Kr. 212. 27. Jahrgang.2. Itilnjt des" Inlinet öultislilatt.Zomabnid, 10. Stptmkt 1910.KevsIulIonierenSe Techoili.Lange Zeit hatte es den Anschein, als ob technische Fortschritte!m Bergbau kaum noch zu erzielen seien. Ans einmal jedoch ginges mit Riesenschritten vorwärts. Die Wasserhaltungsmaschinen sindin ungeahnter Weise vervollkommnet. Die Dampfkraft wird überallabgelöst von der Elektrizität. Man hat heute moderne Zechen, aufdenen keine einzige Dampfmaschine mehr im Betrieb ist: Förder-Maschinen, Wasserpumpen, Ventilatoren, Kompressoren, Strecken-förderung usw., alle Maschinen erhalten elektrischen Antrieb. Den Vorteilhat das Grubenkapital. Wo sonst vielleicht 25 Dampfkessel notwendigwaren, um den erforderlichen Dampf für die Maschinen zu erzeugen,genügen heute 2 bis 3 Kessel, die den Dampf für die Dynamo-Maschine liefern. Und diese Kessel werden meistens noch geheiztdurch Gase der Koksöfen: man erspart also auch die Kesselheizkohlen.Die Verwendung von Pferden in der Grube wird immer mehr eingeschränkt.Fortschritte verzeichnet die Technik auf dem Gebiete des Schacht-abteufens. Fetzt sind nur noch so viel Monate zur Niederbringungeines Schachtes notwendig, als früher Fahre gearbeitet werden mußten.Man täßl sich heute iveder durch Schwinmigebirge noch durch denfestesten Konglomerat im Vorwärtsdringen aufhalten.Der Handbohrer ist nicht mehr gebräuchlich, Maschinen habenihn ersetzt. Die jüngste Revolverbohrmaschine arbeitet unheimlich,sie ist aber auch für den Bergmann die reine Mordmaschine. Wereinige Zeit an der Revolverbohrmaschine tätig war, dem ist dasNervensystem völlig zerrüttet. Eine einzige Maschine treibt imfestesten Gestein mehr Löcher, als ein Dutzend Bergleute bohrenkonnten, und das ist entscheidend. Bohrmaschinen gab es freilichschon lange, manche erleichterten auch das Arbeiten, was jedoch fürdie Revolverbohrmaschiue nicht zutrifft._ Durch Sprengmittel wird die Produktion erhöht, oft um dasdrei- bis vierfache, den alleinigen Gewinn hat der Bergwerks-kapitalist, der es ganz in Ordnung findet, daß der arme Bergmanndie verwandten Sprengstoffe bezahlt.Die Schüttelrutsche ist die modernste Errungenschaft derTechnik im Bergbau. In früheren Zeiten vollzog sich die Kohlen-gewinnung resp. der Abbau wie folgt: Vom Ouerschlag aus triebman die Sohlenstrecke bis zur Grenze des Flözes. Von der Sohlenstreckeaus wurde der Bremsberg bis zur oberen Sohle aufgehauen.Bremsberg, Sohlenstrecke und obere Sohle begrenzten nun einKohlenfeld. Dieses Kohlenfeld wurde in sogenannte Pfeiler geteilt,indem vom Bremsberg aus in Abständen von 12 bis 15 MeterStrecken zur Grenze(oder bis zum alten Bau) getrieben wurden.Waren diese Strecken, die man Oerter nannte, weit genug auS-gebaut, dann wurde der Teil Kohle fortgenommeu, der zwischen denOertern noch da stand— abgepfeilert sagt der Berg«mann— und zwar pfeilerte man von hinten nach vornedem Bremsberg zu. Diese Abbaumethode ist in denletzten beiden Jahrzehnten völlig außer Uebung gekommen.Drei Gründe waren bestimmend: 1. waren diese Oerter, weil nichtgenügend frische Luft zugeführt werden konnte, Wettersäcke, Gas-reservoire, die eine stetige Explosionsgefahr bildeten; zweitens entstanden beim Abpfeilern riesige Hohlräume im ganzen Umfang deSabgebauten Flözes, deren naturnotwendiges Einfallen Tagesbrücheund rieftge Bodensenkungen zur Folge hatte! drittens war der Abbauinsofern rrrationell, als bei drohenden Zusammenbrüchen Reste desKohlenpfeilers verloren gingen und niemals mehr geholtwerden konnten.An Stelle des geschilderten Abbaubetriebes trat zunächst der Strebepfeiler oder der jetzt allgemein übliche Strebebau. Es wird„gestrebt"im stehenden und im flachen Gebirge. Der Bremsberg ist da wiefrüher auch, aber eS werden die Oerter nicht mehr getrieben. VomBremsberg nimmt man das ganze anstehende Feld Kohle in An-griff. Sind ein paar Meter freigelegt, dann wirb der zwischen demBremsberg und dem Kohlenstoß entstandene Hohlraum mit Bergenversetzt, d. h. mit Steinen dicht vollgepackl. Und nur soviel Raumwird gelassen, daß die Hauer am Kohlenstoß weiter arbeitenkönnen. Ist man wieder einige Meter vorgedrungen, dannwird der entstandene Hohlraum wieder mit Bergen versetzt.Und so fort. Im stehenden Gebirge rollen die. ge-wonnenen Kohlen gleich bis unten, werden in einem Roll-kästen aufgefangen und nach Bedarf in die Förderwagen abgefüllt.Im flachen Gebirge ist die Abfuhr schwieriger. Hier bleiben diegewonnenen Kohlen liegen und müssen mit der Schaufel fortbewegtwerden. Deshalb muhte man auch im Strebebau durch den Berge-Versatz noch Strecken nachführen, um die Kohlen fort holen unddie nötigen Berge hin bringen zu können. Aber die Arbeit deSEchaufelnS nahm noch immer viel Zeit in Anspruch und ist außer-dem schrecklich mühevoll. Abgesehen davon, war allerdingseine Minderung der Wettergefahr erreicht, weil der frische Luftstromnun immer den Kohlenstoß bestreichen muß, und durch den Berge-Versatz war auch eine Minderung der Bodensenkungen erreicht. Fürdie Arbeiter jedoch bedeutete der Bergeversatz eine schärfere Anspannungder Kräfte, und es sank gelegentlich die Kohlenproduktion um eingeringes. Dann kamen die bekannten Schimpfereien der Scharf-macherpresse über die.faulen" Bergleute, die viel verdienen undnicht arbeiten wollten. Die Grubenverwaltungen wußten aber sehrwohl, daß die Bergleute mehr Arbeit leisteten und daß die etwasgeringere Kohlenproduktion pro Kopf des Arbeiter? lediglich auf dieneue Baumethode zurückzuführen sei. Nun hat sich in der jüngstenZeit eine Niesen wan dlung vollzogen durch dieErfindung der Schüttelrutsche. Eine sehr einfache Ein-richtung und doch vorder allergrößten Bedeutung— für den Geld-sack des Grubenakiionärs. Sie kommt jetzt schon auf vielen Zechenmit flachem Gebirge zur Anwendung. Das mühselige Schaufelnder Kohle im niedrigen Flöz auf eine Entfernung von 10, 15 und20 Meter ist nickt mehr notwendig, ferner nicht da? kostspieligeNachführen der Transportstrecken durch das mit Bergen versetzteFlöz. Das alles ist überflüssig geworden durch die Schüttel-rutsche, die irgend ein unbekannter Bergmann erfunden hat. Soll jetztein Kohlenseld zum Abbau in Angriff genommen werden, dannbraucht bloß der Kohlenstoß in seiner ganzen Länge von 120 oder150 Meter, je nach Beliebe» oder den Umständen, gerade vorgerichtetsein, um den Einbau der Schüttelrutsche vornehmen zu können. Vonoben bis unten werden Rinnen aus Stahlblech ineinandergefügt,so daß eine einzige große Rinne(die fich ausnimmt wie ein derLänge nach durchschnittenes mächtiges Rohr) hergestellt ist. DieseRinne wird nur sreischwebend gebracht durch Seile oder Kelten, diemir Haken an der Zimmerung befestigt sind. Ganz oben, wo die Rinnehßginnt. befindet sich eine Achse mit einem Zapfen. Die Achse mitdem Zapfen wird durch komprimitierte Luft in rotterende Bewegunggebracht, der Zapfen säugt die Rinne auf, zieht sie an und läßt siewieder fallen. Das geschieht sehr schnell, wodurch die Rinne in eineschüttelnde Bewegung gebrocht wird. Daher der Name Schüttel-rutsche. Der Hauer schafft die gewonnenen Kohlen nicht mehr erst»fit der Schautet zur Strecke und in den Förderwagen, sondern erwirst sie nur in die gleich nebenan befindliche Rinne, durchwelche die Kohlen iufolge der schüttelnden Bewegung vonoben bis unten zur Sohlrnstrccke befördert werden undvon selbst sich in die Wagen entladen. Der Bergmann braucht auchden Steinwag-n nicht mehr durch die Strecken zu schieben und danndie Steine mühselig mit der Schaufel in die Hohlräume verpacken?die Steine werden durch die Rinne gerade dorthin gebracht, wo sienotwendig sind. Ist der Kohlenstoß um etwa zwei Meter � Wetter-gerückt, dann wird durch Umhängen der Ketten, was nicht vielMühe macht, die Rutsche wieder näher gebracht. Eintechnischer Forlschritt ist zu verzeichnen. Aber kommt dieser Fort-schritt imn den Bergleuten zugute? Nein. Der Bergmann hat auch indiesem Falle nicht den geringsten Gelvinn von der Erfindung. ImGegenteil! Der einzelne Bergmann liefert dadurch, daß die lästigeNebenarbeit des Schaufews und bei SteincwerfenS fast völligbeseitigt ist, daS mehrfache Kohle n-guantum gegenfrüher. DaS Verhältnis ist etwa wie folgt: wo früher 30 Mannbeschäftigt waren, genügen heute etwa 12. Die 30 Mann liefertenunter den alten Verhältnissen 100—120 Wagen Kohlen, jetzt liefernaber 10— 12 Mann wohl an 300 Wagen. Also eine enormeSteigerung der Produktion. Aber in gleichem Maße wiedie Produktion ge st regen, ist die Bezahlunggefallen. Wo früher 1,60 Mark pro Wagen gezahlt wurde,da macht das Gedinge jetzt nur noch 25 Pfennig pro Wagen aus.Ferner werden erspart die Kosten für das Nachbrechen des Han-genden oder Liegenden, Verzinunerung und Gleislegung, was auch4, 5 und mehr Mark für den Meter ausmacht. Das alles kann alsreiner Geivinn für das Unternehmertum gebuchtwerden. Ebenso die Ersparnis von einigen Schleppern. DieFörderleistung pro Kopf der Belegschaft muß da riesig wachsen,in gleichem Maße der Gewinn der Aktionäre. Der Berg-mann nimmt an dem erhöhten Gewinn nicht teil. Danfitdie durch Vereinbarung gezogenen Lohngrcnzen nach obenhin nicht durchbrochen werden, haben die Unternehmer den Berg-mann durch allerlei Maßregeln gefesselt, als da sind: Zwangs-arbeitsnackweis, Sperren, Zechenkolonien usw. Den Grubenaktionärenhat die Krise eine wesentliche Einbuße in ihrem Einkommen nichtgebracht, ist die Krise aber erst völlig überwunden, danndürfen sie auf einen Goldstrom hoffen, wie man ihn in EuropasLändern noch nicht kamite. Und die Bergleute? Wir hoffen, daßsie sich stark genug machen, um sich ihr Recht zu nehmen. Alleszur rechten Zeit!_Huö Inäultrie und ftandd.Umwälzungen.Technische Fortschritte auf dem Gebiete der Gas- und Elektri-zitätsgewiniumg und Fernleitung dieser Erzeugnisse bilden dieGrundlage bedeutungsvoller Umwälzungen. Die interessante Frageder Enttvickelung zum privat-gemeinschaftlichen Be-trieb, einer Wirtschaftsform, die jetzt gegenwärtig in Rheinland-Westfalen nach Entfaltung drängt, behandelt Dr. P. Gilles in einerbei R. Trenkel, Berlin, erschienenen Studie.(„Die Elektrizitätals Triebkraft in der Großindustrie und die Frage der Kraftver-sorgung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet.")Die großen Jndustriewerke schaffen sich nicht nur arbeitsteiligeSpezialWerkstätten mit hochentwickelter Maschinenwirtschaft, son-dern zentralisiere� auch ihre Kraftversorgung. In den Betriebs-zentralen werden die Maschineneinheiten erhöht. Auf Verhältnis-mäßig engem Raum werden Antriebsmaschinen von gewaltigerLeistungsfähigkeit zusammengedrängt. Diese Entwicklung hängtzusammen mit der technischen Entwicklung überhaupt. Abgesehenvon den technisch-konstruktiven Fortschritten im Grotz-Maschinenbauist auf der ganzen Linie das Vordringen der elektrischen Betriebs-kraft bemerkbar. Der elektrische Strom, schmiegsam und über-tragfähig, eignet sich in ganz besonderem Maße für die industrielleKraftversorgung.Die beiden höchsten Stufen elektrischer Kraft- und Licht-Versorgungsstätten sind die Werkzentrale und die Ueberland-zentrale. Die Werkzentrale ist der Großbetrieb für die Produktionelektrischer Energie deS eigenen Bedarfs. Die Ueberlandzentraleversorgt ein größeres Gebiet. In einer technisch-wirtschaftlichenRundschau der„Neuen Zeit" hat Gen. Woldt kürzlich noch daraufhingewiesen, welche volkswirtschaftliche Bedeutung die Einrichtungvon Ueberlandzentralen hat. Durch die Möglichkeit, denhochgespannten Strom weite Strecken fortleiten zu können, ihn vordem Gebrauch an jeder. Konsumquelle in jeder beliebigen Strom-stärke und Spannung umzuformen, spielt die örtliche Lage derZentrale keine einzig bestinimende Rolle mehr. Dem elektrischenBetriebssystem werden neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnet undzugleich dient die Ueberlandzentrale als Ausgleich der LeistungS-schwankungen örtlich begrenzter Werkzentralen.In dem Maße, wie das Bedürfnis nach elektrischer Kraftver»sorgung steigt, wird auch die Produktion elektrischer Energie zueinem profitablen Geschäft. Auch hier entbrennt ein Kampfzwischen Gemeindebetrieb und Privatwirtschaft. Dieser Jnter-essenkampf hat in Rheinland-Westfalen zu sehr eigenartigen Kom-plikationen geführt.Die großen Hüttenwerke haben für ihren eigenen Bedarf sichzuerst ihre elektrischen Werkzentralen eingerichtet. Dann aber kamfür den Hüttenbesitzer die Möglichkeit hinzu, die im Hochofen ausder Verbrennung der Kohle erzeugten Abgase zu verwerten. Früherließ man diese Gase einfach in die Luft entweichen. Die Technikhat jetzt Großgasmaschinen gebaut, hat den Hüttenmann gelehrt,diese Abfallprodukte zur Umwandjung in mechanische oder elek-irische Energie zu Verwendern Die Gewinnung von Gas wird zueinem lukrativen Geschäftszweig. Die Anlage von Koksöfen gehörtum modernen Betrieb. Die Zeche Emscher-Lippe hat allein über!00 Koksöfen erbaut. Damit steigern sich die Betriebskräfte ineiner Zentrale weit über den eigenen Bedarf hinaus. Wohin mitdiesem Ueberschuß an Energieform? Der Hüttenindustrielleliefert GaS an Kommunen oder er wird zum Elektrizitätsprodu-zenten und-Verkäufer. Ein Beispiel dafür gibt die Beteiligungder Hüttenleute am Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk.Im Jahre 1898 wurde dieses Werk auf Veranlassung der StadtEssen von der Firma Lahmeyer gegründet. Zuerst war nur eineEssener Stadtzentrale geplant, aber im Jahre 1902 griffen dieHüttenmagnaten Stinnes und Thyssen in die Weiterentwicklungdes Werkes ein, setzten sich in Besitz der Aktienmehrheit undmodernisierten die Zentrale, d. h. verwandelten die kommunaleLichtzentrale in eine Ueberlandzentrale. Besonders wurden dieAbgase der Stinneszeche Viktoria Mathias für den Betrieb desWerkes ausgenutzt und sonstige Betriebsverbesserungen eingeführt,sodah das Werk den elektrischen Strom bis zu dahin ungekanntniedrigen Preisen abgeben konnte. Wo die VerbrauchSftellen zuweit entfernt lagen und die Leitungskosten den Strom verteuernmutzten, ging man zur Gründung besonderer Nebenzentralen über,die aber alle unter der gleichen Herrschaft standen. Vor allenDingen wurden mit den einzelnen großen Werken Gegenseitig»keitsverträge abgeschlossen. In Zeiten übergroßer Beschäftigung,wenn die Wcrkzentralen den genügenden Strom nicht selbst hervor-bringen können, werden die„Spitzen der Belastung" durch dieEssener Zentrale gedeckt, im entgegengesetzten Falle aeben die Ma-schinen der Werkzentralen ihre überschüssigen ElektrizitätSkräftean das Essener Reservoir ab. Das Werk wird also zum„Elektrizi-tätsbaflkier" des ganzen JndustriebezirkeS.Die Kommunalverwaltungen der größeren Industriestädtehaben vergeblich versucht, durch Gründung eigener� kommunalerElektrizitätszentralen an der allgemeinen Elektrizitätsversorgungteilzunehmen; der Kampf hat auch hier mit einem Sieg des pri-vaten Unternehmens geendet. Der„privat-gemeinwirtschäftliche"Betrieb ist die Wirtschaftsform geworden, gegen die auch kommu-nale Gründungen nicht mehr aufkommen.Sinnfällig zeigt sich hier der Sieg de? GroßindustrialismuS.Ihm schlagen alle Dinge zu seinem Vorteil auS: Die Abfallprodukteder Hüttenwerke fanden Verwendung, für eigene Zwdke wirdbilliger Strom hergestellt, Belastunasschwankungen werden aus-geglichen und die überschüssigen Elektrizitätskräfte großmütig ankleine Gewerbetreibende und an die Allgemeinheit weiter verkauft.Der Großindustrielle ist nun Beherrscher der Situation, der wohlim Aufsichtsrat ein paar Bürgermeister als Vertreter derSlädte sitzen läßt, sonst aber den Staat und die Gemeinde in diesekundäre Rolle eines vertragsschließenden Kontrahenten hinab-drückt.Bietet die erwähnte Studie für das Verständnis der ganzenMaterie sehr instrLktivcs Material, so ist natürlich dxr Verfasser!von wegen der„wissenschaftlichen Objektivität" verhindert, dasLeitmotiv der ganzen wirtschaftlichen Neubildungen, nämlich dasprivatkapitalistische Erwerbsinteresse des beteiligten Unternehmensbei diesen ganzen Manipulationen mit genügender Schärfe heraus-zuarbeiten._30 Millionen Mark Rohgewinn.Der Abschluß der Phönix A.-G. weist für das letzte Jahr einenRohgewinn von 30 145 934 M. auf gegen 23 000 600 M. im Vor»jähre. Nach Abschreibung von 10 888 102 M. verbleibt ein Nein»gewinn von 22 797 311 M.(14 741001 M.). Die Aktionäre sollen15 Prozent erhalten. Demnach beansprucht die Dividende15 Mill. M. gegen 9 Mill. M. im Vorjahre. Die Gewinnanteilemachen 1538 648 M. aus; im Vorjahre waren hierfür 901 522 M.ausgesetzt. Die Dividenden und Gratifikationsschlucker dürfe»»mit dem Resultat zufrieden sein. Wie aber steht es mit den Ar»bettern? Viele von ihnen haben nicht so viel an Lohn erhalten,als im Durchschnitt auf den Kopf an Nohgewinn entfällt. Undda jammern die Stahlkömge über soziale Lasten und Bogehrlichkeitder Arbeiter.Stinnes diktiert.Die Gewerkenversaminlung der Zeche Kaiser Friedrich hat nachlangen, erregten Debatten den Verkauf der Zeche an. die Deutsch-Luxemburgische Gesellschaft mit 825 gegen 95 Stimmen genehmigt.GeWerke Rechtsanwalt Stempel erklärt, er könne keine� Gründezum Verkauf der Zeche erblicken; es sei klar, daß für Stinnes dieNotwendigkeit bestehe, die Zeche Kaiser Friedrich zu erwerben. Diesgehe schon daraus hervor, daß Deutsch-Luxemburg die letzte Zubußezurückvergüte. Er habe erfahren, daß der Plan gefaßt sei, von derZeche Tremonia aus, die Stinnes ja auch kaufen wolle, einen unter-irdischen Tunnel zum Hafen zu bohren und Kohlen zu verladen,wofür bereits 22 Kräne bestellt seien.Die Opposition hat hinterher eine Versammlung abgehalten.20 Gewerke mit 103 Kuxen beschlossen, eine Klage gegen den Kauf-vertrag einzureichen mit der Begründung, daß der Verkaufspreisnicht den Verhältnissen entspreche und der Verkauf gegen die Jnter-essen der Gesellschaft verstoße. Mit der Klage wird man auch kaumetwas erreichen. Daß Sttnnes seinen Willen durchsetzen werde,daran war ja von vornherein nicht zu zweifeln.8o2ia!es.Die Internationale Konferenz für Sozialversicherung,über deren Verhandlungen an den ersten beiden Tagen wir auS»führlich referiert haben, wurde am Donnerstagabend nach mehrerenReferaten über die Verstcherungssysteme in einigen Ländern ge-schlössen. Die Referate brachten nichts Neues. Beschlüsse wurdennicht gefaßt._Ein neues Mittel zur Bekämpfung der Landfluchthat ein Herr Dr. Hofftneister-Königsberg, eine in agrarischenKreisen als Autorität anerkannte Persönlichkeit, gefunden. Aufdem Verbandstag läi»dlicher Genossenschaften für Ostpreußen am6. September i>. I. hielt dieser Herr im Ostseebad Cranz eine»;Vortrag über:„Landflucht und ländliche Heiinarbeit." Er schildertzunächst die unangenehmen Folgen der Landflucht, die seiner Ansichtnach dadurch hervorgerufen wird, daß die Arbeitskraft der Guts»und Freiarbeiter nicht genug ausgenutzt werden könne und daherihr Einkommen zu gering sei. Es sei oft keine Wintersarbcit zuerhalten. Didser Arbeitsmangel verstärke die Landflucht. Es seidaher die Einführung ländlicher Heimarbeit von großer Volkswirt-schaftlicher Bedeutung. Dazu rechnet dieser Herr: 1. Die Wieder-belebung des alten HauSfleißes, Spinnen und Weben für denHaushalt. 2. Das Wiederaufnehmen der alten primitiven Holz»bearbeitungskunst(Schnitzen von Holzschuhen und Heiligenbildern s?j).3. Die Schaffung einer Korbweidenkultur und die technische Be»arbeitung der Weidenruten.Also weil die Herren Gutsbesitzer, die Forstverwaltungeu, Ziegeleien und sonstigen ländlichen Arbeitgeber ihren Arbeitern einenausgiebigen Lohn und anständige Behandlung nicht zu teil werdenlassen wollen, soll der läiidliche Arbeiter und natürlich auch seineganze Familie durch Heimarbeit sich einen Nebenverdienst ver«schaffen. Seine Frau und seine Kinder sollen spinnen, weben undkorbflechten, während der Mann sich für niedrigen Lohn in derLandwirtschaft abrackert. Der fast aus allen ländlichen WohnungenVerbannte. auS früheren Jahrhunderten stammende Spinnrockenund Webstuhl soll wieder zu Ehren gelangen und den mit denneuesten techniichen Einrichtungen und Maschinen ausgestattetenFabriken Konkurrenz bieten.Wie wandelbar dieser erfindungsreiche Herr doch ist. Infrüheren Reden und Schriften bestritt er es ganz entschieden, daß esdie schlechten Löhne seien, die die Landarbeiter aus ihrer Heimatnach den Städten treiben. Als Ursache der Lmidflucht bezeichnete erdie zunehmende Genuß, und Vergnügungssucht der Landleute,Der Landrat als Berlangsamer der Krankenkassenpflege.Die preußischen Landräte fungieren bekanntlich auch als Auf»sichtSinstanzen für die Krankenkassen in Gemeinden von wenigerals 10 000 Einwohnern. Sie haben auch in allen Streitigkeitenzwischen den Mitgliedern und der Kasse über Unterstützungen zuentscheiden, bevor das ordentliche Gericht angegangen werden kann.Das LandratSamt ist insbesondere bei der Vielseitigkeit der Auf»gaben, die der preußische Landrat als politischer Beamter zu er,ledigen hat, eine durchaus ungeeignete Instanz.In wie unglaublich langsamer Weise Beschwerden der Ver»sicherten über die Krankenkasse durch die Landratsämter erledigtwerden, mußte der Kellner Z. in Frankfurt a. M. erfahren. Ererkrankte im März d. I. und mußte sich, da die OrtSkrankenkassezu Oberursel im Taunus ihm jede Unterstützung verweigerte, mitBeschwerde an den Landrat des Obertaunuskreises zu Hom-bürg v. d. H. wenden. Dies geschah Anfang April d. I. Wochen-lang hörte der Erkrankte über daS Schicksal seiner Beschwerde über»Haupt nichts. Seine Zeugen waren wohl gehört worden, abervergeblich wartete er auf die Entscheidung, die ihm die Unter-ftützung zusprechen sollte. Endlich Ende Juni wurde dem Ver-sicherten vom LandratSamt eröffnet, daß der Arbeitgeber erklärthätte, der Erkrankte sei nur zur Aushilfe bei ihm beschäftigt ge-Wesen und habe deshalb der Versicherungspflicht nicht unterlegen.Trotzdem der Beschwerdeführer schon vorher behauptet und dreiZeugen dafür angegeben hatte, daß er mehrere Wochen lang inStellung gewesen sei, wurde feiner Beschwerde noch nicht ent-sprachen, sondern er nochmals nach der Richtigkeit seiner Angabenbefragt. Wörtlich heißt es in der Aufforderung des LandratS:„Ichersuche daher um Aeuherung, ob Sie und Ihre 3 Zeugen in derLage und bereit siird, die vor dem Kgl. Polizei-Präsidium ab-gegebenen Erklärungen durch den Eid zu bekräftigen. Die Kostendes Verfahrens würden der unterliegenden Partei zur Last fallen."Der Zweck dieser Aufforderung ist nicht zu erkennen. Denn dieAufsichtsbehörde ist nicht befugt, Zeugen eidlich zu vernehmen, ge-schweige denn Parteien einen Eid aufzuerlegen. Trotzdem gabder Beschwerdeführer auch auf diese Frage Antwort, um nur end-lich einmal eine Entscheidung zu bekommen. Auf diese warteter aber heute noch vergeblich. Eine solche Verzögerungwiderspricht dem Geist des Krankenversicherungsgesetzes ganz ent-schieden. Die Tatsache, daß ein Erkrankter schon fünf Monate aufdie Entscheidung der Aufsichtsbehörde wartet, ob die Krankenkasseihm Unterstützung zu gewähren hat, zeigt, wie nötig es ist, diepreußischen Landräte nicht zur Entscheidung in Kassenangelegen,.heften zu berufen.