Mt, daS geht nicht o�ne weiteres. Aber wenn man so in Nord-Deutschland verfahren hat, dann begreift man die ungeheure Er-bitterung, die das Verhalten der Badenser hervorgerufen hat, dannbegreift man es, daß eine Menge von Anträgen gekommenfind, die erklären:Hinaus mit Ihnen!Sie gehören nicht mehr zur Partei, denn sie haben Parteitags-beschlüsse verletzt und bewußt gegen den Willen der Partei ge-handelt.(Lebhafte Zustimmung.)Nun mache ich gar kein Hehl daraus, ich habe mich auch eineWeile besonnen, ob ich einen solchen Antrag ein-bringen soll.(Bewegung.) Ich habe sogar eine Fassung ge-habt, ich will es Ihnen ruhig sagen, es sind keine Staatsgeheim.nisse. Wir haben dann darüber beraten. Da hat man mirGründe gebracht, so daß ich gesagt habe: Nein, wir lassendas weg. Aber ich habe mir gesagt: Wenn es wieder vorkommt,dann gibt es keine Gnade mehr.(Lebhafter Beifall.) Wir könnenzugestehen, daß die Abgeordneten im guten Glauben handelten,und daß es sich tatsächlich ergeben hat, daß die badische Parteilyren Schritt billigte. DaS sprach zu ihren Gunsten. Ich haltees für ungerecht, wenn man bei den Anklagen soweit gegangenist, daß man gesagt hat: Sie haben Verrat an der Partei begangen.(Hört! hört!/ Wenn ein Parteigenosse Verrat begeht, bann gibt eSkein Erbarmen, kein Mitleid, dann muh er heraus!(StürmischeZustimmung.) Um das zu beweisen, genügt nicht, daß der eineoder andere Vermutungen hat, die Badenser seien Verräter. Dasmüßte bewiesen werden, da müssen Tatsachen vorliegen. Diebloße Tatsache, daß man gegen einen sehr klaren und wiederholtausgesprochenen Beschlutz der Partei gehandelt hat, stempelt einennoch nicht zu einem Verräter. Verräter ist einer, wenn er mitAbsicht die Partei verderben will oder hofft, Vorteile zu gewinnen,sagen wir, vielleicht Geheimrat zu werden.(Heiter-keit.) Wenn das nachgewiesen werden könnte, wenn einer so dummgewesen wäre, das zu sagen, das wäre ein Verräter. Den könnenwir nicht brauchen. Wie die Dinge heute liegen, können wir Ge-heimräte nicht als Parteigenossen ansehen.Ich erkläre auch, ich glaube auch im Namen meinerVorstandsgenossen und der Kontrollkommission,deren Gesamtprodukt in der von mir hier vertretenen Resolutionvorliegt, daß wir dem Zusatzantrag der 200 Genossen nichtnachkommen können, daß wir nicht dafür stimmen können, und daßwir die Parteigenossen dringend bitten, das Amendement zurück-zuziehen.(Beifall.)Aber ich erkläre auch wieder, daß es in unserer Resolutionklar und deutlich heißt:.Die Mißachtung von ParteitagSbeschlüsscnisteinSderschlimmstenVergehen, dessen sich ein Partei-genösse gegen die Partei schuldig machen kann." Wenn nun, nach-dem eine breite Diskussion stattgefunden hat, nachdem die Parteiwochenlang in der furchtbarsten Aufregung gehalten wurde, nach-dem Parteitagsbeschlüsse vorliegen, wenn dann wieder andersgehandelt werden sollte, dann hört alles auf! Das lassen wir unSnicht gefallen, dann mag passieren, waS will. Dann sage ich:Schluß! Mag dann in Frage kommen, wer will.(Bewegung.)Nun ist die Frage aufgeworfen worden, welche Befugnisse derPartei zukommen und welche nicht. Ich habe schon auf die Er-klärung der 66 hingewiesen. Der Bayerische Parteivor-st a n d hat ja etwas Aehnliches in Erlangen verkündet. Ichgehe wohl nicht fehl, wenn ich sage, diese Erklärung AuerS warwohl präpariert im Ausschuß in München. Es wird darin gesagt,dOß über alle speziellen Fragen der Landespolitik die Landes-organisationen selbständig zu bestimmen haben sollen. Es istinzwischen ein Streit unter den bayerischen Genossen entstandenüber die Bedeutung dieser Erklärung. Sie enthält in der Haupt-fache dasselbe, was die 66 sagen. Demgegenüber erkläre ich, undich bin event. entschlossen, diese Erklärung als Resolution demParteitag vorzulegen:„Der Parteitag der Gesamtpartei ist die oberste Instanz derPartei. Als solche hat der Parteitag das unbestreitbare Recht,als letzte Instanz in allen Parteiangelegenheiten, seien sie prin-zipieller, taktischer oder sachlicher Art, endgültige Entscheidungzu treffen, sobald er dazu angerufen wird. Es gibt keine Or-ganisation, kein Kollegium, keine Person, die sich dem letzt-rnstanzlichcn Entscheid deS Parteitages der Gesamtpartei ent-ziehen kann. Diese autoritative Stellung des Parteitages ergibtsich naturgemäß aus der Tatsache, daß die deutsche Sozialdemo-kratie eine einheitliche Partei ist mit einer einheitlichen Organi-sation, mit einem gemeinsamen Programm und mit gemein-samen Zielen."Nun will ich hören, ob jemand gegen diesen Standpunkt auf-tritt und sagt: Nein, das gestehen wir dem Parteitag nicht zu,dazu hat er kein Recht! Dann wollen wir darüber entscheiden.Es wäre doch merkwürdig, wenn der deutscheParteitag seine eigene Autorität herabsetzenwürde, weil da Leute in Reuß-Schleiz-Lobenstein, Bückeburg,Lübeck, Bayern, Baden, Württemberg meinen, wir müßten andersverfahren. Wir haben diese traurigen Gebilde deutscher Zerrissen-heit, die sind leider da. aber so weit zu gehen, daß sie daS Rechthaben, selbstherrlich zu entscheiden, und daß der Parteitagzuschaut, selbst we»n eS auch noch so toll zugeht, nein, ich danke.Davor werden wir uns hüten. Das kommt schließlich daraufhinaus, daß jeder machen kann, WaS er will. Da geht die ganzePartei zugrunde. Ich sage es ganz offen: Ihr Süddeutschen seidganz famose Kerle, sogar ein C a p u a habt Ihr(Heiterkeit), viel-leicht verbringe ich gar den Rest meiner Tage in Capua(Hört! hört!), aber Capuaner werde ich nicht.(Lebhafter Beifall.)Ihr Süddeutschen habt zu viel Gemüt, Ihr seid zu weich,Ihr laßt Euch zu leicht knebeln.(Auer ruft: Sehr richtig!Heiterkeit.) Wir brauchen aber stramme, aufrechte, rück-grat starke Männer. Wir brauchen entschiedene Leute, dieauftreten und wissen, was sie wollen, und die auch danach handelnund die den Gegner nicht im Zweifel darüber lassen. Aber wennes vorkommt, daß in Bayern, wo der Ultramontanis-mus in der fürchterlichsten Weise regiert, wo dieRegierung ganz im Banne der U l t r a m o n t a n e nsteht, wenn eS da vorkommen kann, daß in der Fraktion noch einkleiner Teil vorhanden ist. der unter solchen Verhältnissen für diebayerische Regierung daS Budget bewilligen will, da hört derSpaß auf. Da wollen wir die Kontrolle haben. Wenn wir dafreie Hand lassen, dann kann eS unS sehr schlecht gehen, dannleidet die Partei darunter.Nun ist aber noch verschiedenes vorgekommen, daS außer-ordentlich bedauerlich ist. In dem erregten Kampfe, der sich ent-wickelt hat, haben die Süddeutschen ganz direkt gesagt: Damischen sich in unsere Angelegenheiten nicht nur die Preußenund die Sachsen, sondern auch die Ausländer, dieRosa Luxemburg und Panneloekl Das ist der inter-nationale Standpunkt der Süddeutschen. Rosa Luxemburgist deutsch wie Auer, Pannekoek ist Ausländer, manhat ihn um seine Stellung gebracht. Da kommt die„Pforz-heimer Freie Presse" und nennt die vier Bremer Abgeord-neten zum Parteitag und druckt den Namen Pannekoek gesperrt.So wird denunziert. DaS ist abscheulich uud erbärmlich und solltenicht vorkommen. Auch der Kolb hat in daS Horn gestoßen; aucher ist gegen die Ausländer. Wie heißt eS doch gleich:„Ausländer,Fremde sind eS meist, die unter uns gesät den Geist der Rebellion;dergleichen Sünder sind meistens keine Landeskinder."In Baden gibt eS das nicht. Ihr seid zu zahm er-zogen dort, Ihr erzieht auch Eure eigenen Leutezur Zahmheit. Ich erinnere nur an den Artikel über Goetheim Karlsruher„Volksfreund". Ich will erklären, daß Kolb darannicht schuld ist. Aber es handelte sich um einen Verein, woPfaffen und Mucker und Nationalliberale undleider auch Sozialdemokraten mitwirkten. Wiekonnte ein sozialdemokratisches Blatt ein derartiges Referatbringen. Während da geeiferr wird gegen die Parteigenossen, diesich eingemischt haben, hat Kolb selbst ,m Mai dieses Jahres, alssich Ferrt iL Vom dem UuüeojMen Kö.nig gegenüber Jefir wer!-.lvürdig benahm, geschrieben:„Jeder Mensch hat däZ Recht, sichzum Narren zu machen, soviel er will, aber keiner hat dasRecht, seine Partei zum Narren zu mache n." Ichwünsche, das würde von uns stets beachtet, besonders vonden Badenser n.Wir sind jetzt in einer Zeit, wo wir uns auf faule Kom-p r o m i f s e nicht einlassen dürfen.Die Klassengegensätze werden nicht milder, sie werden schärfer.(Zustimmung.) Wir marschieren sehr, sehr ernsten Zeiten ent-gegen.(Zustimmung.) Was kommt nach den nächsten Wahlen? DaSwollen wir abwarten. Wenn es gar dazu kommt, daß 1912 odersonstwann ein europäisches Kriegsgewittcr heruntersaust, dannsollt Ihr sehen, was wir zu tun haben, und wo wir da zu stehenhaben. Sicherlich ganz wo anders, als wo man jetzt in Badensteht.(Auer ruft: Da sind wir ja auch noch dal) Das will ich ja.Glaubt Ihr, ich will Euch ausschließen? Eure Taktik aber erregtVerbitterung, sie hemmt die Entschlossenheit, die Schlagfertigkeit,das Vorwärtsmarschiercn mit festem Schritt und Tritt. In Reihund Glied soll marschiert werden, wir können keine Seitensprüngebrauchen. Das wollte ich mit meinen Worten sagen.(LebhafterBeifall.)Auch die Hofgängerei verbittet sich die Partei.(Zuruf vonden Badensern: Wir waren doch nicht dabei!) War das nicht auchein Hofgang, daß man ganz überflüssigerweise zu dem feierlichenLandtagsschlutz ging? Im Karlsruher Schloß'wird manEuch das wohl angerechnet haben? Die wollen doch aber auch keineLeute mit Seitensprüngen. Ihr verderbt es mit uns undmit ihnen, Ihr sitzt zwischen zwei Stühlen.(WiderspruchFranks.) Jawohl, mein lieber Frank! Das habt Ihr mit EurerWeisheit, mit Eurer staatsmännischen Klugheit, mitEurer Diplomatie erreicht, die so unklug war wie noch nie.(Stürmische Zustimmung.)Niemals haben Parteigenossen sich so blamiert vor den Gegnerqwie Ihr(Stürmische Zustimmung.) Im Schloß zu Karlsruhe findetheute die Hofcour zum Ehejubiläum des GroßherAogspaaves statt.Es freut mich, daß die von der Fraktion erwählten VertreterGerß und Pfeiffle hier in unserer Mitte sind.(Heiterkeit.)Die Mannheimer Parteigenossen haben nämlich gesagt: Die schickenwir nach Magdeburg, da sind sie aus der Verlegenheit herausl(Große Heiterkeit.) Aber wie steht es denn mit dem A 74 derGeschäftsordnung des badischen Landtags? Dersollte Euch doch zwingen, daß Ihr da die Deputation mitmacht.(Frank ruft: Jeder ist doch mal verhindert!) Der Z 74bindet Euch, es freut mich aber, baß Ihr Euch nicht habt bindenlassen, ebenso freut es mich, daß Ihr 24 Stunden lang gegen dasBudget stimmen wolltet. Ich sage doch, es geht, daß man gegendaS Budget stimmt, Ihr habt es selbst bcwieien, Ihr könnt reden,was Ihr wollt. Die Tatsache, daß Ihr 24 Stunden lang dasBudget verweigert habt, muß alle Eure Argumente überden Haufen werfen.Nun hat man freilich in Karlsruhe über die Schlau-meieret gelacht, mit der man den höfischen Festlichkeiten fern-geblieben ist, man lacht da überhaupt über manches.(Heiterkeit.)Kolb hat immer gesagt: zwingt mich nur nicht, daß ich mehr sage!Und dabei hat er soviel gesagt, was er nicht hätte sagen sollen,daß ich mir sagte, na, so ein Schlaumeier ist mir nochnicht vorgekommen(Heiterkeit), der das Gegenteil dessentut, waS er eigentlich tun will und tun sollte. Nein, Genossen, sogeht eS nicht weiter, wir müsse» Glied an Glied, Kopf an Kopfmarschieren in geschlossener Reihe. Sollte jemand so tollkühnsein, zu sagen, ich gehe meinen eigenen Weg, ich kann nicht akzep-tiercn, was ihr heschlossen Ijabt— nun, s o soll er es tun.(Stürmischer Beifall.) Es sind Episoden in der Geschichte derPartei, wo ähnliches war. Ich erinnere an Bräuer, der 1875von der Vereinigung nichts wissen wollte, der aus der Partei auZ.schied und mit seinem kleinen Häuflein jahrelang unbemerkt wieein Veilchen am Wege geblüht hat. Kein Hahn hat danach gekräht.Hasselmann versuchte die Partei zu sprengen, Most versuchtecs, sie sind hinausgeschoben und die Partei ist weiter marschierti(Zuruf von den Süddeutschen: Wollen wir denn die Parteisprengen?) Aber ich bitte Euch, hört doch, WaS ich sage. Wenneiner da wäre, der das ivollte, den erinnere ich an die geschichtlichenVorgänge, und wenn es mehrere wären, sellsst die angesehensten.und wenn ich eS mache» wollte, ich märe sehr bald ein Generalohne Armee.(Sehr richtig!) Wr können unsere Stellung alsFührer nur behaupte», wenn wir im Sinne und Geiste derPartei arbeiten und tätig sind.(Bravol) Nur dasallein kann uns die Stellung geben. Wir führen auch nicht, wirwerden weit mehr geschoben, als wir führen, und das ist gut so.Denn wenn es manchmal aus die Führer ankäme, dann würdenwir irre gehen.(Sehr richtig!) Aber ich finde mich in dieseRolle, auch ich habe schon Dummheiten gemacht.(Heiterkeit.) Ich habe cs aber immer zugegeben, wenn ich es ein-gesehe» habe.(Erneute Heiterkeit.) DaS ist ein Unterschied, undich habe mich gehütet, einen zweiten Fehler zu machen. Also jetztheißt es, geschlossen marschieren, den Ereignissen, die kommen, dieStirn bieten, nicht nach rückwärts schauen. Vorwärts, marsch,durch und drauf.(Brausender, anhaltender, sich mehrfachwiederholender Beifall.)Dr. Frank- Mannheim:Genossinnen und Genossen: Soweit ein Sünher überhauptmit der Rede seines Anklägers zufrieden sein kann, war ich vonden Worten Bebels a n g e n e h m ü b e r r a s ch t. Ich muß sagen,eS hat bei allem Ernst eine gewisse Zärtlichkeit für uns Badenerherausgeschaut(Heiterkeit), und ich habe an den Vers denk/nmüssen aus der Weisheit des Brahminen:„Was soll ein Vater tun, wenn ihm ein Sohn mißraten?Der Täter bleibt ihm lieb, so leid ihm sind die Taten."B e b e l hat sich damit auf jenen Boden gestellt, auf den über-Haupt nur eine kameradschaftliche Diskussion möglich ist.(Sehrrichtigl) Er hat anerkannt, daß wir in g u t e r A b s i ch t, in derMeinung, unserer Bewegung zu nützen, gehandelt haben; er hatanerkannt, daß unsere Personen uno unsere Ueberzeugungen zurespektieren sind bei aller sachlichen Gegnerschaft. Ich bin zumeiner Freude durch diese Tatsache der unangenehmen Aufgabeüberhoben, mich mit jener Gruppe von Genossen auseinander-setzen zu müssen, die geglaubt haben, andere Wege gehen zu sollen.die nicht nur unsere Meinung zu bekämpfen, sondern außerdemunsere Motive und unsere Personen zu ver.dächttgen sich verpflichtet glaubten. Ich kann nichtalle aufzählen und will eS nicht tun; daß die„Leipziger Volks.zeitung" dabei war, ist selbstverständlich(Vehr richtigl), aber fürihre Verhältnisse, ich sage es offen, war sie direkt anständig.(Heiterkeit.) Sie hat bloß behauptet, daß wir Parlament»-rlscheKretins und Klein burger sind; das nehmen wirdem Genossen L e n s ch nicht übel: wir wissen, daß er gewohnt ist,die Dinge und Menschen vom hohen Roß herab zu beurteilen.(Heiterkeit.) Genosse Stadthagen sagte unS ja allerdingshündisches Benehnien nach, und es kam auch GenosseAntrick und da» Blatt des Genossen Gewehr, daS uns be-zeichnete al» Byzantiner und als Streber, die nachMinistersesseln schielen.(Lachen.) Ich halte eS fürunter der Würde des Parteitages und der badischen Genossenliegend, auch nur mit einem Worte zu erwidern.(Zustimmung.)In die eine Wagschale lege ich die Meinung Bebels und in dieandere das Urteil StadthagenS, AntrickL, Gewehrs und LenschS undüberlasse getrost dem Parteitag die Entscheidung, auf welcher SeitedaS gewichtigere Urteil ist.(Sehr gut!)Wir kommen zu Ihnen nicht reumütig, sondern indem Bewußtsein, das Gute gewollt und getan zu haben. Wirhaben die Partei nicht provoziert und nicht überfallen, sondern wirkonnten gar nicht offener und klarer zu Werke gehen. Von allenSeiten sind, wie Bebel schon erzählt Hai, in Nürnberg die möglichenFolgen eines verfehlten Beschlysses vsrguKgesagt worden. NeWarnungen ivären umsonst, und eS katti die Resolution und di<Erklärung von Segitz. Die Erklärung Scgitz war nicht nur eineArt Rechtsverwahrung, sie drückte den ernsten und festen Entschlußaus, bei aller Achtung vor der Gcsamtpartei und den Beschlüssendes Parteitages die Verhältnisse der einzelnen Länder nicht zuvergessen, die sich nicht alle einheitlich bewerten lassen. Die anden Parteitag anschließenden Proklamationen des badischen undbayerischen Landcsvorstandes, die beide jene Erklärung� der 66 zuder ihrigen gemacht haben, mußten alle Zweifel über dieNatur jener Erklärung beseitigen. Daß sie ver-standen worden ist, beweist ein Artikel im„Correjpondenzblattder Generalkommission für Deutschland". Dieses so vorsichtig ge-leitete Organ hat damals geschrieben:,ALas wird die Folge dieses Beschlusses und dieser Er-klärung sein? Das ist die Frage, über die nunmehr in derParteipresse lang und breit geleitartikelt wird. Man hätte sichdiese Frage besser vor dem Parteitage vergegenwärtigt, denn sieführt fast allgemein zu ruhigerer Erwägung der Dinge und zudem lebhaften Wunsche, die Süddeutschen möchten keinen Schritttun, der zu einer Trennung führen könne. Die Frage ist aberauch gar nicht unmittelbar zu beantworten, weil sich eben Bud-getabstimmungen nicht auf Jahre hinaus dirigieren lassen. Ebendeshalb, weil es sich um eine Frage der parlamentarische,!Taktik handelt, sind die süddeutschen Genossen gar nicht im-stände, jetzt schon zu erklären, was sie bei der in zwei Jahrenwiederum fälligen Abstimmung zu tun gedenken. Sie werdendurch den Gang der Landespolitik bestimmt, zu handeln, wie esnotwendig erscheint. Sie werden dabei selbstverändlich nicht denWunsch haben, neue Auseinandersetzungen mit den Genossenjenseits des Mains oder der Elbe zu provozieren und die kost-bare Zeit eines Parteitages für ihre Landesangelegenheiten inAnspruch zu nehmen'— sie werden bei ihrer Entscheidung alsoauch dieses Maß von Verantwortlichkeit berücksichtigen müssen.Man kann indes nicht von ihnen verlangen, daß sie automatischdas Budget verweigern und eine entsprechende Menge vonGründen aufsagen, sondern man muß ihnen in ihrem Kampfemit bürgerlichen Parteien so viel Ellenbogenfreiheit gewähren,um im Dienste der Arbeiterbewegung pol, tisch erfolgreich tätigsein zu können. Es werden also für die Folge Budgetabstim-mungen doppelt vorsichtig erwogen werden, aber auch da wer-den Budgetbeivilligungen nicht absolut ausgeschlossen sein. Mögedann von allen Seiten rechtzeitig der Weg der Verständigungbeschritten werden, um einer Enttoickelung der Auseinandersetzungen vorzubeugen, die diesmal der Partei die Gefahr derSpaltung nahegebracht hatten."Auch bürgerliche Kreise haben damals denselben Ein-druck gehabt. Ich bringe dieses nicht etwa darum vor, um Schuld-losigkeit für uns abzuleiten, ich will aus der politischen Frage keineRechtsfrage machen; ich bringe es nur vor, um zu sagen, es warkein Zufall, daß gegenüber diesen Dingen die Partei und derLeipziger Parteitag vollständig geschwiegen haben. Sie taten dasdeshalb, weil ein großer Teil von Ihnen nach Nürnberg dasGefühl hatte: wir haben den Bogen überspannt.(Zu-stimmung und lebhafter Widerspruch. Gelächter.) Wir haben aufeine große Minderheit in der Partei nicht die Rücksicht genommen,die notwendig ist für Vis Aufrechterhaltung der Mehrheitsbeschlüsse.(Zustimmung. Widerspruch. Rufe: Zuviel Rücksicht!)Aber auch wenn das Schweigen und diese Erklärung nicht vorban-den gewesen wäre», wir Hütten trotzdem nicht anders gehandeltund nicht anders handeln könne», als wir gehandelt haben, weilchjr der Auffassung sind, daß gegenüber der Pflicht der Disziplinauch die Pflicht besieht, diese Disziplin vernünftig auszulegen,und daß es Umstände gibt, unter denen der Disziplinbruch zurPflicht wird.Das oberste Gesetz, unter dem wir alle stehen, ist, alles zu tun.waS� den Aufstieg der Arbeiterklasse zur politischen Macht fördert.iZustimmung.) Und alles zu verhindern, was diesen Aufstieghemmt.(Sehr richtig! Zuruf: Wer entscheidet das?) Wenn einParteibeschluß der Bewegung schweren Schaden brächte,dann kann ein Disziplinbruch zur Pflicht werden.D,e Partei will keinen automatischen Gehorsam. Bebel hat dasvollständig zugegeben, denn das entspricht der Tradition und Taktikder Partei. Jeder Parteitagsbeschluß gilt unter dem stillen Bor-behalt, daß er nicht von Maschinen, sondern von vernünftigenMenschen ausgeführt wird. Bebel und Singer haben mehr»fach, der erste eben noch zugegeben, daß sie unter Umständen gegenParteitagsbeschlüsse gehandelt haben. Dagegen kann man sich nuraus dem Geist der unbedingten Wortdisziplin wenden, die gesternS t a d t h a g e n so ausgezeichnet verspottet hat.(Sehr gut!) Beijenem Bruch des St. Gallener Beschlusses hat Singer mit Recht er-klärt: wir wären Verräter gewesen, wenn wir Stimmenthaltungproklamiert hättem Nun sagt Bebel, es ist ganz etwas anderes,wenn von der leitenden Stelle eine solche von den Beschlüssen ab-weichende Stellung ausgeht(Bebel: Das habe ich nicht gesagt!)von denen, die die Ueberzeugung haben, daß sie die Gesamtparteihinter sich haben. Bebel hat weiter darauf hingewiesen, daß erselbst nachher um Indemnität ersucht hat. Ja. wenn ich wüßte, daßich die Mehrheit bekomme, würde ich auch um dieIndemnität bitten.(Große Heiterkeit. Bebel: Das ist ebender Unterschiedi) Bebel machte weiter einen Unterschied zwischenProgramm und Taktik. Ja. es ist häufig furchtbar schwer heraus-zufinden, wo eS sich bei den Beschlüssen um das Programm,und wo um die Taktik handelt. Wenn man beschließt, einmal eineDummheit zu machen, so ist daS ein taktischer Beschluß, wenn manbeschließt, die Dummheit immer zu machen, dann istes ein prinzipieller Beschluß. Auf Grund des Wort-lautes deS Nürnberger Beschlusses kann man einfach nicht sagen,daß dort ein Prinzip aufgestellt ist.(Sehr richtig!), denn einPrinzip läßt keine Durchlöcherung zu, und der Nürnberger Be-schluß läßt Ausnahmen zu. Der Parteitag kann schließlich ebensowenig wie das englische Unterhaus aus einem Mann eine Fraumachen,.(Heiterkeit.) Wir können nicht die Natur der Dingeändern, und wir können nicht aus taktischen Dingen ihrer Naturzuwider prinzivielle Dinge machen.Wie sind wir zu unserem sogenannten Disziplinbruch gekommen?.Ich weiß, daß für den Teil des Parteitages, der sich auf den diS»ziplinarrechtlichen und Partei strafrechtlichenStandpunkt stellt, meine Ausführungen wertlosfind. Wer auf solchem Standpunkt steht, sagt einfach: eS mußOrder pariert werden, mag da folgen, was da will. Aber aus denAusführungen von B e h.e l glaube ich entnehmen zu dürfen, daßdieser rein formale Standpunkt niemals der Standpunkt der. Parteigewesen ist. Wir sind nach langen Kämpfen— nehmen wir an, sieseien leicht gewesen— in Baden zum direkten Wahlrecht ge-kommen. Zunächst kämpften wir Seite an Seite mit den bürger-lichen Demokraten und dem Zentrum gegen die Liberalen, späterhaben die Liberalen mitgemacht. Bei ven ersten direkten Wahlenbekam das Zentrum im ersten Wahlgang von 7g Sitzen 28. Dieschwarze Gefahr stand vor den Toren. Da sind wir von denMassen dazu getrieben, dazu gekommen, jenes Gebilde zu schaffen.daS unter dem Namen„G r o ß b l o ck" jetzt so viel beredet wird.Bei manchem Genossen gehört eS in der letzten Zeit z rm gutenTon, über diesen Grotzblock zu lächeln und zu witzeln'Es mußdoch ein lebensfähiges Gebilde sein, denn sonst wäreeS in fünf Jahren schon totgeredet und totgeschriecn worden.Spielen wir nicht mit Worten. Seit Jahrzehnten stimmt unserePartei in den Stichwahlen überall für die Liberalen gegen dierechts stehenden Parteien, wenn es auch einmal Unstimnugkeitenmit Quidde und Blumenthal gibt. Immer wird darüber geklagt,daß es ein einseitiges Verhältnis sei, daß wir die Liberalen wählen,und sie unS durchfallen lassen. DaS Wesen des Großblocks bestehtnun eben darin, daß wir erklärt haben, wir machen das nichtweiter mit. Wir wählen die Liberalen, wenn sie sich schriftlich ver»pflichten, auch unS zu wählen, diesen Vertrag veröffentlichen undauch halten.(Sehr richtigl) Und der Vertrag ist gehaltenworden. Der Großblock ist also nichts weiter, als die Her-ttellung der Gegenseitigkeit, die von uns in Nord-LtzutschlM iam« perlcmgt aber nicht durchgesetzt worden ist.(Cehr