Nr. 162.

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10. Jahrg.

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Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die Belteuerung der Börsengeschäfte.

Donnerstag, den 13. Juli 1893.

raschungen gefaßt zu sein, wir müssen gewärtig sein, daß man dem Reichstage zumuthet, einem Tabakmonopole und vielleicht noch anderen Monopolen zuzustimmen.

Wir müssen dies befürchten, weil die einzige beabsich tigte Steuermaßregel, von der man dem Reichstage Mit­theilung zu machen geruhte, die Börsensteuer, nicht allzugroße Erträgniffe liefern wird.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Eine

Wer seinen Geschäftsgewinn, seine Ersparnisse, eine ihm zugefallene Erbschaft in zinstragenden Papieren anlegen will, muß sich heute nothwendiger Weise direkt oder indirekt au die Börse, als den Markt für Werthpapiere wenden und Graf Caprivi hat gesprochen, aber keine Klarheit über macht dabei ein durchaus solides Geschäft. Das gleiche oie zukünftige Finanzpolitik des Deutschen Reichs geschaffen. gilt von demjenigen, der eine Zahlung in fremden Gold­Daß er auf zwei der drei B, die Erhöhung der Brannt­münzen empfangen hat, dem ein Wechsel oder eine An­wein und Biersteuern verzichte und nur das dritte B, die So wie nur irgend jemand im Reiche sind wir dem weisung auf eine ausländische Bank an Zahlungsstatt Börsensteuererhöhung in der nächsten Session fordern wolle, Gedanken der Börsensteuer sympathisch gesinnt. Freilich übergeben wurde, alle diese müssen durch die Börse ihre ist ja an sich erfreulich, aber enthüllt uns keineswegs das nicht zur Deckung für neue Militärausgaben, sondern wenn fremden Werthe in deutsche Reichsmünze umwandeln lassen; Geheimniß, wie die Kosten der Militärvorlage aufgebracht damit andere drückende Steuern beseitigt werden sollen. Aber diese und so manche andere Geschäfte sind durchaus solide, werden sollen. Denn darüber kann kein Streit sein, daß alle Sympathie für die Besteuerung des Börsenkapitals darf die Börse ist gegenwärtig für diese Geschäfte ein unentbehr­man die Gesammtkosten unserer Heeresvermehrung nur zum uns nicht blind machen für die doch nur beschränkte Möglicher Markt. privatkapitalistische Gesellschafts­geringsten Theile durch Besteuerung der Börsengeschäfte lichkeit, hohe Steuererträgnisse aus der Börse zu ziehen. ordnung mit entwickeltem Kreditsysteme ist ohne Börse aufbringen kann. Auch Graf Caprivi täuscht sich hierüber Um dies klar zu machen, muß hier einiges über das undenkbar. nicht. Er spricht von drei Grundsätzen seiner Steuer- Wesen der Börse und über die Art der Börsengeschäfte Bei den Börsensteuer- Plänen handelt es sich in der politik: 1. Reform der Börsensteuer, 2. die anderen vorausgeschickt werden. Regel nicht blos um eine reine finanzpolitische Maßregel, Steuern auf die leistungsfähigsten Schultern zu legen und Die Börsen sind Orte, an denen sich Kaufleute, sondern auch um eine wirthschaftspolitische Aktion. Man die schwachen Kräfte zu schonen, 3. das landwirthschaftliche Bankiers 2c. oder deren Vertreter regelmäßig zusammen will das unsolide, reine Spekulationsgeschäft, das an der Gewerbe von neuen Steuern frei zu lassen. finden, um entweder direkt oder indirekt durch Vermittelung Börse betrieben wird, stärker treffen als andere in der Der 3. Punkt dieses Programmes ist der Klarste und von Maklern Geschäfte mit einander zu machen. Es giebt bürgerlichen Gesellschaft als solider angesehene Geschäfte. leider selbstverständlich. Der Reichstag hat eine agrarische Effekten-, allgemeine Waaren, dann spezielle Getreide, Uuter diesen Spekulationsgeschäften versteht man in der Mehrheit, ein Verzicht auf die Liebesgabe, eine stärkere Kohlen-, Raffees, ja selbst Schuhwaaren- und andere Börsen. Regel die sogenannten Zeit oder Differenzgeschäfte , in Heranziehung des Großgrundbesiges zu den Militärlasten Wir wollen hier blos von den Börsen im engeren Sinne, denen für einen späteren Zeitpunkt die Lieferung bestimmter ist von diesem Reichstage nicht zu erzwingen. Punkt 3 und den Effektenbörsen sprechen, weil an sie bei den Angriffen Werthpapiere zu einem bestimmten Preise( Kurse) ver­Punkt 2 des Caprivi'schen Finanzprogramms widersprechen auf die Börse und bei den Plänen, Börsengeschäfte zu be- einbart wird, wo aber beim Geschäftsabschlusse weder sich, denn wo sollen leistungsfähigere Schultern als Träger steuern, vornehmlich gedacht wird. Käufer noch Verkäufer an die wirkliche Ausführung der neuen Steuern zu finden sein als bei den Bleß, Hohen- Die Effektenbörse ist der Markt für Kreditpapiere und des Geschäftes denken, sondern das Geschäft lediglich mit lohe, Mirbach 2c. zc. Wenn die Landwirthschaft von neuen Geld, an ihr werden die Schuldverschreibungen der Staaten, der Absicht eingehen, um am Erfüllungstage an dem Unter­Steuern frei bleiben soll, die Börse nur einen Theil auf- Kreise und Gemeinden, Hypotheken Pfandbriefe, Aktien- schiede des erwarteten und des thatsächlichen Preises der bringen soll, so müßte, wäre Graf Caprivi mächtig genug antheile von industriellen Unternehmungen, Transport- Werthpapiere zu profitiren. Die Juristen erklären solche hierzu, den Stumm und Krupp , den Schlot- und Gruben- einrichtungen, Banken und Versicherungs- Gesellschaften, Geschäfte, weil sie blos Glücksspiele oder Wetten sind, für baronen in irgend einer Form der Besteuerung des groß- Prioritäten( Schuldverschreibungen) der Aktiengesellschaften, unklagbar. Abgesehen von betrügerischer Beeinflussung des industriellen Kapitals der Haupttheil der neuen Militärlasten dann Wechsel und ähnliche Darlehensdokumente Privater, Preises von Werthpapieren durch Verbreitung falscher auferlegt werden. Es mag ja sein, daß dem Grafen Caprivi sowohl inländische als ausländische, endlich auch edles Nachrichten u. dgl. bilden diese Zeitgeschäfte den Haupt­persönlich diese Steuersubjekte als die geeignetsten Träger der Metall, Gold und Silber, in Barren( ungemünztem Zustande) inhalt des Börs enschwindels. Leider kann man diese schwindel­neuen Lasten erscheinen, aber als Reichskanzler weiß er nur zu gut, und in fremden Münzsorten gehandelt. haften Differenzgeschäfte in keiner Weise von ganz ehrlich Daß ihm hierzu die Macht fehlt. Die Nationalliberalen Die Börse wird, indem sie den kapitalistischen Verkehr gemeinten Geschäften, in denen ein späterer Lieferungstermin würden nicht so energisch für alle Regierungsforderungen vermittelt, zum unentbehrlichen Markt für die Kreditpapiere vereinbart ist, unterscheiden. eintreten, wüßten sie, daß die von ihnen vertretene Klasse und somit zu einem nothwendigen Gliede unserer Kredit­die durch die Annahme der Vorlage entstehenden Lasten wirthschaft. Da sich in der Gegenwart aller Vermögens­hauptsächlich zu tragen hätte.

Hierzu wäre das Schlotjunkerthum nur bereit, wenn die Reichsregierung durch Rückwärtsrevidirung der sozialen Gesetzgebung, durch Bestrafung des Kontrattbruches und Aehnliches, dem Unternehmerthume einen Preis auf Kosten der Arbeiter zahlen würde. Wir glauben aber nicht, daß man angesichts des Wachsthums der Sozialdemokratie der artiges durchzuführen versuchen wird.

"

Eine andere

Hierin liegt die eine große Schwierigkeit der Bes steuerung der Börsengeschäfte, daß es fein Mittel giebt, die besitz immer mehr in den Besitz von Werthpapieren ver- unsolidesten Börsengeschäfte höher zu besteuern als die ganz wandelt, so ist auch die Bedeutung der Börse in stetem reinlichen, daß demnach dem Prinzip der Gerechtigkeit Wachsen begriffen, wir erinnern nur an die Milliarden von nicht Rechnung getragen werden kann. Staatspapieren, die seit 30 Jahren auf den Markt geworfen Schwierigkeit besteht darin, daß man die Geschäfte nicht im wurden, an die Unzahl von Gründungen" von industriellen Verhältniß zum Gewinn, sondern nur die Größe des Um­Unternehmungen, Bergwerken, Transport- und Versicherungs- sayes oder das Werthpapier an sich besteuern kann. anstalten, die nunmehr als Börsenwerthe zum Handels- Wählt man letzteren Weg, so besteuert man den Eigens objekte der Börsenkaufleute geworden find. thümer einer englischen Staatsschuldverschreibung, die wegen Trotz des Vertrauens, das Graf Caprivi beweglich In weiten Kreisen des Boltes ist der Glaube verbreitet, ihres gleichbleibenden Kurses selten den Besitzer wechselt, vom Reichstage forderte, können wir nicht umhin, dem daß das Börsengeschäft ein nothwendigerweise schwindel- bedeutend höher, als die Aktie irgend einer obskuren Punkt 2 seines Finanzprogrammes gar keine Bedeutung haftes sein müsse. Vom Standpunkte der kapita Messinglinienfabrik die wegen künstlich hervorgerufener beizumessen und mit dem größten Mißtrauen den Finanz- Listischen Wirthschaftsordnung aus, auf dem doch die Kursschwankungen mehrmals in einem Monate den Besitzer vorlagen der Regierung entgegenzusehen. Wir haben allen Hauptgegner der Börse, Agrarier und Antisemiten, stehen, wechseln mag. Ebenso ungerecht kann die Besteuerung des Anlaß das Böseste zu befürchten und auf alle Ueber- sind keineswegs sämmtliche Börsengeschäfte zu verurtheilen. Besizwechsels von Werthpapieren nach der Höhe des Um­

Feuilleton.

Nadbrud verboten.)

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Die Bekehrung André Savenay's.

Sozialistischer Roman von Georges Renard.

=

ans

Zunächst die Kunststückchen der Spekulanten. Die der Reichthum ist? Er ist's, der alles in Grund und Boden närrischsten Schurken, versichere ich Sie! Auf sie verdirbt. Er lehrt Euch das Faullenzen, er lehrt Euch die paßt das Wort, das unser alter Rabelais einmal ge- Ungerechtigkeit; er schafft die Wüstlinge und die Wölfe der jchrieben: Sie bewachen nicht das Haus, wie der Hund, sie Börse. Er verfälscht alles, macht sich alles unterthan, ziehen nicht die Wagen wie die Ochsen, sie geben nicht Milch sogar die öffentliche Meinung. Versuchen Sie nur einmal, und Wolle wie die Schafe, sie schleppen nicht Lasten wie gegen die Macht des Geldes zu schreiben. Dazu brauchen das Pferd: sie plündern und verwüsten nur alles! Sie Sie ein Blatt, und kein Blatt ohne Geld. Forschen Sie leben von den Raubzügen, die sie gegen alle, die arbeiten, nach der nothwendigsten, ausschlaggebenden Eigenschaft unternehmen. Und diese Zöllner und Geldwechsler sind eines Kandidaten, Sie werden finden, daß sie in einer ge­unsere Herren!" füllten Börse besteht. Ich muß immer lachen, wenn Autorisirte Uebersetzung von Marie Kunert . Sie übertreiben wohl etwas!" sagte André. ich höre, wie sonst ganz vernünftige Leute die soziale " Ich übertreiben?" erwiderte heftig der Alte. die Arbeiter " Nun, mein Gott, das ist sehr einfach! Vor allen D, Frage als eine Frage, die nur Sie ist weit umfassender, weit Dingen wollen wir sie erziehen, so gut wir fönnen! Ich, mein Herr, Sie kennen die schreckliche Macht des Geldes, geht, hinstellen. wie Sie mich hier vor Ihnen sehen, Herr, ich treibe ein Sie kennen seine Verbrechen noch nicht! Ja, Herr, seine tiefer. Es handelt sich nicht nur darum, daß die Geschäft, das Ihnen für einen Sozialisten sehr eigenthüm- Verbrechen!" Arbeiter nicht mehr hungern und verhungern sollen. lich vorkommen mag, das mir aber das einbringt, was ich„ Das arme Geld sollte wirklich so schuldig sein?" Es handelt sich auch darum, die tyrannische Herre zum Leben brauche. Ich bin nämlich bei einer Bankfirma wandte André, überrascht von der Heftigkeit des Alten, schaft des Geldes zu brechen, die Vorrechte des Reichthums mie nenne ich's Rathgeber ein. Ich habe immer nur davon gehört, daß es schöne zu beseitigen, eine Gesellschaftsform zu finden, welche die am besten? in kaufmännischen Angelegenheiten. Ich bin schon und gute Dinge schafft. Hätten wir denn ohne das Geld Ungleichheit des Besitzes auf ein Minimum reduzirt. Nur seit langer Zeit Bantbeamter und kenne als solcher Wege, Kanäle, Eisenbahnen, Paläste und Schulen?" der ist ein wahrer Sozialist, der an diesem Werke mit alle Schliche und Kniffe der Börsenoperationen, alle" Ja," erwiderte der Alte. Das sind schöne Werke, arbeitet." Geheimnisse des Finanzwesens aus dem Grunde. Meine die diejenigen, welche Geld haben, von denen ausführen" Ich verstehe das Problem sehr wohl, und es inter Chefs legen mir alle Projekte zu neuen Unternehmungen lassen, die keines haben! Ganz anders ist die Sache, wenn esfirt mich lebhaft," sagte André, worauf das junge Mäd­vor; ich prüfe sie eingehend; ich berechne, ob das vor das Geld wirklich zum Nutzen aller verwendet wird. Was chen ihm einen schnellen, erstaunten Blick zuwarf." Ich sehe geschlagene Geschäft unsicher ist oder ob es einen Gewinn ich verdamme, das ist das Geld, das zum Zwecke des aber die Mittel nicht, durch welche das Problem zu verspricht. Darnach sage ich dann entweder: Sie können Lebens und zum Maßstab des Verdienstes geworden ist. lösen ist."

der

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losgehen, oder aber: Hier müssen Sie sich vorsehen. Ich Ihre Majestät die Million ist die Königin und Tyrannin" O," meinte der Alte lachend, Mittel giebt es genug. bin ganz allein für mich eine Art Bureau für ver- unserer Gesellschaft geworden. Wissen Sie, was arm sein Wir haben sogar viel zu viel. Die Ginen, zu denen trauliche Auskünfte. Ich nehme zugleich einen Vertrauens- heißt? Die Armuth ist die große Versucherin. Sie verführt ich nicht gehöre, predigen die Gewalt. Die Die Andern posten und den schönsten Beobachtungsposten ein, der sich zum Kriechen und Speichellecken vor den Reichen und Mäch- fordern eine Reihe von allmählich allmählich einzuführenden denken läßt, und von dem aus ich die schnurrigsten Dinge tigen. Stolz und Redlichkeit stellt sie auf die härteste Probe. Reformen. Jene glauben an eine bald hereinbrechende mit ansehe." Sie lehrt Euch Heuchelei, Betrug und Diebstahl. Sie ist es, Revolution, diese rechnen mit der Zeit und der fortschrei­die die Mitgift- und Erbschaftsjäger schafft. Wissen Sie, was tenden Entwickelung. Aber, mögen sie nun für ein schnelles

Und was sehen Sie da?" fragte André neugierig.