Nr. 189. 27. Zührgltvg. 2. Jfilge d».HmSrls" ßttliiift öollislilift. Sonntag. 14. Anguß 1910. Der psiMUche Arbeitsnachweis In der Iholzlndultrle. Schon f«U längerer Zeit sind Bestrebungen im Gange, um den in einigen Orten bereits bestehenden paritätischen Ar. beitSn ach weisen eine größere Ausdehnung zu geben und grundlegende Bestimmungen für den Betrieb dieser Einrichtungen Su schaffen. Kurz nach der Beilegung der großen Aussperrung in der Holzindustrie im Fahre 1907 waren die Vorstände des Deutschen iHolzarbeitervcrbandes und des Arbeitgeberschußverbandes für daS Holzgewerbe zu einer Konferenz— 8. und 9. Juli 1907 in Eise. «ach— zusammengetreten, um über ein Regulativ für pari. tätische Arbeitsnachweise zu beraten. ES wurde auch ein Muster. regulativ ausgearbeitet, welchem beide Vorstände zustimmten. Die bald darauf abgehaltene Generalversammlung des Arbeitgeber- schutzvcrbandes verweigerte aber dem Regulativ die Zu. stimmung. Hauptsächlich war es das vorgesehene Obligo. torium , das der Unternehmer Mißfallen erregte. ES sollte jeder Unternehmer verpflichtet sein, seinen Bedarf an Arbeits. krästen beim Arbeitsnachweis anzumelden und erst dann sich selbst um Arbeiter bemühen dürfen, wenn ihm der Arbeitsnachweis binnen einer Woche keine solche zuweisen konnte. Zu einer weiteren Konferenz der beiderseitigen Zentralvorstände, abgehalten im Ok. tober 1907 in Kassel , waren von beiden Seiten auch einige Be- ernte bestehender paritätischer Arbeitsnachweise zugezogen. Diese Konferenz verlief jedoch resultatlos, weil sich die Arbeitervertreter zu der von den Unternehmern gewünschten Aufgabe des Obligo- toriumS nicht verstehen konnten. Die Frage ruhte dann längere Zeit und wurde erst wieder aktuell, als im Verlauf der diesjährigen Vertragsverhandlungen in der Holzindustrie die Unternehmer in Hannover , wo schon seit längerer Zeit ein paritätischer Arbeitsnachweis vorhanden ist, eine Abänderung des bestehenden Regulativs wünschten.'Nach längeren Verhandlungen zwischen den ZentralvorstäntKm kam eine Vereinbarung zustande, in welcher bestimmt wird, daß sowohl Arbeitgeber als Arbeiter ausschließlich den paritäti» sch e n Arbeitsnachweis benützen müssen. Sind Arbeiter der verlangten Art beim Arbeitsnachweis nicht gemeldet, dann werden ?nserate u s w. zur Heranziehung von Arbeits» r ä f t e n nicht von dem betreffenden Unternehmer erlassen, son- dern hierzu ist allein der paritätische ArbeitSnach- weis befugt. Diese Vereinbarung hat den Beifall der Leitung de? Arbeit- geberschutzverbandeS in so hohem Maße gefunden, daß der Vor- stand des Holzarbeiterderbandes daraus die Hoffnung schöpfte, auf dieser Grundlage nunmehr zu einem Musterregulatid für paritätische Arbeitsnachweise zu gelangen. Dementsprechend hat auch der kürzlich in München abgehaltene VerbandStag des Holz. arbeiterverbandes in einer Resolution ausgesprochen: „Wenn über das Musterregulativ für die paritätischen Ar- beitinachweise auf Grund der für Hannover getroffenen Ver- einbarung eine Verständigung mit dem Arbeitgeberschutzverband möglich ist, erteilt der VerbandStag zu dieser Abänderung seine Zustimmung." Die Entscheidung liegt jetzt bei der Generalversammlung des Arbeitgeberschutzverbandes, die für den IS. und 10. August in Eisenach anberaumt ist. Durch das Eingreifen der kleinen Konkurronzorganisationen deS Deutschen Holzarbeiterverbandes wird die Lösung der Frage nun erschwert. Die positive Leistungsfähigkeit dieser Organisa- tionen ist. verglichen mit dem Holzarbeiterverband, sehr bescheiden. Das geht schon auS der Mitgliederzahl hervor. Wöhrend am Jahresschluß 1909 der Hirsch-Dunckersche Gewerkverein der Holzarbeiter 5822 und der christliche Holzarbeiterverband 11 312 Mitglieder zählte, hatte der Deutsche Holzarbeiter- verband zur gleichen Zeit 151 827 Mitglieder. Aber können die kleinen Organisationen auch den Holzarbeitern nicht viel bieten, so sind sie doch unter gewissen Umständen imstande, den vom Deutschen Holzarbeiterverband angestrebten Fortschritt zu hemmen. Und von dieser Möglichkeit machen sie in ausgiebigem Matze Gebrauch. Zunächst machten sich die Hirsche in Hamburg bemerk- lich. Hier erstreben die Holzarbeiter die Einführung des paritä- tischen Nachweises. Weil sich die Tischlerinnung und der Arbeit- geberschutzverband, der sich übrigen? schon vor zwei Jahren von dem unter oer Leitung deS bekannten Herrn Rahardt stehenden Arbeitgeberschutzverband für das Deutsche Holzgewerbe getrennt hat, ablehnend verhielten, wurde der ArbeitSnach W e iS der Tischlerinnung gesperrt und den Holzarbeitern zur Pflicht gemacht, nur den Arbeitsnachweis deS Holzarbeiterver- bandes zu benützen. Natürlich soll auch dieser sofort aufgehoben werden, wenn sich die Unternehmer zur Anerkennung des paritä- tischen Nachweise» verstehen. Der Boykott des Unternehmernach- weise? wurde mit solcher Energie durchgeführt, daß die Unter- nehmer zur Einsicht kamen und eine Verständigung über die Einrichtung eines paritätischen Arbeits- Nachweises für die Holzindustrie in Hamburg unmittel- dar bevorsteht. In diesen Kampf nun haben die Hirsch-Dunckerschen in schäbiger Manier eingegriffen. Sie haben, obwohl sie in Hamburg nur über eine verschwindend kleine Mitgliederzahl verfügen, während des Kampfes einen eigenen Arbeits- Nachweis errichtet und dadurch versucht, die Unternehmer aus der Patsche zu helfen. Bei der«firma Steinwav u. SonS kam eS �ieserhalb zu ernsten �.rfferenzen, weil die Firma den Ver- bandSmitgliedern zulnutete. die durch die Hirsche besorgten Arbeitswilligen anzulernen. lieber diesen Konflikt«st im.Vorwärts berichtet worden. Die Schmach, welche die Hirsche be» dieser Gelegenheit auf sich geladen haben, wäscht kein Regen ab, und eS ist ein vergebliches Bemühen, wenn sie. wie z. B. in der Morgenausgabe der �Berliner Volks- geitung" unter Verdrehung der Tatsachen sich selbst als die ver- folgte Unschuld hinstellen.. � �.. Ebenso wie d» Hirsch-Dunckersche Gewerkverein spielt sich jetzt auch der christliche H o lz a r b e i t e r v e r b a n d als Gegner des paritätischen Nachweises in der Holzindustrie auf. Zwar haben die Hamburger Mitglieder dieses Verbandes sich dem Kampfe des Deutschen Holzarbeiterverbandes angeschlossen, und sie benutzten während de» Kampfes nur dessen Nachweis; aber auf dem kürzlich abgehaltenen Verbandstage deS christlichen Ver- vanves gab man der Abneigung gegen obligatorische paritätische Arbeitsnachweise deutlich Ausdruck. Ter Vorstand wurde beauf. tragt, den Mitgliedern Richtlinien für ihr Verhalten in der ArbeitSnachweiSfrage zu geben. Dem wird entsprochen in einem Artikel in der Nummer des BerbandSorganS vom 5. August. Hier werden die Gründe für die Abneigung der Christen gegen die obl.gator., che Benutzung de- Nachweises auseinander gesetzt. Durch das Obligatorium würde es den Christen künstig unmöglich gemacht, sich in bestimmten Betrieben zu konzentrieren, die ihnen alS Stutzpunkte für ihre Agitation dienen. Das ist ihnen die Hauptsache. Wenn weiter von der Beschneidung der persönlichen Freiheit geredet wird, die schlimme Schattenseiten zeitigen muß usw.. so ist das nur dekoratives Beiwerk. Dementsprechend w,rd den örtlichen Verwaltungen de, christlichen Verbandes ge- raten, obligatorische Arbeitsnachweise zu be- dämpfen. Die eigenen Arbeitsnachweise des christlichen Ver- . bondes find zu pflegen, als Ziel aber sind kommunale paritätische Arbeitsnachweise zu erstreben. Die Christen wollen also in der Arbeitsnachweisfrage zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie sehen die Errichtung paritätischer Arbeitsnachweise nicht ungern, aber eS sollen kommunale sei, bei welchen sie eher darauf rechnen können,«inen Ein- stutz zu gewinnen als bei paritätischen Arbeitsnachweisen, die von den Organisationen errichtet werden. Aber die kommunalen pari- tätischen Arbeitsnachweise sollen nicht obligatorisch sein, damit die Christen noch außerdem Gelegenheit finden, einzelne Betriebe mit ihren Leuten zu füllen. Sie betrachten also den Arbeitsnachweis lediglich vom agitatorischen Standpunkt aus. Der Mißbrauch, der mit den verschiedenen von den Industriellen errichteten Zwangs- arbeitSnachweisen getrieben wird, hat besonders deutlich gezeigt, daß es ein Fehler ist, den Arbeitsnachweis anderen Zwecken dienst- bar zu machen als dem der ArbeitSvermittelung. Seinen Aveck kann aber ein Arbeitsnachweis nur dann vollständig erreichen, wenn er obligatorisch ist. Jede andere Arbeitsvermittelung, die noch nebenher betrieben wird, schädigt die Arbeiter. Nicht nur, daß die Arbeitslosigkeit des Minderglücklichen über Gebühr ver- längert wird, dem Unternehmer ist es auch durch die Vermittelung unter der Hand oder durch Umschauen leichter möglich, die tarif- lichen Arbeitsbedingungen«i umgehen. Und daß ein von Fach- leuten geleiteter Arbeitsnachweis seiner Aufgabe besser gewachsen ist als ein solcher, bei dem die Vermittelung durch einen Kommu- nalbeamten, vielleicht einen ausgedienten Unteroffizier, erfolgt. liegt auf der Hand. Von diesen Gesichtspunkten lassen sich auch die Berliner Holzarbeiter leiten, wenn sie großen Wert auf die obligatorische Benutzung des paritätischen Arbeitsnachweises legen. Ob die Vereinbarung zwischen dem Deutschen Holzarbeiter- verband und dem Arbeitgeberschutzverband für das deutsche Holz- gewerbe über die Errichtung paritätischer Arbeitsnachweise in nächster Zeit zustande kommt, bleibt zunächst abzuwarten. Wird das Musterregulativ angenommen, dann wird sich die Zahl der paritätischen Arbeitsnachweise in der Holzindustrie schnell ver- mehren, und die EntWickelung wird über die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine und die christlichen Gewerkschaften hinwegschreiten, die sich in ihrer Kurzsichtigkeit auS kleinlichem Egoismus dem Fortschritt entgegenstellen._-r. Soziales. ... Teutschland in der Welt voran — mit dem großen Munde! In der reaktionären Presse finden wir eine Notiz, die auf den starken Bevölkerungszuwachs Deutsch - lands hinweist und daraus mit mehr oder minder deutlichen Worten die Folgerung zieht, daß bei uns alles überaus gut bestellt sei. Auf 900 000 Köpfe, so heißt eS da. beläuft sich alljährlich unsere Volksvermehrung, und Deuschland sei auch in der La« Zuwachs eine Existenz zu schaffen, si ei auch in der Lage, diesem ..... ö daß er nicht auszuwandern braucht. Infolgedessen könnten wir sagen:„Kein zweites Volk der Erde macht uns diese Leistung nach. Sie> beruht auf den eigenartigen Fähigkeiten unseres Volkes, die in der Schulung harten und ernsten ArbeitenS allmählich geworden sind und mehr gewürdigt werden sollten, als dies leider zurzeit von dem Herr- schenden Geschmack geschieht." Und weiterhin heißt eS:..Wenn so in unserem jährlichen Bevölkerungszuwachs Deutschlands Kraft und Reichtum liegt, so gilt es aber auch, gegen alle die Strömungen anzukämpfen, die diese Volkskraft bewußt oder unbewußt zu schwächen geeignet sind. Daß solche Strömungen vorhanden sind, das braucht nicht erst hervorgehoben zu werden." Diese �Behauptungen werden von der reaktionären Presse mit um so größerer Wonne ausgeschlachtet, weil sie von einem ehe- maligen Sozialdemokraten herrühren. Die Rotiz stammt nämlich aus der„Arbeitsmarkt-Korrespondenz" des ehemaligen Genossen Richard Calwer . Ob nun wirklich für uns Deutsche Grund zu so überschweng- sicher Ruhmredigkeit vorliegt, dafür bietet die soeben erschienene neueste Ausgabe des„Statistischen Jahrbuchs für daS Deutschs Reich" allerhand interessantes Material. Sehen wir also zu, ob wirklich„kein zweites Volk der Erde uns diese Leistung nachmacht" und ob überhaupt im Lichte der statistischen Tatsache die Dinge bei unS so überaus rosig liegen, wie jene Notiz sie darstellt. Da bemerken wir zunächst, daß schon die Angabe von 900 000 Köpfen, um die Deutschlands Bevölkerung jährlich zunehmen soll, einen kleinen Aufschnitt enthält. ES waren in der Zeit vom 1. Dezember 1900 bis 1. Dezember 1905 im Durchschnitt nur 854 820 pro Jahr. DaS mag nicht schlimm sein, der Verfasser hat die Zahl einfach abgerundet. Aber bezeichnend ist es doch für sein Streben, alles inöglichst großartig darzustellen. Sonst hätte er sie zweifellos auf 350 000 abgerundet. Wie steht eS nun aber in anderen Ländern?— Oesterreich- Ungarn verzeichnete 1900 eine jährliche DurchschnittSzunahme von rund 400 000 seit der letzten vorhergehenden Zählung, Rußland 1897 eine solche von über 1!4 Millionen, Italien 1901 über 200 000; in Großbritannien mit Irland wären es 1901 fast 375 000, und selbst in dem kleinen Rumänien (1901) über 110 000. In- dessen ist ja mit solchen absoluten Zahlen nicht viel anzufangen. Erst die Verhältniszahlen geben ein richtiges Bild. DaS Ver- hältniS der jährlichen Volksvermehrung zur Einwohnerzahl beträgt nun in Deutschland für die Jahre 1900—1905 1,46 Proz. Das ist zweifellos eine ganz gute Durchschnittszahl, und es fällt unS nicht ein, ihre Bedeutung irgendwie herabzusetzen. Richtig ist auch, daß wir viel günstiger dastehen als die meisten westeuropäischen Länder.. Von Frankreich ganz zu schweigen, dessen Volkszunahme nur 0,15 Proz. erreicht, so hat auch Großbritannien mit Irland nur 0.90 Proz., Italien 0.69, Spanien 0,88, Portugal 0.71. die Schweiz 1,09, Belgien 0,98, Holland 1,23, Dänemark k.ll und Oesterreich-Ungarn 0,98 Proz. Diese alle stehen unS also nach. Aber richten wir den Blick nach Osten, so finden wir in BoSnien und der Herzegowina 1.60 Proz., in Rußland 1,37 Proz.. in Ser- bien 1,51, in Rumänien 1,94, in Bulgarien 1,50 Proz. Kann man da wirklich sagen, daß unS unsere 1,46 Proz.„kein zweites Volk der Erde nachmacht?" Dabei ist aber noch zu bedenken, daß die meisten der von unS angeführten Zahlen für eine weit frühere Zeit gelten als 1905. und zwar bis 1895 zurück. ES ,st also sehr wohl möglich, sogar wahrscheinlich, daß in jenen Landern daS Wachstum der Bevölkerung seither auch noch zugenommen habe. Dazu noch ein anderes. Jene Notiz erweckt durch die Art ihrer Abfassung auch den Anschein, als ob der angebliche groß- artige Aufschwung ein Erfolg unserer herrlichen neudeutschen Wirtschaftspolitik sei. Es ist da z. B. die Rede von dem„AuS- Wanderungsdrange vieler europäischer Länder, die nicht wie Deutschland in der Lage sind, dem eigenen Zuwachs auch eine Existenz schaffen zu können", während Deutschland daS glück- licherweise vermag. Wie dankbar also— dieser Gedankengang wird dem unbefangenen Leser geradezu suggeriert—, wie dankbar müssen wir den großen Staatsmännern sein, die uns durch ihre Wirtschaftspolitik neuerdings so in die Höhe gebracht haben! Jedoch, wenn dem so wäre, dann mühte die Volkszunahme gerade in den letzten Jahren oder Jahrzehnten eine besonders starke in Deutschland gewesen sein. DaS ist aber ganz und gar nicht der Fall. Eine kleine Tabelle auf Seite 2 des Statistischen Jahrbuchs belehrt unS, daß schon in den Jahren 1816—1820 die Volkszahl auf dem heutigen Reichsgebiet um 1,43 Proz. zugenom» men hat! Und von da ab da» ganze Jahrhundert hindurch geht eS herunter und herauf ohne Rücksicht auf die jeweilige WirtschaftS- Politik. Der Prozentsatz der Zunahme sinkt in den 30er Jahren bis auf 0.94. er steigt 1840 auf 1,16, er fällt bis auf 0.57 im Jahre 1850, steigt dann langsam blS 1865 auf 0,99, gehl plötzlich vi» 187.0 auf 0.58 zurück, fangt wieder qn zu steigen und erreicht 1880 die Höhe von 1,14, um schon 1835 wieder auf 0,70 zu fallen. Von da ab steigt er wieder, bis er 1900 den Stand von 1,50 erreicht hat, von dem er dann in den nächsten 5 Jahren wieder auf 1,40 zurückgegangen ist. Indessen ist es überhaupt unzulässig, auS der bloßen Zahl der Volksvermehrung so weitgehende Schlüsse zu ziehen. Da mutz man sich doch zunächst einmal fragen, wodurch dieser Zuwachs denn ver- ursacht ist. Zwei Ursachen sind denkbar: Ueberschuß der Geburten über die Todesfälle und Ueberschuß der Einwanderung über die Auswanderung. Beides trifft für Deutschland zu. Jedoch waS unS hier interessiert, ist der Vergleich mit anderen Ländern. Da muß nun freilich eine Tabelle im Statistischen Jahrbuch auffallen, in der die überseeische Auswanderung für Deutschland ganz un« glaublich geringer als für andere Länder berechnet ist. Danach wären aus Deutschland 1009 nur 3,9 von 19 909 Einwohnern aus- gewandert, aus Italien dagegen 182,6. Das sind die beiden äußersten Zahlen. Jedoch treten nur noch die Niederlande mit 5,2 auf, sonst ist bei allen Ländern die Zahl wesentlich höher. In- dessen belehrt uns eine Anmerkung, daß die Erhebungsform in den einzelnen Ländern verschieden war, so daß die Zahlen nicht mit- einander vergleichbar sind. Diese Zahlen besagen also nichts für unfern Zweck. In der Tat ist der Ueberschuß der Einwanderung in Deutschland über die Auswanderung nur ganz minimal und ohne Bedeutung für die Volkszunahme. Was aber den Geburtenüberschuß betrifft, so ist er in Deutsch - land nicht unbefriedigend. Er betrug 1998 14 auf 1099 Einwohner. Aber in anderen Ländern ist er nicht viel anders: in Oesterreich und Ungarn etwa ll�h. im europäischen Rußland 17,7. in Serbien und Rumänien etwa 13, in Bulgarien 21,3, in den Niederlanden 14,7, in Dänemark 14. in Norwegen 13,1, in England und Wales 11,8, in Schottland 11,1. Wesentlich zurück stehen eigentlich nur Irland mit 6,8 und Frankreich mit 1,2. Der Geburtenüberschuß rührt seinerseits nicht von einer be- sonders großen Zahl der Geburten und auch nicht von einer besonders geringen Sterblichkeit her. Vielmehr ist daS alles ungefähr ebenso wie in anderen Ländern auch— immer natürlich abgesehen von Frankreich , dessen traurige Bevölkerungslage ja bekannt ist. In Deutschland kamen 1998 auf 1999 Einwohner 32 Geburten, in Oesterreich 34, in Ungarn 36,3, in Ruhland über 47, in Spanien 33, in Portugal 32, in England und Wales 26�, in Schottland 27, in Frankreich freilich nur wenig über 20. An Sterbefällen trafen in Deutschland 18 auf 1000 Einwohner, in Oesterreich 22,7, in Ungarn 24,8, in Rußland 29,4; aber in der Schweiz nur 10,2, in Frankreich nur 19, in den Niederlanden 15, in Dänemark 14,7. in England und Wales 14,7, in Schottland 16,1 und sogar in Irland nur 17,6.— Auch diese Zahlen gelten zum Teil für frühere Jahre bis 1903 zurück. Alles in allem wird man also sagen dürfen, daß Deutschland in diesen Dingen eine einigermaßen befriedigende Mittelstellung einnimmt. Aber zu solcher Ruhmredigkeit, die so tut, als wenn wir viel besser daran wären als all« anderen Völker, liegt wahrlich kein Anlaß vor._ Bauarbeiter in Rheinland «nd Westfalen. Die Rheinisch-Westfälische BaugewerkS-Berufsgenossenschaft siezeichnet sich in ihrem Bericht als die größte aller BaugewerkS» berufsgenosienschaflen hinsichtlich der Zahl der versicherten Betrieb« und als die zweitgrößte hinsichtlich der versicherten Bauarbeiter. Versichert waren im Jahre 1903 30 121 Betriebe mit 212 873 Arbeitern, im Jahre 1909 39 273 Betriebe mit 214 444 Arbeitern. Der Bericht erwähnt, daß mit„aller Schärfe gegen die säumigen Zahler vor- gegangen worden sei", da allein 14 231 Mahnungen ergangen sind. Sehr interessant sind auch folgende Ausführungen deS Bericht?: „Nach Artikel 1 des ReichSgefetzeS vom 7. Januar 1907, sie« treffend Abänderung der Gewerbeordnung, ist der Betrieb de» Gewerbes als Baliunternehmer und Bauleiter, sowie der Betrieb können sowohl auf dem Gebiete der beruflichen Sachkunde, als auch auf moralischen, oder wirtschaftlichem Gebiete liegen. Aus Grund dieser GesetzeSvorschrist hat der Genossenschafts- vorstand in 54 Fällen bei den zur Klageanstrengung zuständigen Polizeibehörden Snlräge gestellt dahingehend, den mit der Zahlung von Genossenschaftsbeiträgeii im Rückstände gebliebenen Baugewerbetreibenden, die auch den OffenbaningSeid meist schon geleistet hatten, die Ausübung des Gewerbes als Bauunternehmer und Bauleiter durch den BezirlsmiSschuß untersagen u lassen. Die hierbei gemachten Erfahrungen önnen aberdurchaus nicht befriedigen, nur in zwei Fällen wurde die Uutersagung ausgesprochen. Vielfach behalipteten die Behörden, die Nicht- zahlung der Berufsgenosseiischaftsbeilräge könne nicht als Grund für die lli, Zuverlässigkeit auf wirtschaftlichem Gebiete angesehen werden, ein Klageantrag müsse damit begründet sein, daß Un- Zuverlässigkeit auf beruflichem Gebiete nachgewiesen würde." Die Berufsgenossenschaft beruft sich aber aus die Erlasse der Minister, welche eine.straffere Handhabung deS Gesetzes verlangen" und weisen darauf hin, daß doch in diesen Fällen die geschonten.Unternehmer" den Bauhandwerkern große Verluste gebracht hätten. Gemeldet wurden im Berichtsjahre 7253 Unfälle, so daß auf 1000 Versicherte durchschnittlich 34.7 Unfälle entfielen. Hiervon wurden nur 1515 Fälle entschädigt, darunter 123 Todesfälle. Als durchschnittlichen JahreSverdienst erwähnt der Bericht nur die Löhne der Verletzten, welche im Jahre 1908 1301 M.. im Jahre 1909 da- gegen nur 1281 M, betrugen. Zu», Schlüsse sei noch eine Unfallschilderung des Berichtes er- wähnt: .In der Gievelmauer eines Neubaues befand sich eine Oeff- nung. welche gegen einen 1,50—1,80 Meter tiefen Graben stieß. Ueber diesen führte ein Laufgang, der an der anderen Seite des Grabens Material für den Neubau lagerte. Der Laufgang war gebildet aus zwei nebeneinander liegenden Bohlen, hatte also eine Breite von 60 Zentimeter, über der Mitte lag eine dritte Bohle. Ein Seitenfchutz war nicht vorhanden. Mittag« nahm ein Handlanger seinen Nachhausewg über diesen Laufgang und stürzte, da er betrunken war. in den Graben, wobei er sich schwer ver- letzte. Der Unternehmerfirma wurde im Strafverfahren wohl vorgeworfen, daß sie den Laufgang nicht genügend geschützt habe, sie wurde aber von der fahrlässigen Körperverletzung frei- gesprochen, weil nach Ansicht des Sach- verstandigen, der sichdaSGerichtanschloß. der Betrunkene auch in den Graben gefallen wäre. wenn ein Seitenschutz vorhanden gewesen seil! Die Genossenschaft mußte selbstverständlich Entschädigung leisten." WitterungSüberNcht vom IS. Angust 191».«vrgens 8 Uhr. CiatUnen £aineinbe. it e l1 h ZÄ i I -- H i| Settel 754 383® . 757® trlta 757 SO _ j.a H. 753 ffi Münche» 1766 3® ®Uo 1764® 4 wolkig 5 wolkig 5 bedeckt S wolkig «Regen t wolkig »« ei» i? M« Ctettonen S® II S? >. Haparanda � 759 NNO Petersburg 753 N® Scillh Äberdeen Baris Setter e* tü üi 6 bedeckt 8 1 Regen 9 765 WS® 4 bedeckt 16 760®N® 1 halb bd. 16 76« SW i 2 halb bd. 17 I I I I «veetervrogno»« für Sonntag, de« 14. August 1910. S eltweise aufklarend, nur noch unerhebliche Niederschlage, am Tag» mätzig wann; Nordwestwwbe. Berliner Wetterbureau.
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