Aus den Gefilden der Ultramontanen.Dem sonst so siegesgewissen Zentrum bangt vor den nächstenNcichstagswahlen. Sein Hauptorgan im Westen, die„Kol-Nische Volkszeitnng", erging sich jüngst in Sammelrufenan die bürgerlichen Parteien und beschwor sie, die rote Flut da-durch wenigstens einigermaßen einzudämmen, daß man sich bei-zeitcn für die Stichwahl verständige. Und jetzt richtet das Blatteine bewegliche Mahnung an das eigene Gefolge. Der Ausfall derWahl in W a r b u r g° H ö x t e r, wo der ultramontane Kandidat.des Reichsregenten Spahn hoffnungsvoller Sohn, von einigenTausend Zentrumsmannen im Stich gelassen wurde, gibt dem Blattzu denken, um so mehr, als derartige Widerspenstigkeiten sich un-liebsam gehäuft haben in den bombensicheren Wahlkreisen des Zen-trums und als sie geeignet sind. Verwirrung zu stiften nach außenhin— alles Dinge, die das Zentrum nicht brauchen kann ange-sichts der nächsten Reichstagswahlen, die, wie die„Kölnische Volks-zeitung" mit mahnender Vorsorglichkeit bemerkt, grundlegend seinwerden für die innerpolitische EntWickelung vielleicht auf Jahr-zehnte hinaus. Darum Stärkung der Organisation,die aber, so fügt das Blatt hinzu,„nicht erst zur Zeit derWahlinTätigkeittreten�dieübrigeZeitdagegenschlafen dar f". Und Stärkung des politischen Ver-st ä n d n i s s e s, das„überall zu fördern ist, nicht bloßda, wo die drohende Agitation der Gegner dazudräng t".Diese Mahnungen lassen erkennen, wie es bisher beim Zentrumda zuging, wo es keinen Gegner zu fürchten hat. Kirchhofsruheund Stumpfsinn? Wozu ist Aufklärung nötig, wozu eine Organi-sation, wenn die Wähler, getreulich wie die Schafe wem Hirten,dem Herrn Pfarrer am Tage der Wahl zur Urne folgen.„Wegen Hinneigung zum Liberalismus".Wie weit wir in Bayern mit der Zentrumsherrschaft schongelangt sind, das zeigt sich wieder einmal an dem Vorgehen gegendie in Bayern erscheinende„Gendarmerie- und Schutz-manns-Zeitung". Der bayerischen Gendarmerie ist nichtnur die Mitarbeit an diesem Blatte, sondern auch der Bezug der-selben verboten worden. Das Verbot geht aus von dem Chef desGendarmeriekorps, Generalmajor Frhr. v. Feilitzsch, indessendürfte wohl das Kriegsministerium selbst dafür verant-wortlich zu machen sein, da ihm daS Gendarmeriekorps in per-soneller und disziplinärer Beziehung untersteht. Sehr interessantist nun, was jetzt der klerikalen„Augsb. Postztg." aus Gen-darmeriekreisen über die Gründe des Verbotes geschrieben wird.Danach ist das letztere nämlich erfolgt, weil das Blatt„durch ein-zelne Artikel seine Hinneigung zum Linksliberalis-mus zu erkennen gab." Und weiter heißt es dann höchst bezeich-nend in der Zuschrift:„Es(nämlich die SchutzmannSzeitung) wurde auch daraufaufmerksam gemacht und auf die Konsequenzen in Wieder-holungsfällen Hingelviesen. Nichtsdestoweniger leistete sich dieRedaktion noch verschiedene Artikel gegen das Zentrum,die den größten Hetzblättern entnommen waren. Ihr letzter der-artiger Artikel in Nr. 31, betitelt„Ein grausames Spiel", stießdem Faß den Boden aus. Das nächste Quartal hätte der Gen-darmeriezeitung auf Grund dieses Artikels gewiß einen großenAbonnentenausfall gebracht, denn die Gendarmeriemann-schaft ist sich bewußt, was sie dem Zentrum zuverdanken hat und weiß auch, daß dasselbe auchfür die Zukunft ein warmes Herz fü'r die Gen-darmerie und S chu tz m an n scha ft hat;... sie ist sichvoll und ganz bewußt, daß sie vom Zentrum gerechte Hilfe findetpnd läßt sich nicht durch derartige Hetzartikel scheu machen."Also daß das Blatt es gewagt hat, gegen die regierende Parteizu schreiben, das allein genügt in Bayern schon, um es für die Be-amten zu verbieten! Die zarten Andeutungen in dem obigen Ar-tikel, mit denen im Namen des Zentrums den Gerrdarmen einNiedrigerhängen des Brotkorbes in Aussicht gestellt wird, wenn siedem Zentrum nicht hübsch treu bleiben, passen wundervoll in dasganze System hinein I_Abermals eine„Beleidigung" der KönigsbergerRichter.Der verantwortliche Redakteur der Erfurter»Tribüne",Genosse Wilhelm Dahl, wurde am Dienstag von der StrafkammerdeS Landgerichts Erfurt zu sechs Wochen Gefängnis ver-urteilt wegen angeblicher Beleidigung Königsberger Richter unddes dortigen Staatsanwalts Seliger. Die Beleidigung wurde ineinem Artikel vom 6. Oktober v. I.. überschrieben„PreußischeRechtspflege" gefunden. Darin wird eine Gerichtsverhand-lung in Königsberg kritisch besprochen. Ein Arbeiter in Labiau i. O.,der angeblich Zechprellereien begangen haben sollte, was sich aberals unwahr herausgestellt hatte, war vom StadtwachtmeisterHartwig zum Krüppel geschlagen und dann von derStrafkammer in Königsberg wegen Widerstands gegendie Staatsgewalt verurteilt worden. Der Staatsanwalt Kunzeverteidigte das Verhalten des Stadtwachtmeisters, hielt die Beleidi-gung für sehr schwer und stellte sich auf den Boden der MagdeburgerJustiz, daß dem Angeklagten(der erst einmal vorbestraft ist I)sämtliche Vorstrafen des Blattes als straf-erschwerend anzurechnen seien. Demzufolge sei der Angeklagtezu sechs Monat<n Gefängnis zu verurteilen, denn Ver-mögen besitze er nicht und eine Geldstrafe werde von dermillionenreichen sozialdemokratischen Parteigetragen l Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. DeswatineSwarnte den Gerichtshof, diesem Gedankengang des Staatsanwaltszu folgen, denn damit werde die Ansicht der sozialdemokratischenwie überhaupt der demokratisch gesinnten Presse bestärkt, daß eS inDeutschland eine Klassenjustiz gebe. Das Urteil lautete dann.wie oben erwähnt, auf sechs Wochen Gefängnis.Es liegt System darin.Die Kieler Ortsabteilung des Arbeiter-Abstmenien-Bundeshak zu Mittwochabend eine Volksversammlung einberufen, in derdie Genossen Sabroe und Jacob sen, Mitglieder des däni-scheu Folkethings. Genosse Dr. H a n a u e r- Belgien und GenosseAdler- Kiel über den Kampf gegen den Alkoholismus sprechensollen. Der Regierungspräsident in Schleswig hat den Gebrauchvon fremden Sprachen in dieser Versammlung verboten. Die aus-ländischen Redner dürfen also nicht in ihrer Muttersprachesprechen. Der Hohn des Auslandes über das Vorgehen der Re-gierung. die den Genossen Macdonald-England, Meyer-Dänemarkund Nielssen-Schweden im vorigen Sommer den Gebrauch derMuttersprache in der Kieler Versammlung verbot, hat demnachauf die Regierung nicht erzieherisch gewirkt. Ja das heutige Ver-bot ist für die Regierung noch viel blamabler, als das vom vorigenSommer. Die damalige Veranstaltung war eine Demonstrationgegen den Militarismus, konnte also von der Regierung nochlimmer als etwas Gefährliches bezeichnet werden, die heutige Ver-vnsialtung aber soll dem Kampfe gegen den Alkoholismus dienen!Ein verurteilter polnischer Majestätsbeleidiger.Aus Anlaß der Erhöhung der preußischen Zivillifte brachte da?polnisch-nationalistische Gncsener Blatt„Lech" einen Artikel, betitelt»Der arme preußische König", worin die Gncsener Staatsanwalt-schaft eine Majestätsbeleidigung gefunden hat. Am S. d. M. wurdedie Sache vor der Gnesener Strafkammer unter Ausschluß derOeffentlichleit verhandelt und der Verantwortliche Redakteur desPolenblattes zu v(neun) Monaten Gefängnis verurteilt,ohne daß ihm die vier Wochen Untersuchungshaft angerechnetivurdcn.Amerika.Die Wahlsiege der republikanischen„Insurgenten".Boston, 7. September. Die ersten Gouverneurs-und Kongreßwahlen in den Neu-Englandstaaten wur-den heute vorgenommen. Die bisher eingetroffenen Nach-richten über die Wahlergebnisse in Vermvnt, wo dierepublikanische Mehrheit gewöhnlich über 20 MV Stimmenbetrug, zeigen, daß die Republikaner in diesem Staate mitLeichtigkeit die Mehrheit behauptet und sowohl den Gouver-neur als auch ihre beiden Kongreßkandidaten gewählt haben.Die ersten Ergebnisse der Gouverneurswahlen in New-Hampshire zeigen einen Vorsprung des Kandidaten der f o r t-schrittlichen Republikaner, mit 8V7 Stimmenvor dem Kandidaten der regulären Republikaner mit 316Stimmen. Man nimmt an, daß das Verhältnis dieser Zahlendie Stärke des neuen Flügels der republikanischen Parteizum Ausdruck bringen wird.Im Staate Vermont haben hie Republikaner auchihre sämtlichen Kandidaten für den gesetzgebenden Körperdes Staates Vermont diirchgcbracht.San Francisco, 7. September. Der fortschrittlicheFlügel der Republikaner hat gestern die Führungiin republikanischen Staatskonvent von den regulärenRepublikanern übernommen und die n a t i o n a l e F ü h r e r°s ch a f t R o o s e v e l t s anerkannt.Huö der parte!*Unglaubliches aus Baden.In der„Leipziger Volkszeitung" fanden wir dieser Tage eineNotiz„Badische Aufklärung", die die folgenden Zeilen alseinen Bericht des„Karlsruher Volksfreund" über eine Sitzung desKarlsruher A rb ei ter di s k u s s i ons k lubs hinstellten:«Im vollbesetzten Gemeindehaus der W�eststadt sprach ver-gangenen Dienstag Herr Stadtvikar Roland über„Stunden mit Goethe". In edler, einfacher Sprache schilderteder Vortragende das gewaltige Ringen des Dichters, in der Er-kenntnis der Dinge immer tiefer zu dringen, das ihn vonfrühester Jugend an eigene Wege gehen ließ. Dabei ließ sichGoethe sehr von seiner Umgebung beeinflussen, wodurch dieWidersprüche zu erklären sind, die den Dichter sein ganzes Lebenhindurch begleiteten. Die wllen. Studentenjahre machten ihn zumglühendsten Verehrer der himmelstürmenden Titanen, ließenihn den allschöpfenden Gott verhöhnen(Prome-theus). In Weimar stand er unter Frau von Steins Einfluß;der Spötter wurde zum demütig Bittenden. Doch baldwar diese fromme Regung wieder verschwunden. In Italienschleuderte Goethe von den Trümmern Heid-nischer Tempel und Paläste herab haßerfüllteWorte auf die Christenheit und all ihre kirch-lichen Einrichtungen. Er kehrte nach Deutschland zurück,wandelte wieder in Eichenhainen, durchstreifte Feld und Au undfand abermals durch die Natur den Weg zuGott. Andächtig lauschte die Versammlung dem tiefempfun-denen Vortrag des Herrn Roland und spendete ihm für diemühevolle Arbeit wohlverdienten Beifall. Es ist nur zu hoffen,daß der Vortrag des Herrn Stadtpfarrers Jägeram Mittwoch, den 31. August, über: Goethes Religion ebensolchezahlreiche Zuhörerschaft im Gemeindehaus versammelt, zumalterr Jäger, der in uneigennütziger Weise die Bestrebungen deslubs verwirklichen half, vor seinem Wegzug nach Freiburghier zum letzten Male reden wird."Es fiel uns schwer, daran zu glauben, daß dieser Bericht wirk-lich einem Parteiblatt entnommen sei. Aber eine Durchsicht derletzten Nummern des„Karlsruher Bolksfreund" überzeugte uns,daß es der Fall ist. In der Nummer des„Volksfreund" vom29. August ist es unter der Rubrik„Aus der Residenz" also zulesen lDerartiges Zeug hält also daS badische Parteiblatt für gutgenug, um ihm 28 Zeilen seines Raumes zu widmen, dessen Knapp-heit ihm die Aeutzerungen der BudgetbewilligungSgegner fast ganzzu verschweigen veranlaßte. Und mit derartigem Zeug befaßt sich einArbeiterdiskussionsklub, der, nach der weitgehenden Berücksichtigungund Förderung zu urteilen, die er im Parteiblatt findet, doch einUnternehmen ist, an dem sozialdemokratische Arbeiter zum min-besten stark beteiligt sind, wenn es nicht gar eine direkt sozialdemo-kratische Institution ist. Und endlich— daS ist der Gipfdl>—nimmt die Versammlung solche Rede mit„wohlverdientem Bei-fall" auf, keine Stimme erhebt sich zur Entgegnung und die„Volksfreund"-Rcdaktion hat kein Wort der Verwahrung!Bei solchen„Bildungsbestrebungen" braucht man sich überdie jüngsten Vorkommnisse in Baden wahrlich nicht zu wundern.Zum Bericht des Internationalen SozialistenkongresseSwird unS geschrieben;Im„Vorwärts" vom 3. September steht ein Bericht über dieVerhandlungen der zweiten(Gewerkschafts-) Kommission. DerBericht läßt mich sagen:„Auch die Franzosen beschränken sich meistauf kräftige Worte. Den Schweden haben sie eine lange Resolutiongeschickt, die mit den Worten schloß usw." Diese Darstellungstimmt nicht; ich habe nicht gesagt, daß den Schweden eine solcheResolution zugeschickt ist, sondern ich habe gesagt, daß den Dänenseinerzeit bei ihrer großen Aussperrung eine solche Resolutionzugeschickt ist und dazu 20 Frank. Dieses Mal beim Kamps inSchweden war es auch nicht viel besser. Adolf Cohen.' KreiSkonfcrenze».In Königsberg tagte die Generalversammlung des Sozialdemokratischen Vereins Königsberg(Land)- Fischhausen.Anwesend waren 31 Delegierte, darunter 3 Frauen. Der TätigkeitS«bericht des Vorstandes meldete aus fast allen Orten deS durchausländlichen Kreises, der nur zwei kleine Städte. Pillau und Fischhausen umfaßt, erfreuliche Fortschritte unserer Bewegung, obgleichnur wenige Versammlungen abgehalten werden konnten, da die Ab-treibung der Lokale durch Amtsvorsteher eifrig betrieben wurde. DerVorstand sah sich daher genötigt, in einigen Ortschaften Lokalemietsweise zu erwerben. 4000 Kalender und 13 500 Flugblätterwurden verbreitet. Die Mitgliederzahl stieg in den letzten sechsMonaten um rund 100 Personen und steht jetzt auf 825. In derBerichterstattung der Bezirke kam zum Ausdruck, daß Flugblätter-Verteiler und Parteigenossen, die organisatorisch für unsere Sachetätig waren, von Polizeiorganen ganz unberechtigterweise verfolgtwurden. Ein Genosse in Gr.-Hcydekrug(ein Fischerdorf am FrischenHaff) erregte besonders den Unwillen des Herrn Amtsvorstehcrs.Der Genosse sollte jede Agitation und Organisation einstellen. Ertat es aber nicht, obwohl er mehrmals dazu amtlich auf-gefordert(I) wurde. Da erhielt der Genosse ein Straf«mandat, das aber der Herr Amtsvorsteher zurückzog, als ererfuhr, der Genosse werde gerichtliche Entscheidung beantragen. Ge-nosse Krüger referierte dann über die Aufgaben des M a g d e-burger Parteitages und die Genossin Weck über dieFrauenagitarion uuf dem Lande.Zur Angelegenheit der badischen Landtaasfraktion wurde mitallen gegen eine Stimme eine Protestresolution ange-nommen.Einstimmig wurde folgender Antrag angenommen:„Die am 4. September er. tagende KreiZgeneralversammlUttgdes Wahlkreises Königsberg(Landj-Fischhausen ersucht den Be-zirksvorstand, den auf dem letzten ostpreußischen Parteitag ge-faßten Beschluß betreffend Errichtung einer Wander-b i b l i o t h e k für Ostpreußen baldigst zur Ausführung zu bringen."Parteisekretär Genosse Linde konnte hierzu erklären, daß, so-weit er unterrichtet, die Wanderbibliotheken voraussichtlich schonim kommenden Herbst über ganz Deutschland zur Einrichtung kommenwerden.Zum Vorsitzenden und als Delegierter zum Parteitagwurde Arbeiterselretär Franz K r ü gse r gewählt.Jugendbewegung.„Der Kampf gegen die Schundlektiirc" war das Thema, bäSam Sonnabend in zwei öffentlichen Versammlungen, einberufenvon der„Freien Jugendorganisation Berlins und Umgegend", be-handelt wurde. Die großen Säle der„Arminhallcn" und„Pharus-säle" waren gedrängt voll, über 2500 Jugendliche waren erschiene:*.Die Genossen Max Grunwald und Simon Katzensteinreferierten. Sie schilderten beredt die Schäden der Schundliteratur.Sie halte den Menschen davor zurück, sich wirklich geistig fortzu-bilden, sie wirkt mit der Zeit derart lähmend auf den Verstandein, daß derjenige, der ihr verfallen ist, nicht mehr für Dinge, diesich mit der nockten Wirklichkeit beschäftigen, zu haben ist. Er istverloren für die moderne Arbeiterbewegung. Wir haben daher alleUrsache, dafür zu sorgen, daß sich schon die Jugend in moderneOrganisationen zusammenschließt und in der Wirklichkeit kämpfenlernt für ein Ideal, das jeden richtig denkenden Arbeiter bcgelstert.Das ist der beste Kampf gegen diese Schmutzerzeugnisse auf demGebiete der Literatur. Reicher Beifall lohnte die Referenten fürihre Ausführungen.....Die Vorsitzenden forderten noch auf, den Boykott, derüber die Geschäfte verhängt ist. die die Schund-literatur vertreiben, streng zu beachten.Soziales.Der kautionslustige und der logiSfrennbliche Bäckermeister.Die 5. Kammer des Berliner Kaufmannsgerichts verhandeltein ihrer letzten Sitzung gegen zwei Bäckermeister, die. wie sich ausden Verhandlungen ergab, recht wenig einwandfreie Gepflogenheiten ihrer Geschäftsbetriebe betätigten. Der BäckermeisterR. Stege hatte die Klägerin Helene F. als Filialleiterin engagiertund ihr eine Kaution von 50 M. abgenommen, die er sicher zuhinterlegen versprach. Diese Hinterlegung muß er aber mit solcherSicherheit vorgenommen haben, daß er selber das Wiederkommenvergaß. Denn als die als.Filialleiterin" Angenommene Verdachtschöpfte und Klage auf Rückzahlung der ausgehändigten Summeerhob, da stellte sich heraus, daß das Kaufmannsgericht die Klagenicht einmal zustellen konnte. Die gerichtliche Zustellung kam mitdem Vermerk:„Verzogen, unbekannt wohin" zurück. Der Vor-sitzende gab der Klägerin den Rat, zu versuchen, den jetzigen Auf-enthaltsort des Beklagten ausfindig zu machen.— Ebenso eigen-artig ist das Verhalten des Bäckermeisters E. Werner, gegen dendie Verkäuferin Anna W. auf Zahlung von 87,70 M. Restgehaltklagte. Das junge Mädchen war mit 20 M. Monatsgehalt sowieKost und Logis angestellt. Dies Logis war anscheinend so ge-räumig, daß es die Klägerin nicht allein genießen sollte, denneines Tages, als mal die Frau Meisterin fortgegangen war, trugihr der Meister an, es mit ihm zu teilen. Um ihre Stellung nichtzu verlieren, glaubte die Klägerin, in das Anerbieten willigen zumüssen, und alles wäre nach dem Wunsche des Meisters gegangen,wenn es nur— die Frau Meisterin nicht erfahren hätte. Nun.mußte natürlich Anna W. Knall und Fall aus dem Hause, undneben der Stellung sollte sie Lohn, Kost und Logis auch nocheinbüßen. Der verklagte Bäckermeister gibt in der Verhandlungauch freimütig zu, mit seiner Verkäuferin das Schäferstündchenverlebt zu haben und meint, das wäre noch nicht so schlimm undkein Grund gewesen, daß die Klägerin fort mutzte. Nur das trageer ihr nach, daß durch ihre Schwatzhaftigkeit feine Frau von derSache erfahren mußte. Der Vorsitzende gab dem logisfreundlichenBäckermeister den Rat. die Forderung ohne weiteres anzuerkennenund es nicht erst auf weitere Verhandlung ankommen zu lassen,worauf dieser denn auch einging.Vom ordnungsmäßigen Abschluß b'eS Lehrvertrags.Nach§ 150, Ziffer 4a der Gewerbeordnung macht sich straf-bar der Lehrherr, welcher den Lehrvertrag nicht ordnungsmäßigabschließt(§ 103e, Abs. 1, Ziffer 1 und§ 126b).§ 126b bestimmtu. a.. daß der Lehrvertrag binnen vier Wochen nach Beginn derLehre schriftlich abzuschließen ist und enthält auch folgende Vor-schrift:„Der Lehrvertrag ist von dem Gewerbetreibenden oderseinem Stellvertreter, dem Lehrling und dem gesetzlichenStellvertreter des Lehrlings zu unterschreiben." Die Inhaberder Firma Stremler und Wolf in Forst, die eine Färberei be-treiben, sollten sich in drei Fällen gegen diese Vorschriften ver»gangen haben. Die mit den Vätern von drei Lehrlingen abge-schlossenen Verträge, die teils vom Jahre 1903. teils vom Jahre1909 datierten, waren von den Lehrlingen selber nicht unter,schrieben worden. Die Angeklagten bestritten, sich strafbar gemachtzu haben. DaS Schöffengericht sprach sie auch frei, weil der Be-trieb nach Art und Umfang kein handwerksmäßiger, sondern einfabrikmäßiger sei.— Die Strafkammer in Sarau hob das Urteilauf und verurteilte die Angeklagten zu Geldstrafen. Begründendwurde ausgeführt: Die Vorschriften des§ 126b der Gewerbcord-nung fänden auch Anwendung auf die in Fabriken beschäftigtenLehrlinge, soweit es sich nicht um kaufmännische Lehrlinge handele.Hier hätten sich aber die Inhaber der Firma verpflichtet, dafürzu sorgen, daß die jungen Leute in ihrem Betriebe die Färbereigründlich erlernen. Im Vertrage heiße eS ferner, daß sie nachbeendeter Lehrzeit noch ein Jahr im Betriebe bleiben durften, daßes ihnen aber verwehrt sei, nach dieser Zeit innerhalb zweierJahre in einem ähnlichen Betriebe in Forst tätig zu sein.widrigenfalls sie in eine Konventionalstrafe von 2000 M. verfielen.Offenbar handele es sich bei dieser Bestimmung darum, daß siedie ihnen in der Lehre bekannt gewordenen technischen Vorteile inder Zeit nicht anderweitig verwerten sollten. Demnach handele essich zweifellos um die Erlernung der Färberei als solcher, alsoum eine gewerbliche Lehre. Gleichgültig sei es. ob der Betriebein handwerksmäßiger oder ein fabrikmäßiger sei. Da die Lehr-linge ihn nicht unterschrieben hätten, so sei der Vertrag kein solcher.wie ihn die Gewerbeordnung vorschreibe. Der Lehrherr habe ihn„nicht ordnungsmäßig abgeschlossen". Die beiden Angeklagtenmüßten nach Z 150 Ziffer 4a verurteilt werden. Es handele sichum ein Dauerdelikt, Verjährung sei also auch nicht eingetreten.Die Angeklagten legten Revision ein. Das Kammergerichtverwarf am 3. September das Rechtsmittel mit folgender Begrün,irnng: Die Angeklagten hätten es nach den Feststellungen der Straf-kammer unterlassen, mit den Lehrlingen einen ordnungsmäßigenLehrvertrag zu schließen. Dieses Delikt erneuere sich fortgesetzt.sei ein Dauerdelikt, so daß Verjährung nicht eingetreten sei. Essei auch genügend festgestellt, daß eS sich um eine gewerbliche Lehrehandele. Mit Recht habe das Landgericht gesagt, eS sei gleich-gültig, ob der Betrieb der Angeklagten ein handwerksmäßiger seioder ein fabrikmäßiger, bezw. ein Betrieb, in dem mehr als zehnArbeiter beschäftigt sind. An der Beurteilung der zur Entschei»dung stehenden Rechtsfrage sei nichts geändert durch die währendder Lehrzeit der jungen Leute in Kraft getretenen neueren Vor-schriften her Gewerbeordnung. Die Revision Müsse verworfenteeidejj