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seine Werke zugewendet Hove  , um sie bei dem Allensteiuer Prozetz; günstig zu stimmen. Der Gerichtshof beschließt, dem Antrage' stattzugeben und ersucht Herrn Weber, den Sitzungssaal zu ver- lassen.' Ferner beschließt das Gericht, dem Antrage des Angeklagten Bruhn stattzugeben und ersucht den Sachverständigen Dr. L i m a n, je sechs Nummern der einzelnen Jahrgänge durchzusehen und auf ihren Inhalt in der von Bruhn angedeutete» Richiung zu prüfen. Berhälwis der»Tante Boß" zur Polizei. Seitens der Verteidigung und des Angekl. Bruhn werden so- dann einzelne Momente hervorgehoben, die das gestrige Gutachten des Sachverständigen Kluge erschüttern sollen, namentlich dessen Behauptung, daß Inserenten derWahrheit" nicht angegriffen wor­den seien. Vors.: Warum ist z. B. Hertzog nie angegriffen war- den? Brubn: Hertzog, Maaßen. Wollburg sind christliche Ge- schäfte, für die ich kämpfe. Das sind doch keine Warenhäuser, son- dern Kaufhäuser. Hertzog ist doch etwas wesentlich anderes als Werlheim! R.-A. Bredereck: Der Sachverständige Kluge hat gestern gesagt, er habe auch schlüpfrige Inserate in der.Wahrheit" gefunden. Der Sachverständige ist Aniiouccnredakteur derVoss. Ztg." Ich stelle fest, daß in einer einzigen Nummer derVoss. Ztg." 6l> Masseusen-Jnierate enthalten sind. S a ch v e r st. Kluge: Jede einzelne Masseusen- Anzeige wird von unS erst mit Genehmigung der Polizeidehörde veröffentlicht, die vorher be- fragt wird. Bors.: Das ist ja richtig, daß bei den Masseusen-Jnleraten fich jetzt eine Aenderung zeigt. Früher hieß es: Fräulein Wanda massiert streng reelll<Heiterkei>.> Das kommt jetzt nicht mehr vor. Es gibt doch auch richtige Masseusen. Bruhn: Ist die AnnonceHeddi Säuger. Massage" mit fettgedrucktem VornamenHeddi" auch erst der Polizei vor- gelegt worden? Sachverst. Kluge: Jawohl! Bruhn: Nun, jeder Wissende ist sich wohl nicht einen Augenblick im Unklaren darüber, um was es fich bei solchen Annoncen handelt. Rechts» onwalt Dr. Sckwindt: Da finden sich ferner Anzeigen wie.Vor« nehmer Manicure« und Massage- Salon",.Fälicits Bollmann, ärztlich geprüfte Masseurin" u. dergl. Natürlich kann die Polizei dagegen nichts tun. Es wird sodann ein Artikel über.KathreinerS Malzkaffee' ver- lesen, der den Titel führt:Der Papst als Reklame für KathreinerS Malzkaffee". Angeklagter Weber erklärt auf Be- fragen, daß dieser von ihm verfaßte Artikel sich nur gegen die geschmacklose Art der Reklame gewandt habe. Das Ziel, Annoncen zu erhalten, habe der Artikel in keiner Weise verfolgt. Er habe mit den Inseraten überhaupt nicht das mindeste zu tun. Vors.: Nun kommen wir zu den Aschingcr-Artikeln. Aschinger scheint eS Ihnen auch ganz besonders angelan zu haben, das sieht nran auS den zahlreichen Artikeln, die daL Lschinger- Unternehmen betreffen. Angekl. W i l h. Bruhn: Ich habe die Anschauung vertreten, daß das Aschingersche Filialsystem für das gesamte GastwirtSgewerbe sehr schädlich ist, da es viele kleine Existenzen ruiniert. Als Aschinger dann an seinen Biergeschäften noch nicht genug hatte, sondern zur Gründung des Weinhouses Rheingold und des Hotels Fürstenhof überging und dabei die Dinge etwas inS Stocken gerieten, wollte ich nach meinen Kräften diesen Bestrebungen enigegenwirken. Vorsitzender: Der verstorbene Aschingcr hat sich einmal zu Rieprich begeben und Sie durch ihn um gut Wetter bitten lassen. Rieprich war Ihr Freund, aber auch er scheint doch die Meinung gehabt zu haben, daß durch Ueberweisung einer Annonce etwas zu macheu sei. Bruhn: Das ist ganz unmöglich. Mein Freund Rieprich kann unmöglich gesagt haben, daß er mich für käuflich hält. Ich soll hier mit Gewalt zum Opfer gemacht werden für die im Publikum nun einmal bestehende Ansicht, daß die Zeitungen gewisse Rücksichten aus ihre Inserenten nehmen. ES werden hieraus die verschiedenen auf die llschingerschen Unternehmungen bezüglichen Artikel verlesen. Dann geht der Vorsitzende auf die in der»Wahrheit' er- schienenen Artikel betr. die Primophon-lSchallplatten-sGcsellschaft über. Der gegen die Gesellschaft gerichtete Artikel ist vom An- geklagten Weber verfaßt; Wilhelm Bruhn ist zu der fraglichen Zeit nicht in Berlin   gewesen und weiß von der Sache gar nichts. Weber erklärt hierzu: lieber das Treiben dieser Gesellschaft sei derWahrheil' eine Mitteilung zugegangen, über die er persönlich Recherchen anstellte. Er habe sich bei einer in demselben Hanse wohnenden Fiau erkundigt und nachdem diese die Mitteilung voll- inhaltlich bestätigt hatte, habe er den Artikel geschrieben. Daraus sei"der Vertreter der Gesellschaft bei ihm erschienen und habe ihn ein- geladen, sich durch persönliche Augenscheinnahme von der Unrichtigkeit der ihm gewordenen Informationen zu überzeugen. Dies babe er getan und sich tatsächlich davon überzeugt, daß die erste Notiz den Geschäftsbetrieb der Grscllschaft falsch geschildert habe. Daraufhin habe er eine Berichtigung veröffentlicht, die seiner Ueber- zeugung entsprach und mit dem später von Herrn Eisner auf- gegebenen großen Jnscrat absolut nichts zu tun gehabt habe. Bei dem Besuch in den Räumen der Primophon-Goiellschaft sei er von Eisner auch gefragt worden, was wohl ein Inserat in derWahr- heit' koste und habe dann ein« solche Annonce gegeben, die aber mit der Berichtigung in keinerlei Verbindung zu bringen sei. Wilhelm Bruhn habe von dem ganzen Vorgang überhaupt nichts gewußt. Der Artikel und das Inserat werden verlesen. Vors.: Nun gehen wir zu der Affäre Tietz über. Da hat dieWahrheit" eiueS TageS schönen Artikel mit der schönen Ueberschrist: W a r e n h a u s e Tietz' gebracht. Wie diese Idee gekommen? Angeklagter Der Artikel ist von worden. Die Ueberickrift im Jabre 1908 einen Der Harem im sind Sie denn auf Wilhelm Bruhn: dem Journalisten Kabelitz verfaßt ist wohl von uns gemacht worden. !ors.: DaS Material zu dem Artikel war Herrn Kabelitz wieder von einem von Tietz cnilaffenen Angestellten namens Heppner ge- geben worden. Dieser Heppner hat alle Zivilprozesse, die er gegen Tietz angestellt, verloren und noch eine Anklage wegen Nötigung sich zugezogen. Angekl. Bruhn weist mit Entschiedenheit den Ge- danken zurück, daß durch den Artikel Annoncen erlangt werden sollten. Vors.: Herr Tietz hat die ganze Sache ander« aufgefaßt und einen Zivilprozeß in Höhe von 68 098 M. gegen Sie an- gestrengt. Sie haben fich schlicßlilh veraliche» und fich verpflichtet. gegen eine K-nventionalstraf- von ie lOÖO M. Angriffe gegen Tietz zu untcrlaffcn. Einmal haben Sie dieses Verbot doch übertreten und sind zu lOOO M. verurteilt worden. Angekl. Bruhn: Den Vergleich habe ich aus Besorgnis vor der Höhe der Kosten ab- geschlossen, er ging aber zu weit. Denn ich wurde Tietz gegenüber vollständig lahmgelegt. Fall Grü nfeld. Auf Vorschlag des Vorsitzenden wird hierauf Toni Grünfeld, der Besitzer der bekannten Weinstuben in der Jägerstraße vernommen, weil er nach Paris   abreisen will. Vors.: Wie sind Sie dazu gelonimen in derWahrheit" zu iiiserieren? Zeuge Grü nfeld: Mir wurde von einem guten Freunde empfohlen, auch in diesem Blatte zu inserimn, und da ich wußte, daß die Besitzer von Nacht- lokalen gern in diesem Blatte inseriere», so tat ich es mich, rein aus gesckiäftlichcm Interesse. Vors.: Hat einer der Angeklagten in Ihrem Lokal verkehrt? Zeuge: Jawohl, die beiden Bruhn und auch Weber. Vors.: Hat jemand auf Sie eingewirkt. Inserate zu geben, da sonst--- Zeug«: Nein. Vors.: Haben Sie von den Inseraten irgend«inen geschäftlichen Vorteil bemerkt? Zeuge: Rein. Vors.: Sie haben früher beim Untersuchung» richter gesagt, Sie hätten die Inserate aufgegeben, weil das Jnie- rieten ein gutes Schutzmittel gegen Angriffe in derWahrheit" sei. Zeuge lnachdenkcnd) Schutzmittel? Da« ist schwer zu sagen. Ich habe inscricrt, um mir vielleicht keine Feinde zu machen. Vors.: Ihr Gedanke war also wohl:Beuge vor". Es köimte doch mal etwas paisiren, schuldlos wie man ist.(Heiterkeit.) Zeug«: Ich annonciere ja in anderen Blättern auch. Gegen meine Geschäftsführung können keine Bedenken entstehen, aber ich will mir keine Feinde machen. Vors.: Sind Sie Mitglied eines Cafetier-Vereins? Zeuge: Ich diu Mitglied des Gastwirts- Vereins. Vors.: Ist dort vielleicht einmal darauf hingewiesen worden, daß ein Inserieren in derWahrheit" vor Angriffen schützt? Zeuge: Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich de» Verein noch nicht besucht habe.(Heiterkeit.) Rechtsanw� Dr. S ch w i n d t: Hat einer der Angeklagten auch nur andeuiiingsweise zu Ihne» ge­sagt: Es würde über irgendwelche Zustünde in Ihrem Lokal ein Artikel kommen, wenn Sie nicht inserieren? Zeuge: Nein. Staatsanwalt L e i s e r i n g: Nach welchen Gesichtspunkten trafen Sie denn die Auswahl der Blätter, in welchen Sie inserieren wollien. Hat vielleicht der Freund Ihnen gesagt: DieWahrheit" ist ein Blatt, vor dem man sich in ach: nehmen muß, Zeuge: Nein. Nechtsanw. Bredereck: Ist es vorgekommen, daß einer der An- geklagten, die in Ihrem Lokal verkehrten, die Zeche schuldig ge- blieben ist? Zeuge: Bis jetzt»och nicht I(Heilerkeit.) Wilh Bruhn: Grünfeld ist ein alter Bekannter von mir, wie iollle dieser denn auf den Gedanken kommen, daß ichrrvolvern" wollte. Zeuge: Nein, zu solchen Gedlinken ist kein Anlaß gewesen. Nechtsanw. Dr. S ch w i n d t bringt noch ein Renkonler zur Sprache, welches Wilh. Brubn in Gegenwart des Zeugen Grünsetd mit em>m Kellner im Casö Windsor gehabt hatte. ES iei zu Unrecht behauplet worden, daß Bruhn bei dieser Gelegenheit gedroht habe, er werde dafür sorgen, daß das Lokal geschlossen werde. Wilh. Bruhn bestreitet letzteres und erklärt das Renkonter, bei welchem der Wirt, Herr Wall, die Partei des Kellners genommen und dazu gesagt habe:So. nun können Sie ja über mich schreiben." Darauf habe er(Bruhn) geantwortet: Da sieht man wieder, daß Sir ein frecher Jude find. Vors.: Weshalb verkehren Sie denn aber als Anti- semit in einem so jüdischen Lokal?(Heiterkeit.) Bruhn: Das ist in Berlin   nicht zu trennen. Fall KempinSki. Es folgt die Verlesung der zwei Artikel, die auf KempinSki und die Interna des GeswästsbetriebeS daselbst Bezug haben. Der eine Artikel stammt zum Teil aus demKonfeklionär", zum Teil aus demGastwirtsgehilfen" und ist mit Zusätzen und allgemeinen wirl- schaftlicheii Betrachtungen erweitert worden. Vors.: Da tritt nun wieder in die Erscheinung, daß sich die Zeilungshändler gerade mit diesen Artikeln vor dem KempinSkischen Lokal aufpostiert und die Artikel brüllend angepriesen haben. Wilh. Bruhn: Vor dem Kempinslischeii Lokal stehen überhaupt die Zeitungshändler und bieten Zeitungen an. Wenn wir jetzt hingehen würden, so würden wir iolche Händler ebenfalls vor dem Lokal finden. Vors.: DaS wird ja stimme», aber o'vsd lo ton, qui fait la musiquo!(Der Ton macht die Miisik.) Die Angellagtcn bestreiten auch hier, daß die Aniioncen der Firma KempinSki mit jenen Artikeln irgendwie in Verbindung zu bringen seien. Fall Tack n. Co. Hierauf werden einige Artikel verlesen, die unter dem Titel: Ein neuer Kommerzienrat" die Bestrebungen deS Herrn Wilhelm Krojanker, Mitinhaber der Firma Tack u. To., Schuhfabrik in Burg bei Magdeburg, zur Erlangung des Kommerzienratstilels absprechend kritisieren. Wilh. Brubn erklärt, daß er die Artikel verösientlicht habe, weil er das Filialsystem der Firma Tack u. Co. als einen Krebsschaden kür das gesamte Schuhivareiigelchäft be- kämpfen zu müssen meinte. Vors.: Nun soll aber später Ihr Bruder Paul zu Herrn Krojanker gegangen sein und mit ihm wegen Aufgabe eines Inserat« gesprochen haben. Paul Bruhn: Diese Verdandlung wegen eines Inserats hat erst nach Jahresfrist statt- gefunden. Ich habe mit der Redaktion gar nichts zu tun und habe gar nicht mehr daran gedacht, daß einmal solche Artikel gegen Kro- janker erschienen waren. Fall Sieckmeyrr. ES folgt ein Artikel mit der Ueberschrist.Seltsame Kuxe". Dieser ist von Dietrich verfaßt worden und richtet sich den.Bankier' Sieckmeyer. Angekl. Weber erklärt, daß der Artikel lediglich den Zweck gehabt habe, die Staalsanwallschaft aus Sieckmeyer aufmerksam zu machen. Mit Jnseratenaufgabe habe der Artikel nichts zu tun. Wilh. Bruhn betont, daß ibin von all den Schritten, die nachträglich unternoinmen seien und aus die Be- Werbung um Inserate gedeutet werden sollen, kein Jota bekannt gewesen sei. RechtSamvalt Brede reck und die Angeklagten be- haupten, daß Sieckmeyer neben Pariser der größte wucherische Geld- geber sei und bei allen großen Wucherprozessen der letzten Zeit die Hand im Spiel gehabt habe. Der zur Verlesung gelangte Artikel ist für Herrn Sieckmeyer stark beleidigend. Vors.: In diesem Artikel wird doch nun Herr Sieckmeyer sehr deutlich genannt und stark beleidigt. Hat denn der Herr irgendwelche Schritte gegen die .Wahrheit" auf Grund jenes Artikels, dem noch mehrere andere gefolgt sind, uiiieriiommeu? W. Bruhn: Der wird sich hüten I Hiermit ist die Vernehmung WilhelmBruhns zum allgemeinen Z�eil der Anklage beendet und eS folgt die Vernehmung der beiden anderen Angeklagte«. Paul Brubn erklärt auf Befragen: er fei Kaufmann und habe, nackdem er die Volksschule besucht, in einem Materialwarengeschäft gelernt. Dann habe er seiner Militärpflicht genügt und sei t898 in 'dieStaalsb. Ztg." als kaufmänntsch beichäfligter Mann eingetreten. In dieser Stellung sei er bis 1908 geblieben. Dann sei er aus- getreten, nachdem er sein bei derStaatSb. Ztg." stehendes Geld ge» kündigt hatte. Dann sei er in dieWahrheit" übergegangen und sei auch dort rein kaufmännisch beschäftigt. Mit der Redaktion habe er absolut nicht« zu tun, habe nie einen Artikel geschrieben und die Artikel erst nach ihrem Erscheinen gelesen. Der Angekl. Weber hat, wie er auf Befragen bekundet, seiner- zeit daS Abiinrientenzeiignis gemacht, dann drei Jahre Musik und Literatur studiert. Die handwerksmäßige Art, wie die Kapellmeister vorwärts kommen, habe ihm nicht zugesagt, das karge Gehalt und die Notwendigkeit, daß sie in allen möglichen Sckrniieren austreten müssen, habe ihn abgestoßen. Früher sei er gelegentlicher Kritiker derNordhauser Post" gewesen, von dort sei er auf Empfehlung engagiert worden vomMannheimer General- anzeiget' als Kritiker und Feuilletonredalteur. 1991 sei er Redakteur de« hessischen RegierungSorgans in Darmstadt   gewesen, wegen Erkrankung seines Baters 1902 noch Nordhausen   zurück« gegangen und dort Mitredakteur derNordh. Post" bis l908 ge­wesen. Dann sei er nach OscherSleben   an das damalige Regienings- Kreisblatt gekommen und al« dieS finanziell krachte, nach Berlin  gegangen, wo er bald als Redakteur zurWahrheit" kam. Bon einer Tendenz dieses BlatteS, die dahin gegangen wäre, von einem Se»satio»sblatt langsam zu einem Revolverblatt sich zu entwickeln, sei ihm absolut nichts bekannt. Das Blatt hatte vor seinem Eintritt eine viel schärfere Tonart, bei seinem Eintritt habe ihm Bruhn gesagt, daß sich das Blatt von nun an eines stets anständigen Tones befleißigen solle. Dies sei auch geschehen. Vom 16. September 1908 bis Anfang Oktober 1997 hinein sei im ganzen Jahre nicht eine ein- zige A»klage erfolgt und nur eine einzige Berichtigung. Die Leit- anikel seien nicht von ihm, soudem von Ed. Goldbeck geschrieben. Ohne sein(Webers) Wissen habe Wilh. Bruhn leine Artikel in die Zeitung lanzieren können. Auf Befragen des R.-A. Dr. Jul. Meyer I erklären Paul Bruhn und Weber, daß sie politisch nie hervorgetreten seien. Beide schließen sich im übrigen den Darlegun- gen Wilh. Bruhn? an. Während dieser Darlegniige» wird dem Vorsitzenden ei» telegraphischer Protist derFranks. Ztg." gegen eine gestrige Bemerkung deS Rechtsanwalts Bredereck überreicht, aber nicht verlesen. Hierauf wird die Sitzung auf heut« v Uhr vertagt. Soziales. Der erste Bürgermeister ist Vorgesetzter der andern Magistrats- Mitglieder. Wie in der Städtcordnung für die östlichen Provinzen(Z 58), bestimmt die Städteordnung für Schlcswig-Holstein in ihrem Z 61, daß der Bürgermeister die Aufsicht und Leitung des ganzen Ge- schäftSganges hei der städtischen Verwaltung hahe. Im Hinblick auf diese Bestimmung verlangte der erste Bürgermeister von SchleS- wig von dem zweiten Bürgermeister, Beigeordneten Dr. Plewka, der Vorsitzender der Baukommission ist, daß er ihn zu jeder Sitzung der Baukommission einlade. Der zweite Bürgermeister schickte die darauf bezüglichen Schreiben des ersten Bürgermeisters zweimal an diesen zurück. Er erachtete sich nicht zu der Einladung des Bürgermeisters verpflichtet und machte daraus eine Prinzipien- frage. Der erste Bürgermeister wandte sich nunmehr an den Ne« gierungspräsidentcn um Bestrafung des zweiten Bürgermeisters. Der Regierungspräsident erteilte darauf dem zweiten Bürger- meister, Beigeordneten Dr. Plewka, als Disziplinar-Ordnungs- strafe einen Verweis. Einen Tag nach Einlaufen der Verfügung des Regierungs- Präsidenten fand wieder eine Sitzung der Baukommission statt. Auch zu dieser war der erste Bürgermeister nicht eingeladen worden. Nunmehr nahm der Regierungspräsident auf Anrufen des ersten Bürgermeisters den Beigeordneten in eine weitere Disziplinar- Ordnungsstrafe von 58 M. Der Obrrpräsident bestätigte beide Strafen. Dr. Plewka erhob nun gegen den Oberpräsidenten die Klage und verlangte die Aufhebung der Ordnungsstrafen. Er stellte sich auf den Standpunkt, der erste Bürgermeister sei nur Vorsitzender des Magistrats, nicht aber Vorgesetzter der einzelnen Magistrats- Mitglieder. Im übrigen sei er im Magistrat nur erster unter Gleichberechtigten. In der Städteordnung werde der kollegiale Charakter des Magistrats stark betont. Die Anordnung des Regie- rungspräsidenten widerspräche dem Gesetz. Deshalb hätte er dieser ebensowenig folgen brauchen, wie der des ersten Bürgermeisters, der eine Teilnahme an den Kommissionssitzungen nicht verlangen könne, da die Kommissionen wohl dem Magistrat, nicht aber dem Bürger- meister untergeordnet seien.(Z 69.) Das Ober-Verwaltiingsgcricht wies dieser Tage dir Klage des zweiten Bürgermeisters Dr. Plewka ab und führte auS: Durch die Städteordnung(S 53 der östlichen St.-O. und§ 61 der Schlcswig-Holsteinifchen St.-O.) ist die Aufsicht und Leitung des gesamten Geschäftsganges bei der städtischen Verwaltung dem Bürgermeister(ersten Bürgermeister) übertragen. Er ist also ver- antwortlich für alles, was in der ce-tadt geschieht. Die Folge ist, daß er sich die nötige Kenntnis von den Dingen verschaffen muß. Dem Rechte des Bürgermeisters steht gegenüber die Pflicht der städtischen Organe, seinen Anweisungen Folge zu geben. Insofern ist er als Borgesetzter sämtlicher städtischen Beamten einschließlich der MagistratsnvMglieder anzusehen. Wenn er in der Ausübung seiner Aufsicht, um einen Einblick zu gewinnen, den zweiten Bürger- meister Plewka, den Vorsitzenden der Baukommission, ersucht hatte, ihm von den Sitzungen der Kommission Mitteilung zu machen und ihn einzuladen, so hatte er seine gesetzlichen Befugnisse nicht über- schritten. Plewka hätte unbedingt der Anordnung Folge leisten müssen. Die dauernde Nichtbefolgung des Verlangens des ersten Bürgermeisters kann nur als grobes Vergehen gelten. Ungültige Vorschrift einer- Wertzuwachs. Stcnrrordnung. Die Steuerordnung der Stadt Linden bei Hannover   vom 17. April 1997 bestimmt, daß als Wertzuwachs zu gelten hat der Unterschied zwischen dem gegenwärtigen Veränßerungspreis und dem beim letzten Eigentumsübergang gezahlten Erwerbspreis. Hat jedoch der frühere Eigentumsübergang vor dem 1. April 1885 statt» gefunden, so tritt an Stelle des früheren Erwerbspreises der ge- meine Wert des Grundstücks am 1. April 1385. Dieser gemeine Wert wird in K 9 Absatz 3 der Steuerordnung für die Grundstücke innerhalb eines näher bezeichneten Teils des Stadtgebiets auf 150 M. pro Ar festgesetzt, soweit nicht urkundlich nachgewiesen wird, daß vor dem 1. April 1885 ein höherer Erwerbspreis gezahlt ist. Auf Grund dieser Vorschriften war der Kammerherr Graf von Alten-Linsingen, der Grundstücke innerhalb jener Stadtzone verkauft hatte, zur Wertzuwachssteuer herangezogen worden. Er focht die Heranziehung im Verwaltungsstreitverfahren an und ver- langte in erster Linie Freistellung von der ganzen Steuer. Der Bezirksausschuß wies die Klage ab. Das Obrrverwal- tungSgericht hat jetzt auf die vom Rechtsanwalt Dr. I. Herzfeld vertretene Revision das Urteil des Bezirksausschusses aufgrlwbew und die Sache mit folgender Begründung an den Bezirksausschuß zurückverwiesen: Von feiten des Klägers sei zunächst gerügt worden, daß die Steuerordnung generell ungültig sei, weil sie nach ihrem Wortlaut auf die 13 und 18 des Kommunal-AbgabengesetzeS sich' stütze, die unter den TitelIndirekte Steuern" fielen, während die Mertzuwachssleuer eine direkte Steuer sei. Dieser Einwand sei unzutreffend. Allerdings könne eine Wertzuwachsstcuer als eine direkte konstruiert werden. In der Lindener Steuerordnung sei sie aber als indirekte konstruiert, weshalb sich die Ordnung auf die §8 13, 18 des Gesetze? habe beziehen können. Aber aus einem anderen Grunde könne daS Urteil nicht be- stehen bleiben, nämlich wegen Nichtanwendbarkeit des 8 9 Absatz S der Steuerordniing, wonach für eine bestimmte Zone deS Stadt» gebiets pro 1. April 1885 nnd pro Ar der gemeine Wert auf 150 M. festgelegt wird im Hinblick auf die Bestimmung, daß an Stelle des früheren Erwerbspreises der am 1. April 1885 vorhandene gemeine Wert tritt, wenn der letzte Besitzwechsel vor der setzigen Veräußerung vor dem 1. April 1885 erfolgte. Diese Festlegung eines bestimmten gemeinen Wertes ist rcchtSnngiiltig. Die Wert­zuwachssteuer richte sich nach dem Unterschied zwischen dem früheren Erwerbspreis und dem jetzigen Veränßerungspreis. Die Fest- stellung dieser beiden maßgebenden Faktoren dürfe nicht dem Ver» anlagungsvcr fahren und auch nicht der gerichtlichen Nachprüfung entzogen werden. Von Fall zu Fall müsse Verkaufspreis und Er- werbspreis festgestellt werden.§ Absatz 3 sei ungültig insofern, als er jene gerügte Feststellung vornehme. Der Bezirksausschuß müsse nunmehr selbständig feststellen, welchen gemeinen Wert die Parzelle damals gehabt habe, um danach den Wertzuwachs festzu- stellen und demgemäß die Steuer zu berechnen zum Zwecke einer anderweiten Entscheidung. Deshalb die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanh. Hwa Induftne und ftandd. Berliner   Elektrizitätswerke. In der letzten BufstchtSratssitzung wurde Bericht über daS veiflossene Geschäftsjahr erstattet. Das Er» gebniS ermöglicht nach Abschreibungen von 4 396 635,85 M.(im Vorjahr 4 024 077.78 M.) die Verteilung einer Dividende von 4>/, Prozent auf 20 Millionen Mark Vorzugsaktien und von 11 Prozent auf 44,1 Millionen Stammaktien(im Vorjahr 11 Prozent aus 81,5 Millionen Mark Stammaktie» und 4 Prozent auf 12,6 Millionen Marl   Stammaktien Ausgabe 1903) vorzuschlagen. Die Zahl der Abnehmer ist auf 28 639(im Vorjahr 24 786), die der Anschlüsse in Lkilowatt auf 183 222 gestiegen(gegen das Vorjahr 18 858 Kilo- watt mehr). Nutzbar abgegeben wurden in Berlin   und Vororten 174 480 937 Kilowattstunden(gegen daS Vorjahr 16 543 312 Kilowatt» stunden mebr). Die Zehlungen an die Stadt Berlin   beziffern sich auf 5 613 316,61 M. Im laufenden Gcichäftsjahr sind bis jetzt 5377 Kilowatt neu angeschlossen! am 16. Oktober lagen weitere Anmeldungen auf 2394 Kilowatt für Licht- nnd Kraftzwecke vor. In den ersten' drei Monaten des laufenden Geschäftsjahres sind aus­schließlich des Selbsiverbrauches 40 044 203 Kilowattstmiden, d.h. ein Mehr von 6 425 383 Kilowattstunden gegen das Vorjahr nutzbar ab» gegeben worden._ Aufreizendes Verhalten. Dieser Tage wurde in der Stadtverordnetenversammlung in Mülheim(Rhein  ) mitgeteilt, der Minister habe die Petition der Stadt betreffend Maßnahmen zur Linderung der Fleischnot erledigt, durch die sinngemäße Vemerkniig: eS exi st iert keine Fleischnotl Wahrlich ein famoses Mittel den Hunger des Volkes zu stillen. Man erklärt einfach: das Volk frißt sich voll und satt, und die soziale Frage ist gelöst! Daß für den Minister die Frage der Fletschnot nur theoretische Bedeutung hat, für die Junker die Fleisch»