Kr. M. 27. Zahrgavg. 2. KeilM des Ismick" Kerlim NcksM ?Il>!sI>ig, 23. Jniiul!(910. ilugzburger Katholikentag. '■* Augsburg , 21. August 1910, (Telegraphischer Bericht.) We sonst so stillen Straßen Augsburgs sind heute von einer unübersehbaren Menschenmenge angefüllt. Schon vom frühen Morgen an trafen aus allen Gegenden Bayerns und Süddeutsch- lands Sonderzüge ein, die viele Tausende Festteilnehmer hierher brachten. Aus Oberbayern und den katholischen Gegenden in Schwaben , und Niederbahern sind ganze Ortschaften mit ihrem Pfarrer an der Spitze eingetroffen. Unter diese Massen mischen sich in großer Zahl Mönche, höherer und niederer Klerus. Jesuitenpatres usw. Für die Festveranstaltungen ist eine riefen große Fcsthalle gebaut worden. Man hat dazu die alte städtische Sängerhalle mitbenutzt und erweitert. Der Ausbau hat 55 000 Mark gekostet. Hierzu hat die Stadt 20 000 Mark beigesteuert, wofür ihr die Halle später überlassen wird. Die Halle ist im Innern geschmackvoll ausgestattet. Am Fuße der Vorstands- tribüne sind die Büsten des Kaisers, des Prinzregenten und in der Mitte Pius X. aufgestellt. Darüber befindet sich ein großes Christusbildnis, zu dessen Seite verschiedene Wahlsprüche von Päpsten angebracht sind. Eine große Ueberraschung bringt das diesmalige Rodnerprogramm. Als Hauptredner erscheint ein aktiver Minister und zwar der Parteiführer der Christlich- Sozialen in Oesterreich , Ackerbaumini st er Dr. Eben- hoch, der über„Katholische Weltanschauung und Gewinnung der gebildeten Katholiken" sprechen wird. Unter den weiteren Red- nein befinden sich der als Katholikentagsvodner bekannte Pro» f esso r M e y e r S- Luxemburg, der über„Die Aufgaben der Weltkirche für die innere Mission" spricht, sowie Land» und ReichstagSabgeordneter Gröber- Heilbronn, der die „Soziale Entfiemdung und Annäherung der einzelnen Volks- kreise" behandeln wird. Dann sind noch zu nennen als Redner Reichstagsabgeordnoter Graf v. Pestalozza» Nürnberg , der über„Modernes Freidenkertum", und Univer- sitätsprofessor Beck- Freiburg(Schweiz ), der über„Innere Mission , besonders die Großstadtseelsorge" spricht. Weiter sprechen Abt Pater Norbert Weber-St. Ottilien über„Lage und Wirksamkeit der äußeren Mission", Domkapitular Wagner. Augsburg über„Schulfragen". Nach einer seit Jahrzehnten bestehenden Gepflogenheit wurde der Katholikentag am Sonntag durch einen Massenumzug der katholischen Arbeitervereine eingeleitet. Am Festzuge nahmen teil 480 Vereine mit 50 Musikkapellen, darunter 8 Regimentskapellen, und ungefähr 28— 30 000 Teilnehmern. Den katholischen Arbeiter- vereinen hatten sich angeschlossen Männervereine, Gesellenvereine, Jugendvereme, Burschenvereine, Gesangvereine, Kongregationen und schließlich zahlreiche Pfarrvereine, die von ihren geistlichen Präsiden geführt wurden. Der Festzug bewegte sich durch die von dichten Menschenmaffen besetzten Straßen Augsburgs zum bischöf. lichen Palais, wo die Führer des Zuges Ansprachen an den Bischof und die hohen Geistlichen richteten. Der Arbeiterfestzug fand seinen Abschluß durch zwölf Ar» beiterversammlungen, von denen die größte in der großen Fest» halle abgehalten wurde. Hier marschierten vorwiegend Vi« christ- lichen Arbeitervereine und die katholischen Gewerfschaften mit. ihren Fahnen ein. Der Vorsitzende des LolalkomiteeS Justiz rat Reisert-Augsburg eröffnete die Barsammlung. Darauf übernahm, stürmisch begrüßt, der Präsident deS Zentral» komiteeS der Katholikenversammlung Graf Droste-Vische- r ing die Leitung mit den Worten: Gott segne die christlich« Ar» deitl(Allseitige Rufe: Gott segne siel) Dann folgte eine längere Ansprache, in der Graf Droste die katholische Kirche feierte. Auch ReichStagsabg. Arbeitersekretär GiesbertS-Mün- chen-Gladbach hielt eine Ansprache. Er sagte: „Die jfiindgebungen der katholischen Arbeitervereine auf den Kathalikenversammlungen seien von Jahr zu Jahr tmpo- santer geworden. Das sei das beste Zeichen, daß die Katholiken Deutschlands der Arbeiterfrage eine außerordentliche Bedeu» tung beimessen. Die Zahl der Lohnarbeiter in Industrie und Lcmdwirtschaft werde gegenwärtig auf 40 Millionen geschätzt. Die Hauptaufgabe der deutschen Katholiken bestehe darin, den katholischen Arbeitern bei der Wahrung der religiös-sittlichen und wirtschaftlichen Interessen behilflich zu sein. Das erstere geschehe in den katholischen Arbeitervereinen, deren Zahl heute 2900 mit 390 000 Mitgliedern betrage. Die wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter nehmen die christlichen Gewerkschaften wahr, die mit den katholischen Arbeitervereinen Hand in Hand arbeiten. Leider verkenne man noch sehr die Bedeutung der katholischen Arbeitervereine. Sie seien bestimmt, den Arbeitern die Bedeutung ihres Standes stets bor Augen zu halten und sie anzuhalten, für die Erhaltung von Religiosi » tät und Sittlichkeit zu wirken. In ihnen soll der Arbeiter zum Kämpfer für seine religiösen und sozialen Jnter- essen erzogen werden. Unsere katholischen Arbeiter sollen sich mit Entschiedenheit an der christlichen Gewerkschaftsbewegung beteiligen. Brüderlichkeit und Solidarität soll in unseren Reihen herrschen, Achtung vor der weltlichen Autorität und den Gesetzen, aber auch auftechtcS Selbstbewußtsein in der Wertung unseres Standes und in der Kulturarbeit, die wir der Gesamt- heit leisten." Um 8 Uhr abends füllte sich die Festhalle zur BegrüßungS- Versammlung. Der Riesenraum war erdrückend voll. Die Zahl der Teilnehmer betrug möhr als 7000. Unter den Anwesenden find zahlreiche Reichstagsabgeordnete, so die Abgg. Herold, Frei- Herr v. Hertling, Erzberger , Dr. Heim, Gröber. Dr. Pieper. Dr. Jäger, Gerstenberger, Graf Praschma, Fürst Löwenstein, Speck, Marx, v. Savignh, Graf Oppersdorf, Dr. Pichler u. a. Auch mehrere Bischöfe wohnten der Versammlung bei. Nach Musik und Vorträgen von MendelSsohnschen und Richard Straußschen Chören nahm das Wort der Vorsitzende des Lokalkomitees J u st i z r a t Reisert-Augsburg zur Begrüßung. Er führte auS: „Man hat an uns die Frage gerichtet, wozu diese Katholiken. Versammlungen da wären. Da war mein Latein zu Ende, dafür habe ich keine Antwort.(Beifall.) Wenn einmal ein all- gemeiner Völkerfriede herrschen wird, dann versprechen wir, daß auch keine Katholikenversammlungen nötig sein werden. (Beifall.) Die Katholikenversammlungen sind unsere Heerschau, unser Manöver, unsere Probemobilmachung. Auf den Katho- likenversammlungen nehmen wir Stellung gegen unsere Feinde. Solange das Christentum besteht, ist noch niemals so konzentrisch und allgemein gegen Christus vorgegangen worden wie in diesen Tagen. Wir richten den Kampf gegen alles, was gegen Christus ist.(Stürm. Beifall.) Unser von Christus ge- ftiftcter Glaube lehrt nichts, was gegen Vernunft und Wissen- schaft wäre, er lehrt Geheimnisse, die über der Vernunft stehen. Man ist sogar so weit gegangen, hu Jagen: Euer Christus hat nicht gelebt. Auch in Augsburg »st äeser Ruf erschollen. Schon damals haben wir in Versamm-, lungcn von Tausenden Stellung genommen. Wenn die Stadt' Augsburg heute Menschenmassen gesehen hat, wie seit der Hun- nenzeit und den Reichstagen nicht m�hr, so ist das alles ein lauter Schrei: Christus lebt!(Stürm, minutenlanger Beifall.) Ueber unsere ganze Versammlung schwebt das Siegesgeschrei: Christus lebt! Er ist nicht tot, er regiert und wird regieren." (Stürm, minutenlanger Beifall.) Hierauf nahm, lebhaft begrüßt, als Vertreter der Stadt Augs- bürg Oberbürgermeister Hofrat Wolfram das Wort. Ferner sprachen der erste Vizepräsident der Ersten würt» tembergischen Kammer, Dr. v. Kiene sowie der österreichische Ackerbauminister Ebenhoch und der Bischof von Chur , *• » Augsburg , den 22. August. Nach einem Pontifikalamt zu Ehren der allerseligsten Jung- frau im Dom trat heute vormittag 11 Uhr die erste'geschlossene Generalversammlung im großen Saale der Stadthalle zusammen. Sie war von etwa 2000 Mitgliedern besucht. Zum Vorsitzenden wurde Oberlandesgerichtsrat Reichs- und Landtagsabgeordneter Dr. Marx-Düsseldorf , zu Vizepräsidenten Graf Schönburg- Glauchau-Wechselburg und Reichstagsabgeordneter Oberzollrat Speck-München gewählt. Darauf wurden Ergebenheitstelegramme an den Papst, den Kaiser und den Prinzregenten von Bayern ab- gesandt. Dann erstattete Graf Droste-Vischering den Bericht des Zentralkomitees, worauf die Beratung verschiedener Anträge begann, die ohne Vorberatung erledigt werden können. In erster Reihe wurde der Antrag zur römischen Frage und zum Papsttum erörtert. Hierzu nahm Justizmt Karl Bachem-Berlin das Wort: „Nach guter alter Gewohnheit richten wir zu Beginn un- ferer Arbeiten den Blick nach Rom , dem Mittelpuiftt un- serer heiligen Kirche. Wir bekunden damit den innigen Zu» sammenhaiig der deutschen Katholiken mit Ron». Wir verkünden damit, daß wir an dem Anschluß an Rom festzuhalten und ihn nach allen Seiten zu verteidigen gewillt sind.(Lebhafter Bei- fall.) Der Heilige Vater ist uns der Hüter des Evangeliums. Man hat in letzter Zeit von neuem die Frage aufgeworfen, ob das Papsttum von Christus gestiftet sei, und hat diese Frage mit allen wissenschaftlichen Kunstgriffen und aller VoraussetzungS- losigkeit verneint. Unsere Theologen sind bemüht gewesen, diesen Gedcmkemdeen nachzugehen. Der untrügliche Beweis muß doch auch für unsere Gegner darin erbracht sein, daß das Papsttum überhaupt lwch existiert. Papst Pius X. »st der 248. Papst. Welche Dynastie könnte an solch eine Dauer denken? U»»d welche Dynastie hätte solche Fährnisse überstehen können? Im offi» ziellen Italien ist die Stelluiig des Papsttums nach wie vor eine äußerst bedrängte. Frankreich hat den Bruch vollzogen, seine Politik ist eine kirchenfeiridliche. Selbst daS offiziell« Spanien hat den Bruch vollzogen. Auch in Deutschland erfahren Papst- tum und Kirche Angriffe, die in letzter Zeit besonders heftig ge- worden sii»d. Je schärfer diese Angriffe erfolgen, desto mehr werden wir zusammenstehen, um Papst unid Papsttum zu ver- teidigei».(Stürmischer Beifall.) Wenn man glaubt, durch solche Ai»griffe die deutschen Katholiken wankend zu machen, so irrt man sich. W»r wollen eine feste Schlachtenlime bilden. Zur Lösung all dieser gewaltigen Aufgaben bedarf das Papsttum großer Geldmittel. Die deutschen Katholiken dürfen nicht zurückstohen. Der Heilige Vater bedarf dieser Mittel nicht für Prunk und Pracht, soi»dern für die Verwaltung der Kirche. .(Lebhafter Beifall.) Reimer empfiehlt schließlich die Annahme. einer Resolution, in der«S heißt:„Dia Versammlung verlangt nach wie por für den Papst als das Oberhaupt der katholischen Kirche volle wirkliche Freiheit und Unabhängigkeit in AuSÄnlng deS höchsten Hirtenamtes, die unerläßliche Vorbedingung für die Freiheit und Unabhängigkeit der katholischen Kirche ist." (Stürmischer Beifall.) Vorsitzender Marx: Aus Ihrem Beifall glaube ich schon die Zustilnmung zu der Resolution folgern zu können,«8 bedarf nicht einer Diskussion, die die Wirkung nur abschwächen würde. Die römische Frage ist für uns unantastbar wie die ewige S t a d t s e l b st. Graf Galen begründete hierauf einen Antrag auf Unter- stützung der Bonifaziusvereine, ur»d Domkapitular Düsterwald be- fürwortete den Antrag, den deutschen „Verein vom heiligen Lande" zu unterstütze»». Beide Anträge wurden angenommen. Damit war die Tagesordnung der heutigen ersten gefchlosse- neu Versammlung erledigt. Am heutigen Montagabend werden sprechen Ackerbauminister Ebenhoch-Wien über„Weltanschauung und gebildet« Katholiken" und Pfarrer Wagner-AugSburg über „Die Schulfrage"._ Deutschland in der Veit voran! Während die Aviatik in Frankreich die glänzendsten Triumphe feiert, steht sie in Deutschland vor dem Bankerott. Es ist kein Interesse, kein Geld für sie vorhanden. Di« für Wettflüge auSge- setzten Preise sind meist so lacherlich gering, daß man es den Fliegern nicht verdenken kann, wenn sie für solche Summen ihr kostspielgeS Material und ihr« gesunden Glieder nicht aufS Spiel setzen mögen. Ohne ernsten Wettbewerb aber keine Fortschritte, keine imponierenden Leistungen. Ohne solche Leistungen aber auch kein Interesse. Das Endresultat: Kein Geld, kein Publikum, keine Flieger, kurz, eine totale Pleite. Man sollte es nicht für möglich halten, wenn man an den Zeppelintaumel denkt. Für die LenkballonS brachte man sechs Millionen auf— für die cheit interessantere und aussichtsreichere Aviatik sind nicht einmal ein paar Hunderttausend Mark übrig. Wenn sich nicht schließlich unser Militarismus der Flugmaschine annähme, die ihm für Erkundungszwecke wahrscheinlich wertvolle Dienste zu leisten vermag, bliebe die Entwicklung der Aviatik das unbestrittene Monopol des Auslandes. Der Militarismus als einziger Förderer eines Kulturwerkzeuges— welcher Hohn auf unseren„Kulturstaatl" Nun könnten nüchterne Skeptiker fragen: Was hat denn die Aviatik mit der Kultur überhaupt zu tun? Produziert sie gesellschaftliche Werte? Vermag sie auch nur die Eisenbahn, den Last- kahn oder das Dampfschiff zu ersetzen? Daß die Flugmaschin« jemals großen materiellen Nutzen bringen wird, läßt sich heute allerdings nicht behaupten. Andererseits freilich lassen sich ihre Entwicklungsmöglichkeiten auch nicht im entferntesten übersehen. Warum sollte nicht einmal die Zeit kommen, wo jeder sein Luft- auto besitzt, das ihn, möchte es immerhin auch dann nur eine Schön-Wetter-Mafchine sein, mit WikideSeile auf ungeahnte Ent- fernungen hin zur Erholung in die landschaftlich reizvollsten Gegenden entführte! Für die Technik wäre das wirklich nichts Unmögliches. Die Nutzbarmachuiig des Lustfahrzeuges für die breite Masse aber wär dann nur ein soziales Problem. UeberdieS: wenn nur die Dinge einen Kulturwcrt beanspruchen könnten, mit denen sich ein materieller Nutzeffekt erzielen läßt, dann gehörten Dichtkunst und Musik gleichfalls nicht zu unseren Kulturgüterv. Seit Jahrhunderten, ja Jahrtausenden neidete die Menschheit dem Vogel seinen Flug, diese spielende Beherrschung der Lüfte. Und jetzt, da uns die Flugmaschine wenigsteiis an die Schtvelle der Erfüllung dieser kühnsten Wünsche gebracht hat, fehlt es in Deutschland an Mitteln, den Flugsport aufzumuntern, einen Sport, der wie kein anderer beim Zuschauer die Phantasie an- zuregen und stolzes Lustempfinden auszulösen vermag! In Frankreich , England, Belgien , Amerika ist die Aviatik nicht nur dem Enthusiasmus der Massen, sondern auch der klingenden Teilnahme potenter Kapitalistenkreise begegnet, deren sie zu ihrer Enttvicklung bedurfte. Die dort ausgesetzten Preise reizten den Wagemut der Flieger, den Erfindungsgeist der Techniker. Reiche Sportsmen gingen selbst unter die Flieger. Manches von dieser Begeisterung für die Flugmaschine mag dabei, wie in Frank- reich, auf nationale Eitelkeit, wo nicht gar chauvinistische Regungen zurückzuführen sein— bei unserem Zeppelinrausch war's ja auch nicht anders!— manches auch auf die nach neuen Erregungen jagende Sensationsgier des kapitalistischen Sportbetriebes. Im- merhin fand dadurch die Aviatik die notwendige Unterstützung. Nur bei unserer deutschen Bourgeoisie stieß sie auf stumpfe Gleich- gültigkeit und zugeknöpfte Taschen. Der deutsche Bourgeois, dieser protzige Emporkömmling, der Unsummen für öden LuxuS und stupidestes Amüsement vergeudet, hat nicht einmal ein Paar Hunderttausend Mark übrig, um die wunderbarste Errungenschaft des neuen Jahrhunderts zu förder»». Jetzt rufen die Freunde der Aviatik(z.®. in einer der letzten Nummern des Berliner Tageblatts) verzweifelt nach staatlicher und städtischer Unterstützung. Sie sollten doch erst einmal unserer Kapitalistenklasse kräftig die Leviten lesen! Denn wenn man daS kapitalistische System anerkennt, sollte man doch auch mindestens gewisse Anstandspflichten der Bourgeoisie anerkennen. Wenn die Kapitalistenklasse schon ein Anrecht darauf haben soll, die Massen des Volkes zum Vorteil einer Minderheit auszubeuten, sollte sie von den ungeheuren Mehrwertsummen wenigstens auch ein winziges Teilchen für kulturelle Zwecke verwenden. Oder aber:'wenn allemal dann der Staat einspringen soll, wo eS sich um die Förderung einer Kulturaufgabe handelt, sollte man daraus doch wenigstens die Konsequenz ziehen, daß die Schmarotzerexistenz unserer Kapitalistenklasse auch rticht einmal den Schein einer Be- rechtigung hat! 11. Verbandstag der Schueider, Schneiderinuea und WäscheaMer Deutschlands . Hamburg , 20. August 1910. Nachdem die Ge h a l tS v o r l a g e nochmals an die Kom- Mission zurückverwiesen worden war, gelangten die allgemei» nen Anträge zur Beratung. Der nächste Verbandstag soll in Köln stattfinden. Die Filiale Wiesbaden , die wider den Schiedsspruch in den Streik eingetreten ist, soll die auS dem Streik resultierenden Schulden in Höhe von über 900 M. begleichen. Der Sitz des Verbandes bleibt in Berlin , der des Ausschusses in Hamburg . S mit! a- Wien geht nochmals auf die separatistischen Be- strebungen in Oesterreich ein und bittet um die moralische Unter- stützung der deutschen Kollegen. * Die Kommission zur Beratung der Regelung des L e h x l i n g S- w e s e n s ist im allgemeinen mit den von dem Referenten Eabath berührten Forderungen einverstand«n, nur in einigen Punkten werden Modifikationen bezw. Ergänzungen vorgeschlagen. Ver- langt wird, daß die Kollegen sich bei Besetzung der Gesellenaus- schüsse und der Wahl der Vertreter zur Handwerkskammer be» teiligen sollen, um so Einfluß auf das LehrlingSwesen zu erhalten. Die gestern schon skizzierten Forderungen sollen für die Maß- und Konfektionsschneider gelten. Ein Meister, der keinen Gehilfen beschäftigt, darf nur einen Lehrling halten, Meister mit drei Gehilfen z w e», Meister mit zehn Gehilfen drei Lehrlinge (Höchstzahl). Die Arbeitszeit der Lehrlinge richtet sich nach den tariflichen bezw. nach den zum Schutze der jugendlichen Arbeiter erlassenen gesetzlichen Bestimmungen. Die Entschädigung der Lehr- linge in der Damenschneiderbranche richtet sich nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen, beträgt aber am Anfang der Lehrzeit min- destens 3 M. pro Woche. Die Forderungen der Wäschebranche sollen in einer besonderen Konferenz dieser Branche aufgestellt werden. Mit diesen Aenderungen werden die Vorschläge deS Referenten angenommen, ferner diese Resolution: „Der Verbandstag empfiehlt den Filialen überall dort, wo die Möglichkeit besteht, der Agitation unter den Lehrlingen die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden und bei genügender Beteili- gung für diese besondere Sektionen zu bilden. Die Ortsverwaltungen haben die Aufgabe, in wirtschaftlicher und rechtlicher Beziehung die Interessen der Lehrlinge zu wahren, sowie bildend unter denselben zu wirken Insbesondere haben dieselben für die Jnnehaltung der durch die Gesetzgebung gewähr- leisteten Rechte zu sorgen sow»« Verbesserungen der rechtlichen Lage anzustreben; ferner haben sie für die Abstellung aller Mißstände, wie übermäßig lange Arbeitszeit, schlechte Behandlung, schlechte und ungesunde Schlnfstätten usw., einzutreten Des weitern ist an der fachgewerblichen Fortbildung der Lehrlinge mitzuwirken sowie für Einführung und Schulung in das Wesen der Arbeiterbewegung Sorge zu tragen, um dieselben zu tüchtigen proletarischen Klassenkämpfern vorzubereiten." Ein« abermalige lebhafte Debatte rufen die neuen Vor» schlüge der Gehaltskommission hervor. Ueber die Gehaltsbezüge wird namentlich abgestimmt. Das AnfangSgehalt der Vorstandsmitglieder und deS Redak- teure beträgt 2400 M., das Endgchalt 3000 M., das AnfangSgehalt der Gauleiter 2100, daS Endgehalt ebenfalls 3000 M., daS Anfangs- gehalt der Hilfsarbeiter im Vorstand« 2100 M., das Endgehalt 2600 M., das AnfangSgehalt sämtlicher Lokalbeamten Berlins 2100 M., das Endgehalt 2700 M., daS AnfangSgehalt der Lokal» beamten in Hamburg , München und Frankfurt a. M. 2100 M., das Endgehalt 2500 M., das AnfangSgehalt der Lokalbeamten in den übrigen Filialen mit Ausnahme von NeugerSdorf und Her- ford 1900 M., daS Endgehalt 2300 M., das AnfangSgehalt in diesen beiden Filialen 1500 M.. das Endgehalt 1800 M. Das Gehalt der Beitragserheber in allen Filialen mit Ausnahme Berlins ist um 100 M. niedriger als das der übrigen Beamten. Die weiteren Bestimmungen deS AnstellungSvertrageS entsprechen den Bedin» gungen deS Vereins Arbeiterpresse. Die Vorstandsmitglieder Stühmer, MiruS und Heit- mann werden einstimmig wiedergewählt, ebenso Sabath als Redakteur. Die beschlossene Gehaltsregulierung tritt am 1. Januar 1911 in Kraft. Beschlossen wird die Herausgabe eines Handbuches für die Funktionäre.' Stühmer dankt!n seinem Namen und in dem der übrigen Vorstandsmitglieder für die Wiederwahl und gibt in warmen Worten der Ueberzeugung Ausdruck, daß die gefaßten Beschlüsse dem Verbände zum Vorteile gereichen werden. . Damit sind die Arbeiten des VerbandStageS erledigt. Mit einem Hoch auf das fernere Gedeihen deS Verbandes wird die Tagung nach sechstägiger Dauer geschlossen.
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