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Reichsratsabgeordneter Genosse Di»holz, legt ihre Beschlüsse vor. Die Kommission hat dem strittigen Absatz 4 der Liesvlütion folgende Fassung gegeben:Von dieser Erkenntnis durchdrungen, beschließt der Kongreß, an den grundsätzlichen Bedingungen der einheitlichen Gewerkschaftsorganisation und an der einheitlichen Führung der gewerkschaftlichen Kämpfe aller Art, sowie der ein- heitlichen Verlvaltung der finanziellen Mittel für diese Kämpfe fest- zuhalten und hiervon nicht abzuweichen."(Lebhafter Beifall.) Mit diesem Beschluß sprechen wir aus, was uns Kopenhagen aufgetragen hat. Unsere NeichSkomniission soll nun die Verhandlungen mit den tschechischen Genossen aufnehmen und sie hoffentlich zu einem guten Ende fuhren. Dazu ist aber notwendig, daß wir einen Termin für den Verhandlungsbeginn festsetzen. Wir beantragen daher noch folgenden Beschluß:Der Kongreß spricht die Erwartung aus, daß die Verhandlungen nicht weiter verschleppt werden, und mit ihnen unbedingt bis Anfang November begonnen wird."(Stürmischer Beifall.) A r b e i t e l- Vielitz beantragt nunmehr, die Debatte sofort zu schließen, als Kundgebung für die einheitliche Organisation, zu- gleich auch als Friedenskundgebung. Der Kongreß beschließt das, Hueber: Die Reichskommission hat bis zur letzten Stunde ihren Standpunkt vertreten. Sie hat ihren ursprünglichen Vor- schlag für den richtigen Weg gehalten. Bei der Abstimmung des Kongresses aber tvar eine andere Entscheidung nicht zu verhindern. Die Kommission wird sich nun nach dem Votum des Kongresses zu richten haben. Jedenfalls haben wir die Vollmacht ausgestellt er- halten, in Verhandlungen einzutreten. Wir werden unsere Pflicht erfüllen und hoffen, zu einer Einigung mit den tschechischen Ge- iwssen zu gelangen.(Lebhafter Beifall.) Hierauf wird die Re» solution in der von der Kommission veränderten Fassung a n g e- nommen und zwar einstimmig, ebenso der Antrag auf Fest- setzung eines Termins für den Beginn der Verhandlungen. Hierauf vertagt der Kongreß die weitere Erledigung seiner Tagesordnung auf morgen(Freitag). Kerichtigung. In der Rede Adlers in der Montagsitzung des Kongresses ist durch ein Mißverständnis bei der llebermittelung des Berichts diejenige Stelle unrichtig wiedergegeben, die von der Wirkung der nationalen Verschiedenheit auf den gewerkschaftlichen Konflikt handelt. Sie muß lauten:All das Elend, von dem wir sprechen, entspringt doch dem gemeinsamen Elend, unter dem alles in Oesterreich leidet, entspringt diesen nationalen Verschiedenheiten, dieser schweren"Auseinandersetzung zwischen den Nationen, diesem tragischen Konflikt, der tatsächlich da ist und dessen Märtyrer bis zu hohem Grade alle Völker Oesterreichs und dessen Märtyrer auch wir sind�._ flus der lüclchsvernchcrungscrdnungs- KemmiSüon. Der letzte Teil des fllnfwn Buches des Entwurfes, das die Beziehungen der Versicherungsträger zu ein- ander und zu anderen Verpflichteten regelt, wurde in der Sitzung vom Mittwoch im wesentlichen unverändert an- genommen. Dann begann die Kommission mit der Beratung des nächsten Buches über das Verfahren. Die allaemeine Aussprache bezog sich wieder auf die Frage, wie daS Verfahren namentlich in der untersten Justanz gestaltet, und ob das ReichsverstcherungSamt als Relursinstanz beibehalten werden soll. Der Staatssekretär sowie Ministerialdirektor C a s p e r betonten mit der größtem Entschiedenheit, daß das Reichs- versicheruugSamt unbedingt entlastet werden müsse. Die Zahl der Streitsachen bei dem ReichSversichenungsamt wachse zu sehr an. Die Entlastung sei nur dadurch möglich, daß das ReichsversichernngS- amt nicht mehr als Berufungsinstanz sondern nur noch als RevisionS- instanz zuständig sein soll. Dafür müsse die untere Instanz des VersicheruiigSamtes, so ausgebaut lverden, daß hier der Versicherte die Möglichkeit zur Wahrung seiner Rechte habe. Diese Ausführungen fanden bei keiner Partei unbedingten An- klang. Für die Sozialdemokraten kam in erster Linie in Betracht, daß das Bersicherungsamt schon nach den Vorschlägen in dem Entwurf, noch viel mehr aber nach den Beschlüssen der Kam- Mission ganz und gar nicht dem Versicherten die Möglichkeit zur Wahrung seiner Rechte gewährt. Auch müsse die einheitliche Recht- sprechung aufrechterhalten werden, deshalb sei das Reichsver- ficherungSamt als Berufungsinstanz unentbehrlich. Für die Auf­gaben des Versicherungsamtes gingen die Sozialdemokraten von der Voraussetzung aus, daß die Beschlüsse der Kommission in der ersten Lesung geändert werden, so daß das Verstckerungsamt in der Tat besser seine Aufgabe erfüllen kann, als es jetzt bei der unteren Verwaltungsbehörde der Fall ist. Demgemäß hatten sie beantragt, daß das Bersicherungsamt in der Unfallversicherung den Tatbestand des Unfalls feststellen und die Entschädigung in erster Instanz bestimmen soll. Den entgegengesetzten Standpunkt nahmen die National- liberalen und Konservativen ein. Sie wollten unter allen Umständen dieWürde" undSelbstverwaltung" der Berufs- aenosienschasten wahren. Darunter verstanden sie, daß in der Un- sallverstcherung nach loie vor die Versicherten in bozug auf die Fest- stellung deS�SackverhalteS und die Bestimmung der Entschädigung in der ersten Instanz ganz rechtlos bleiben sollen. Hier sollten die Unternehmer allein z» bestimmen haben. Dagegen waren die Herren bereit, das ReichsverstcherungSamt zu entlasten. Jedoch nicht auf dem Wege, der in dem Entwurf eingeschlagen ist, sondern so, daß ein möglichst großer Teil der Streitfälle überhaupt nicht vor das ReichsversicherungSamt kommen, sondern bereits von de» Ober- Versicherunasämtern endgültig entschieden werde. Vom Zentrum schloß Abg. Becker sich in den Hauptpunkten den Ausführungen der Sozialdemokraten an. Jedoch erklärte er sich bereit, für die Umänderung des ReichsversicherungsamtS in«ine Revistonsinstanz zu stimmen, wenn daS Verfahren in der unteren Instanz wesentlich verbessert werde. Bezeichnend aus der Debatte ist eine Ausführung des Abg. Graf ».Westarp, der bekanntlich Richter im preußischen OberverwaltungS- gericht ist. Er versicherte, daß in der Praxis der Unterschied zwischen einer RevisionS- und Berufungsinstanz von sehr zweifelhaftem Werte ist. Wenn daS Revisionsgericht ein Urteil aufheben will, werde es wohl in allen Fällen einen Grund für die Revision finden; im entgegengesetzten Falle könne daS Gericht mit derselben Gewißheit bestreiten, daß einRevisionS- grund vorliege. Auch in der Sitzung vom Donnerstag nahm die all- gemeine Aussprache über daS Verfahren noch eine längere Zeit in Anspruch, ohne daß über die Regelung des Versahrens zur Eni- lastung des Reichsversicherungsamtes ohne Schädigung des Verletzten größere Klarheit geschaffen werde. Verjährung der Ansprüche auf Unfallentschädigimg. Die Ansprüche auf Unfallentschädigung müssen spätestcits zwei Jahre nach dem Unfall angemeldet werden. Nur in zwei Aus- nahmesällen kann auch nach Ablauf der Frist der Anspruch auf Unfallentschädigung anerkannt lverden. So auch dann, wenn eine Folge des Unfalls, die einen EntfchädigungS- ansprach begründet, erst später bemerkbar ge- worden ist. Die Sozialdemokraten beantragten, baß diese AuS- nahmebestimmung auch gelten soll für die Fälle, in denen die Folge des Unfalls, die einen EntschädigiingSaiispruch begründet, sich erst nach Ablauf jener Frist in höherem Maße bemerkbar gemacht hat. Die Genossen Schmidt und Hoch wiesen an der Hand einiger Fälle aus der Praxis nach, daß die Bestimmung des Ent­wurfs, die mit dem geltenden Gesetz gleichlautend ist, zu unhaltbaren Ungerechtigkeiten geführt hat. Der Antrag wurde denn auch a n- g e n o m in e n. In den Ausnahmefällen ist der Anspruch binnen drei Monaten anzumelden, nachdem die Unfallsolge oder ihre schlimmere Wirkung bemerkbar geworden ist. Die Sozialdemokraten mollten hier die Frist auf sechs Monate verlängert habe». Der Antrag wurde jedoch gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und des Polen abgelehnr. Stirbt der Verletzte infolge des Unfalls, so ist der Anspruch auf Entschädigung für die Hinterbliebenen, wenn sie nicht von Amts wegen festgestellt ist, zur Vermeidung des Aus­schlusses spätestens zwei Jahre nach dem Tode des Verletzten anzumelden. Diese Bestimmung sollte oder nur für die Fälle gelten, in denen für den Verletzten eine Unfall- entschädigung schon festgestellt war. Jedoch kann es auch so kommen: Ein Verletzter kann den Zusammenhang seiner Krankheit mit einem Unfall zunächst nicht nachweisen. Dann wird für ihn eine Entschädigung nicht festgestellt. Nach seinem Tode wird die Leiche geöffnet und es zeigt sich nun, daß in der Tat die Krankheit und der Tod des Verletzten die Folge eines Betriebsunfälle? ist. Wenn dann bereits mehr als zwei Jahre nach dem Unfall der- gangen sind, so können nach dem Entwurf die Hinterbliebenen des Verletzten keine Entschädigung verlangen, weil die Verjährung ein- getreten ist. Um diese Ungerechtigkeit zu vermeiden, beantragten die Sozial- demokraten, daß in allen Fällen nach dem Tode eines Verletzten eine neue Frist von zwei Jahren für den Entschädigungsanspruch der Hinterbliebenen beginnt. Auch dieser Antrag wurde an- genommen. Nächste Sitzung Freitag. Sie Gtadboder Kstsitrophe vor Gericht. Erster BerhandlungStag.(Nachmittag.) Bcrgwerksdirektor Andree als Zeuge: Ich bestreite mit aller Entschiedenheit, daß ein solches Gespräch, wie eS in derBerg- arbeiterzeitung" wiedergegeben ist, zwischen mir unb dem Berg? Werksinspektor Hallender stattgefunden hat. Angeklagter Wagner: Ist es möglich, daß eine Unterhaltung, wie sie dieBergarbeiterzeitung" wiedergegeben hat, dem Sinne nach wenigstens stattgefunden hat? Zeuge Andree: Auch dem Sinne nach nicht. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Haben Sie sich aus irgend welchen Gründen dahin ausgesprochen, daß es not- wendig sei, die Rettunysarbeiten al�ubrechcn, ohne danach zu fragen, ob noch jemand in der Grube lebt? Zeuge Andree: Nein. Ich glaube, ich kann eS nicht nur von mir, sondern von allen meinen Beamten sagen, daß wir die Grube nicht verlassen hätten, wenn wir nicht alle der Uebcrzeugung gewesen wären, es lebt nie- mand mehr drinnen. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: DaS ist wohl zu viel gesagt Selbst wir geben zu, daß es Lagen geben kann, in denen man Lebende in der Grube im Stiche läßt, um ein größeres Unheil zu verhüten. Sie behaupten da mehr als der Sachlage entspricht. Nächster Zeuge war der Bergmann Rettich, der bekundet, daß sehr häusig die Ventile bei den Berieselungsanlagen ausgedreht wurden, ohne daß Wasser kam. Vors.: Wie war es mit der An- sammlung von Wettern? Zeuge Rettich: Wetter waren fast immer da. Angeklagter Wagner: Wenn die Berieselung aus- reichend gewesen lväre, hätte es dann zu solchen Ansammlungen von Gasen und zu so großen Explosionen kommen können? Zeuge Rettich: Wohl nicht in diesem Umfange. Zeuge Bergmann Josef Pillgrimm bekundet gleichfalls, daß wiederholt kein Wasser in-den Schläuchen war und daß nicht be- rieselt werden konnte. In der Unglückswoche fehlte eS am Montag und Dienstag an Wasser. Erst am Mittwoch gab es Wasser, aber So wenig, daß gar nicht berieselt werden kon-nte. Vors.: War die Zorschrift auf Radbod, daß Nebenarbeiten nicht bezahlt wurden, siir die Bergarbeiter lästiger als auf anderen Zechen? Zeuge Pillgrimm: Jawohl, weil das Gedinge auf Radbod schlechter war. Verteidiger Rechlsawvalt Heine: Ist es wahr, daß der Gedinge- lohn mehrfach willkürlicher Weise reduziert wurde? Zeuge Pill­grimm: Jawohl, es wurde uns gesagt, wem es nicht paßt, dem kann man ja nicht helfen. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Wie war es mit dem Kohlenstaub? Zeuge Pillgrimm: Ich habe noch nie- mals in einer so staubreichen Grube gearbeitet wie auf Radbod. Rechtsanwalt Dr. Röttgen: Sie sagten, Si-e hätten auf Radbod schlechten Lohn gehabt. Was haben Sie denn verdient? Zeuge: 6 M. pro Schicht. Rechtsanwalt Dr. Köitgen: Und das nennen Sie einen schlechten Lohn? Zeuge: Es kommt doch darauf an, wie man das Geld verdient Die letzte Arbeit auf Radbod war schon keine Ar- beit mehr, sondern ein Wühlen. Rechtsanwalt Dr. Köitgen: Was haben Sie denn vorher verdient? Zeuge: Heber 7 M. Staatsanwalt: Sie hatten doch die Pflicht, die Hohlräume auSzu- füllen, und wenn Sie das nicht taten, so lag ein« Verletzung Ihres Arbeitsvertrages vor. Zeuge: Wir mußten suchen, unser Geld zu Verdienern Das war die Hauptsache. Was fragte übrigens die Grubenverwaltung nach dem Arbeitsvertrag? Verteidiger Rechts- anwalt Heine: Wenn Sie allen Vorschriften nachkämen, hätten Sie -dann Ihre ö M. verdient? Zeuge: Nein. Bedeutend weniger. Deshalb war für uns die Hauptsache: Fördern, Fördern! Alles andere war Nebensache. Die Steiger trieben direkt zum Fördern an. Angeklagter Wagner: Ist es richtig, daß Bergarbeiter wegen zu geringer Förderung bestraft worden sind? Zeuge: Jawohl, das ist vorgekommen. Ich selbst habe Strafbücher gesehen, in denen Arbeiter wegen nicht genügender Leistungen bestraft worden sind. RechtSamvalt Dr. Köttgen: Sie sollen Artikel gegen die Zechen- Verwaltung imVorwärts" und imBochumer Volksblatt" ver- öffentlicht haben? Zeuge: Jawohl. Zeuge Bergmann LewandowSky: Mitunter ist in- der Woche nur ein paarmal berieselt worden. Bros.: Andere Zeugen haben gesagt, daß höchstens einen Tag mal nicht berieselt worden ist Zeuge: So genau habe ich mir das nicht gemerkt. Bors.: Wie stand es mit der Ausfüllung der Hohlräume? Zeuge: Mitunter sind große Hohlräume entstanden, die nicht ausgefüllt wurden. Vors.: Warum nicht? Zeuge: Weil»vir unser Geld verdienen mutzten. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Haben Sie gehört. daß ein Steiger sagte, heute komme Besuch jetzt müsse ordentlich berieselt werden, daß es ordentlich schwimmt? Bergwerksdirektor Andree: ES ist doch komisch daß die Be- rieselungsanlage nur dann funktioniert hat, wenn Besuch kam. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: DaS ist gar nicht komisch Dann wurde eben stark gepumpt und das Reservoir war gefüllt, was sonst nicht der Fall' war. Sachverständiger Hansinann: Hatte der Arbeiter auf die Gestaltung des Gedinges irgend einen Einfluß? Zeuge: Nein. Es wurde einfach ein bestimmter Gedingelohn festgesetzt, und wem das nicht paßte, der konnte gehen. Ver­teidiger Rechtsanwalt Heine: Sind Sie von der Zechenverwaltung Radbod entlassen worden? Zeuge: Jawcchl. Verteidiger Rechts­anwalt Heine: Warum? Zeuge: Ich führe mein« Entlassung darauf zurück, daß ich in dem Kolonieprozeß gegen die Zeche Radbod in Dortmund für sie ungünstig ausgesagt habe. Bergwerks­direktor Andree: Haben Sie-dieBergarbeitcrzeiwng" ausgetragen, waren Sie Kolporteur derBergarbeiterzeitung"? Zeug«: Ja­wohl. Bergwerksdirektor Andree: Der Zeuge ist deswegen von mir entlassen worden, ich dulde keine Leute, die solche Zeitungen vertreiben. Verteidiger Rechtsanwalt Heina: Wann wurde der Zeuge ent- lassen? Zeuge: Im Juli vorigen Jahres. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Seit wann tragen Sie dieBergarbAter- zeitung" aus? Zeuge: Seit dem Unglück auf der Zeche Radbod. Rechtsanwalt Heine: Also die Entlassimg ist sofort nach dem Kolonicprozetz erfolgt? Zeuge: Jawohl. Direktor Andree: Ich habe den Mann entlassen, weil cik die Zeitung austrug. Vertei­diger Rechtsanwalt Heine: Es genügt mir übrigens auch die Fest- stellung des Nebenklägers, daß er Leute entläßt, die ihm nicht genehme Zeitungen vertreiben. -- Der Vorfall zeigt, wie die Zechenbktdstckwng mit ihken Eft» beitern steht. Der letzte Zeuge der heutigen Sitzung war Bergmann Groß, der über die Hohlräume dieselben Bekundungen macht wie die anderen Bergleute. Borsitzender: Warum haben Sie die Hohl- räunie nicht gefüllt? Zeuge: Es hieß immer: Kohlen fördern', Kohlen fördern! Verteidiger Rechtsamvalt Heine: Wurde bei der Arbeit stark getrieben? Zeuge: Jawohl. Borsttzender: Warum taten die Steiger das? Zeuge: Sie wollten mehr heraus- schaffem Zweiter BerhandlungStag.(Vormittag.) Bevor in der Zeugenvernehmung fortgefahren wurde, richtete Staatsanwaltschaftsrat Hartmann an Berginspektor Hallender die rage, ob die gestrige Aussage des Bergmanns Rühn, er habe am age nach dem Unglück vormittags II Uhr in der östlichen Nicht- strecke noch ein Wimmern gehört, auf Wahrheit beruhen kann, und ob später an dieser Stelle Leichen gefunden wurden. Zeuge Berg- inspektor Hollcnder: Ich halte es für ganz unmöglich, daß um diese Zeit noch ein Lebender m der Grube gewesen ist. Es sind allerdings nachher eine Anzahl Leichen in der östlichen Richtstrecke gefunden worden, aber bezüglich des Wimmerns mutz ich annehmen, daß der Zeuge Rühn sich irrt. Staatsanwalt: In tvelchcr Situation wurden die Leichen gefunden? Läßt die Situation darauf schließen, daß der Tod bei den Bergleuten sofort eingetreten ist? Zeuge: Die Leichen lagen mitten unter dem Bruch, soviel wir feststellen konnten, sind die Bergleute an Schädelbruch gestorben. Zeuge Bergmann Pillgrimm: Ich befand mich mit Rühn zusammen in der Grube und erinnere mich genau, daß Rühn zu mir sagte: Da drin wimmert jemand. Nach meiner Erinnerung war es jedoch die westliche Nicht- strecke. Es ist übrigens auch möglich, daß ich mich in dieser Richtung täusche, denn ich weiß auf der dritten Sohle nicht so gut Bescheid. Zeuge Berginspektor Holleuder: Das werden die Hilferufe von Leuten gewesen sein, die wir nachher auch gerettet haben. Staatsanwalt: Ich möchte dem Nebenkläger Direktor Andree oder Berginspektor Hallender bitten, sich auch über die Be- rieselungsanlage zu äußern, über die so zahlreiche Zeugen Aus- sagen gemacht haben. Berginspektor Hallender, der für diese Aussage auch als Sachverständiger vereidigt wird: Wenn alles in Ordnung war, mußte das Wasser auch den nötigen Druck haben. Kurz vor dem Unglücksfall-war kein Wassermangel in der Grube, und es kann der Wasserleitung der Grube keine Schuld beigemessen werden. Staatsanwalt: Wenn nun von so vielen Seiten hier bekundet worden ist, daß kein Wasser lief, wie bringen Sie das mit Ihren Angaben und Feststellungen in Einklang? Zeuge Hollcnder: Die Zeugen können höchstens immer nur von einer halben Stunde am Montagvormittag sprechen, wo das Wasser tat- sächlich nicht lief. Sonst aber lief es immer und es kann daher von einem vollkommenen Wassermangel keine Rede sein. ES fehlte höchstens manchmal an dem genügenden Druck. Bergwerksdirektor Andrer: Wie erklären Sie eS sich, daß die Leute den Eindruck bekamen, es sei kein Wasser da? Zeuge Hallender: Wenn das Bassin oben leergelaufen war, dann waren natürlich auch die Rohre leer und es bildeten sich in diesen Rohren Luftsäcke. Wenn dann unten die Ventile abgeschraubt wurden, dann kam natürlich nicht sofort Wasser, sondern zunächst Luft, und die Bergleute haben dann das Wasser nicht abgewartet, sondern die Ventile sofort wieder zugedreht. Hätten sie noch ein bischen ge- wartet, dann wäre auch Wasser gekommen. Zeuge Bergmann Rettich: Die Angaben des Herrn Berginspektors Hollenbek können nicht stimmen. Ich habe an jenem Morgen sämtliche Ventile auf- dreht, um zu berieseln, und habe die Ventile auch lange aufge« lassen, aber eS kam kein Wasser. Ich fragte auch mehrere Steiger, und sie sagten mir, es käme kein Wasser Bergwerksdirektor Andree: Dann halte ich Ihnen vor, was Sie am 14. November bei Ihrer Ver- nehmung im Krankenhause gesagt haben. Verteidiger RechtS­amvalt Heine: Dagegen protestiere ich. Es sind allerdings am 14. November eine Reihe Leute im Krankenhaus« vernommen worden. Ich glaube aber, daß die Aussagen und Protokolle, die mit kranken Leuten unmittelbar nach einer solchen Katastrophe aufge- nommen sind, gar leinen Wert haben. Direktor Andree: Ich glaube, daß gerade.... Borsitzender(unterbrechend): Herr Andree, Sie haben nur das Recht, Fragen zu stellen, nicht daS Recht. Vorhaltungen zu machen. Rechtsanwalt Dr. Röttgen: Dann halte ich dem Zeugen vor, daß er damals etwas ganz anderes gesagt und daS auch unterschriiiben hat. Zeuge Rettich: DaS bestreite ich. Ich bin am 14. November überhaupt nicht vernommen worden, sondern am Abend des 12. November. Ich lag damals im Kranken- hauS, hatte beide Hände verbrannt und konnte gar nicht schreiben. Borsitzender: Hier habe ich die Aussage:Heinrich Nettich, ver- nommen am 14. November", und am Schluß heißt eS:Kann nicht unterschreiben." Zeuge Rettich: Das kann stimmen, aber eS war nicht am 14. November, sondern am Abend des 12. November, gleich nach dem Unglück. Angeklagter Redakteur Wagner: Ist dem Berginspektor Hallender bekannt, daß der alte erfahrene Bergmann genau weiß: Jetzt ist Luft in dem Rohr, und wenn die Luft heraus ist, kommt sofort Wasser? Zeuge Berginspektor Hollenbcr: Das weiß ich natürlich. Angeklagter Wagner: Und in solchem Falle wartet doch der Bergmann , bis das Wasser kommt. Zeuge Hallender: Ich denke auch. Vorsitzender: Kann man denn hören» wenn die Luft kommt? Angeklagter Wagner: Natürlich, dann pfeift es im Rohr. Staatsanwalt: Vielleicht ist eS in diesem Fall den Arbeitern etwas langweilig geworden zu loarten. Bor- sitzender: Darauf können wir uns nicht einlassen, daS geht zu weit. Eine Reihe von Zeugen bekundet, daß der Gedinyelohn auf der Grube Radbod häusig so plötzlich und willkürlich herabgesetzt wurde, daß den Bergarbeitern gar nicht Zeit blieb, zu kündigen. Als Sachverständiger zu diesem Punkt wurde der Bezirksleiter des Deutschen Bergarbeitervcrbandes Hansmann vernommen, der be- kündete, daß eine Herabsetzung des Gedingelohnes so zeitig den Arbeitern mitgeteilt werden müsse, daß sie Zeit haben, zu kündigen. Vorsitzender: Wann muß das geschehen? Sachverständiger Hausmann: Ich meine, daß den Arbeitern vor dem 15.-eines jeden Monat? von einer Aenderung im Gedingelohn Mitteilung gemacht werden muß. Das Gericht beschließt hierauf, die Arbeitsordnung auf Radbod heranzuziehen und den Arbeiterausschuß zu laden. Nächster Zeuge war der Bergmann Einbrod, der bekundete, daß meistens kurz vor Mitternacht die Berteseiungsanlage versagte. Die Berieselungsanlage pflegte überhaupt abgestellt zu werden, wenn kein Wasser gebraucht wurde oder wenn droben das Bassin über- zulaufen drohte. Manchmal gab eS so wenig Wasser, daß die Bergleute kein Trinkwasser bekommen konnten. Bergwerks- direktor Andree: Weshalb haben Sie das nicht gemeldet? Sie sagen doch, daß sehr häufig kein Wasser da gewesen wäre. Zeuge: Wir haben das auch mitunter gemeldet. BergwerkSdi vektor Andree: Und was sagte da der Steiger? Zeuge: Er würde für Abstellung der Mißstände sorgen. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Ist es dann auch wieder gelaufen? Zeuge: Manchmal ja, manchmal auch nicht. Bergmann Hometzer bekundet, daß schon vor der große» Kata- strophe die Wetterverhältnisse auf Radbod ungünstig waren. Sonst wäre die Explosion- am 2g. Oktober gar nicht möglich gewesen. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Ist es richtig, daß Sie durch schlechte Wetter in Ihrer Arbeit gehindert worden sind und daß Sie nur die Hälfte der sonst üblichen Leistungen haben ausführen können? Zeuge: Jai-xchl. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Ist es richtig, daß Sie halbe Schichten haben aussetzen müssen-, weil Sie es in den Wettern nicht aushalten konnten? Zeuge: Nicht nur halbe, sondern ganze Schichten. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Nachdem vorhin Bergwerks- tnspcktor Hallender als Sachverständiger vereidigt worden ist, möchte ich nunmehr beantragen, auch die drei Sachverständigen der Verteidigung, Hansmann, Werner und Mantel, als Sachder- ständige zu vereidigen. Rechtsanwalt Dr. Röttgen: Ich wider- spreche erneut diesem Antrag unter Hinweis auf meine gestrigen Ausführungen.