unbedingtes Festhalten am Nürnberger BeWust. Mindestensliegt bei Frank dolus eventualis(Heiterkeit) vor. Ich meine dasnatürlich nicht im Sinne unserer Staatsanwälte. Wie geistlosund durchaus unwahr ist das Gerede vom Dogmatismus, von derInquisition und vom Kadavergehorsam in unserer Partei. Keineandere Partei ist so nachsichtig gegen Seiten-spränge, wie die unserige. Sogar die Nationalliberalen habenden Kommerzienrat Menk wegen seiner Angriffe auf das Reichs-tagswahlrecht und Graf Oriola und Hehl wegen ihrer Haltungbei der Reichsfinanzreform ausgeschlossen.In unseren Reihen aber sind Leute tätig, die sich Sozialdcmo-traten nennen, aber wie auch Richard Fischer betont hat, von derüberwiegenden Mehrheit der Genossen nicht mehr als Sozial-demokraten, vielleicht sogar als Nationalliberale angesehen werden.Ganz gewiß muß die Disziplin vernünftig ausgelegt werden. Mankann in die Zwangslage kommen, einen Parteitagsbeschluß über-'treten zu müssen. Aber dann tritt man, wie Bebel in demSt. Gallener Fall vor den Parteitag und bittet um Indemnität.(Lebhafte Zustimmung.) Ich bin gewiß überzeugt, Freunde ausBaden, daß Sie auch richtig den Parteiintercssen zu dienen beab-sichtigt haben, aber wer entscheidet denn über das Parteiinteresse?Die Unterinstanz oder die Oberinstanz, der Parteitag oder irgendeine Fraktion, oder kraft des jetzt verkündeten Rechts auf selbstherrliche Individualität der einzelne Parteigenosse? Dann ist esaus mit der Geschlossenheit und Einigkeit, dann ist die Auf-lösung dal(Lebhafte Zustimmung.)Mein Freund Braun beantragt Niedersetzung einerS t u d i e n k o m m i s s i o n. Ich muß mich dagegen wenden,wie ich eS schon in Königsberg getan habe. Es hieße doch, denParteitag beleidigen, wenn man annimmt, daß er nach so vieleneingehenden Erörterungen noch nicht die Budgetfrage begriffenhat,— wenn es auch noch einige TimmS unter uns geben mag. DieBudgetfrage ist keine Einzelfrage. Sie läßt sich nicht losgelöst vonunserer gesamten theoretischen und taktischen Grundlage beurteilen.Läßt ja auch Kolb keinen Zweifel darüber, daß er planmäßigdie Partei vom Boden der Dresdener Resolution entfernen will.Das ist der politische Charakter der Budgetfrage, das ist ihre hoheBedeutung.(Lebhafter Beifall.) Genosse Frank beschwerte sichüber die Angriffe gegen die Großblockpolitik. Niemand wird etwasGewichtiges gegen das Stichwahlabkommen mit den Liberalen ein-wenden. Aber ganz anders steht es mit der parlamentari-schen Tätigkeit. Sie kennen doch, Genosse Frank, den Hohnund Spott, den wir alle über die konscrvativ-liberale Paarung aus-gegossen haben. Das Verhalten der Liberalen war doch verteufeltähnlich dem Verhalten unserer bndischcn Genossen.(Sehr richtig!Lebhafter Widerspruch bei den Süddeutschen. Bebel ruft: Es istganz gleich!) Die Taktik, wie sie uns hier empfohlen wird, ist dieuralte Taktik, die die Nationalliberalen von Niederlage zu Nieder-läge geführt hat.(Lebhafte Zustimmung.) Jeder von uns willKonzessionen erzwingen, will Verbesserungen durchsetzen. Es heißtKatzenstein mißverstehen, wenn man meint, daß er auf dem Stand-Punkt steht, je schlechter, desto besser. Grade im Interesse desFriedens bitte ich um Annahme der Zusatzresolution. Spätermag eine Studienkommission eingesetzt werden. Aber verkoppelnSie jetzt nicht diese Einsetzung mit der Frage, die uns hier be-schäftigt.(Lebhafte Zustimmung.) Frank hat sich mehrfach ge-slissentlich auf das„Correspondenzblatt der Gewerkschaften" be-rufen, aber gerade L e g i e n hat auf das allerschärfste die Ver-pflichtung betont, Disziplin zu üben auch gegenüber einem Be-schlusse, den man nicht billigt, wie er den Nürnberger Beschluß nichtbilligt. Lassen Sie uns hier die Frage ohne Leidenschaftlichkeit(Lachen bei den Süddeutschen), ohne Gehässigkeit schlichten undführen wir dann den Kampf gegen den gemeinsamen Feind. Ichbin überzeugt, Sie(zu den Süddeutschen) werden nach einigerZeit einsehen, daß der von der Mehrheit eingenommene Stand-Punkt der einzig richtige ist.(Lebhafter Beifall.)Riem-Dresden: Auch ich hätte es lieber gesehen, wenn die badi-scheu Abgeordneten in Befolgung des Nürnberger Beschlusses dies-mal das Budget abgelehnt hätten. Ich glaube, wenn sie oann vorden Parteitag getreten wären, so hätte der Parteitag erneut denNürnberger Beschluß geprüft. Aber unbedingt ist den Badensernder gute Glaube zuzusprechen. Die Dresdener Genossenwaren 1S07 auch der Meinung, eS wäre besser gewesen, wir hättendamals den Antrag Frohme angenommen. Diesmal haben sie einescharfe Resolution gegen die Badenser angenommen: ich bin aberdoch zum Delegierten gewählt worden, obwohl die Dresdener Ge-nossen meine Stellungnahme kannten. Ich betrachte die Budgetfrageals eine taktische Frage. Legten, der gesagt hat, die Badensermüßten ausgeschlossen werden, hat das doch gesagt, um die Unmög-lichkeit des Nürnberger Beschlusses zu dokumentieren.(LebhafterWiderspruch.) Wenn Legien selbst hier wäre, er würde das be-stätigen. Ist doch das„Correspondenzblatt der Gewerkschaften"gegen den Nürnberger Beschluß aufgetreten. Die Verhältnisse inden einzelnen Bundesstaaten liegen eben verschieden. Wir inSachsen wären-froh, wenn wir Erfolge erzielt hätten, wie in Baden.Warum will man jetzt den Geßlerhut auftichten, vor demjeder auf Gefahr des Ausschlusses seine Referenz machen muß.Sollen die Genossen gegen ihre llcberzeugung einen anderen Stand-Punkt einnehmen?(Sehr gut! und Widerspruch.) Dadurch er-zieht man sie zu Heuchlern. Und darum muß ich mich entschiedengegen die Zusatzresolution wenden. Nützen wird das allerdingsnichts, da ja schon die Mehrheit deS Parteitages sie unterzeichnethat. Was hat denn der Parteitag noch für einen Zweck, wenn sichschon vorher eine Mehrheit in SubParteitagen festlegt?(GroßeUnruhe und Zurufe: Unsinn.) Ich bin aber auch gegen dieVorstandsresolution. Auf keinen Fall haben die Badenserdie Gesamtpartei provoziert. Nicht nur in dem Fall St. Gallen,sondern in manchen anderen Fällen sind Parteitagsbeschlüssc miß-achtet worden. Die Leipziger haben seinerzeit trotz des Parteitags-beschlusscs die Wahlbeteiligung lebhaft bekämpft und der Parteiunabsehbaren Schaden zugefügt. Wenn man von parlamentarischemKretinismus spricht, kann man es den Genossen nicht verübeln,wenn sie sagen, warum machen wir uns solche Arbeit, um parla-mentarische Erfolge zu erringen.(Sehr gut.) Zum Fensterhinaus kann man in jeder Volksversammlung sprechen. Dazubraucht man keine Parlamentstribüne. Die Annahme des An-trageS auf Einsetzung einer Studienkommission kann auf keinenFall schaden. Sie würde aber vorzüglich zur Beruhigungder Gemüter dienen. Ich bitte Sie im Interesse der Einigkeitund Geschlossenheit der Partei um AnnahinA dieses Antrages.(Vereinzelter Beifall.)Fleihncr-Dresden: Ohne weiteres nehmen wir an, daß dieBadenser im guten Glauben gehandelt haben.(Frank: LipinSki.)Wenn das nicht der Fall wäre, dann müßten sie ohne weitereshinausfliegen. Aber mit gutem Glauben kann man nichtalles entschuldigen. Riem hat zweifellos nicht im Sinne der über-wiegenden Mehrheit der sächsischen Genossen gesprochen.(Beifall.)In Sachsen werden sich unsere Genossen und Führer im Parlamentin absehbarer Zeit wohlnichtaufdenBodendieserKon-zessionsschulzen Politik drängen lassen. Wir inSachsen haben unter allen Umständen die Parteibeschlüsse hoch-gehalten.(Frank: Auch in Leipzig?) Es ist dafür gesorgt, daßin Sachsen nicht wieder Aehnliches passiert wie damals. Wie kannman von einem Geßlerhut und einem SubParteitag sprechen. Wenndie Radikalen unter sich beraten haben, so sind sie nur dem revi-fionistischen Beispiel gefolgt. Sind denn Ihre 113 Unterschriftenim Handumdrehen zusammengekommen oder haben Sie sich nichtauch vorher verständigt.(Zuruf: Es tut Ihnen nur leid, daß nichtmehr unterschrieben haben.) Gewiß wären wir in Sachsen froh,wenn wir erreichen könnten, was in Baden erreicht worden ist. Aberauch im sächsischen Parlament sind die Zustände von heute Himmel-weit verschieden von den früheren. Unsere jetzige Stellung jedochhaben wir nicht durch Nachgiebigkeit erlangt, sonderndurch unsere kraftvolle und zielbewußte Politik.(Leb-hafte Zustimmung.) Nicht die Fraktion mit ehren 25 Mitgliedern,sondern die Massen, die hinter ihr stehen, sind es, die den GegnernRespekt einflößen. Riem und andere, die davon gesprochen haben,daß auch sonst Disziplinbrüche vorgekommen sind, haben auch Bei-spiele alls Sachsen angeführt. Die Beispiele treffen aber in keinerWeise ßu. Daß wir in einem Wahlkreis für den Naiionailiberaiengegen den Konservativen Andre stimmten, war durchaus kein Dis-ziplinbruch, ausdrücklich hatte der vorhergehende Landesparteitagdem Landcsvorftand die Vollmacht gegeben, gemeinsam mit demWahlkrcisvorsitzenden die Stichwahlparole zu bestim-m e n. Es wurde also durchaus loyal verfahren und in keiner Weisegegen die Wünsche und Absichten des LandcSparteitagcs verstoßen.Es trifft auch nicht zu. wie gesagt worden ist. daß in Sachsen dasFinanzgesetz eine bloße Formalität ist und seine Ablehnung die ein-zelnen� Etatsposten gar nicht berühren würde. Das Finanzgesetzist verfassungsrechtlich festgelegt und die Verfassung trifft sogar fürden Fall der Ablehnung des Finanzgesetzes Vorkehrungen. Ichbitte dringend die Parteigenossen, sich nicht von Gefühlenleiten zu lassen, sondern so zu entscheiden, wie es der Würdedes Parteitages und der Gesamtpartci entspricht.(Lebh. Beifall.)Kolb-Karlsruhe: Der von Lipinski und Fleißner konstruiertescharfe Gegensatz zwischen der badischcn und der sächsischen Land-tagsfraktion ist nur scheinbar. Sachlich stehen beide Fraktionenauf demselben Standpunkt.(Zustimmung und Widerspruchs Nurhaben wir Badenser den Mut der Konsequenz gehabt, während diesächsische LandtagSfraktion ein Schcinmanövcr ausführte.(Wider-spruch.) Die Sachsen erklärten, indem sie sich auf den NürnbergerBeschluß stützen, ihre bewußte Ablehnung damit, daß sie demKlassenstaat grundsätzlich die Mittel verweigern. Sie fügten abervorsichtigcrweise hinzu, daß damit die frühere Abstimmung bei deneinzelnen Etats nicht aufgehoben sein soll.'(Heiterkeit.) Das istkeine wuchtige Demonstration mehr, das ist ein sächsischerS ch i l d b ü r g e rst r e i ch.(Unruhe.) Wenn ich konstatiere, daßdie vorherige Zustimmung nicht aufgehoben sein soll, dann habeich eben nur scheinbar abgelehnt, in Wirklichkeit aber doch be-willigt.(Sehr richtig!) Solche Resolutionen führen also zu derKonsequenz, daß die Genossen entweder gegen ihre Ueberzeugungstimmen oder Schildbürgerstreiche machen müssen, über die jederPolitiker lachen muß. Auch die vorliegende Resolution ist nachkeiner Richtung hin konsequent, sondern ein faules Kom-p r o m i tz, das schon auf dem nächsten Parteitag wieder neueKonflikte hervorrufen muß. Für jeden Kenner der badischen Ent-Wickelung ist es unzweifelhaft, daß ein anderes, schlechteres Budgetzustande gekommen wäre, wenn wir nicht so manchen Einfluß aufdie Gestaltung des Budgets ausgeübt hätten. Nach dem GenossenKatzenstein liegt der wesentliche Unterschied zwischen Sozialismusund Liberalismus in der Stellung zum Budget. Das ist grund-falsch. Der Unterschied ist der, daß für uns alle Reformen nurMittel zum Zweck der Umgestaltung der Gesellschaft, für die Libe-ralen aber Selbstzweck sind.(Zustimmung.) Wir werden keineRuhe bekommen in der Partei, solange solche Resolutionen be-schlössen werden, die uns in allen den Staaten, wo unsere Parteietwas bedeutet, am Arbeiten hindern und unserenEinfluß beeinträchtigen. DaS ist das Uebcl, daS allediese Resolutionen gegen alle jene Parteigenossenschaften gefaßtwerden, die andere politische Verhältnisse haben als Preußen undSachsen. Wäre Preußen ein parlamentarisch regierter Staat oderein Staat nach süddeutscher Art— die Haltung der preußischenParteigenossen wäre sicher eine andere. Wäre in Dänemarkdas Experiment Zahle gelungen, dann hätten unsere Partei-genossen mit den Radikalen zusammen das Budget bewilligenmüssen, ja sie hätten wahrscheinlich in einer Monarchie in dieRegierung eintreten müssen. Aehnliches werden wir auch in dennächsten Jahren erleben. In Preußen hat eS keinen Wert, ob IhrSechs für oder gegen das Budget stimmt. Wenn aber wir inBaden die Regierung zwingen, sich in Abhängigkeit von dem Zen-trum zu begeben, schalten wir uns selb st aus, und bringenuns um den Erfolg von zwei Wahlseldzügcn. Darum billigt diekolossale Mehrheit der badischen Genossen die Haltung der badischenLandtagsfraktion. Wenn die Vorstandsresolution angenommenwird und wir gegen daS Budget stimmen, dann lacht man uns aus,und sagt. Ihr habt so handeln müssen, es war Euch eben so auf-getragen. Die Frage wird solange bestehen bleiben, bis Sie deneinzelnen LandtagSfraktioncn die Freiheit geben, die sie unbedingthaben müssen.(Lebhafter Beifall.)Siitzheim- Nürnberg: Es gibt Genossen, die in Kolb denbösen Geist der Badenser sehen. Ich kann nicht entscheiden, wieweit diese Annahme richtig ist.(Unruhe bei den Badensern.)Jedenfalls war es klug, daß die Badenser ihre Verteidigung lieberFrank als Kolb anvertraut haben. Ich unterschätze die in Badenerreichten Erfolge nicht, aber trotzdem wird die Budgetbewilligungdadurch nicht genügend erklärt. Warum hat Frank keinebündige Erklärung abgegeben, was die Badenser eigentlich in Zu-kunft tun wollen?(Frank: Der Antrag Zubeil war wohl der ge-eignetste Weg zu solcher Erklärung?) Es handelt sich darum, obParteibeschlüsse befolgt werden müssen oder nicht. Der Unwilleüber die Zustimmung der badischen Landtagsfraktion zum Budgettrat nicht nur in Norddcutschland, sondern auch in Süd-deutschland vielfach zu tage. So hat die„SchwäbischeTagwacht" darauf hingewiesen, daß man sich nach dem OffenburgerParteitag trotz aller schönen Reden des Eindrucks nicht erwehrenkonnte, als ob man in Bade» den Bruch mit der Gesamtparteiwünschte.(Widerspruch bei den Badensern.) Ich sage ja nicht, daßIhr das wollt, aber die„Tagwacht" hatte diesen Eindruck.(Frank: DaS ist unser Gönner Westmeyer.) Sie können die Tat-fache nicht aus der Welt schaffen, daß Sie noch 24 Stunden vorder Abstimmung entschlossen waren, das Budget zu verweigern.So schnell kann sich die Dekoration nicht verändern. Sie habender Erklärung des Ministers Bedeutung beigelegt, anstatt sich nachseinen Taten zu richten. Ich bin fest überzeugt, daß die Ab.lehnung des Budgets keine schlimmen Folgen für die badischenGenossen gehabt hätte. Wir müssen von jedem verlangen, daß erParteibeschlüsse achte, mögen sie ihm unangenehm sein oder nicht.Das gilt auch für unsere Abgeordneten, die doch nicht ein In-strument des Himmels, sondern das Sprachrohrund die Vertreter der Massen sind. Man muß er-staunt sein, daß die Badenser der Budgetbewilligung so ungeheureBedeutung beimessen, daß sie den Konflikt dafür in Kauf genom-men haben. Durch den Antrag auf Einberufung einer Studien-kommission würden wir die Budgctstreitigkeiten in Permanenzerklären. Der Antrag ist nur eine Verschleppung, er würde unsvor den nächsten Rcichstagswahlen eine neue Budgetdebatte bringen.Wenn die Minderheit die Parteitagsbeschlüsse nicht befolgt, dannist es mit der Einheit der großen deutschen Partei zu Ende.(Beifall.)Keil-Stuttgart: Ich lehne es ab, mich in das Prokrustnsbettdes Revisionismus oder des Radikalismus einspannen zu lassen.Aber in dieser Frage gehe ich mit David und Frank zusammen,weil ich auf Grund meiner Erfahrungen zu dem Ergebnis ge-kommen bin, daß mit dem Nürnberger Beschluß auf die Dauerunmöglich auszukommen ist. Das habe ich bereits inNürnberg betont. Leider ist einem großen Kreis von Genossen da-durch, daß man die Frage unter die Richtungsbrille genommenhat, der Blick getrübt worden.(Zustimmung und Widerspruch.)Ich sage nicht, daß an dem verfahrenen Karren die Genossen, dieauf dem Boden der Vorstandsresolution oder gar noch einerschärferen stehen, allein die Schuld tragen. Nein, ein großer TeilSchuld an allen diesen Wirrungen fällt auf die„S o z i a l i st i-schen Monatshefte", die sich anscheinend demuhen, neueWege für die praktische Tätigkeit der Partei zu bahnen, in Wirk.lichkeit aber diese neuen Wege versperren. Ich stehe noch heuteauf dem Boden des letzten Absatzes der Lübecker Resolution undhalte die Beseitigung des Nürnberger Beschlusses für nötig. DieRegel wird ja doch für uns die Ablehnung des Budgets sein, d> eZustimmung wird nur eine Ausnahme bilden.Aber wenn wir das wollen, dann dürfen wir nicht immer eineunmögliche Resolution auf die andere setzen. Ich erblicke in derBudgetfrage eine Waffe, die ebensowenig wie eine andere Waffe ohneUeberlegung und ohne Bewußtsein gebraucht werden darf. Geradedadurch, daß wir uns die Möglichkeit der freien Entscheidung er-kämpfen, ob für daS Budget gestimmt werden darf, wollen wir dieWirkung der Budgetverweigerung erhöhen. Gewiß ist eS richtig,daß auch wir im Süden im Klassenstaat leben. Aber in der Re-solution zur Wahlrechtsfrage weist ja ver ParteivorstaNv äuSchdrücklich auf die gewaltigen Unterschiede zwischen dem Wahl«recht im Süden und im Norden hin.(Sehr gut! bei den Süd«deutschen.) Sie werden auch in Württemberg. Baden oderBayern in öffentlichen Versammlungen niemals einen weißge-deckten Tisch geschmückt mit zwei blankgeputzten Helmen vorfinden.Ich habe noch nie gehört, daß norddeutsche Genossen den Wunschausgesprochen haben, es möchten im Interesse unserer Erziehungim Süden dieselben Verhältnisse herrschen, wie in Preußen. ImGegenteil, man hat sich überall darüber gefreut, und gewünscht, daßwir die Vorteile, die wir im Süden haben, ftuktifizieren, und ihnenzu den» gleichen Zustande zu verhelfen. Zu dem Zwecke wollen wirja auch die Waffe der Budgetverweigerung anwenden und ich bitteSie, nüchternen Blickes unter Ablegung der Richtungsbrille dieFrage zu prüfen, und zu einer Entscheidung zu kommen, die demWohle der Partei dient.(Beifall bei den Süddeutschen.)Mit Rücksicht auf das am Abend von den Magdeburger Ge--nossen zu Ehren des Parteitages veranstaltet« Konzert werdendie Verhandlungen abgebrochen.LipinSki-Leipzig erklärt, daß die Leipziger keinen DiSzi-plinbruch begangen, sondern sich, nachdem ein Parteitageine Entscheidung gefällt hat. an den Landtagswahlen beteiligthaben.Kahenstein-Stralsund erklärt, daß Hildenbrand seine Aus-führungen falsch verstanden habe. Er habe weder gesagt, es sollnur bei der Budgetabstimmung demonstriert werden, noch habe ersich gegen eine Verbesserung unserer politischen Zustände ausge-sprachen.Schluß 6 Uhr.Berichtigung: In dem Bericht über die Eröffnungssitzung amSonntag ist unter den Mitgliedern der Beschwerde-kommission W. Mann, Berlin IV. versehentlich weg-gelassen worden._Ras der(Seichsverüchertingsordnungs-KommifiiOD des Reichstages.Sitzung am Dienstag, 20. September.Die Kommission begann heute nach den Sommerkerien mit derBeratung des dritten Buches der Vorlage, das die besonderen Be-stimmungeu für die Unfallversicherung enthält.Zunächst handelt es sich um den Kreis der Personen.die versichert sein sollen. Nach dem Entwurf soll derKreis der Versicherten eriveitert werden, jedoch tvürden auch dannnoch sehr viele Arbeiter in Betrieben mit weniger als zehn be-schäftigten Personen nicht versichert sein.Deshalb hatten die Sozialdemokraten beantragt, daßdie Versicherung auf alle gegen Lohn beschäftigtenPersonen— wie in der Krankenversicherung— ausgedehntwird. Dfe Antragsteller wiesen nach, wie ungerecht es ist, daßjene Arbeiter im Falle eines Betriebsunfalles ohne die notwendigeEntschädigung dastehen. Auch zeigten sie den Weg, auf dem dieVersicherung der kleinen Betriebe ohne Belastung derselben durch-geführt werden kann. Trotzdem stimmten die bürger-lichen Parteien mit Ausnahme des Polen den Antrag derSozialdemokraten nieder.�Außerdem hatten die Sozialdemokraten die Ausdeh»nung der Versicherung auf die Personen gefordert, die bei derRettung von Personen oder Sachen verunglücktsind. Selbst der Ministerraldirektor Caspar muhte zugeben,daß die Versicherung dieser Personen dringend notwendig undschon seit vielen Jahren versprochen worden ist. Er sprach sichaber gegen den Antrag der Sozialdemokraten aus, weil die Ver-sicherung— später einmal in einem besonderen Gesetz geregeltwerden soll. Der Antrag wurde denn auch gegen die Stimmender Sozialdemokraten und des Polen abgelehnt.Die Sozialdemokraten bemühten sich dann noch, indie Regierungsvorlage wenigstens die Verbesserung hineinzu-bringen, daß die Versicherungspflicht auf die wichtigsten Gruppender sonst ausgeschlossenen Arbeiter ausgedehnt wird. Auch gegendiese Anträge, mit einer einzigen Ausnahme stimmte dieselbeMehrheit..Die eine Ausnahme ist der Antrag, daß die Versicherung aufdie Binnenfischerei ausgedehnt wird. Ter Antrag wurdemit 14 gegen 11 Stimmen angenommen.Den Konservativen und Nationalliberalen gingdie Vorlage aber in einem Punkte noch zu weit. Es sollen nämlichu. a. versichert sein„Betriebe zur Beförderung von Personen undGütern oder zur Behandlung der Ware, wenn sie mit einem kauf-männischen Unternehmen verbunden sind, das über den Umfangdes Kleinbetriebs hinausgeht". Dadurch wird zwar erreicht, daßdie größeren Ladengeschäfte der Unfallversicherung unterstelltwerden, jedoch bleiben die kaufmännischen Kleinbetriebe und inden versicherten Betrieben der Teil, in dem die Bureauangestclltenbeschäftigt sind, ausgeschlossen.Die Sozialdemokraten wollten auch diese Lücke aus-füllen und die Versicherung aus alle kaufmännischen Betriebe auS-dehnen. Die Konservativen und Nationalliberalendagegen wollten die Versicherung noch mehr einengen, sie nament-lich bei allen den Betrieben ausschließen, die keine offene Ver«kaufsstelle haben. Beide Anträge wurden aber abgelehnt.Mithin ist der Kreis der versicherten Betriebe so, wie ihn dieVorlage vorgeschlagen hat, mit der einen Erweiterung durch dieBetriebe der Binnenfischerei angenommen worden.Fortsetzung morgen._Aus der lustlzftommifnon.Sitzung am Dienstag, den 2 0. September.Die erste Sitzung nach den Ferien begann am Dienstag mitder Beratung des 3. Abschnittes des 4. Buches der Strafprozeß-ordnung,„schleuniges Verfahren".Nach den Bestimmungen der 410 bis 420 können auch Vergehen, für deren Beurteilung das Amtsgericht zuständig ist,im schleunigen Verfahren behandelt werden. Das schleunige Ver-fahren wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Sachen er-öffnet, wenn der Verdächtige auf frischer Tat ergriffen oder ver-folgt wird oder wenn derselbe geständig ist. Im schleunigen Ver-fahren fällt die Anklageschrift fort, die durch den Antrag auf Ein-leitung des schleunigen Verfahrens ersetzt werden soll. DieserAntrag kann mündlich gestellt werden. Die Hauptvcrhandlungmuß dann spätestens am nächsten Werktag stattfinden. Zeugen,Sachverständige und Angeklagte können von jedem Polizei- oderGerichtLbeamten mündlich geladen werden. In der Haupt-Verhandlung wirken Schöffen nicht mit. Der Einspruch des An-geschuldigten gegen das schleunige Verfahren wird von dem ver-nehmenden Richter geprüft und von diesem entschieden- Wennder Angeschuldigte glaubhaft machen kann, daß er auf seineVerteidigung nicht genügend vorbereitet ist. so ist die Sache aufden Weg des ordentlichen Verfahrens zu verweisen oder die Ver-Handlung ist auf drei Tage auszusetzen. Gegen ein im beschleunigtenVerfahren ergangenes Urteil kann Berufung eingelegt werden.Ueber diesen Abschnitt fand eine Generaldiskussion statt, davon den sozialdemokratischen Kommissionsmitgliedern und demAbg. Gröber beantragt wurde, den ganzen Abschnitt, der einebedeutende Verschärfung des§ 411 der geltenden Strafprozeß»ordnung in sich schließt, zu st r e i ch e n.— Mit vollem Nachdruckwiesen unsere Freunde auf die Gefährlichkeit der neuen Bestim-mungen hin. Wenn man theoretisch auch einige scheinbare Vor-teile aus dem Entwurf herauslesen konnte, so würden in derPraxis diese Paragraphen dem Angeschuldigten sehr nachteiligwerden, denn in letzter Linie bedeutet das schleunige Verfahrenin der vorgeschlagenen Form nichts anderes als eineAburteilung dez Berechtigter» unter Aul*