Nr. 200.
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Berliner Volksblatt.
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Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin"
Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Sonnabend, den 27. August 1910.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Der Kaifer gegen das Volk!
Wilhelm II. hat wieder gesprochen, zum erstenmal seitdem der Novembersturm durch Deutschland gebraust ist. Und jedes Wort dieser Rede beweist, daß der elementare und einstimmige Protest des deutschen Volkes gegen das persönliche Regiment zu schwach war, um auf Wilhelm II. Eindruck zu machen, beweist, daß Wilhelm II. aus jenen Tagen zu Lernen nicht willens ist.
Was Wilhelm II. diesmal gesprochen, flingt wie eine Antwort auf jene Forderung, die Grenzen einzuhalten, die dem deutschen Kaiser durch die Verfassung gezogen sind, und diese Antwort auf das Verlangen des deutschen Voltes ist ein schroffes und herausforderndes Nein.
Wilhelms II. Rede ist ein offenes Betenntnis zum Absolutismus, die offene Proklamation des Gegensages, der zwischen dem Willen des Kaisers zur Alleinherrschaft und dem Willen des Volkes nach Selbstregierung besteht. Die Kluft, die in den Novembertagen sichtbar ward, ist wahrlich nie überbrückt worden. Sie ist heute breiter und tiefer als je zubor!
Die Rede Wilhelms II. ist vom offiziöfen Depeschenbureau berbreitet worden und lautet folgendermaßen:
„ Es liegt mir am Herzen, den Herren der Provinz der Freude Ihrer Majestät und meiner Ausdruck zu geben, daß wir wiederum in den Grenzen dieses schönen Landes uns befinden und daß wir von seiten der Bürgerschaft unserer treuen Königstadt und der Provinz in so begeisterter Weise empfangen worden find. Die Stimmung, die in diesen Tagen in Königsberg zum Ausdruck kommt, ist der Beweis dafür, daß ganz besonders innige Bande Stadt und Provinz mit unserem Hause berbinden. Und in der Tat, wenn man zurückblickt auf die Geschichte des Landes und des Hauses, so ergibt sich daraus, daß große und bedeutende Abschnitte beiden gemeinsam sind. Hier war es, wo der Große Kurfürst
aus eigenem Recht
zum souveränen Herzog in Preußen sich machte, hier sehte sich sein Sohn die Königskrone aufs Haupt, und das souveräne Haus Brandenburg trat damit in die Reihe der europäischen Mächte ein. Friedrich Wilhelm I. stabilisierte hier seine Autorität ,, wie einen rocher de bronce", unter Friedrich dem Großen hat die Provinz Freude und Leid seiner Regierung geteilt, dann kam die schwere Zeit der Prüfung. Der große Soldaten. taiser der Franzosen residierte hier im Schloß und ließ, nachdem Preußens Macht zusammengebrochen war, seine erbarmungslose Hand Stadt und Land fühlen. Hier wurde aber auch der Gedanke der Erhebung und der Befreiung des Vaterlandes am ersten zur Tat. Auf Tauroggen folgte der begeisterte Beschluß des preußischen Provinziallandtages, als
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von Gottes Gnaden allein
der Königin Quise? Sie lehrt uns, daß, wie sie einst ihre Söhne vor allen Dingen mit dem einen Gedanken erfüllt hat, die Ehre wiederherzustellen, das Vaterland zu verteidigen, wir Männer alle kriegerischen Tugenden pflegen sollen; wie in der Zeit der Erhebung jung und alt herbeiströmte und das letzte hergab, wie selbst Frauen und Mädchen ihr Haar nicht schonten, so sollen auch wir stets bereit sein, um vor allem
unsere Rüstung
Se. Majestät der Kaiser nahm die Darlegungen und Er flärungen des Reichskanzlers mit großem Ernste entgegen und gab seinen Willen dahin kund:
Unbeirrt durch die von ihm als ungerechtfertigt empfundenen Uebertreibungen der öffentlichen Stritit erblickte er seine vornehmste kaiserliche Aufgabe darin, die Stetigkeit der Politik des Reiches unter Wahrung der verfassungsmäßigen Verantwortlichkeiten zu sichern.
Demgemäß billigte Se. Majestät der Kaiser die Ausführungen des Reichskanzlers im Reichstage und versicherte den Fürsten v. Bülow seines fortdauernden Vertrauens."
aus
lückenlos zu erhalten, im Hinblick darauf, daß unsere Nachbarmächte so gewaltige Fortschritte gemacht haben. Denn nur auf unserer Rüstung beruht unser Friede. Und was sollen unsere Frauen von der Königin lernen? Sie sollen lernen, daß die Unbeirrt durch diese Erklärung hat Wilhelm II. auf's Hauptaufgabe der deutschen Frau nicht auf neue den Versuch gemacht, sein persönliches Regiment dem Gebiet des Versammlungs- und Vereins- la Is rocher de bronce zu stabilieren. Kein wesens liegt, nicht in dem Erreichen von vermeint- Wort wird mehr vom Kaiser über die Wahrung der verlichen Rechten, in denen sie es den Männern gleich- fassungsmäßigen Verantwortlichkeiten verloren; Wilhelm II. tun können, sondern in der stillen Arbeit im Hause hat das Blatt Papier , das Fürst Bülow ihm abund in der Familie. Sie sollen die junge Generation erziehen, gelistet, eigener Machtvollkommenheit zerrissen, vor allen Dingen zum Gehorsam und zum Nespekt vor dem und die Feyen dem deutschen Volke vor die Füße geworfen. Alter! Sie sollen Kindern und Kindestindern flar machen, daß Der Batt, mit dem die herrschenden Klassen den Gegensatz es heut nicht darauf ankommt, sich auszuleben auf Kosten zwischen dem Absolutismus und der Verfassung zu beseitigen anderer, seine Ziele zu erreichen auf Kosten des Vaterlandes, gehofft hatten, cristiert nicht mehr. Wilhelm II. , der ihn, als sondern einzig und allein das Vaterland im Auge haben, einzig die Wogen des Volkszorns so hoch brandeten, unterzeichnet und allein alle Kräfte und Sinne für das Wohl des Vaterlandes hatte, hat ihn nun selbst vernichtet. einzusetzen. Das ist die Lehre, die die hohe Gestalt uns überliefert hat, die unser Vaterland und die Bürgerschaft dieser Stadt auf ihrem schlichten Denkmal so schön den guten Genius Breußens" genannt hat. Ich hege die feste Hoffnung, daß alle hier versammelten Ostpreußen mich verstehen und daß, wenn sie wieder heimgehen zu ihrem Wert und ihrer Hantierung, sie sich von diesem Gedanken erfüllen lassen. Alles soll mitarbeiten am Wohl des Vaterlandes, gleichgültig, wer und wo er sei. Und ebenso wird für mich der Weg dieser hohen Verblichenen vor bildlich sein, wie er meinem Großvater vorbildlich war. Als Instrument des Herrn
mich betrachtend,
ohne Rücksicht auf Tagesansichten und-Meinungen, gehe ich meinen Weg, der einzig und allein der Wohlfahrt und friedlichen Entwickelung unseres Vaterlandes gewidmet ist. Aber ich bedarf hierbei der Mitarbeit eines jeden im Lande, und zu dieser Mitarbeit möchte ich auch Sie jetzt aufgefordert haben. Daß diese Gesinnung in der Provinz Ostpreußen stets herrsche und mir Ihre Hilfe in meinem Streben zuteil werden möge, darauf leere ich mein Glas. Es lebe die Provinz Oft preußen! Hoch! Hoch! Hoch!"
Aus
davon wird desto lauter und vernehmlicher das deutsche Bot Wovon aber der Kaiser des Gottesgnadentums schweigt, reden. Als wir Sozialdemokraten erklärten, daß der Kampf gegen das persönliche Regiment nur dann erfolgreich durch geführt werden könne, wenn die Verfassung durch organische Einrichtungen ausgestaltet und absolutistische Uebergriffe durch gefeßliche Insti als wir in den Versammlungen draußen und durch tutionen für immer unmöglich gemacht würden, unsere Abgeordneten drinnen im Parlament den Reichstag drängten, durch ein Ministerverantwortlichkeitsgesetz, durch Schaffung eines wirklichen Interpellationsrechts, durch Errichtung einer parlamentarischen Regierung dem deutschen Volke endlich jene Rechte zu erfämpfen, die alle Stulturvölfer besigen, da haben die bürgerlichen Parteien alle ohne Ausnahme vollständig versagt. Da haben sie uns auf das Ver. sprechen Wilhelms II. als auf einen großen Erfolg verwiesen und haben abgelehnt zu tun, was ihre Pflicht gewesen war. und heute? Heute hat Wilhelm II. bestätigt, was wir Sozialdemokraten vorausgesagt, und fühner als je erhebt das persönliche Regiment ſein Haupt.
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Die Nede des 25. Auguft ist viel schlimmer als November 1908 bedroht haben. Wilhelm II. hat nicht nur Und die gleichen Gefahren kehren wieder, die uns im der alte eiserne Yord die Herren mit flammender Rede be- die Aeußerungen, die den Novembersturm entfesselt haben. die deutsche Verfassung mit einer nichtachtenden Handgeisterte, das Wert der Befreiung zu beginnen. Und hier sette Wilhelm II. bekennt sich mit einem Nachdruck, der selbst in sich mein Großvater wiederum aus eigenem Recht die preußische früheren Reden nicht erreicht worden ist, zum Gottes- bewegung gleichsam als ein Hindernis des Gottesgnadentums Königskrone aufs Haupt, noch einmal bestimmt hervorhebend, gnadentum. In seinem Hirn, die Erkenntnis der Wirt- abgetan. Er hat auch von neuem Worte gesprochen, die in daß sie lichkeit überschattend, hat der mystische Gedanke sich ein- unsere auswärtige Politit störend eingreifen und sich gegraben, daß er ein auserwähltes Instrument Gottes sei. auch hier in offenem Widerspruch zu den heißeis verliehen sei und nicht von Barlamenten, Bolksverfamm- und er selbst hebt den un versöhnlichen Gegensa, des deutschen Volkes gefekt. Wir wollen- und sten Wünschen und dringendsten Forderungen lungen und Volksbeschlüssen, und daß er sich so als auserwähltes in dem dieser Gedanke zu jeder wirklichen konstitutionellen hier sprechen wir im Namen der überwältigenden des deutschen Volkes gesezt. Wir wollen Instrument des Himmels ansehe und als solches seine Regenten- Verfassung steht, mit schneidender Schärfe hervor. und Herrscherpflichten versehe. Und mit dieser Krone geschmückt, eigenem Recht und von Gottes Gnaden sei den Majorität des deutschen Volkes- das Aufhören des 30g er, vor 40 Jahren, ins Feld, um zu ihr noch die Kaiserkrone preußischen Königen die Strone verliehen worden, nicht aber wahnwigigen Wettrüstens, wir wollen mit England eine Vereinbarung über die Flotte, und wir zu erringen. Fürwahr was für ein Weg bis zu dem berühmten von Barlamenten, Volksversammlungen und Volksbeschlüssen. fordern das als das wichtigste Mittel zur Erhaltung des Telegramm des Kaisers an meine selige Großmutter:" Welche Wilhelm II. läßt auch nicht einen Moment einen Zweifel Wendung durch Gottes Fügung!" Dieses Bild würde jedoch daran aufkommen, daß diese Auffassung nicht etwa nur eine Friedens. Wilhelm II. aber proklamiert als seinen Willen unvollkommen sein, wenn ich nicht einer Figur gedächte, die in die Frre gehende historische Betrachtung über die Entstehung die Fortdauer und Verstärkung der besonders in diesem Jahre das preußische, und ich kann wohl des preußischen Königtums sei; er spricht vielmehr mit aller erträglichen Rüstungen. Gesteigertes Wettrüsten- sagen, das deutsche Volt beschäftigt und von neuem gepackt hat. Bestimmtheit den Entschluß aus, diese Auffassung sofort in das ist der letzte Schluß dieser geoffenbarten Weis. heit. Und diese Weisheit wird in derselben Zeit Es ist die Zeit unseres Zusammenbruches und unserer Erhebung der Praxis zu betätigen und sie als seinen poligar nicht denkbar ohne die Gestalt der Königin Quise! tischen Leitgedanken der Auffassung des deutschen wieder verkünden läßt, daß sie nur auf ein Wort der proflamiert, wo die liberale englische Regierung immer Auch die Stadt Königsberg und die Provinz Ostpreußen hat Boltes entgegenzustellen. Denn ohne Rücksicht auf deutschen Regierung warte, um Verhandlungen über ein diesen Engel in Menschengestalt unter sich wandeln gesehen, ist Tagesansichten und meinungen will Wilhelm II. feinen Weg Flottenabkommen zu beginnen; in derselben Zeit, in der auch von ihr beeinflußt worden und hat auch mit ihr so schweres Leid gehen. Als auserwähltes Instrument des Himmels ist getragen. Die hohe Königin ist von vielen Seiten eingehend Wilhelm II. allein offenbart, was für das deutsche Volt, in Deutschland die Stimmen für Vernunft in der ausgeschildert worden, und unser Volt hat sich in dankbarer Er- das vom Himmel nicht begnadet ist, gut und nüglich ist. wärtigen Politik sich mehrten. Es ist kein Zweifel, daß die innerung mit ihr beschäftigt. Aber ist meine, das eine kann nicht Minister, Barlament, die Meinung des Volkes sind nur Hinder- Wirkung der Kaiserrede in England die denkbar ungünstigste genug hervorgehoben werden, daß in dem allgemeinen Zu- nisse und Hemmungen, die den Kaiser von Gottesgnaden nicht ein muß. Bedeutet sie doch nichts anderes als die Anfündigung neuer sammenbruch unseres Baterlandes, wo selbst Staatsmänner und beirren dürfen. Es ist die Auffassung des asiatischen Flottenvorlagen! Klingt doch die ganze Rede fast Heeresvorlagen, neuer Heerführer alles für verloren gaben, die Königin die einzige ge- Despotismus, die Wilhelm II. als die seine dem deutschen wie die Drohung mit einem Militärkonflikt! wesen ist, die nie einen Augenblick an der Zukunft des Vater- Volte bietet. landes gezweifelt hat. Sie hat durch ihr Beispiel, durch ihre Und eine solche Rede wird dem deutschen Volke gehalten, Und da taucht denn die Frage auf, ob diese Ankündigung Briefe, durch ihr Zureden und durch die Erziehung ihrer Kinder wo es kaum mehr als einundeinhalb Jahre her sind, daß ihm ohne Antwort bleiben soll. Noch haben wir eine deutsche dem Volk den Weg gewiesen, auf dem es sich wieder das feierliche Versprechen ward, der Kaiser werde sich fünftighin Verfassung, noch einen berantwortlichen Minister. finden konnte. Sie hat die Umkehr zur Religion und damit die nötige Zurückhaltung auferlegen. Am 17. No- Was meint Herr b. Bethmann Hollweg , der die Umkehr zur Selbsterkenntnis und zum Selbstvertrauen ge- bember 1908 veröffentlichte der Staatsanzeiger" folgende Er- Kanzler des Deutschen Reiches, zu dieser Nede? Hat er ihren wiesen. Sie hat unser Volt angefeuert zu dem Gedanken, sich flärung: Wortlaut gekannt und ist er bereit, die Verantwortung dafür wieder um den König zu scharen und die Freiheit zurück-" In der heute dem Reichskanzler gewährten Audienz hörte zu übernehmen? Oder hat er nichts von dieser Rede gewußt zugewinnen. Und als sie eine hohe Märtyrerin Se. Majestät der Kaiser und König einen mehrstündigen Vortrag und ist er bereit, daraus die Konsequenzen zu ziehen, zu blichen war, und die Begeisterung im Lande aufflammte, und des Fürsten Bülow. Der Reichslangler schilderte die im Anschluß denen sich Fürst Bülow im Reichstage verpflichtet hat, als er alt und jung zu den Waffen griff, um die Unterdrücker aus dem an die Veröffentlichung des Daily Telegraph " im deutschen erklärte, die Krone werde sich fünftighin mehr zurückLande zu treiben, da ist sie im Geiste vor den Fahnen her- Bolte hervorgetretene Stimmung und ihre Ursachen; er erläuterte haltung auferlegen; wäre dem nicht so, könnte weder geschritten und hat den Mut der Krieger belebt, daß das große ferner die Haltung, die er in den Verhandlungen des Reichstages ich noch einer meiner Nachfolger die Verantwortung Wert vollbracht werden konnte. Was lehrt uns die hohe Figur über die Juterpellationen eingenommen habe. dafür tragen."
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