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Nr. 182. 27. Jahrgang. 1. KeilM des Jotiiiirte" Derlim iolblilaft. Zonnabend, 6. August 1910. Hus der partcü Nervosität. Unsere Genossen in Baden   sind in steigender Verlegenheit. Es ist gar kein Zweifel möglich, dasi das Ausspielen von«Süddeutsch- land gegen Norddeutschland", das vor dem Nürnberger Parteitag so unheilvoll auf die Debatten zurückwirkte, diesmal völlig misigliickt ist. Die auch von einem opportunistischen Standpunkt aus ganz un- zureichende Begründung der Budgetabftimmung, die Störung des Parteifriedens in einem Moment, wo die Einheit der Partei jedem seiner Verantwortung bewußten Parteigenossen über alles gehen mutzte, der unentschuldbare Bruch der Parteidisziplin und schließlich die beschämende Beteiligung an der Ovation für den Grotzherzog und die bevorstehende Teilnahme an der Gratulationsconr, das sind Dinge, die von den süddeutschen Parteigenossen in wachsendem Matze ebenso verurteilt werden wie von den norddeutschen. Es ist heute gar kein Zweifel, daß die Partei in stets geschlossenerer Einmütigkeit für die Wahrung der Beschlüsse ihrer obersten Vertretung, für die demokratische Grundlage ihrer Organi- fation und die Einheit der Aktion eintritt. Und alle Versuche, hier einen Gegensatz zwischen süddeutschen und norddeutschen Genossen konstruieren zu wollen, dürfen heute als gescheitert betrachtet werden. Wir sind alle Sozialdemokraten, die gleich empfinden, Gleiches wollen, Mitglieder der einen großen Partei, auf deren Schlagkraft wir alle gleich bedacht sind, und die wir alle in gleicher Weise bewahren und stärken wollen. An dieser Tatsache des gleichen proletarischen Empfindens und der gleichen proletarischen Interessen müssen die Versuche scheitern, unsere süddeutschen Genossen gegen die norddeutschen in irgend einen Gegensatz zu bringen. An solchen Versuchen mangelt eS freilich nicht. Unsere badischen Parteiblätter stellen immer wieder die Be� hauptung auf, daß unsere norddeutsche Parteipresse völlig ununter richtet ist und ihre Leser ununterrichtet läßt. Diese Behauptung ist völlig unhaltbar. Nicht nur der«Vorwärts", sondern der größte Teil unserer Parteipresse hat die Darlegungen der badischcn Parteiblätter und der führenden Landtagsabgeordneten fast wörtlich wiedergegeben und sich bemüht, in objektivster Weise, wie eS ja Pflicht ist, die Auffassung der badischen Genossen ihren Lesern zu unterbreiten. Man kann das gleiche leider nicht in gleichem Umfange von unseren badischen Genossen behaupten. Wir wollen nur«in Beispiel an. führen. Die«Wiener Arbeiterzeitung  " hatte daS badische Vorgehen scharf verurteilt. Die badischen Parteiblätter gaben diese Stimme nicht wieder. Dann brachte unser Wiener   Parteiorgan einen längeren Artikel, der den Disziplinbruch neuerlich verurteilte, das Vorgehen der Badener al« Vorstoß des bewußten Revisionismus zurückwies und zugleich die Gründe ihres Vorgehens darlegte. Dieser Artikel wurde merkwürdigerweise in den badischen Blättern den Lesern al» eine Verteidigung des badischen Vorgehens vorgesetzt. Sl» sich da» Wiener Blatt gegen diesen Mißbrauch kräftig verwahrte und in neuerlicher Darlegung an seiner scharfen Verurteilung keinen Zweifel ließ, fand diese Verwahrung tot Karlsruhe   und Mannheim   nicht die geringste Beachtung. Die Leser dieser Blätter find über die wirkliche Stellungnahme unserer österreichischen Genossen falsch unterrichtet und werden eS auch bleiben Da» hielt den«VolkSsteund" nicht zurück, uns einen Vorwurf daraus zu machen, daß wir den Artikel der.Arbeiterzertung" nicht ab- gedruckt hätten. Die» al» Jllufttatton einer Berichterstattung. die man beim besten Willen al» vom Geist der Objektivität und Loyalität erfüllt nicht gerade wird bezeichnen können. Um so eifriger sind aber unsere badischen Parteiblätter, wenn »» gilt, irgend eine scharfe oder vielleicht auch unrichtige«eußerung eines norddeutschen Parteigenossen aufzuspießen, um daran einen feurigen Appell zu schließen an die«badischen" Genossen, über die Ueberhebung und Unwissenheit der.norddeutschen" Genossen in flammende Entrüstung zu geraten oder sie mit gebührender Verachtung zu strafen. Daß der Karlsruher.VollSfreund" Zuschriften b a d i s ch e r Genossen gegen die Taktik der Fraktion mit Schwänzchen versteht, die noch hämischer und gehässiger sind als die gegen.norddeutsche" Artikel gerichteten, zeigt allerdings, daß selbst der Karlsruher  «Volks« kleines feuilleton. Die Frau in der Vorgeschichte. Auf der Hauptversammlung der »Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte", die in Erfurt   tagte, iprach Professor Gustav K o s s i n n a aus Berlin   über die Stellung der Frau in der menschlichen Vorgeschichte. Das.Paradies' so führte er aus war sozusagen das Sammlerstadium des Menschen, von dort ist der Sprung zum Pflugbau des ManneS ungeheuer. Dazwischen liegt die Stufe des Hackbaues, der ausschließlich Frauensache war. Die Frau hat von Anfang an die Pflicht der Familienernährung. Der Mann hat nur soziale Pflichten, sonst ergibt er sich einem vornehmen Müßiggänge. Die Frau war erstens Sammlerin für den Tagesbedarf, zweitens Vor- ratssammlerin, drittens Schöpferin de» Baues von Nahrungspflanzen durch Hackbau. Noch heute ist der Gartenbau Sache der Frau, auS- genommen die Obstzucht. Der Mann beschäftigt sich mit den Tieren. m 10 000 v. Chr. war bereits der Hund in Mitteleuropa   Haustier, um 4000 solgle Klein« und Großvieh, zuletzt daS Pferd. Nimmt man den Wagen hinzu, so waren die Elemente gegeben, woraus der Mann sich die Pflugkultur schuf, die nun die Frau vom Ackerbau ausschloß. In daS früheste Sammlerstadium, in die Eiszeiten, fällt das Stadium des Mutterrechts. Die Frau ist der einzige bleibende Mittelpunkt der Familie. Aus der dritten Stufe kennen wir zahlreiche Frauen- sigürchen, die Fruchtbarkeitsgöttinnen darstellen. An denselben Wohn- statten S ten die Frauen die von ihnen geschaffene Töpferkunst aus. Bei der».eramik spielt die Frau noch eine große Rolle in der Darstellung. Die sogenannten Gesichtsurnen sowohl der Steinzeit wie der frühesten Eisenzeit geben stets Frauenbüsten wieder. Ebenso ist die Darstellung von Frauenbüsten, die die alt- indischen Riten vorschreiben, in der Bronzezeit auch in Mittel- europa   üblich. Sacke der Frau ist dann die Sorge für Bekleidung der Familie, das Flechten und Weben. Die schweizer und öfter« reichischen Pfahlbauten zeigen viel Leinengewcbe und Tonfiguren von Frauen mit reichgeftickten Gewändern. Der Norden zeigt um« gekehrt fast ausschließlich Wollengewebe in den berühmten Trachten der wunderbar konservierten Leichen auS der älteren Bronzezeit. Die Frau hat Kopfhaarnctz, Aermeljacke, langen Rock mit feinem Quasten- gürtel, bronzene Gürtelplatte, herrlich verzierte Armbänder, Hals- ringe und fast stets einen Bronzedolch. Nicht selten bestehen die Perlenbänder aus mehrfarbigen Glasperlen ägyptischer Fabri- kation. In der Hallstattzeit   hat daS Frauengewand bis zu 0000 Glasperlen als Besatz. Die Dolchwafse beweist nicht die Teil- nähme am Kriege, viel eher ihre Tätigkeit als Wundärztin. AIS  solche wirkte sie auch mit Zaubersprüchen. Allgemein war sie tatsächlich hoch geachtet, obwohl rechtlich schlecht be- dacht. DaS zeigen die reichen Frauengräber mit ihrem reichen Schmuck, der allerdings in der Eisenzeit sehr monströs wird. Da erscheinen die kolossalen geschlitzten freund' seine Taktik, einen Gegensatz zwischen Nord- und Süd- deutschland zu konstruieren, nicht konsequent festzuhalten vermag. Aber alle taktischen Bedürfnisse auch bedrängter Parteigenossen müssen schließlich eine Grenze finden an der Achtung, die man der Partei selbst entgegenbringen muß und die jedem Parteigenossen die Pflicht auferlegt, in der Polemik ein gewisses Maß nicht zu über- schreiten. DaS geschieht aber in einem Leitartikel«Schämt Euch" des Karlsruher  Volksfreund", der sich gegen einen Artikel«Die Revolte in Baden  " des Genossen Pannekoek richtet, den einige Parteiblätter veröffentlicht haben. Der»Volksfreund" zitiert aus dem Artikel folgende Stelle: Fragt man sich, weshalb die Badenser gerade diesen Augen- blick für ihre Revolte auswählten, so liegen die Gründe aus der Hand... An der klaren sozialistischen   Einsicht der Arbeiter muß der schlau überlegte Versuch, die Partei auf eine falsche Bahn zu drängen, scheitern." Der.Volksfreund" behauptet, daS besage, daß die badischen Abgeordneten absichtlich die Partei schädigen wollten. Das ist unserer Meinung nach keineswegs gesagt. Pannekoek spricht von dem schlau überlegten Versuch, die Partei in eine Bahn zu drängen, die falsch ist. Er sagt aber mit keinem Wort, daß die bndischen Abgeordneten wissen, und darauf käme eS an daß die Bahn falsch ist. ES wäre auch wirklich ein Unsinn den Pannekoek nicht gemeint haben kann, wäre dies der Fall, würden wir es ohne weiteres zurückweisen die badischen Genossen zu be- schuldigen, daß sie bewußt und mit Absicht, die Partei in falsche Bahnen drängen wollten. Der«Volksfreund" aber läßt sich durch seine Auffassung ver- leiten, gegen Pannekoek in einer Weise zu polemisieren, die, wie wir hoffen, auch dort schärfsten Widerspruch finden wird, wo man mit Form oder Inhalt des Artikels des Genossen Pannekoek nicht ein- verstanden ist. Der«Volksfreund" schreibt: «Zu den i n f a m st e n Hetzern gegen die badischen Land- tagSabgeordneten im besonderen und die hinter ihnen stehende» badischen Parteigenosse� im allgemeinen gehört ein Mann, der seit einiger Zeit eine Anzahl von deutschen   Parteiblättern durch eine Korrespondenz mit Artikeln zu versorgen pflegt, der Genosse Dr. A. Pannekoek, ein Holländer. In seiner Heimat fand er wohl nicht den rechten Boden, um seinen Tatendrang auS- zuleben und so kam er denn nach Deutschland  , wo er, eine Leuchte deS Radikalismus, seither mehr schlecht als recht feine Lnffassung vom Sozialismus artikelweise verzapft hat. Wenn wir sagen: er kam nach Deutschland  , so müssen wir der Genauigkeit wegen noch hinzufügen, daß der Parteivorstand ihm diese Uebersiedelung da- durch erleichterte, daß er ihm, in gebührender Hochschätzung seiner strengen«Rechtgläubigkeit" ein Lehramt an der Parteischule an- bot; vermutlich deshalb, um nur ja nicht zu einem Manne greifen zu müssen, der auch nur entfernt im Verdacht gestanden hätte, den sisif Revisionismus nicht.energisch" zu bekämpfen. Wir würden der Tätigkeit deS Genossen Pannekoek auch nicht die allergeringste Beachtung schenken womit wir im allgemeinen glauben, ihm am besten gerecht zu werden. wenn es nicht eine Anzahl von deutschen   Parteiredaktionen für angebracht erachteten, taktische Artikel über Fragen der deutschen   einzclstaatlichen Politik von ihm zu veröffentlichen. Auch selbst dies möchte vielleicht noch erträglich sein sobschon es offen- bar mehr als merkwürdig ist, daß deutsche Redakteure sich ihre tattischen Auffassungen von einem Ausländer diktieren lassen), f o la n g e d er G en o ffe P a nne ko e k sich von nichts- nutzigen und unverschämten persönlichen An- griffen freihält." Diese Auslassungen zeigen, daß man in der Redaktion in Karls- ruhe jede Ruhe verloren hat. Diese Ausländerhetze in einem sozialdemokratischen Blatt ist ein Exzeß, der überall nur U n- willen erregen wird. Man muß in Karlsruhe   recht wenig Zu- verficht in die eigene Sache haben, wenn man sich zu solcher Polemik fortteißen läßt._ Der Wahlkreis Gießen   hielt am Sonntag feine Generakver- fammlung des Kreiswahlvereins ab, die aus 19 Orten von 37 Delegierten besucht war. Außer den geschäftlichen Angelegenheiten, erörterte man die badische Angelegenheit. Vetters hält die Gründe, die die Badenser für ihr Verhalten anführen, durchaus nicht für stichhaltig. Wegen der freundlichen Worte des Ministers Bodman   hätten die badischen Genossen wahr- haftig nicht nötig gehabt, das Parteiinteresse zu schädigen und die Hohlwülste, die Goethe vor hundert Jahren für Klang- instrumente erklärte. Die Sitte des freiwilligen Witwentodcs, die bei fast allen Jndogermanen bezeugt ist, kann trotzdem nicht ur- sprünglich indogermanisch sein: der Norden kennt sie nicht, dorthin gelangt sie erst in den Stürme» der Wikingerzeit; in Deutschland  war sie unbekannt. Die Vorgeschichte hat auch auf dem Gebicie der Stellung der Frau schiefe Beleuchtungen der Geschichtsüberlieferung zurechtgerückt. Sie wird much in der Zukunft noch manches Miß- Verständnis und manche Mißachtung aus unserer Vorzeit hinweg- räumen. Die Jkariden. Immer noch stürzen jene Kühnen aus den Lüften herab, die sich wie einst Ikarus vermessen, in stolzem Fluge der Sonne entgegcnzui'chweben. Und wahrhaft erschreckend groß ist die Zahl der Opfer unter den modernen Jkariden, den Künstlern des Fluges, die sich die Herrschaft über die Lüfte zu ertrotzen suchen. Nicht weniger als zehn Namen, teilweise von allerbestem Klange in der Aviatik, verzeichnet die Verlustliste des Flugsports feit dem Be« ginn des Jahres 1910. Hier ihre Reihenfolge: Am 5. Januar: Lson Delagrange; am 2. April: Leblon; am 13. Mai: Hauvete- Michelin  ; am 5. Juni: E. Six; am 19. Juni: Thaddäus Robl  ; am 3. Juli: Ch. Wächter; am 14. Juli: Daniel Kinet; am 12. Juli: S. Rollz; am 3. August: NicolauS Kinet und Dr. Ch. Walden. Eine große Zahl anderer Aviatiker ist beim Absturz mit mehr oder weniger schweren Verletzungen davongekommen; eS gibt wohl überhaupt' leinen Flieger, der nicht schon mindestens einen unfrei- willigen Absturz hinter sich hat. Manchmal erscheint die Retlung der aus der Höhe zu Boden Sausenden geradezu als ein Wunder. Es konimt eben völlig auf die Zufälligkeiten an, unter denen der Absturz erfolgt, und ähnlich wie bei Automobilunglücken geht der eine unversehrt oder nur mit ganz unerheblichen Verletzungen auS der Katastrophe hervor, während der weniger vom Glück Begünstigte daS Genick bricht oder von seinem Motor zerschmettert wird. Angesichts dieser unaufhöilichen Flugkatastrophen kann nur völlige Verblendung glauben, daß der«eroplan in absehbarer Zeit zu einem Verkehrsmittel werden wird, wie das kühne Phantasten immer wieder behaupten. Ob der Aviatik oder aber der Luftschiff- fahrt die Zukunft gehört, das heute schon zu entscheiden, wie das von vielen zugunsten des SystemsSchwerer als die Luft" ge- fchieht, ist völlig unmöglich. Bis jetzt zeigen beide Systeme noch außerordentlich große Mängel, die abzustellen die Aufgabe und die Arbeit noch vieler, vieler Jahre sein wird. Augenblicklich ist die Luftschiffahrt als vollkommener und sicherer zu betrachten; niemand weiß aber, wie das Verhältnis in fünf, in zehn, in zwanzig Jahren sein wird. Vielleicht wird tat- sächlich die Fliegerkunst die Siegerpalme davontragen, wem, die technische Fertigkeit im Bau leichter und absolut zuverlässiger Motoren viel größer sein wird als heute. Aber wer vermag die technische EntWickelung vorauszusehen? Unterlassen wir deshalb lieber das Prophezeien und suchen ivir aus den Unglücksfällen, die Einheitlichkeit der Partei in Frage zu stellen. Daß sie sich viel� leicht in einer heiklen Situation befanden, mag zugegeben werden. Aber habe doch selbst ein Liberaler, Breitscheid  , es für selbstver- ständlich gehalten, daß die Opposition der gegnerischen Regierung nicht die Mittel zum Regieren bewilligt! An der Diskussiow beteiligten sich Beckmann, Diehl, Noll und Krumm. Während Dieht die Haltung der Badenser begreiflich findet und billigt, sprechen sich die übrigen darüber ablehnend aus. Krumm meint, daß mit der badischen Taktik alle Parteitradition zum Teufel und die Partei das Vertrauen des Volkes verlieren müsse, was jedenfalls mehr wert fei, als ein paar freundliche Ministerworte. Was da alles zur Verteidigung des badischen Streiches vorgebracht würde, sei schon bald nicht mehr schön. Äe- sonderes leiste Dr. Q u e s s e l in Darmstadt  ; er wundere, sich, daß sich die Darmstädter   das gefallen ließen. Man täusche sich, wenn man etwa glaube, durch eine derartige Politik etwas zu erreichen. Unter allen Umständen müsse aber die Einheit der Partei gewahrt werden! Es wurde beschlossen, den Parteitag zu beschicken: die Wahl des Delegierten erfolgt direkt. Der Sozialdemokratische Verein Offenbach nahm am Donners  « tag nach einer mehrstündigen Diskussion, in der sowohl Anhängerl der Budgetbewilligung wie auch deren Gegner zum Worte kamen» gegen 3 Stimmen folgende Resolution an: Die Versammlung erkennt an, daß die Budgetbewilligung im badischcn Landtage durch die besonderen politischen Verhält- nisse gerechtfertigt war. Sie betrachtet die Budgetbewilligung als eine taktische Frage, über die die Entscheidung den Fraktionen der Einzcllandtnge überlassen werden sollte. Die Versammlung erwartet deshalb vom Magdeburger   Parteitage die Aufhebung des Nürnberger Beschlusses. Die Hofgängerei der badischen Land- tagSabgeordneten wird, als dem republikanischen Charakter der Partei widersprechend entschieden verurteilt." Ein Antrag, den Beschluß Nr. 99 des Nürnberger Parteitage» aufzuheben, der die Genossen, die am 1. Mai ohne Lohn« ausfall feiern, zur Abführung eines Tagelohns verpflichtet, wurde abgelehnt. Eine Parteiversammlung in Qiotha, die stark besucht war, nahm am Mittwoch ohne Diskussion, aber mit allseitiger lebhafter Zu» stimmung«in Referat des Genossen Wilhelm Bock   entgegen über die Taktik der Partei und die Frage der Budgetbewilligung. Unser ganzes Empfinden und Denken, so führte Genosse Bock aus, wendet sich auf das ent» schieden sie gegen die Badenser Abgeordneten« deren Verhalten und höchst sonderbares Handeln die ganze Parter in einen Sumpf führen muß, wie ihn schon Lassalle   den früheren Fortschrittspartcilcrn zum Vorwurf machen mußte. Genosse Bock wies eingehend nach, um wieviel schlimmer um den heutigen Libera« liSmuS und seine Führer es steht, woraus sich für jeden Partei» genossen klar und deutlich ergeben müsse, daß ein Zusammenarbeiten mit dieser den Reaktionären Zuträgerdienste leistenden Partei nicht ermöglicht werden könne und dürfe. Heute seien wir so stark, daß wir sehr wohl überall auf die Hilfe der bürgerlichen Parteien ver» zichten könnten; viel energischer müsse aufgetreten werden als bis» her. Und nach Lübeck   und Nürnberg   hätte er(B.) das Vorgehen in Baden nicht mehr für möglich gehalten. Das sei eine Disziplin- lofigkeit sondersgleichen!(Lebhafter Beifall) Praktische Lebens- erfahrung sollen die sozialdeniokratischen Führer besitzen; könnte man dies in Baden nicht einsehen, so müsse der letzte Schritt auS der Partei erfolgen, was in Magdeburg   radikal gesagt werden muß, damit nicht ein zweites Mal solch eine Partcipfuscharbeit geleistÄ werde!_ Eine Lanze für Mannheim  . Unter diesem Titel schickt uns Geirosse Arbeitersekretär Rich. B ö t t g e r. Mannheim   eine Zuschrift, aus der wir unter Hinweg» lassung einiger persönlicher Ausfälle, die mit der Sache in gav keinem Zusammenhang stehen, folgendes wiedergeben: Was mich vor allem veranlaßt, und zwar als gefchäftS« führender Vorsitzender des Ortsvereins Mann» heim und des 11. badischen ReichstagswahlkreiseS, ist die ten» denziös entstellte, der Wahrheit ins Gesicht schlagende Wiedergabe über die Abstimmung der Budgctresolution in der Mannheimer  Parteiversammlung. Ich weiß nicht, ob Genosse R e m m e I e auch der Absender des in der Freitagsnummcr desVorwärts" erschie» nenen einseitig gefärbten Telegramms ist. Nachdem fein� Artikel imVorwärts" am letzten Mittwoch erschienen, ist diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen. Bereits im Freitagstelegramm ist davon div Rede, daß die Vertrauensresolution für die Budgetbewilligev gegen eine große Minderheit" angenommen wurde. In der letzten NotizEine eigenartige Berichterstattung" legt Genosse Remmele der technischen Unzulänglichkeit der Flugapparate entspringen, zu lernen. Notizen. M u f i k ch r o n i k. In der G o t t s ch e i d o p e r im Schiller- Theater O. wird Gonnntag nachm. 8 Uhr zu ermäßigten Preisen «Der Freischütz  " gegeben; abends 8 Uhr findet neu einstudiert in der Einrichtung des Miinchcner HofthcaterS eine Aufführung von Mozarts.Zauberflöte" statt. Kunstchronik. Die Akademie der Künste wird in ihren Räumen Pariser Platz 4 in der zweiten Hälfte deS Monats September zusammen nnt einer S k a r b i n a- GedächtniS-AuSstellung eine Ausstellung von Arbeiten des verstorbenen Professors Joseph M. O l b r i ch veranstalten. DaS Zeitalter der Operette. Zum Bau eine» Operettentheaters an der Ecke der Kursarstenstraße und der Nürn  » berger Straße wurde die Erlaubnis erteilt. Das«Deutsche Operettentheater" so wird es heißen soll im Herbst 1911 eröffnet werden und zweifellos einem von den zahlreichen Operetten- theatern noch nicht genügend befriedigten tieferen Kulturbedürfnis Genüge tun. Was unseren Kunstausstellungen nottut. In den Berichten über die Große Berliner Kunstausstellung wurde mit Genugtuung vermerkt, daß heuer die fürchterlichen Schlachten- bilder und sonstigen patriotischen Schinken fehle». Darüber herrscht unter den Lesern der«Deutschen Tageszeitung" offenbar Entsetzen. ES ergeht sich denn auch einer in lebhafter Klage über diesen Fehler. Schon sind die wunderbaren Schlachtenpanoramen verschwunden. «um so unbegreiflicher erscheint es, daß gerade in dem gegenwärtigen Jubeljahre nicht die Wände einer der Hauptsäle in dem Ausstellung»» gebäude am Lehrter Bahnhof   mit Schlachtenbildern, die Episoden au« dem Kriege 1870/71 darstellen, geschmückt worden sind, durch die der Beschauer an die Zeit vor 40 Jahren erinnert wird und zum Nachdenken Veranlaffnng findet". Doniit der Arme nicht ganz verzweifle, wollen wir ihm ver- raten, daß er in der National-Galerie und im Zeughause sich immer noch miteinem gewissen Schaudern" an solchen Verhöhnungen der Kunst und der Menschlichkeit ergötzen kann. Von der arktischen Studienreise Zeppelin» wird über Tromsoe aus Spitzbergen   gemeldet: Die Teilnehmer waren am 24. Juli auf derMainz  " in der Lillebay. einem Teil der Croßbay, angekommen. Dort gelang es Zeppelm, einen zur Anlegung einer Station geeigneten Platz zu finden. Es wurden m-hrfach Aufstiegversuche mit kleinen Ballons unternommen, die sehr beuächtliche Höben erreichten. Am 30. Juli gingen.Mainz  ' und .Phönix" zur Eisgrenze ab, während Graf Zeppelin   mit Begleitern landeinwärts über die Hochebene nach Westen zog. Dort soll wahr- scheinlich«in Ballonplatz angelegt werden.