Rechtsanwalt Hewc: Sind auf Radbod Niel SchlaAvetter?—Zeuge: Nein.— Verteidiger Rechtsan?val< Heine: Gibteä dort viel Staub?— Zeuge: Nein.— VerteidigerRechtsanwalt Heine: Herr Hallender aber hat Radbodfür schlagwetterreich erklärt.— Sachverständiger Hallender:Dewitz, aber im speziellen Revier des Zeugen Stenzel kann eSja weniger Wetter gegeben haben.— Saciwerstandiger Hansmann:Haben Sie die Wetter vorschriftsmäßig im Wetterbuch ein»getragen?— Zeuge: Das war auf Radbod nicht notwendig, weilununterbrochen gearbeitet wurde.— Sachverständiger Hansmann:Sind die Eintragungen aber wenigstens für die Sonntage undfür die Betriebspunkte vorhanden, in denen nicht ununterbrochengearbeitet wurde? In diesen Fällen mußten doch vorher dieWettermänner die Strecke befahren und ihre Eintragungen in dasWetterbuch machen.— Zeuge Stenzel: Ich habekein Wetterbuch gesehen.Direktor Undree: Natürlich ist ein Wetterbuch vorhanden; eswird zur Stelle geschafft werden.— Angeklagter Wagner: Eshaben hier eine Reihe Zeugen bekundet, daß das Ventil derWasserleitung einmal durch unbefugte Hand abgedreht wordenist. Mußten nicht Vorkehrungen getrofken werden, daß so etwasnicht möglich war? Wenn Herr Hollender das gesehen hätte,hätte er eS nicht sofort verboten?— Sachverständiger Hollender:Nein, Unbefugte haben auf dem Werk überhaupt nichts zu suchen,und von vernünftigen Bergleuten ist nicht anzunehmen, daß siemutwilliaein solches Ventil abdrehen.— Verteidiger RechtsanwaltHeine: Wer ist denn der große Unbefugte, der das Ventil ab-gedreht hat?— Sachverständiger Hollender: Es ist ja gar nichtabgedreht worden.— Angeklagter Wagner: lieber Tage sind dochober löjährche Jungen beschäftigt— und die konnten Unfugtreiben.— Sachverstandiger Hollender: Aber nicht unter Tage.—Angeklagter Wagner: Ein solches Ventil muß unter Verschlußgehalten sein.- Bors: Tatsächlich ist da» aber nicht der Fall gewesen.Welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, ist Sache der Plaidoyers.—Sachverständiger Werner: Ich muß bemerken, daß ich keine Zechekenne, wo die Wasserleitung derartig beschaffen war wie aufRadbod. Ich kenne nur automatisch wirkende Wasserleitungen.Ich weih überhaupt nicht, daß ich jemals in meiner jahrelangenPraxis über Wassermangel hatte Klage führen können, abgesehenvon der kurzen Zeit, wo eine Reparatur an der Wasserleituagvorgenommen wurde.— Staatsanwalt: An dem Nnglückstagrfehlte das Wasser deshalb, weil durch die Explosion das Rohr zer»stört worden ist.— Sachverständiger Hollender: So ist eS.—Staatsanwalt: Wäre diese Zerstörung auch dann eingetreten.wenn die Wasserleitung vollkommen in Ordnung gewesen wäre?—Sachverständiger Hollender: Jawohl. Staatsanwalt: Dann erkläre ich, daß die ganzen Erörterungen über die BerieselungS»anlagen überflüssig waren. Denn wir brauchen nach der Eni-scheidung de» Reichsgerichts nur solche Frage zu erörtern, die mitder Katastrovhe in ursächlichem Zusammenhang bestanden habenkönnen.— Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Das ist nicht richtig.DaS Reichsgericht hat gesagt, daß wir alle Umstände zu erörternhaben, welche ordnungswidrig waren, und welche deshalb denArtikel des Angeklagten in günstigerem Lichte erscheinen lassenkönnen. Uebrigcns gebe ich durchaus zu, daß solche großenKatastrophen Rohrleitungen zerstören können. DaS hat aber mitden Ursachen der Katastrophe selbst gar nichts zu tun. Es ent-steht höchstens die Frage, ob durch Versagen der Wasserleitungnach der Katastrophe bei den Rettungsarbeiten ein Verschulden derVerwaltung vorliegt.— Staatsanwalt: Es ist behauptet worden,daß da? Unglück deshalb einen so großen Umfang angenommenhat, weil die Wasserleitung versagt hätte.— SachverständigerHansmann: Wußte Herr Hollender vor dem Unglück, daß dieWasserleitung eingefroren war?— Sachverständiger Hollender:Nein, das haben wir erst nachher erfahren.Hierauf trat eine Pause ein.Nach der Pause wurde zunächst eine Reihe von Rieselmeisternvernommen, die bekundeten, daß m der Grube Radbod stets ge-nügend Wasser vorhanden war. Dann nahar längfre Zeit in An-spruch die Vernehmung des Betriebsführers Berg. Er bekundete,daß die Berieselung auf Radbod tadellos funktionierte, daß vonHohlräumen nicht gesprochen werden kann und daß auch nicht über-mäßig viel Kohlenstaub vorhanden war.— Bors.: Zwei Tage vordem Unglück soll das Ventil der Wasserleiwng eingefroren gewesensein.— Zeuge: Das ist richtig.— Bors.: Wie kam es denn, daß da?Ventil überhaupt einfrieren konnte?— Zeuge: Der Frost kam zuplötzlich Bors.: Und die Schlagwetter auf Radbod?— Zeuge: Auchhier wiederhole ich, sie waren nicht besonders stark.— VerteidigerRechtSanN'alt Heine: Wenn man den Zeugen so hört, müßte manzu dem Schluß kommen, daß Radbod eine einwandSfrete Grubewar.— Der eine Ventilator hat nicht genügt, denn eS ist ja nachder ersten Explosion«in zweiter Ventilator angeschafft worden.—Zeuge Bergmann Thomas: Ich muß zu der Aussag« des ZeugenBerg erklären,daß Hohlräume bis zu 4 Meter HShe vorhandenwaren.— Zeuge Berg: Ich habe davon nichts gesehen.— ZeugeThomas: Ich habe den Zeugen Berg wiederholt auf die Gefährlich-keit so großer Hohlräume aufmerksam gemacht.— VerteidigerRechtSanNxilt Heine: Haben Sie alle Schlagwetter, die Ihnen ge-meldet wurden, in das Wetterbuch eingetragen?— Zeuge Berg:Nur wenn die vorhandenen Einrichtungen nicht ausreichien, um dieWetter z» vertreiben. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Dannmöchte ich nun doch einmal das Wetterbuch von Radbod sehen, umzu erfahren, was eingetragen ist.(Nebenkläger Direktor Andre«überreicht dem Verteidiger die in Frage kommenden Wetterbücher.)— Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Ich habe das Wefterbuch für dieZeit vor dem Unglück hier vor mir undschlag» 33 Seiten auf.Auf jeder Seit« steht immer dasselbe:„Alles rein." In der ganzenZeit ist also nach dem Wetterbuch nicht ein einzige? Mal auch nurdas Auftreten von schädlichen Gasen auf Grube Radbod beobachtetworden.— Staatsanwalt: Haben Sie in dieser Zeit(Bchlagiwtterauf Radbod bewerft?— Zeuge Betrtcbssührer Berg: Nein.—Verteidiger Rechtsanwalt Hein«: Die Arbeiter aber haben dieseSchlagwetter jeden Tag bewerft.— Rur der Betriebsführer, der zurGintragung gesetzlich verpflichtet ist» hat diese Schlagwetter nichtgefunden. Direktor Andre«: Es steht nicht in den Vorschriften, daßdas Auftreten von Schlagwettern einzutragen ist, sondern ledig-lich die Ansammlung von schädlichen Gasen. Darunter verstehtman den Zustand, der dadurch herbeigeführt wird, daß die Ven-tilatoren die Ansammlung von Schlagwettern nicht verhindernkönnen.— Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Auch das ist nichtrichtig. Im§ 31 der Vorschriften für Wettermänner steht aus-drücklich, daß Botriebspnnkte, in denen ein Auftreten schädlicherGase beobachtet wird, vermerkt werden müssen. Wenn hier aberfortwährend im Wetterbuch steht:„Alles rein", dann kann darausgefolgert werden, daß es Betriebspunkte, wo schädliche Gase auf-treten, i» der ganzen Grube Radbod nicht gibt. Nun haben wirhier aber Bekundungen von Zeugen, daß, auch wenn die Vcntila-toren gingen, die Gase nicht weggebracht wurden, und wir habenweiter gehört, daß die Bergleute ohne Lampe in die Grube gingen,weil»S ihnensonst zu gefährlich war,und daß sie eine halbe Stunde warteten, bis sich die Gase ver-zogen hatten. DaS ist miirdesienS ein Auftreten schädlicher Gaseund eine Meldung mußte darüber staftfindeu. Das steht aber nichtin dem Wetterbuch, und loetl das der Fall ist. sage ich: Hier habendie Steiger entweder vertuscht oder die Vorschriften sind in ganzsalopper Weise gehandhabt worden.— Zeuge Hollender: Ich weißnur von einer einzigen Beschwerde, die der zuständige Bezirks-leiter des BergarbeiterverbandeS bei mir vorbrachte, Mwrauf ichsofort die Grube untersuchte.— Zeuge Thomas: Und wegen dieserNieldung beim Berginspektor ist der Bergarbeiter Lange, der alsSchreiber dieser Beschwerde verdächtig war, vop derZeche entlassen worden.lBeweaung im Zuhörerraum.) Di« Zeugen Bergleute Nickel undPillgaimm treten den Bekundungen de? Bergmanns Thomas bei.—Zeuge P-llgrimm: Wir haben in einer mit den christlichen Gewerk-vereinen gemeinschaftlich abgehaltenen Versammlung über die Gaseauf Radbod verhandelt und dem Betriebsführer Berg einen Briefunterbreiten lassen.— Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Was standdenn in dem Brief?— Zeuge Pillgrimm: Alle Klagen, die in derVersammlung über Radbod vorgebracht worden waren.— DirektorAndrer: Ich behaupte, es gibt keinen Beamten auf Grube Radbod,der einen Betriebspunkt verläßt, ohne daß die Wetter beseitigt sind.— Bors,(zum Zeugen Thomas): Kam«s vor, daß die Gas« dieganze Schicht durch geblieben sind und daß durchgearbeitet wurde?Zeuge Thomas: Jawohl, das ist vorgekommen. Deshalb haben wirja häufig im Dunkeln gearbeitet und sindauf allen Bieren vorwärts gekrochen,um mit den Schlagwettern nicht in Berührung zu kommen.—Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Das sind doch sicher Stellen,die im Wetterbuch hätten eingetragen werden müssen.— Werner:Auch ich bin der Meinung, daß solche Wetterbildungen in dasWetterbuch eingetragen werden müssen.— SachverständigerHollender: Ich kann mich den Bekundungen des SachverständigenOberbergrats Kaltheuner nur anschließen. Wetter,� die die besondere Aufmerksamkeit der Beamten erregen, müssen in dieWetterbücher eingetragen werden, damit sie zur Kenntnis derverantwortlichen Stellen kommen.— Verteidiger RechtsanwaltHeine: Müssen auch solche Wetter eingetragen werden, von denenhier die Zeugen Thomas und Pillgrimm gesprochen haben?—Sachverständiger Hollenbek: Die Antwort ergibt sich schon ausdem Zweck, dem die Wetterbücher dienen sollen. Sie sollen eineUebersicht aeben über die Wetterverhältnisse in der Grube, unddeshalb müssen auch die Wetter eingetragen werden, die durchverstärkte Maßnahmen beseitigt werden. Die tzlufsichtsbcamtenmüssen wissen, wo sie am ehesten hinzusehen haben.— VerteidigerRechtsanwalt Heine: Es bleibt die Tatsache bestehen, daß der ver»antwortliche Betriebsbeamte Berg hier gesagt hat, von Schlag-wettern hat er nichts gewußt, während viele Zeugen hierübergenaue Angaben gemacht haben.— Bors,(zum Zeugen Thomas):Weshalb haben Sie Ihre Abkehr von Radbod genommen?—Zeuge ThomaS: Es war uns nach unserer Vernehmui« am10. Oktober gekündigt worden.— Bors.: Wie vielen Leutenwurde im ganzen gekündigt?— Zeuge: Etwa 12S Mann.--Andrer: Wir mußten annähernd 1000 Mann ablegen. Wirwollten eS nicht auf einmal tun, sondern taten es gruppenweise,weil wir immer noch hofften, die Grube schnell wieder in Betriebnehmen und das Wasser schneller auspumpen zu können, als esgeschehen ist. Auf diese Weise erklärt es sich, daß so vielen Leutengekündigt wurde. Nach der Rede des ThomaS auf dem BerlinerBergarbetterkonareß habe ich den Direktor der Zeche Baldur ver-anlaßt, daß er Thomas und noch einen Bergmann aus dem Ar-heitSverhältnis der Zeche entlasse.— Staatsanwalt: Ist Thomasunter Einhaltung der Kündigungsfrist abgelegt worden? t— ZeugeThomaS: Nein.— Staatsanwalt: Sie sind sofort entlassenworden?— Zeuge Thomas: Ja.— Staatsanwalt: Mit welcherBegründung?— Zeuge ThomaL: Ter Betriebsführer sagte:ThomaS, gegen Sie ist eine Beschwerde eingegangen. Ich mußSie, so leid es mir tut, entlassen.— Staatsanwalt: Ist demZeugen Thomas bekannt, daß ihm gegen die ftindigungsiose Ab-kehr das Rechtsmittel der Beschwerde zusteht und hat er davonGebrauch gemacht?— Zeuge Thomas: Nein.— Staatsanwalt:Weshalb nicht?— Zeuge: Weil meine Papiere schon fertig aufdem Bureau lagen und weil ich e? als zwecklos ansah.— Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Warum luurden gerade die ver-unglückten Bergleute entlassen?— Zeuge Thomas: Mir hat derSteiger gesagt: DaS war nicht notwendig, daß Sie das ausgesagthaben. Das war am 10. Dezember nach dem großen Unglück.Die Weiterverhandlung wurde �auf morgen(Sonnabend)vertagt._Soziales*l St. BurcaukratismuS.Gestern trat hier der Reichsverband deutscher Städte zu-sammen. Ihm gehören die mittleren und kleineren Städte unter26 000 Einwohner an. In der Diskussion warfen die Rednerzwar stark mit patriotischen Phrasen um sich, traten aber dochdurchweg für größere Selbstverwaltung und gegen den starkenBureaukratismus auf. Einer der Referenten, Bürgermeister �Dr.Belion(Eilenburg) gab folgendes Schildbürgerstücklein aus unserenBeamtenstuben zum besten:„Die von mir vertretene Stadt Eilenburg ist in zwanzigMinuten von Leipzig aus zu erreichen. Die Leipziger Behördewill einem Dienstmann, der zufällig in Eilenburg geboren ist,ein Ehrenzeichen verleihen. Um zu erfahren, ob gegen diesenMann etwas vorliegt, wendet sich die Stadt Leipzig in unsererZeit des Telephons zunächst an die ihr übergeordnete?lmtL-hauptmannschaft, diese an das sächsische Ministerium desInnern, diese» an das Ministerium des Aeuhern, diese» an diesächsische Gesandtschaft in Berlin, diese an den deutschen Staats-fekretär dcs Aeuhern, dieser an den preuhischen Minister de»Innern, dieser an den Oberpräsidrnten, dieser an''en Regie-rungSpräsidenten, dieser an den Königlichen Lnndrat in Delitzsch.dieser endlich an die Polizeiverwaltung in Eilenburg.(GroßeHeiterkeit/j Als wir darauf pflichtgetreu meldeten, daß wirden zur Dekorierung vorgeschlagenen Herrn nicht kennen, gehtdie Sache genau ebenso auf demselben Wege zurück nach demLO Minuten von Eilenburg entfernten Leipzig(schallendeHeiterkeit), ein klassisches Beispiel dafür, wie modern derdeutsche Bundesstaat im Zeitalter des Verkehrs arbeitet!"In der Tat ein klassisches Beispiel für die überflüssige, zeit-raubende, nutzlose, echt bureaukratische„Arbeit", die in Behörden-bureauS verrichtet wird. Und so wird eS bleiben, solange nichtdurch Einführung allgemeiner, gleicher, geheimer, direkter Pro-portionalwahle» für alle gesetzgebenden, kommunale» und beljörd-liehen Körperschaften dafür gesorgt wird, daß alle Teile der Be-völternng an Gesetzgebung und Verwaltung teilnehmen. Erstdann wird mit dem Moderhnufen bureaukratischer Wichtigtuereiund Zeit, und Geldvcrtrödelei aufgeräumt werden können. DieseForderung erhob der Städteverband leider nicht.Auch ein EntlassungSgrnnd.Zu den« im„Vorwärts" vom 4. d. Mts. enthaltenen Berichtüber eine J»nungsschiedsgerichts-Verhm>dluiig ersucht uns derBeklagte, Fritz Stiebe, um die Mitteilung, daß er wegen dervon der Klägerin aufgestellten Behauptungen Beleidigungsflageangestellt hat. Diesem Wunsche kommen wir hiermit nach.Wertlosigkeit der..Vertrauensärzte".Die Frage, ob jemand invalide ist, hängt in der Praxis, ent-gegen den, Gesetz, leider in der Hauptsache von„Vertrauensärzten"ab. Wie wertlos solche Gutachten, insbesondere auch die von derBerliner Anstalt, sind, zeigt wieder folgender Fall:Der Silberarbeiter F. erkrankte am 15. August 1909 und wurdevollständig erwerbsunfähig. F. leidet an Nervenreißen, Folgeneines Schlaganfalles, Gefäßverkalkung u. a. m. Diese Leiden ver-hindern, daß F. längere Zeit gehen oder sitzen kann. Der von F.bei der LandeS-BerficherungSaiistalt Berlin gestellte Antrag wurdeabgelehnt, weil nach einem eingeholten Gutachten zwar»sehr ge-riniie Reite eines Schlaganfalls, Gefäßverhärtung, Lungencrwcite-rung, SchullergslcnkrheuinatismuS und geringe Nervenschwäche be-stehen", daß durch alle diese Leiden der Antragsteller aber nochnicht als invalide im Sinne des Gesetzes anzuseben sei.Gegen den ablehnenden Bescheid der LandeS-VersicherungS-anstatt wurde Berufung beim Schiedsgericht für Arbeiterverstche-rung Berlin eingelegt. Dasselbe forderte von einem Bertraurns-arzt ein Gutachten ein. Derselbe kam zu dem Ergebnis, daßKläger feit dem 15. Anglist 1999 als dauernd erwerbsunfähig anzu-sehen sei.Aus dem Gutachten sei folgendes wiedergegeben: ,,Tr. K. ziehtdie teilweise Lähmung de» rechten Beines nicht in Betracht. DiesesLeiden, verbunden mit her Schwäche des linken BeineS bedingtaber fit. E. allein eine Erwerbsunfähigkeit 6on 50 Proz. W sthiHkaber auch das Gutachten dcs Dr. G. den vorgenannten Zustandzn niedrig ein, soweit eine solche Beurteilung aus den Worten»sehr geringe Reste eines Schlaganfalls" ersichtlich wird."Auf Grund dieses Gutachtens wurde dann die Beklagte ver<urteilt, dem Kläger die Rente für dauernde Invalidität vom15. August 1909 an zu zahlen. Die beiden von der LandeS-Ber-sicherungsanstalt gehörten Acrzte Dr. K. und Dr. G. sind ständigeGutachter derselben, sind„Bertrauensärzte". Diese beiden Aerziemüssen sich aber nachweisen lassen, daß sie im vorliegenden Fallenicht nur eine erhebliche Erwerbsbehinderung, die Folge einesSchlaganfalles war offenbar zu niedrig bewertet, sondern, daß siebei der Beurteilung der Invalidität die Lähmung des Beines über-sehen haben. Soll das Wort Vertrauensarzt von Jnvalidenversiche-rungSanstalten und Berufsgenossenschaften heißen: Vertrauen, daßdie Aerzte die Erwerbsunfähigkeit nicht bemerken?Klus cier-frauenbetvegung.Ei» BildungSfeind.Auf dein Lübecker Parteitag der schleswig-holsteinischen Rational-liberalen sind recht charakleristische Reden gehalten worden. DerMiltelschullehrer Lötze warf seiner Partei vor, daß sie die Sozial-deniokralie zwar mit Worten bekämpfe, es aber an den nötigenTaten fehlen lasse. Die Nationalliberale» hätten bei Streiks und. bei Mißhandlungen van Arbeitswilligen immer Gewehr bei Fußgestanden.(!!) Man hätte im neuen Strafgesetzbuch den Schutz derArbeitswilligen weit mehr sicherstellen müssen.Dieses echte Mitglied der nationalliberalen Partei, die ja diePartei der Scharfmacher par excellence ist, hat weiter auch über dieFrauenarbeit gesprochen.„Das moderne Mädchenschulwesen sei auf die Berufsbildung derFrauen zugeschnitten worden. Er verwehre gewiß nicht der Frauda« Recht auf Arbeit, wenn sie in?iot fei. Aberdurch die Vorbildung der Mädchen auf einen Beruf ver-größere man nur die Not der Frau. Gehe das soweiter wie bisher, werde die Zahl der Lehrerinnen anden Volksschulen ganz erheblich steigen, und folgen würdendie der Oberlchrerinuen, Aerztinnen, Präsidentinnen usw. Damitwerde die Zahl der Eheschließungen zurückgehen und damit auch dieBolkSvermehrung. Es müsie daher dafür gesorgt werden, daß dieZahl der Frauen, die den Männern das Brot nehmen, immer gc-ringer werde, und daß«S den Männern ermöglicht werde, so frühwie möglich zu heiralen. Die Frau solle nicht hinaus ins Leben,sondern hinein in die Familie."Nur ein Kathederniensch war zu der Entdeckung fähig, daß einegute Vorbildniig aus einen Beruf die Skot der Frau vergrößere.Bisher war eS doch eine, auch in bürgerlichen Kreisen fest-flehende Tatsache, daß Wissen Macht bedeutet und eineante Bildung den Kampf nmö Dasein wesentlich erleichtert. Daßbeute die Frau zu diesem Kampf umS Dasein gezwungen ist, be-streitet selbst Herr Lötze nickt, denn er spricht von der Not der Frau.ES gäbe aber eln gutes Mittel, der Not der Frau zu steuern. Inder iialionalliberalen Partei sitzen sehr viel Großindustrielle undVertreter des Handels: außerdem hat diese Pari«, einen nicht zuunterschätzenden Einfluß auf die Regierung. Wie wäre es, HerrLötze. wenn Sie bei Ihrer Partei den Antrag stellten, daß jede?Parteimitglied seine Arbeiter und Angestellten den heutigen Kultur-forderungen entsprechend bezahlen muß und daß weiter der EinflußIhrer Partei dahin aufgeboten werde» soll, daß der Staat feinemittleren und unteren Beamten anständig bezahlt. Dadurch könntenSie nicht nur die Not der Frau lindern, sondern sich auch unlieb-sainer Koilkurrentinnen erwehren. Tie Rede hat nämlich einen sehrÜbeln Beigeschmack von Konkiirrenzneid. In solchem Fall muß jaimmer die Redensart vom Heim und von der Familie herhalten.In der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ist es aber nicht möglich,die Frau in das„Heim" zurückzuführen, denn der Kapitalismus läßtIch nicht feine billige» Arbeitskräfte nehme». Darum muß der, dem«S«W mit der Forderung, aller Not zu steuern, in der Sozial-demotrgtie für die Beseitigiiug der kapitalistischen Wirtschaftsordnungkämpfen,"Also bitte, Herr Lotze!Erfolgreicher Streik dänischer Näherinnen. In Aalborg(Jüt-land) haben die Näherinnen kürzlich gestreift. Der Erfolg ist einTarifvertrag, durch den die Wochenlöhne sofort um 1 Krone und am1. August 1911 abermals um 1 Krone erhöht werden, die Arbeits-zeit geregelt und für Ueberstundcn bestimmte Zuschläge festgesetzt sind.Ihre Organisation, der Dänische Räherinnenverband, der anfangsmtt große» Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, erzielte in letzter Zeitauch in verschiedenen anderen Städten recht gute Erfolge, z. B. inRarhiiS Lohnerhöhungen von 20—25 Proz., in HorsenS von10—15 Proz. Auch in Kopenhagen gewinnt der Verband immer mehrTinfluß auf die Lohn- und Arbeitsverhältnisse.Leseabende.JohanuiSthal. Montag, den 24. Oktober, 8l/t Uhr. Bei vrtner,Kaiser-Wilhelm-Str. 10.Pankow. Montag, den 24. Oktober, 8'/, Uhr, bei Großkurt, BerlinerStraße 27. Referent: Redakteur Hans Weber.Charlottentiirg. Dritte Gruppe. Montag, den 24. d. M., im Volks-Hause, Rosinenstr. 3.Britz-Blickvw. Montag'/zbZUhr bei Hartmann, Germania-Promenade.Versammlungen— Veranstaltungen.Nieder-SchZueweide. Dienstag, den 25. Oktober, im Lokal„Kyff-Häuser", Berliner Straße: Oesseniliche Frauenversammlung.Vortag:.Fleischteuerung und die wirtschaftliche Lage".Eerickts- Leitung.„Hintze"— unauffindbar.Der Moabiter Held Friedrich Hintze hatte vor einigerZeit auch ein Gastspiel in Leipzig gegeben und dabei zweiStreikposten gröblich beleidigt. Er sollte sichdeswegen am Donnerstag vor dem Leipziger Schöffen-g e r i ch t verantworten. Die Verhandlung konnte aber nichtstattfinden, weil der wackere Hintze vorgezogen hatte, nicht zuerscheinen. Der Vorsitzende' teilte mit, daß derVorführungsbefehl nicht vollstreckt werden konnte, weilHintze nicht auffindbar sei. Eine Anfragebei der Berliner Polizei habe ein negativesResultat ergeben. Die Verhandlung wurde vertagt.Man entsinne sich nun, daß während des Streiks inMoabit der Aufenthalt des von den Behörden schon langegesuchten Hintze der Berliner Polizei bekannt war, daß sieaber keinen Finger rührte, um den Burschen festzunehmen, solange er seine„nützliche" Tätigkeit als Hauptmann der Streik-brechet ausübte. Jetzt, da er seine wertvolle.„Arbeit" beendethat und von allen möglichen Gerichten und Behörden gesuchtwird, soll er wieder spurlos verschwunden sein! Eigenartig, höchsteigenartig, daß der General der Moabiter Vorgänge unanf-findbar. Kennt Herr Stlnnes den Aufenthalt seines Pinkertonnicht? Ist es in der Tat der Polizei unmöglich, Hintzes Auf-enthalt ausfindig zu machen. Erklärlich und in frischer Er-innerung ist ja noch das totale Versagen der vereinigten Leip-ziger und Berliner Polizei zur Aufspürung des mehrfachenMörders ArguS R.(Koppius). Ebensowenig fällt dasvergebliche behördliche Bentühen zur Auffindung desseit 19()5 gesuchten Raubmörders Sternickel auf. tFItr»posae nemo obligatur(von niemand kann manverlangen, daß er über seine Fähigkett hinausetwas tue). Aber die Auffindung des vberstkommandieren-