Mr. 158.
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Vorwärts
10. Jahrg.
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Hernsprecher: 3mt I. 4186. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin :
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Sonnabend, den 8. Juli 1893.
Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
Wo nicht durch schriftliche Uebereinkunft etwas anderes Jm Kanton Glarus wurde voriges Jahr ein wesentlich bestimmt wird, kann das Verhältniß zwischen dem weitergehenderes Gesetz, das alle im Kleingewerbe beschäftigten Arbeitgeber und und der Arbeiterin durch eine jedem Arbeiter ohne Unterschied des Geschlechts und ohne BeTheil freistehende, mindestens vierzehn Tage vorher dingung einer bestimmten Arbeiterzahl in einem Geschäfte erklärte Kündigung aufgelöst werden und zwar jeweilen am geschaffen, dessen Bestimmungen im übrigen für das neue Zahltage oder an einem Sonnabend. Auflösung auf St. Galler Gesetz vorbildlich war. Bemerkenswerth ist, daß alle fürzere Frist ist nur auch wichtigen Gründen zulässig. diese Gesetze auf die Arbeiterschaft und die Sozialdemokratie zurückzuführen sind. Hoffentlich nimmt sich der Bund in den nächsten Jahren dieser wichtigen Materie an, so daß sie durch ein Gesetz erledigt werden kann und die Arbeiter nicht warten müssen, bis in mehreren Jahrzehnten diese Arbeiterschutz Gesetzgebung von den Kantonen geschaffen
Der Lohn ist mindestens alle vierzehn Tage baar aus zubezahlen. Bußen dürfen nur ausgesprochen werden, sofern sie in einer obrigkeitlich genehmigten Arbeitsordnung angedroht sind; sie sollen den vierten Theil des Tagelohnes der Gebüßten nicht übersteigen und sind im Interesse der Arbeiterinnen zu verwenden.
Nachdem die Kantone Basel und Luzern mit Arbeiterinnenschutz- Gesetzen und Wirthschaftsgesetzen, sowie der Kanton Glarus mit einem Gesetz zum Schutze aller nicht dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstehenden Arbeitern vorangegangen sind, ist nunmehr auch der Kanton St. Gallen nachgefolgt. Am 18. Mai dieses Jahres hat der St. Gallische Große Rath( Landtag ) ein Gesetz zu Ende berathen, das den Schutz der Arbeiterinnen und der Arbeit der Bediensteten der Ladengeschäfte und Wirthschaften zum Zwecke hat und in den nächsten Wochen in Wirksamkeit Die Arbeitsräume sollen hell, trocken, gut ventilirt sein, treten wird. Das Gesetz findet Anwendung auf alle dem nach Bodenfläche und Kubikinhalt in einem richtigen Vereidgenössischen Fabrikgesetz nicht unterstellten Geschäfte, in hältniß zur Zahl der Arbeiterinnen stehen und durch die
werden würde.
welchen mehr als 5 weibliche Personen gewerbsmäßig gegen Ortsgesundheits- Kommiſſion kontrolliert werden. In gleicher Politische Ueberlicht.
Lohn arbeiten, ferner überhaupt auf alle Geschäfte, in Weise soll, wo die Arbeiterinnen Naturalverpflegung er welchen Lehrtöchter oder Mädchen unter 18 Jahren als halten, auch diese der Aufsicht unterstellt werden. Arbeiterinnen verwendet werden. Gänzlich ausgenommen Betreffend das Lehrverhältniß schreibt das Gesetz den Aus dem Reichstage. Vor vollbesetztem Hause erfind weibliche Personen, die als Bureau- Angestellte oder Abschluß des schriftlichen Lehrvertrages vor. ledigte der Reichstag zunächst die Anträge auf Einstellung im landwirthschaftlichen Gewerbe beschäftigt sind. Je nach den Umfang und der Natur des Geschäftes des gerichtlichen Verfahrens gegen die Abgeordneten Müller Die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit soll nicht mehr fann der Gewerbe- Juhaber zum Erlaß einer Arbeits-( Sagan), Schmidt( Frankfurt ), Bueb und Metzger( Hamals 11 Stunden und an den Tagen vor Sonn- und Feier- ordnung angehalten werden. Die Arbeitsordnung ist den burg). Ohne Debatte beschloß das Haus im Sinne der tagen nicht mehr als 10 Stunden betragen. Diese Arbeits- Arbeiterinnen zur Vernehmlassung vorzulegen und, mit der Anträge. zeit muß in die Stunden von 6 Uhr Morgens bis 8 Uhr regierungsräthlichen Genehmigung versehen, an sichtbarer Die daran aufchließende Debatte über die MilitärvorAbends verlegt werden. Um die Mitte der Arbeitszeit soll Stelle im Arbeitsraum anzuschlagen und jeder Arbeiterin lage eröffnete der Reichskanzler. eine Pause von mindestens einer Stunde gemacht werden. bei ihrem Dienstantritt besonders zu behändigen. Der Redner erklärte von vornherein, daß er Neues nicht Frauenspersonen, die ein Hauswesen zu besorgen haben, Die Bediensteten in Laden- und Kundengeschäften zur Sache beizubring en habe und der Neid wird dem find eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlaffen. tönnen zu der Bedienung der Kunden, in der offenen Ge- Grafen Caprivi zugeben müssen, daß er er sein Die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist untersagt. schäftszeit ohne Beschränkung verwendet werden, unter der Wort ehrlich gehalten hat. Auch nicht ein neuer Vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit kann auf Bedingung jedoch, daß ihnen eine ununterbrochene Nacht- Gedanke, ja nicht einnial eine neue Redewendung begründetes Gesuch bis auf die Dauer von 14 Tagen vom ruhe von mindestens 10 Stunden gestattet wird. Inhaber wurde während der ganzen Rede von dem leitenden StaatsBezirksamt bewilligt werden. Gesuche um längere Fristen von Geschäften, die am Sonntag geöffnet sind, haben ihren mann zu Tage gefördert. Der Redner selbst mochte unter sind bei der Regierung zu stellen. Bewilligungen für einen Angestellten die der Sonntagsarbeit entsprechende Zeit in dem Eindrucke stehen, daß seine Rede für das Schicksal der Tag ertheilt in dringenden Fällen das Gemeinde- Amt. Die der Woche freizugeben. Militärvorlage sehr gleichgiltig sei, und so befleißigte er Verlängerung der Arbeitszeit darf per Tag höchstens 2 Stunden Die wesentlich für den Betrieb von Wirthschaften und sich möglichster Kürze. Zweifellos das Beste, was von der betragen und sich nicht über 10 Uhr Nachts hinaus erstrecken. Gasthäusern angestellten Personen können, soweit es zur neuesten rednerischen Leistung des Herrn Grafen zu Die Arbeiterinnen dürfen nur mit ihrer Zustimmung über Bedienung der Gäste nöthig ist, Abends bis zur Polizei- sagen ist. die normale Arbeitszeit hinaus beschäftigt werden und sind stunde und bei Freinächten auch über dieselbe hinaus be- Erwähnenswerth ist, daß der Kanzler die Forderung hierfür besonders und entsprechend höher zu entschädigen. schäftigt werden. Doch ist ihnen in allen Fällen eine un- der Freisinnigen Vereinigung auf gesetzliche Festlegung Die Bewilligung darf nicht ertheilt werden für Schwangere unterbrochene Ruhezeit von mindestens acht Stunden zu der zweijährigen Dienstzeit rundiveg ablehnte. Ueber und für Mädchen unter 18 Jahren. Die Bewilligungen gestatten. die Deckungsfrage wiederholte der Kanzler ein paar für Verlängerungen der Arbeitszeit sind im Arbeitslokale Sofern denselben der Sonntag aus Rücksichten auf Redensarten aus den konservativ antisemitischen Fluganzuschlagen. den Betrieb nicht freigegeben werden kann, ist ihnen wäh- blättern. Speziell wurde den Herren Agrariern die Wöchnerinnen find 6 Wochen lang von allen gewerbs- rend der Woche ein halber Freitag zu gewähren. Mädchen Zusicherung gegeben, daß sie von den neuen Steuerlaften mäßigen Arbeiten ausgeschlossen. Ho chschwangeren Per- unter 18 Jahren, die nicht zur Familie des Wirths ge- verschont bleiben sollen. Trotz dieser Verbeugung vor der sonen ist gestattet, jederzeit auf bloße Anmeldung hin die hören, dürfen zur ständigen Bedienung nicht verwendet antisemitischen Rechten kargte der Chor der Landräthe mit Arbeit einzustellen. Mädchen unter 14 Jahren dürfen zu werden. seinem Beifall, so daß am Schlusse der Rede nur ganz vergewerbsmäßiger Arbeit nicht verwendet werden. Mädchen Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses einzelte Bravo's laut wurden. unter 16 Jahren dürfen nicht mehr als 3 Stunden un- Gesetzes werden durch das Bezirksamt polizeilich mit Geldunterbrochen an Tretmaschinen beschäftigt werden. Unter- ftrafe bis auf 300 Franken, im Wiederholungsfalle dagegen richtsstunden sind in den Maximalarbeitstag mit einzu- gerichtlich mit Geldstrafe bis auf 500 Franken oder mit rechnen. Gefängniß bis auf 3 Monate bestraft.
Feuilleton.
Nadbrud verboten.)
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Als erster Redner aus dem Hause erhielt der Volksparteiler Bayer das Wort. Derselbe verstand es, eine halbe Stunde lang ganz interessant über die komischen Situationen zu sprechen, welche die Neuwahlen für die militärfrommen
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„ Nein! nein!" unterbrach ihn Germaine erröthend. Du bist ja heute ein ganz arger Spötter!"
eine Stimme wie ein Oboe, das in den falschechten Tönen seufzt und winselt. Sein Lebenswandel ist Tugend, Tugend, nichts als Tugend. Wie Honig aus einer nie versiegenden " Pardon, Schwesterchen; ich vergaß, daß Du ihn unter Quelle, so strömt die Rede von seinen Lippen; er ist im Deine Flügel genommen haft. Uebrigens da kommen die Stande, drei geschlagene Stunden hinter einander zu reden Herren." Die Bekehrung André Savenay's. ohne sich auch nur einmal die Lippen zu netzen. Wie ei ne Die üblichen Höflichkeiten wurden ausgetauscht. Made in den Käse, so hat er sich in seine Philanthrop ie Während der Philanthrop, frisch und lächelnd wie immer, eingefressen. Er steht damit auf und geht damit schlafen. sich von den jungen Damen mit Beschlag belegen ließ,
Sozialistischer Roman
von Georges Renard.
Autorisirte Uebersetzung von Marie Kunert .
" Ich verdiene diesen liebenswürdigen Vorwurf aber gar nicht," erwiderte André, indem er ihr auf englische Art fräftig die Hand schüttelte. Ich bin noch nicht der letzte. Der Philanthrop ist ja noch nicht da."
"
meine.
Welcher Philanthrop?"
"
Das Glück das Volkes, meine Herren... Die soziale näherte sein Sohn sich Germaine, und er war glücklich, als Aufgabe der Frau, meine Damen... Dergleichen Tiraden er gewahrte, wie die Augen des jungen Mädchens aufführt er beständig im Munde. Es giebt nichts An- leuchteten, als er sie begrüßte. genehmeres, als ihn über die traurige Lage der Arbeiter
und Arbeiterinnen reden zu hören. Und dies Vergnügen„ Wir erwarten nur noch unsern Onkel Theodor, sagte kann man oft haben, versichere ich Ihnen! Es ist gerade, Frau Savenay .
als ob es ihn beständig juckt, so daß er reden muß, bei Onkel Theodor, der ältere Bruder von Frau Savenay , Tische, im Salon, in Paris, in der Provinz, überall. Er hat war ein alter, mürrischer, vertrockneter Junggeselle, der „ Es ist wahr, Sie können ja nicht wissen, wen ich immer mehrere zündende Reden in Bereitschaft, mit denen stets im Befehlshaberton sprach, ein sehr reizbarer Herr. Sie speisen heute Abend mit dem berühmten er von einer Stadt zur andern reist; er beweist den Armen, Er hatte es mit vieler Mühe als Tuchhändler zu einem Anatole Dusaule zusammen, dem Mitglied der Akademie daß das Elend von Ewigkeit her gewesen ist und daher auch bescheidenen Wohlstand gebracht, verzieh es aber seinem für Moralwissenschaft und Politik, Präsident der Gesell- ewig sein muß. Er predigt ihnen mit derselben salbungs- jüngeren Bruder nie, daß er Millionär geworden war. schaft für Hebung des Wohls der Familien und der öffent vollen Miene Geduld und Verzicht auf jede Besserung ihrer Obgleich er niemals Soldat gewesen war, hätte man ihn lichen Sittlichkeit, Präsident der Gesellschaft für Erbauung Lage. Er fordert sie auf, sich in die Zeit zu schicken und doch nach seinem ganzen Gebahren, seiner Sprechweise, von billigen Arbeiterwohnungen, Präsident des Vereins auf die Barmherzigkeit der Reichen zu bauen. Kurz, er hat dem Schnitt seines Bartes für einen Offizier außer Dienst gegen Verarmung und Bettelei, Präsident von ich weiß es längst verdient, daß die herrschenden Klassen ihn in Stein halten können. Weil er sich sein kleines Vermögen unter nicht wieviel anderen Gesellschaften, Einrichtungen und Ver- aushauen lassen müssen. Er ist der verkörperte Pflaster- dem Kaiserreich erworben hatte, hörte er niemals auf, waltungen noch außerdem, die alle ebenso menschenfreund- kasten, der richtige fliegende Chloroformmann für alle Leiden jene Zeit wie ein entschwundenes goldenes Zeitalter zu be lich sind und ebenso ellenlange Namen haben. Freuen Sie der Menschheit. trauern. Pietätvoll hatte er seine Ansichten, seine Art, sich sich doch! Sie werden in seiner Person eine ganze Akademie Teufel! Wie Sie ihn auch schildern! zu kleiden, seine ganze Geschmacksrichtung so konservirt, kennen lernen. Man achtet augenblicklich nicht auf uns. Sie nicht um mein Porträt bitten," sagte Miß May. Ich möchte wie sie in jener Zeit seiner Träume war. Er Wollen Sie, daß ich Ihnen diesen berühmten Mann por Sie nicht um mein Porträt bitten," sagte Miß May. spielte sich gern als den praktischen, soliden Mann trätire? Also, ein Gesicht, rund und rosig wie das eines Wünschen Sie jetzt vielleicht, daß ich Ihnen den Sohn auf, der außer den Zahlen nichts anerkennt als die sechzigjährigen Kindes, weißes, laug herabwallendes dieses berühmten Mannes, Herrn Henri Dusaule vor Macht. Man mochte ihn nicht eben gern in der MurilloHaar, stattliches Bäuchlein; fette, weiße Hände, stelle? Ein hübscher, brünetter Mensch von vierundzwanzig straße, aber man empfing ihn trozdem. Der Grund hiervon wie man sie sonst gewöhnlich bei Brälaten findet, Jahren..." lag in der uralten Tradition, die sich in den geheimniß
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