHohn der Genossin Luxemburg! Sie meint:„Wenn wir siegenund in welchem Maße wir siegen, werden wir ja erleben. Imvoraus künftige Siege auskosten, liegt so gar nicht im Wesenernster revolutionärer Parteien"; derartigespassiert nur Leuten, die so wenig ernst sind, so allen revolutio«närcn Empfindens bar wie unsereins.Und weiter fragt Genossin Luxemburg, was sich Erheblichesändert, wenn wir wirklich 152 Mandate eroberten? Wir bleibeneine?Ninorität. und es ändert sich nichts, wenn unsere Gegner:sich nicht zum Staatsstreich hinreißen lassen. Es kann also„die Frage, ob wir mehr oder weniger Mandate bei deytnächsten Wahlen erobern... uns ziemlich kühl lassen".Das ist eine sehr strenge Sittenpredigt. Aber auch derstrengste Sittenprediger kann einmal sündigen. I» dem Artikelder Dortmunder„Arbeiterzeitung", der unsere Diskussion her«vorrief, erklärte unsere ernste revolutionäre Genossin, die Massenkönnten einen Grad von Aufklärung imd Stimmung erreichen«schäbig aussehendes altes Buch, eine Psalmensammlung, die105 000 M. gekostet hat. und wie im Traume starrt man auf dasärmliche, kaum 18 Ouartblätter enthaltende Heft, das den NamenMilton trägt. Es ist das Manuskript dcS ersten Buches vonMiltonS„Verlorenem Paradiese", eS wurde von Morgan für100 000 M. erstanden._Notizen.— Ein Theatertrust in Breslau. In Breslau warenbereits bisher drei Theater sdas Stadttheater, Lobe- und Thalia«Theater) in der Hand eines Direktors vereinigt. Von 1911 ab wirdauch die vierte Bühne, das Breslauer Schauspielhans, von den ver-einigten Theatern übernommen werden. Breslau hat also einenrichtigen Theatertrust.�Herr Bode als Kritiker. Der Generaldirektor derkönigl. Museen in Berlin ist von beneidenswerter Vielseitigkeit. Erist nicht nur als Kunsthändler, Einkäufer und Berater tätig, erbeherrscht nicht bloß die meisten Spezialgebiete der Kunst, er übtnicht allein eine ausgedehnte Pcrsonalpolitik ans, beherrscht dieKunst- und Tagespresse und veröffentlicht jährlich dicke(zusammen»gestoppelte) Bände— er ist auch als Kritiker tätig. Auch in dieserBranche ist er ebenso robust wie in den übrigen: einvon Machtgelüsten geschwellter Absolutist, von rührenderSkrupellosigkeit. Die Frankfurter Museen haben nun eine Reihevon Kunstwerken erworben, die Herrn Bode aus dem einen oderanderen Grunde entgangen zu sein scheinen. Grund genug für ihn,über die Frankfurter Sammlungen und ihren Leiter GeorgSwarzenSki in einer wahrhast hanebüchenen Weise herzufallen(Museumskunde, Juli 1910) und dank der guten Verbindungen dieAffäre in die Scherlpresse zu lancieren. Der Angegriffene setztdarauf dem Herrn Bode in der„Franks. Ztg." in einer Weise zu,daß er für alle objektiv Denkenden abgetan ist. Ihm werden einesolche Masse von Entstellungen von Tatsachen und puren Er»findungen nachgewiesen, daß jeder andere, der nicht Generaldirektorwäre, als wissenschaftlicher Kritiker von niemandem mehr ernst ge»nommen würde.— Eine Renntierzählung in Schweden. Dieschwedische Regierung hat soeben eine offizielle Zählung abgeschlossen,die über die in der Lappenprovinz Jemtland noch vorhandenenRenntiere eine genaue Aufstellung geben soll. Die Zahl der Renn-tiere beläuft sich auf 27 233. Von den wertvollen Tieren besitzt eineinziger Lappe 2000 Stück. Dann folgen zwei Besitzer mit 1200 und1000 Stück. Im ganzen sind 355 Lappen Besitzer einer größerenAnzahl von Renntiercn.— Journalistische H i tz f e r i e n. In China scheint daSNeuigkeitsbedürfnis der dort lebenden Europäer nicht allzu lebhaftzu sein. Die in Hankau erscheinende„Hankoiv Locol Post" teiltihren Lesern mit, daß Hankau wäbrend der heißen Sommermonatekein angenehmer Aufenthalt zum Arbeiten sei, daß alle, die es tunkönnen, jetzt Ferien nehmen, und daß die„H. L. P." diesem gutenBeispiel folge. Das Blatt versichert, daß ein zweites von den Be-sitzern der ,H. L. P." herausgegebenes Blatt ohne Rücksicht auf dioWitterung weiter erscheinen werde.