©ewerfercbaftUcbce. Hws einer chrirtUchen 6ewcrhrchaft Interessante Streiflichter auf eine christliche Gewerkschaft Wirft eine von einem ehemaligen Angestellten der christlichen Staats-, Gemeinde-, Hilfs- und sonstiger Industriearbeiter herausgegebene Broschüre. Der Verfasser war seit seinem 17. Lebensjahre ein eifriger Anhänger katholischer Arbeiter- vereine; seit 1902 ist er in der christlichen Gewerk- schaft tätig, war katholischer Arbeitersekretär und zuletzt an der Gewcrkschaftssümme in München tätig. Zentral- Vorsitzender dieser christlichen Organisation ist ein Herr Oswald(Zentrumsabgeordneter im bayerischen Landtag). In seinem Vorwort teilt der Verfasser mit, daß er nach wie vor auf dem Boden der christlichen Gewerkschaftsidee stehe. Von einem Racheakt kann bei der Herausgabe der Broschüre keine Rede sein. Die unhaltbaren Zustände in seiner ehemaligen Organisation zwängen ihn, jetzt an die Oeffcntlichkeit zu gehen. Man könne ihm nicht vorwerfen, daß er nicht früh genug habe eingreifen wollen, denn in einer Beamtenkonferenz, an der auch Stegerwald teilgenommen habe, habe er schon auf die Mißstände aufmerksam gemacht. Das Material habe zurzeit schon völlig vorgelegen. Heute klage Stegerwald über die Schuldenwirtschaft der Organisation. Bis jetzt habe er— der Broschürenschreiber— geschwiegen, weil er glaubte, die diesjährige General- Versammlung werde Remedur schaffen. Das sei leider nicht eingetreten. Er sei es der christlichen Arbeiterschaft schuldig, jetzt die Oeffentlichkeit auf den Skandal aufmerksam zu machen. In der Broschüre wird erzählt, daß aus Ver- bandsmitteln Neisedecken gekauft worden seien. Dem Vor- sitzenden wird vorgeworfen, er lasse sich für Sitzungen im Landtage, wo er so schon 10 M. Diäten erhalte, von der Organisation sein Gehalt, nebst 6 M. Spesen zahlen usw. Ani 1. Januar 1909 schrieb ein Angestellter an einen Kollegen: „Finanztcchnisch sind wir soweit angelangt, daß Oswald(der Borsibcndc d. B> vor Neujahr noch einen Pump von 5090 M. anlege» mußte; dabei hatten wir eine einzige Aussperrung in meinem Bezirke, die 3599 M. kostete." Ferner werden die Angaben der Zentralleitung in den Jahresberichten und dem Zentralblatt der christlichen GeWerk- schaften Nr. 13 1909 einer scharfen Kritik unterzogen. Der Verband gebe an, im Jahre 1908 für Streiks und Maß- regelungen allein 58 437 M. ausgegeben zu haben. Das könne nicht stimmen. Im ersten Quartal 1908 seien 1697,62 M., im ziveiten 967,20 M., im dritten Quartal 2441,36 M., zu- samineu 4106,18 M. für Streiks ausgegeben worden. Im vierten Quartal seien keine Kämpfe gewesen. Da sei es rätselhaft, wie die übrigen 59 999 Bt. verwandt worden seien. Im Vorstandsbericht sei von opferreichen Kämpfen nichts zu lesen. Der Verfasser teilt weiter mit, daß der Verband heute 79 999 M. Schulden haben soll, bei 13 999 Mitglieder. Jedenfalls eine ganz nette christliche Leistung. verlin und Umgegend. Die Lohnbewegung der Jaloufiearbeiter. Als die Jalousiearbeiter am Mittwoch gemäß dem am Tage vorher gefaßten Beschlutz nochmals bei den Unternehmern vor- stellig wurden, verpflichteten sich 6 Firmen unterschriftlich, den vorgelegten Tarif anzuerkennen, allerdings mit dem Vorbehalt, daß. wenn ein allgemeiner Tarifvertrag für die Branche zustande koqimen sollte, dieser auch für sie Geltung haben solle. Diese- Firmen, bei denen die Lohnbewegung ohne Streik verlief, beschäf. tigen 84 Arbeiter. Andere 7 Firmen weigerten sich, die Tarif- Vorlage anzuerkennen, und bei ihnen traten Mittwoch 66 Arbeiter in den Streik. Die Arbeitsniederlegung hatte den Erfolg, daß die Unternehmer wieder eine Organisation gründeten und sich zu ge- meinsamen Verhandlungen mit der Lohnkommission bereit fanden. Ueber das Ergebnis dieser Verhandlungen, die am Sonnabend stattgefunden haben, berichtete Rosemann am Sonntag in einer zahlreich besuchten Versammlung im Gewerkschaftshause. Der Redner gab genaue Auskunft über die verschiedenen Punkte, wie weit die Unternehmer Entgegenkommen gezeigt hatten oder die Forderungen ablehnten. Die wichtigsten Zugeständnisse sind: Ein- führung der blstündigen Arbeitswoche statt der nach dem alten, aber seit 1907 nicht mehr geltenden Tarif SLstündigen und Er- höhung der Mindestlöhne und Akkordsätze der Jnnenarbeiter um rund 5 Proz, sowie Erhöhungen in einer Reihe von Tarispositionen für die Außenarbeiter. Hinsichtlich der Dauer des neuen Tarif- Vertrages wünschen die Unternehmer, daß er auf drei Jahre fest- gelegt werde, während die Arbeiter sich mit zwei Jahre begnügen wollten.— An den Bericht schloß sich eine lebhafte Debatte. Im allgemeinen war man von den Zugeständnissen der Unternehmer keineswegs befriedigt und verlangte in verschiedenen Punkten weitere Verbesserungen oder Anerkennunsi der eingereichten Forde- rungen. Die Versammlung erklärte sich zedoch bei der Abstimmung mit ziemlich starker Mehrheit für die Wiederaufnahme der Arbeit unter der Voraussetzung, daß bei den nocbmaligen Verhandlungen mit den Unternehmern über die beanstandeten Punkte eine Eini- gung erzielt werde. Sie beauftragte die Kommission, den Tarif- vertrag auf zwei Jahre abzuschließen. Die Bewegung in den Berliner Elektrizitätswerken. Die Arbeiter der B. E.-W. hatten sich am Sonntag zahlreich im Gewerkschaftshaus versammelt, um über die vom Arbeiter- ausschuß der Direktion einzureichenden Forderungen endgültig Be- schluß zu fassen. Die Forderungen sind in einer gemeinsamen Sitzung der Vertrauensleute mit dem Arbeiterausschuß nochmals geprüft worden und für die verschiedenen Arbeiterkategorien wurde entsprechend den Beschlüssen der vorigen Versammlung eine Lohn- skala ausgearbeitet. Der Bevollmächtigte Schwittau des Verbandes der Maschinisten und Heizer berichtete eingehend darüber. Es folgte dann eine rege Debatte. Die wichtigste Forderung ist, wie schon in Nr. 184 des„Vorwärts" mitgeteilt, die achtstündige Arbeitszeit für das Maschinenpersonal, die neunstündige für die Schlosser und die zehnstündige für die Arbeiter auf den Kohlen- Plätzen, die jetzt noch 12 Stunden arbeiten. Bei der Verkürzung der Arbeitszeit soll der Wochenverdienst der gleiche bleiben wie bisher. Stimmt die Direktion der Arbeitszeitverkürzung nicht zu, so werden die Lohnerhöhungen hon 5 Pf. pro Stunde, für die Schlosser von 10 Pf., verlangt, um wenigstens eine etwas bessere Bezahlung für die übermäßig lange Arbeitszeit zu erzielen. In der Versammlung zeigte es sich, daß, wenn man auch bei der immer mehr steigenden Teuerung eine Erhöhung des Einkommens für dringend notwendig erachtete, die Verkürzung der Arbeitszeit doch als die allernotwendigste Verbesserung angesehen wird. Der Arbeiterausschuß soll nun die Forderungen einreichen und um Ver- Handlungen nachsuchen._• Achtung! Marmorarbeiter. Wegen Verweigerung der Ueberstunden wurden die Kollegen der Firma Herm. Etauke, Manteuffelstr. 60 ge- maßregelt. Die Firma ist gesperrt. Zentralverband der Steinarbeiter. Filiale Berlin . Achtung k Töpfer. Wegen Mchbezahlung de« Tarife» sperren wir hiermit die Firma Ernst Engler, Berliner Str. 83. In Betracht kommen die Bauten Ofener- und Transvaal Straße. Weiter geben wir bekannt, daß die Firma Heinrich Artelt immer noch gesperrt ist; demnach ist der Bau Weißenburger Str. 20 n Spandau zu meiden._ Die Verbandsleitung. Achtung, Fleischergefellen! Ne Meischergefellen her Firma Karl Laeske, Petersburger Platz 8, haben einmütig beschlossen, heute morgen die Arbeit niederzulegen.' Die Firma ist für unsere Mitglieder gesperrt und ersuchen wir, auf die Stellenvermittler ein wachsames Auge zu haben. Zentralverband der Fleischer, Ortsverwaltung Berlin . Die Marmorarbeiter nahmen am Sonntag den Bericht der Tarifkommisfion entgegen. Der Berichterstatter Zun! führte aus: Trotz der unparteiischen Leitung durch den Vorsitzenden des Unter- nehmerverbandes war eine Einigung in keinem Punkte zu er- reichen. In bezug auf die Löhne wurden uns Angebote gemacht, die noch unter den im Jahre 1907 von den Unternehmern gemach- tcn, von uns aber abgelehnten Zugeständnissen stehen. So sollen die Steinmetzen einen Stundenlohn von 72s4 Pf., die Schleifer von 55 Pf. und die Anfänger im Beruf von 45 Pf. erhalten. Auf den Vorhalt der Kommission, daß diese Löhne schon jetzt weit über- schritten würden und infolgedessen gar nicht in Betracht kommen könnten, meinten die Unternehmer, daß die angegebenen Löhne Minimallöhne darstellen sollten, die je nach Leistung erhöht werden könnten. Weil die Erfahrung gelehrt, daß Minimallöhne in der Praxis zu allgemeinen Löhnen werden, lehnte die Kom- Mission die Vorschläge der Unternehmer ab. Damit waren die Verhandlungen beendet. Als weiteren Schritt zur Herbeiführung eines möglichst umfassenden Tarisverhältnisses empfiehlt die Kom- Mission, die ursprünglichen Forderungen wie folgt zu reduzieren und sie sämtlichen Unternehmern einzureichen: Stundenlöhne: Steinmetzen, in der Werkstelle 80, am Bau 85 Pf. Schleifer, Zu- sammensetzer, Dreher und Fräser in der Werkstelle 68, am Bau 73 Pf.; Anfänger im Berufe 50 Pf., nach einem halben Jahre 55, nach einem ganzen Jahre den vollen Lohn. Zur Anerkennung dieser Forderungen soll den Unternehmern bis zum Donnerstag- äbend Bedenkzeit gegeben werden. Weitere Matznahmen bleiben den Kollegenfchaften der einzelnen Geschäfte im Verein mit der Tarifkommission überlassen.— Von einer Anzahl Redner wurde der vorgeschlagene Weg zur Erreichung des Tarifes als zu lang- sam bekämpft. Sie empfahlen die sofortige Arbeitsniederlegung, fanden jedoch bei der Mehrheit keinen Anklang. Die Borschläge der Kommission wurden mit 150 gegen 42 Stimmen angenommen. Ventfebes Reich. Krieg auf den Werften. In den letzten Tagen lief durch verschiedene Zeitungen eine Notiz, wonach die im Verband« der Metallindustriellen organisierten Unternehmer gewillt seien, von den in ihren Unternehmungen bc- schäftigten 500 000 Arbeitern 300 000 auszusperren, um mit dieser Aussperrung den bedrängten Werfwnternehmern zu Hilfe zu kommen. Nunmehr wird in der gleichen Presse diese Nachricht wider- rufen mit dem Bemerken, daß noch keine Beschlüsse gefaßt worden seien, ob und wann Sympathieaussperrungen eintreten sollen. Bei einer eventuell in Betracht kommenden Aussperrung kämen zuerst nur solche Betriebe in Frage, die innerhalb der Bezirke der See- schiffswerften liegen. Die Opfer, die die Unternehmer in der Metallindustrie bei einer im großen Stile inszenierten Aussperrung zu bringen hätten, ständen zu dem Objekt dieses Kampfe»(die sehr wohl zu erfüllen» den Forderungen der Werftarbeiter), in einem doch zu klaffenden Widerspruch. Beachtung verdient auch das Verhalten einiger kleiner Repa- raturwerften in Hamburg . Die alten Tricks von Anno Dazumal müssen herhalten, um die Arbeiter über Ursprung und Bestimmung der herzustellenden Arbeit zu täuschen. Man sollte meinen, daß bei einem solchen Ringen, wie die Be- wegung der Werftarbeiter sie darstellt, die abgenützten Manöver überschlauer Füchse Unterwegs bleiben.würden. Organisierte Ar» beiter liefern eben leine Streikarbeit, am allerwenigsten in einem Streit, an dessen Ausgangspunkt man sich die blutige Verhöhnung der Arbeiterschaft erlaubte,„die Löhne der Werftarbeiter müßten eher eine Erniedrigung erfahren". Ein Streik, dessen Ursachen sogar Nichtorganisierte und alte Arbeiter trieb, die Arbeit zu verweigern, wird ganz gewiß nicht durch Lieferung von Streikarbeit ungünstig für die Arbeiter beeinflußt werden. Die betrübten Lohngerber in den kleinen Reparaturwerkstätten in Hamburg müssen eben auch einsehen lernen, daß sie für ihr Teil mit dazu beitragen müssen, daßsooderso annehmbare Arbeits- bedingungen auf den Werften Platz finden. » Ein Berliner Vertreter der„Neuen Hamburger Nachrichten" hat im Reichsamt des Innern nachgeftagt, wie dieses sich zu einer Vermittlung im Werfiarbeiterstreik stelle. Der Korrespondent gibt nun die Ansicht des ReichSamt» des Innern wie folgt wieder: „Man will gerufen sein. Nach unseren Informationen an der zuständigen Stelle ist man durchaus nicht abgeneigt, sich jetzt zur Verfügung zu stellen. Aber man denkt, ungebetene Gäste stellt man vor die Tür. Es wäre deshalb sehr zu empfehlen, wenn die streiken- den Parteien um Vermittlung nachsuchen. Wenn sie nicht direkt zusammenkommen wollen, so bietet auch der indirekte Weg Vor- teile. Deshalb ist es das einzig Richtige, sie gehen das ReichSamt de» Innern um Vermittlung an. Dort ist man gern bereit dazu. Ist dieser Weg beim Bauarbeiterstreik von Erfolg begleitet gewesen, hier ist er noch verheißungsvoller und einfacher". Stettin , 20. August 1910. Die ausgesperrten und streikenden Werftarbeiter hielten heute drei gemeinsame Versammlungen ab, die durchweg stark besucht waren. Es wurde der Situationsbericht über die augenblickliche Lage des Lohnkampfes gegeben. Bei Telzerow im Volksgarten referierte der Gewerkschaftsbeamte Bauer. Im wesentlichen machte er folgende Ausführungen: Seit den letzten acht Tagen hat sich in der Bewegung nichts geändert und es hat den Anschein, als ob auch die nächste Zeit keinerlei Ueberraschungen bringen werde. Wenn man Meldungen von bürgerlichen Blättern Glauben schenken darf, dann wollen die M e t a l l i n d u st r i e I l e n zu Sympathie- aussperrungen schreiten, falls die Arbeiter bis Mitte September nicht klein be'gegeben haben. Wir haben aber keine Veranlassung, irgend welches Anerbieten zur Beilegung des Kampfes zu machen. Es wird sich ja schließlich zeigen, welche Partei eS am längsten auShält. Unser« Hilfsmttel sind reichlich, und sollte wirklich eine der beteiligten Gewerkschaften in Bed-rängniS geraten, so sind wir der Unterstützung durch die ganze deutsche organi- sierte Arbeiterschaft sicher. Ob die Metallindustriellen sich nach Ueberwindung der KrisiS zu frivolen Aussperrungen herbei- lassen werden, darf wohl noch bezweifelt werden. Viel Begeisterung dafitr ist sicher nicht vorhanden. Vergessen wir nicht, daß die Werft. arbeiter gleichsam die Pioniere der deutschen Metallarbeiter sind und daß wir unseren Forderungen mit Ruhe und Besonnenheit Geltung zu verschaffen haben. Wie sich aber auch in nächster Zeit der Kampf gestalten möge, immer gilt es. geschlossen zusammen- zuhalten, im Vertrauen zur Leitung nicht wankend werden und der Oeffentlichkeit gegenüber ein anständiges Betragen zeigen Gerichte-Zeitung� Eine Bekanntschaft aus dem Cafe National hat für den Landwirt Wilhelm W. recht üble Folgen gehabt; er mußte gestern als Zeugs vor dem Strafrichter erscheinen, um Zeug- ni» gegen die des Diebstahls u7kd der Körpersierlehttag akkgMagko „Verkäuferin" Vera Rademacher abzulegen.— Anfangs Juli d. I. kam der Landwirt B. aus seiner ostpreutzischen Heimat das erste Mal in seinem Leben nach Berlin . Sein erster Gang in der Reichshauptstadt war nach dem Cafe„Nazi". Da er hier mit einer unwiderstehlichen Freundlichkeit aufgenommen wurde, so saß er bald mit einer schon etwas ältlichen, aber dafür desto mehr geschminkten Dame an einem Tische. Nachdem das Pärchen später längere Zeit sich in einer Ecke eines anderen Restaurants den verschiedenen Genüssen hingegeben hatte, wurden plötzlich die Kellner durch einen Mordsflandal alarmiert. Als sie hinzu- stürzten, fanden sie das Pärchen in einem regelrechten Boxkampf, bei welchem W. beirahe jener Vertreterin des„schwachen" Ge- schlechts unterlegen war. Nachdem der Prügelei durch die Kellner ein Ende bereitet war, stellte sich folgendes heraus: Der biedere Provinziale war infolo des reichilchen Alkoholgenusses etwas ein- genickt, aber noch gerade im rechten Augenblick wieder aufgewacht, um zu bemerken, daß seine Begleiterin mit seiner Briestasche herumhantierte. Er konstatierte sofort, datz ihm ein Hundertmark- schein fehle und schlug Lärm. Als Antwort erhielt er von der ent- rüsteten Schönen ein paar schallende Ohrfeigen. Auf der Polizei- wache stellte es sich heraus, daß sich W. bezüglich des Hundertmark- scheirveS geirrt hatte. Dagegen wurde bei seiner Begleiterin, der jetzigen Angeklagten, ein dem W. gehöriger Siegelring vorgefunden. Vor Gericht behauptete die Angeklagte, den Ring von dem Zeugen geschenkt erhalten zu haben.— Das Urteil lautete auf eine Ge- fängnisstrafe von 6 Wochen. Eine sonderbare Bettelaffäre war es, die am Montag dem Landgericht II(Ferienftrafiammer 1), zur Entscheidung vorgelegt wurde. Der Bettelei wurde beschuldigt eine Kochfrau B., die drei Kinder zu ernähren hat. Im letzten Winter hatte sie, obwohl sie in Berlin wohnt, in Steglitz einem dortigen Arnienpfleger Walther Schultze(Düntherstratze 4) ein schriftliches Gesuch um Unterstützung überreicht. Herr Schultze führte sie zur Polizei, um ihre Persönlichkeit feststellen zu lassen. Noch auf der Strasse erfuhr er von der Hilfesuchenden, daß sie nicht in Steglitz wohnt. Später bekam sie dann einen Strafbefehl, der ihr wegen Bettelei 3 Tage Haft zudiktierte. Auch das Schöffengericht Verlin-Schöneberg, dessen Entscheidung sie anrief, gelangte zu der Ansicht, daß sie eine gewöhnliche Bettelei versucht habe, und es blieb bei den 3 Tagen Haft. Die Verurteilte legte Berufung ein und erwartete nun vom Landgericht die Aufhebung jenes Urteils. Sie versicherte, nicht betteln habe sie wollen, sie habe vielmehr durch den Armenpfleger Schultze feststellen lassen wollen, daß sie hilfs- bedürftig sei. In Berlin habe ihr der Armeukommissionsvorsteher Hoppe(Voltastratze 29) nur eine einmalige Unterstützung von 10 Mark gewährt, weitere Unterstützungsgesuche aber seien er- folgloS geblieben. AIS sie nun von anderer Seite belehrt worden sei, datz eine Borortgemeinde ihr in ihrer Lage sicherlich eine Unter- stützung geben würde, habe sie in Steglitz jenes Gesuch eingereicht. Ihre Absicht sei gewesen, nach etwaiger Anerkennung ihrer Be- dürftigkeit in diesen Ort überzusiedeln und dann dort sich eine Unterstützung geben lassen, die Berlin hätte zurückerstatten müssen. Als Zeuge wurde vernommen der Berliner Brmenkommiffion«- Vorsteher Hoppe. Er bekundete, daß die Angeklagte in der Tat nur ein einzige» Mal 10 Mark bekommen hatte und nadjljer abgewiesen worden sei. Dir Angeklagte behauptete, daß er selber sie in grobem Ton abgewiesen habe, so datz sie schließlich zu dem Mittel habe greifen müssen, anderswo ihre Hilfsbedürstigkeit fest» stellen zu lassen. Sie hielt ihm auch eine eigenartige Bemerkung vor, mit der er sie auf die Tatsache hingewiesen habe, daß von ihr drei Kinder zur Welt gebracht worden seien. Zeuge Hoppe erwiderte auf den Vorwurf, der ihm da gemacht wurde, nichts. Der Steglitzer Brmenpfleger Schultze bekundete als Zeuge, die Angeklagte habe ihm«inen offenen Bettelbrief überreicht mit den Worten:„Für die gnädige Frau". Warum er die Polizei alarmierte, das ging au» seinen Aussagen nicht klar hervor. Er bestritt, daß die Angeklagte ihn als Armenpfleger aufgesucht habe. Schon am Abend vorher habe im Hause, Florastratze 1, bei seiner Schwiegermutter, eine Frau mit einem ähnlichen Brief gebettelt; er nahm an, daß da» dieselbe Person gewesen sei. Der Verteidiger Rechtsanwalt Eitzen beantragte Freisprechung. Nach einem ReichSgerichtSerkenntni» fei nicht jede Inanspruchnahme fremder Mildtätigkeit strafbare Bettelei. Hier habe doch ein von der Gemeinde bestellter Armen- Pfleger um Konstatierung der HilfSbedürftigkeit ersucht werden sollen, allerdings in falscher Beurteilung der Zuständigkeit. Der Staatsanwalt beantragte, die Berufung zu verwerfen oder noch Herrn SchultzeS Schwiegermutter zu laden. Das Gericht kam zu dem Nrteil» die Angeklagte habe Herrn Schultze nicht als Armen- Pfleger, sondern als privaten Wohltäter aufgesucht. Mithin handele es sich um gewöhnliche Bettelei, die sie mit den ihr zudiktierten 3 Tagen Haft zu büßen habe. � Letzte INfacbncbtcn. Automobilunfall. Hirschberg, 22. August. Als heute nachmittag ein Automobil- omnibuö auf der Strecke Brückenberg— Warmbrunn einem Wagen, dessen Pferde scheuten, ausweichen wollte, stürzte er dir Böschung hinunter. Der Fabrikbesitzer Tischler aus Leipzig erlitt eine schwere Verletzung. Mehrere andere Passagiere wurden leicht verletzt._ Die Cholera in Apulien . Rom , 22. August. (W. T. B.) In den letzten 24 Stunden sind in Trinitapoli vier Erkrankungen und zwei Todesfälle an Cholera festgestellt worden, in C e r i g n o l a ein Todesfall, in Margherita di Savoia zwei Erkrankungen und ein Todes- fall, in T r a n i neun Erkrankungen und zwei Todesfälle» in Barletta zehn Erkrankungen und ein Todesfall, in Andria drei Erkrankungen und ein Todesfall, in den übrigen Gemeinden der Provinzen Bari belle Buglie und Foggia ist bisher kein Fall von Cholera vorgekommen. Bern , 22. August. (W. T. B.) Der Bundesrat hat heute be- schloffen, die italienischen Provinzen Bari und Foggia für choleraverseucht zu erklären, alle erforderlichen SicherheitSmatz- nahmen gegen eine Einschleppung der Seuche zu treffen und die KantonSregierungen zu umfassenden Matznahmen ihrerseits auf- zufordern. Meuternde Gefangene. Orel , 22. August. (W. T. B.) In den Werkstätten de» hiesigen Zuchthauses meuterten die Gefangenen. Sie erschlugen mit der Axt einen Aufseher, nahmen ihm seinen Revolver ab und feuerten gegen die Wache. Diese gab eine Salve ab, durch die vier Gefangene getötet und sechs verwundet wurden. Die Waldbrände. Spokane , 22. August. (W. T. B.) Die Zahl der bei den Wald- bränden Umgekommenen wird auf hundert geschätzt. Mehrere Ortschaften sind zerstört, darunter Wallace, Avery(Idaho )) und Henderson(Montana ). Eine Feuermauer zieht sich 50 Meilen weit von Thombson(Montana ) nach der Grenze von Idaho. (Siehe auch unter„Aus aller Welt".) New Jork , 22. August. (W. T. B.) Wie die„Sun" au» Spokane meldet, sind bei den Waldbränden 93 Personen ver- bräunt, 450 werden noch vermißt. verantw. Redakteur: Hau» Weber» Berlin . Inseratenteil verantw.: Ch. Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Vuchdr. u. BerlagSanstalt Gaul Singer Li Co„ Berlin LW. Hierzu 3 Beilagen u. Unterhaltung»�
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