Kr. 229. 27. Jahrgang. 3. Keilage des„fotiüiiits" letlinet Freitag, 80. September 1910. partci- Hngelcgcnbeiten. Dritter Wahlkreis. Sonntag, den 2. Oktober, abends 6� findet im grotzen Saale des GewerkichaflshauseS eine Versammlung statt. Genosse Ucko spricht über: Wilhelm II. als Erzieher. Nach der Versammlung: Gemütliches Beisammensein mit Tanz. Entree in- klufive Garderobe 20 Pf. Herren, welche am Tanz teilnehmen, zahlen 30 Pf. nach. Bohnsdorf . Am Sonntag, den 2. Oktober, findet in den Orten Schulzendorf , Waltersdorf und Schönfeld eine Flugblattverbreitung statt. Des»veiteren weisen wir schon heute darauf hin, daß am Freitag, den 7. Oktober, abends 7l/z Uhr, eine Handzettelverbreitung in Bohnsdorf und Falkenberg für eine zum Sonntag einberufene Volksversammlung vorgenommen wird. Nicdcr-Schönewcide. Am Sonntag, den 2. Oktober, morgens fi'/g Uhr, findet eine Flugblattverbreitung vom Genossen Bortke, Berliner Straße 54 aus statt. Der Vorstand. Berliner JVacbricbten. Zur Ehrung des Genosse« Tutzauer. Die Berliner Parteifreunde des vor zwei Jahren zu früh verstorbenen Genossen T u tz a u e r haben es sich in Gemeinschaft mit den Breslauer Genossen nicht nehmen lassen wollen, ihm als letzte Ehrung einen Denkstein zu setzen, der in seiner einfachen Ausführung ganz dem Charakter des Verblichenen angepaßt ist.« Am kommenden Montag, den 3. Oktober, nachmittags 4'/z Uhr, soll der Stein der Familie Tutzauer übergeben werden. Die schlichte Feier wird sicher viele der alten Freunde und Genossen unseres Tutzauer auf dem Friedhofe der Freireligiösen Gemeinde in der Pappelalleo zusammen- führen._ Umzug. Es ist am frühen Morgen. Der Himmel macht noch ein trübseliges Gesicht. Vor dem sogenannten Nebeneingang einer hohen Mietskaserne stehen ein Paar gebrechliche Möbel- stücke und allerlei Hausrat in buntem Durcheinander. Schmiedeckes ziehen. Vater Schmiedccke stellt eben eine Kommode zu dem übrigen. Er schwitzt dicke Tropfen, die ihm wie kleine Rinnsale übers Gesicht laufen. Um jede der- meidliche Extraausgabe zu sparen, bewerkstelligt er sich den Umzug allein. Da gilt es, tüchtig zu schaffen. Um sieben muß alles vorbei sein, da muß er schon wieder zur Tages- arbeit antreten. Einen Augenblick lehnt er sich erschöpft gegen die eiserne Bettstelle, in der die beiden Kiemen immer untergebracht werden, und wischt sich mit dem roten Taschentuch über die Stirne. Dann kehrt er mit einem schnellen Blick auf die Uhr des Uhrmachers drüben wieder ins Haus zurück. Schon dreiviertel sechs! In einer Viertelstunde muß er aufgeladen haben, eine weitere Viertel- stunde dauert der Weg bis zur neuen Behausung und dann bleibt ihm noch eine halbe Stunde fürs Abladen und Ver- stauen im frischen Nest.„Wie wird's da sein I" denkt er und klettert die drei Treppen wieder zurück, um das Küchenspind Huckepack zu nehmen. Die Küche ist ein bißchen größer als die alte, aber die Stube... l Wenn da die drei Betten und das Schlafsofa drin stehen werden, dann kann keine Steck- nadel mehr eigenmächtig zur Erde fallen. Aber was besseres war für den Preis nicht zu finden...." „Platz, Vater!" weckt ihn sein Aeltester aus seiner Be- trachwng, der sich den Küchentisch aufgeladen hat. Der Junge ist klein und schmächtig für seine zwölf Jahre, aber seine braunen Augen verraten dieselbe Willenskrast, die sich in den gefurchten Zügen des Vaters spiegelt.„Fall nich. Junge!" sagt der, und drückt sich eilig an dem kleinen Lastträger vor- bei. Oben stürzt er schnell einen Topf Kaffee hinunter, nimmt mit einem festen Hanfstrick den Küchenschrank auf den Rücken, und stapft, mit einem letzten, ingrimmigen Blick auf den engen und finstern Raum, in dem er mit den Seinen jähre- lang hausen mußte, davon. Mutter trottet ihm nach, den vollgepackten Kohlenkasten auf der Schulter, ein Bündel Betten auf dem Rücken. Das fünfjährige Lieschen geht sacht hinter der Mutter her. Sie trägt ihren Puppenwagen mit allerlei Schätze» des Weihnachtsmannes unwr dem rechten Arm, und führt mit der noch freien Hand vorsichtig den kleinen Bruder die steile Stiege hinab. Der Platz vor der Haustüre hat sich inzwischen sehr verändert. Neben Schmiedeckes wackliger Karre, die ihm sein Freund, der Kohlenhändler, geborgt hat, steht ein riesiges, wohl sechs Meter langes und zwei Meter breites Gefährt, mit sorgsam gefugten Holzwänden.„Möbeltransport" verkündet mit großen Buch- staben die Aufschrift. Und sechs oder acht Hünengestalten kommen aus dem Aufgang„nur für Herrschaften" und suchen die Last, die sie auf den Schultern haben, zu verstauen. Aber wo? Das Stückchen Straße sieht plötzlich aus wie ein Warenhaus. Sorgsam eingehüllte Sessel und Ruhebetten, die aus der ordinären Nachbarschaft von Schmiedeckes Matratzen abrücken zu wollen scheinen. Tische, Stühle, Schränke, Truhen, vollgcpackte Kisten und Reisekörbe, kurz, ein ganzer Wust zum Teil angenehmer oder nützlicher oder über- flüssiger Sachen liegt da wie aus der Erde gestampft aus- gebreitet.„Bei denen schafft's," sagt Vater Schmicdecke zu seiner Frau.„Vorhin tvar'n se noch jarnich da l"„Dct sind die Herrschaften von eene Treppe!" sagt seine Frau, und in ihrem Ton liegt etwas wie Bewunderung für den Reichtum der anderen.„Du mit Deine Herrschaften!" braust Vater Schmiedecke auf.„So'n fauler Bankier, wer weeß, wie der arme Leite betrogen hat, un nu sitzt er in't Fett!" Vater Schmiedecke ist ganz rot vor Aerger. „Herrschaften, Herr- schaften!" brummt er bei der hastigen Arbeit des Aufladens. „Sind wat bcssers lvie wir, nich? Sitzen in zehn Zimmer mit een Jör, un ick Hab' grab' een Loch für fünf 5töppe l" Und nun schnürt er seinen abgenutzten Hausrat auf dem Wagen fest, daß die Geschichte nicht abrutschen kann, greift zur Deichsel und zieht los. Sein Aeltester mit der Lampe . Mutter mit Besen, Schrubber und einem Aufwischeimer voll Flaschen hinterher. Lieschen beeilt sich, um mit Vätern Schritt zu halten. Sie freut sich so auf die neue Wohnung. Aus dem Eingang„Nur für Herrschaften" wird eben, als Mutter Schmiedecke vorbeigeht, ein reichgeschnitztes Büfett heraus- getragen, an dem vier der Hünen z« schleppen haben. Pastor Pfeiffer als Lormund. Die Fürsorge für uneheliche Kinder ist die Spezialität eines Pastors Wilhelm Pfeiffer. Mit ihm und dem fhier bestehenden„Kindcrrettungsverein", der ihm dient, haben wir iMs schon mehrfach beschäftigen müssen. Seine Bemühungen, für uneheliche Kinder die Väter zu ermitteln und den Müttern zu Alimenten zu verhelfen, können gewiß für manche unverehelichte Mutter wie für ihr Kind von Nutzen sein. Wir erkennen das an, trotz der tollen Vorkommnisse, über die wir vor einigen Jahren aus der Arbeit des Pfeifferschen„Kinderrettungsvereins" berichren mußten. Für bedenklich halten wir es aber, daß dieser Pastor sich zugleich einen weitgehenden Einfluß auf das Schicksal einer großen Schar unehelicher Kinder zu sichern sucht, indem er sich die Vor- niundschast übertragen läßt. Pfeiffer war schon vor etwa drei Jahren Vormund von mehr als tausend Kindern, und man darf annehmen, daß inzwischen die Zahl seiner Mündel sich noch erheblich vermehrt lsat. Wenn in der Gebäranstalt der Charite ein Mädchen von einem Kind entbunden worden ist, wird ihr dorr allerbaldigst die Frage vorgelegt, wer der Vormund für ihr Kind sein soll.„Ja, wer?" fragt manche sich verlegen und ratlos; da nennt man ihr dann den Pastor Pfeiffer und preist ihn als einen Schützer der Kinder, und— Herr Pfeiffer darf sich wieder ein Mündel mehr buchen. Natürlich kann ein solcher Massenvormund die wenigsten setner Mündel selber kennen, sondern mutz seinen Helferinnen — wie viele er für diese Kinderschar hat, erfährt man nicht— die persönliche Fürsorge für seine Schutzbefohlenen überlassen. Auch der persönliche Verkehr mit den Müttern oder den unehelichen Vätern und andererseits mit den Familien, denen der Massen- Vormund manche seiner vielen Mündel in Pflege gibt, kann größten- teils nicht von ihm selber unterhalten werden, sondern muß dem Bureau des Vereins und den Helferinnen überlassen bleiben. Immer aber wird, was der Verein und die Helferinnen tun, getan im Namen des Vormunds Pastor Pfeiffer und unter seiner Ver- antwortung. Ein Fall, bei dem der Herr Pastor persönlich sich für eines seiner Mündel und für die Pflegefamilie und gegen die uneheliche Mutter sehr eifrig ins Zeug gelegt hat, zeigt recht deutlich, welchen Gebrauch er von den ihm als dem Vor- mund zustehenden Machtbefugnissen zu machen weiß. Für das Kind einer Arbeiterin, das im Jahre 1905 außer- ehelich geboren worden war, übernahm Pastor Pfeiffer die Vor- mundschaft. Das Kind, dessen Vater zu keiner Alimentenzahlung sich herbeiließ, wurde ins Waisenhaus gegeben, kam dann in Familienpflege, wechselte später die Pflegestelle und gelangte schließlich an ein Ehepaar Fischer, das damals im Hause Memeler Straße 69 wohnte. Als dieses Ehepaar den Wunsch äußerte, das Kind zu adoptieren, gab der Vormund Pfeiffer seine Zustimmung und fragte bei der Mutter an, ob auch sie einwillige. Die Mutter wußte nicht recht, ob sie ja oder nein sagen sollte, zuletzt aber er- klärte sie sich bereit, das Kind herzugeben, doch forderte sie eine Abfindungssumme. Die wurde abgeschlagen, und nun verweigerte die Mutter ihre Zustimmung zur Adoption des Kindes durch die Eheleute Fischer, von denen sie jetzt annahm, daß sie keineswegs in hinreichend guten Verhältnissen lebten, um dem Kinde eine leidliche Zukunft schaffen zu können. Pastor Pfeiffer aber erwirkte darauf beim Vormundschaftsgericht, daß der Mutter das„Sorge- recht" für ihr Kind entzogen wurde, so daß nunmehr das Kind völlig in seine Gewalt gegeben war. Er behauptete, die Mutter wolle aus dem Kind Geld herausschlagen, und das Gericht trat dieser Auffassung bei. Die Eheleute Fischer behielten das Kind, und allen Versuchen der Mutter, es herauszubekommen, wurde vom Vormund der Ein- wand entgegengestellt, datz.es bei ihr schlechter als bei Frau Fischer aufgehoben sein würde. Bedenken sittlicher Art konnten gegen die Familie des Kindes nicht vorgebracht werden, aber die Mutter und ihre Schwestern mußten sich von ihrer Hände Arbeit ernähren, und da fand der Herr Pastor, daß sie nicht imstande sein würden, das Kind richtig aufzuziehen. Wenn solche Bedenken ausschlaggebend sein sollen, so müßte man freilich vielen Tausenden von Arbeiter- familien, in denen die Eltern von früh bis spät arbeiten und dabei doch nur einen erbärmlichen Lohn verdienen, die Kinder ab- nehmen. Aber nur zu oft will nicht mal die Armenverwaltung solchen Familien, wenn sie durch Arbeitslosigkeit in Not kommen, wirksam beistehen. Pastor Pfeiffer, wie gesagt, blieb dabei, daß der Mutter und ihrer Schwester das Kind nicht anvertraut werden dürfe. Im Jahre 1909 kam dann eine gewaltsame Ent- führ un g zustande. Pfeiffer zeigte die Mutter und eine ihrer Schwestern an, doch erzielte er keine Verurteilung. Die Frei- s p r e ch u n g wurde vom Gericht damit begründet, daß Pastor Pfeiffer, der die ganze Zeit hindurch über das Kind verfügt hatte, gar nicht ordnungsgemäß zum Vormund bestellt worden sei. Sehr merkwürdig, nicht wahr? Die ordnungsgemäße Bestellung wurde nachgeliefert, und wieder sicherte Pastor Pfeiffer den Eheleuten Fischer daß Kind. In diesem Jahre hat nun die Mutter geheiratet, nicht den Vater des Kindeö, sondern einen anderen Mann, einen Arbeiter, an dessen Ordentlichkeit auch Pastor Pfeiffer nicht wird zweifeln wollen. Die Mltter liat dann beantragt, ihr das Recht an ihr Kind zurückzugeben. Der Ehemann will das Kind als eigenes zu sich nehmen und hat sich bereit erklärt, ihm sogar seinen Namen beizulegen. Daraufhin hat das Gericht jetzt entschieden, daß der Mutter das Sorgerecht wieder zu über- tragen ist. Was aber tut jetzt Herr Pfeiffer? Er wehrt sich noch immer gegen die Auslieferung des Kindes, obwohl die vor- genommenen polizeilichen Ermittelungen ergeben haben, daß die Mutter im Hause als ordentliche, anständige und fleißige Frau be- kannt ist und auch der Ehemann sich eines guten Rufs erfreut. Pfeiffer benutzt die weiteren Rechtsituttel, um der Mutter das K,nd vorenthalten zu dürfen. Auf seine Beschwerde, die zulässig ist, hat das Vormundschaftsgericht die Vollziehung des Beschlusses noch ausgesetzt, so daß die Auslieferung deS Kindes noch nicht gefordert werden kann. Das Kind befindet sich übrigens schon lange nicht mehr in Berlin . Die Eheleute Fischer, die in Berlin zuletzt im Hause Voigfftr. 43 wohnten, sind Anfang Fe- bruar nach Metz übergesiedelt und haben das Kind mitgenommen. Aus diesem Kampf um ein Kind sollten alle unehelichen Mütter, denen Herr Pastor Pfeiffer als Vormund angeboten wird, eine Lehre ziehen._ AnS der Parkdeputation. In der letzten Sitzung wurde be- schlössen, einem Anträge der Gemeinde Treptow zuzustimmen, am Spreetunnel eine Bedürfnisanstalt zu errichten für Männer und Frauen, den Platz der Gemeinde zur Verfügung zu stellen und einen Beitrag in der Höhe von 1800 M. zu übernehmen, mit der Ein- schränkung, daß Entgelt nicht erhoben werden darf. Ein Antrag, Maßnahmen zu treffen, die Staubentwickelung auf dem Spreewege in Treptow zu verhüten, wurde vertagt. Besprochen wurde die Ein- richtung einer Wasserleitung, um die Rasenflächen am Landwehrkanal besser wie bisher besprengen zu können. Der Garentbaudirektor soll in der Sache Bericht erstatten. Zur Verhütung von Hundeschäden in unseren öffentlichen Anlagen wurde beschlossen, die Steuerbehörde zu ersuchen, auf den Hundesteuerquittungen die neueste Polizei- Verordnung abzudrucken, außerdem Tafeln auf einigen Plätzen auf- zustellen, auch an die Gemeinde Treptow heranzutreten, sich den Maßnahmen der Stadt Berlin anzuschließen und der Erlaubnis zur Anbringung Von Tafeln zuzustimmen. Die Benutzung der Spielplätze im Treptower Park soll wie bisher auch im nächsten Jahre Sonntags, Mittwochs und Freitags dem großen Publikum freistehen. Die sogenannte Wcberwiese soll eine weitere Umgestaltung erfahren. Die Deputation will ferner der Frage näher treten, eine Eisbahn von städtischer Seite.einzu- richten und den Kindern unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Ein Antrag, den Militärbehörden einen Reitweg im Treptower Park herzurichten, wurde ahgelehnt. Der Wunsch her Dura-«ad Badedeputation, sämtliche Spielplätze in den städtischen Parks dieser Deputation in Verwaltung zu geben, wurde aus verschle- denen Gründen abgelehnt. Der Errichtung einer Bedürfnisanstalt! auf dem Kinderspielplatz im alten Friedrichshain wurde zugestunmt, und die durchgreifende Aenderung des Wirtschaftshofes ebendortselbjt soll energisch betrieben werden. Der Antrag der Parknachtwachter um Gewährung einer freien Nacht alle 14 Tage, wurde dahin ent, schieden, denselben alle 4 Wochen eine freie Nacht zu gewähren- Dem Wunsche der Anwohner in der Straßburger Straße soll durch Baumpslanzungen Rechnung getragen werden. Fürs Gesinde„gut genug" k Der„Gesinde-Belohnungs- und Unter st ützungS« f o n d s", den die Stadt Berlin als eine sogenannte Wohlfahrts» einrichtung für die Dienstmädchen bis auf den heutigen Tag konserviert hat, ist von uns oft besprochen worden. Er ist mir seinem fast mittelalterlich anmutenden Statut eine passende Ergänzung zu der Sonderstellung, die den Dienstmädchen durch die Gesindeordnung angewiesen worden ist, aber der Berliner Stadtsieisinn hält an diesem Ueberbleibsel aus vormärzlicher Zeit fest und will daran nicht rütteln lassen. Aus dem soeben erschienenen Jahresbericht über die Verwaltung des Fonds im Jahre 1909 ersehen wir. daß s e i n e L e i st u n g e n wieder noch geringer als in den vorhergehenden Jahren geworden sind. Nur solche Dienstmädchen, die durch langjährigen Dienst in Berlin und durch ganz besondere„Treue" sich' würdig einer„Belohnung" gezeigt haben, können ans dem Fonds unterstützt werden, wenn sie alt und krank und dadurch erwerbs» unfähig geworden sind. Die„Wohltaten", die der Fonds zu spenden hat, bestehen in Uebcrweisung an das Gesindehospital oder in Unter« stützung nur mit barem Gelde. Die Ueberweisung an daS Hospital ist schon seit einer Reihe von Jahren immer seltener ge» worden, immer unvollständiger wurden die frei werdenden Stellen neu besetzt, und auch im Jahre 1909 hat die Zahl der Hospitalinsassen sich weiter verringert. Am 31. März 1910 waren nur noch 81 Hospitalitinnen in der Anstalt, während 5 Jahre vorher, am 31. März 1905, noch 96 Insassen gezählt wurden. Ebenso ist auch die Zahl der Personen, die mit barem Gelde unter st ützt werden, in andauerndem Rückgang begriffen. Am 3t. März 1910 waren es nur noch 147, am 31. März 1905 waren es noch 209 ge« Wesen. In demselben Jahrfünft hat der jährliche Gesamtbetrag der Unterstützungen in bar sich bedeutend verringert, von 18 231 M. in 1904 aus nur uoch 13 195 M. in 1909. Die Barunterstützungen und die Hospitalunterhaltung sind die beiden wichtigsten und größten Ausgabepostcn deS Fonds. Die Hospitalunterhaltung erforderte im letzten Jahre 26 285 M., bor fünf Jahren 23 251 M.. sodaß hier keine nennenswerte Aenderung eingetreten ist. Die Mittel des Fonds fließen hauptsächlich au? zwei Quellen, aus dem Zinsertrage seines Kapitalvermögens und auS den Beiträgen der Dienstmädchen. In 1909 lieferte der Zinsertrag 20 961 M. und die Dienstboteubeiträge 19 080 M., in 1904 beliefen sich die Zinsen aus 20 295 M., aber die Dienstbotenbeilräge noch auf 25 380 M. Die Dienstmädchen müssen, wie bekannt, ber jedem Dienstantritt 50 Pfennig zahlen. Wofür ihnen das Geld abgenommen wird, das wissen sie selber nicht. Nicht mit Unrecht fassen sie diese 50 Pfennig« Steuer fls eine Art S t r a f e auf. durch die ihnen die„V e r ä n d e r u n g S« u ch t" abgewöhnt werden soll, die ihnen aber auch dann auferlegt wird, wenn sie von ihrer„Herrschaft" durch unerträgliche Behandlung dazu getrieben werden, die Stelle zu wechseln. Der Rückgang der Einnahmen aus Dienstbotenbeiträgcn erklärt sich daraus, daß in Verlin die Zahl der Dienstmädchen überhaupt geringer geworden ist und somit auch die Stellenwechsel sich vermindert haben. Dazu kommt, daß viele Dienstmädchen sich der Beitrags« zahlung möglifchstzu entziehensuchen.so daß die Zahlung oft erst nach langer Verzögerung zu erreichen ist, wenn sie nicht überhaupt verweigert wird. Die Zahl der BeitragSrestanten hatte sich im letzten Jahrfünft ziemlich unverändert um 6000 herum ge« halten, in 1909 aber ist sie plötzlich auf 9586 emporgeschnellt. Wer will es den Dienstmädchen verdenken, daß sie sich nicht für eine„WohlfahrtSeinrichtung" begeistern, die ihnen Beiträge absordert und sie eventuell eintreibt, ober ihnen keinen rechtlichen Anspruch auf Unterstützung gewährt I Die Dienstmädchen sind gegenüber dem „Gesinde-BelohnungS- und Unterstlitzungs-Fonds" tatsächlich trotz aller Beitragspflicht völlig rechtlos. Er gibt, was er etwa gewährt, nur aus Gnade, nur als„Belohnung". Eine „Wohlfahrtseinrichtung" von geradezu skandalöser Ungerechtig» k e i t I Aber dem Stadtfreisinn gilt sie als immer noch»gut genug" fürs Gesinde._ Der Gasverbrauch in Berlin ist in dauernder Zunahme begriffen. Die städtischen Gaswerke gaben im 2. Quartal dieses Jahres allein 43°/« Millionen Kubikmeter Gas ab, da» von 4 Millionen Kubikmeter durch 45 814 Münzgasmesser (Automaten). Die Gaserzeugung der städtischen Gaswerke betrug 52°/« Millionen Kubikmeter. An öffentlichen Gas- flammen waren 37 696 vorhanden, ferner noch Ll) Petroleum» lampen, 21 Spiritusglühlampcn und 1110 elektrische. Die Bestrebungen der städtischen Parkverwaltung, daS Straßenbild durch Baum« und Schmuckanlagen freundlicher zu gestalten, finden nicht allerseits das rechte Verständnis. So beschwert sich ein Mieter eines Hauses über eine nur ganz geringe Verdunkelung seiner im Parterre gelegenen Wohnräume durch einen vor dem Fenster stehenden Baum, während ein zwei Stock über ihm wohnender anderer Mieter gar nicht oft genug den schönen AuS- blick über die Baumkronen weg rühmen kann. Wieder andere sind ungehalten über die Länge der das Straßenbild so lehr belebenden Nasenstreifen, von denen ein großer Teil der Mittelpromenaden eingefaßt ist. Der kurze Umweg, den sie machen müssen, um die gegenüberliegende Straßenseite zu gewinnen, verdrießt sie so. daß sie in dem unschuldigen Rasenstreifen ein gefährliches Verkehrs» Hindernis erblicken und dessen häufigere Durchquerung von Wegen fordern. Sie vergessen hierbei ganz, daß die Anlagen nach küust» lerischen Prinzipien geschaffen sind und bei der geringsten Aenderung ihre bis dahin freudig anerkaunte Wirkung unbedingt verlieren würden. Es ist vielen Bürgern nicht klar, daß die ihnen durch die Bepflanzung der Slraßeil gebotenen Vorteile auch kleinere Nachteile mit sich bringen, die sich nicht ganz beseitigen lassen und die mit Wohlwollen seitens der etwa benachteiligten Mitbürger beurteilt und ertragen sein wollen. Von einer einstürzenden Mauer begraben. Durch die Meldung „Menschenleben in Gefahr I" wurde gestern nachmittag gegen 4 Uhr die Berliner Feuerwehr nach der R u d o l f st r. 1 7 im Osten der Stadt gerufen. Auf dem städtischen Grundstück war dort eine BöschlingSmauer, die das etwa 3 Meter tiefer gelegene Bahngclände am Bahnhofe Warschauerstraße abtrennt, teilweise eingestürzt und hatte einen Arbeiter unter sich begraben. Die Mauer hatte im Laufe der Zeit mehrere schadhafte Stellen erhalten und sollte daher von dem Maurer August Bauer aus der Friedrichsberger Straße 27 gestern repariert werden. Bei dieser Arbeit schaufelte der Mann unten an der Mauer das Erdreich fort. ohne zu bedenken, daß das Mauerwerk hierdurch den Halt verlor. Plötzlich neigte sich die Mauer zur Seite und ehe Bauer flüchten konnte, wurde er von den ciustürzenden Maucrteilen zu Boden geschleudert und vollständig begraben. Die Feuerwehr hatte volle zehn Minuten zu tun, um den Verunglückten aus seiner ge« fährlichen Lage zu befreien. In bewußtlosem Zustande wurde der Verunglückte sofort nach der nahm Unfallstation in der Warschauer
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