ble Ne'chke des Proletariats Verteidigen? /Trohe Unruhe. Wider-spruch. Zwischenruf:„Schmarotzerl" Lebhafter allseitiger Protest.)Endlich gelingt es dem Präsidenten Lerdd, den Tumult zu über-tönen und im Namen der revolutionären Richtung gegen die gegenReina geschleuderte Beleidigung zu protestieren. Redner fährt dannfort, seinen Gedanken zu vollenden: Wie konnte Chiesa besser denAntünilitarisinus vertreten, als indem er sagte: Ihr schiebt dieSorge für das Vaterland vor, um Millionen für Militärlieferungenzu erzielen. Seid nur unbesorgt. Wir können ohne Eure Millionen das Vaterland verteidigen. Dazu sind wir selbst auchnoch da.Zum Schluß polemisiert Reina gegen einen Satz der intransi-genten Resolution, der der Partei zur Pflicht macht, jeden Streikzu unterstützen. Wir müssen den Mut haben, auch gegen einenStreik aufzutreten. Der Streik an sich ist nichts Heiliges unddurchaus nicht immer etwas Sozialistisches: es gibt Ausstände,die dem krassen Egoismus entspringen. Wir haben zwei großeFeinde zu bekämpfen: die herrschende Klasse, die die Macht hat,und den Egoismus in den eigenen Reihen.(Lebhafter Beifall beiden Reformisten.)M»ss»kim, ein Delegierter der Romagna, nimmt für die Re-bolutionäre das Wort. Er hat die revolutionäre Resolution nichtunterzeichnet, weil sie ihm nicht scharf und klar genug ist. In derRomagna hat man durch die Praxis gesehen, was wir an den so-genannten verwandten Parteien haben. Dort ist durchaus keinFrieden. Das Abkommen mit den Republikanern, von dem mangestern Kunde gegeben hat. bedeutet nur einen zeitweiligen Waffen-stillstand. Die von Ravenna, die sich den Reformisten anschließen,haben das nicht verstanden. Mit ihrer weinerlichen Solidarität istuns nicht gedient.Der Redner kommt dann auf die Parlamentsfraktion zusprechen und meint, wir wollen keine Vertreter in der Kammer,die Sportfeste arrangieren, für die sie den Königum eine Medaille bitten(Zwischenruf: Canepa),keine, die zu offiziellen Banketten gehen(Sa-moggia), keine, die in Interviews bürgerlicherBlätter gegen die kämpfenden Arbeiter Stellungnehmen(Graziadei). Neulich war in dem Pariser„Temps"zu lesen, wie hoch die Bourgeoisie unsere Reformisten einschätzt.Dieses Hauptorgan der französischen Bourgeoisie schrieb bei Ge-legenheit des Sisenbahncrstreiks, daß, wenn man in Frankreich an-statt Jaurös die italienischen Reformisten hätte, so brauchte manbei diesem Streik keine Polizei, denn die Reformisten selbst würdenihm ein Ende gemacht haben. Diesem guten Dienstzeugnis derfranzösischen Bourgeoisie werden die italienischen Reformisten baldein zweite? anreihen können: das des italienischen Bürgertums.(Beifall bei den Revolutionären.)(fobrini als Wortführer der Reformisten will sich begnügen,einen Teil der Anschuldigungen gegen die Parlamentsfraktion zuuntersuchen. Was ist denn seit 1908 anders geworden, daß manuns heute vorwerfen kann,, das getan zu haben, was der Kongreßuns zur Pflickt gemacht hatte? Was sind denn die privilegiertenSchichten des Proletariats anders als eben der Teil der Arbeiter-fchaft, der das ausgeführt hat. was wir forderten? Ja, was wolltIhr denn? Daß die Gewerkschaften und Genossenschaften sich nichtmehr der Parlamentsfraktion und des„Avanti" bedienen, unddiese ganz den rückständigen Elementen zur Verfügung stellen?Das ist unmöglich. Es ist gewiß wirkungsvoll, wenn uns Salveminihier von den Arbeitern spricht, die unter den Kugeln der Soldatengefallen find. Aber wir wollen doch nicht vergessen, daß es nichtweniger Beachtung verdient, wenn in Süditalien, wie die heutigenBlätter melden, zwei Proletarier erschossen wurden, deren Un-wissenheit sich gewaltsam der Desinfektion einer Kirche widersetzte,Deshalb habe er, Redner, den Kampf für die Volksschulbildungan ebster Stelle setzen wollen, und war deshalb bereit, selbst füriaS Kabinett Sonnino zu stimmen.Cabrini vertritt dann die Nützlichkeit der einzelnen Reformen,so deS Verbots des Weißen Phosphors, der MutterschaftSversichc-rungen, der Getverbegerichte, und legt dar, daß alle diese Reformensowohl einer Schicht als dem Ganzen nützen. Wir haben auch fürSüditalien die Arbeiterversicherung gefordert. In Deutschland hatkein Mensch davon geträumt, die Forderung aufzustellen, manmüsse mit den Reformen für das Proletariat einhalten, bis dieostelbischen Landarbeiter nachgekommen sind. Ihr könnt die sozialeGesetzgebung nicht aufhalten, ohne unsere ganze Bewegung auf-zuhalten. Denn wenn die Sozialisten zurücktreten, wird sichsofort Ersatz für sie finden. An dem Tage, wo Ihr derPartei die Hände bindet, werden andere unsere Arbeit übernehmen:die Klerikalen. Wenn der Kongreß eine Tagesordnung in diesemSinne annehmen würde, so bliebe das letzte Wort nicht der Partei,sondern der Konföderation der Arbeit. Wenn Ihr warten wollt,bis die Rückständigen im Süden unsere Organisationen eingeholthaben, dann könnt Ihr uns unsere Mandate abnehmen. Das istEuer Reckt. Aber unsere Ueberzeugung wendet Ihr uns lassenmüssen.(Beifall.) In diesem Falle wird eine Partei der Arbeitentstehen, nicht als normale Ablösung der sozialistischen, sondernals ein Protest gegen diese. Die Sozialreform hat nicht an derGrenze der Klasse Halt zu machen. Wir werden abev nie dahinkommen, die Gesetze für die ganze Bevölkerung denen, die demProletariat zum Vorteil gereichen, vorzustellen. Wir stellen dieArbeiterversicherung höher als die Agitation für die Verbilligungder Lebensmittel. Wäre dem nicht so, so würden wir wirklich auseiner sozialistischen zu einer demokratischen Partei.' Man wirft uns die Winzigkeit der Reformen vor. Der Re-formismns verwirklicht sich eben durch die kleinen Reformen, wie� die Revolution durch die Reformen verwirklicht wird. Wir müssendie alte Phrase aufgeben, die auch Reina vertreten hat, daß nurdie Reformen nützlich sind, die das Proletariat erzwingt. Diedeutsche Arbeiterversicherung bietet den wuchtigsten Gegenbeweis.Um als Sozialisten für ein Ministerium zu stimmen, bedarfeS eines hohen Gefühls der Selbständigkeit und Unabhängigkeit,das nur der bewahren kann, der nie für feinen Wahlkreis und niefür sich selbst etlvas von einem Ministerium erbeten hat. Dannkann ihm keine noch so sehr von Verdacht geschwängerte Atmosphärezum Schaden gereichen.Viel von dem, was früher dev Partei zufiel, ist heute der Ge-werkschaft übergeben worden. Der Partei bleibt die Aufgabe, dieFackel des Ideals hochzuhalten. Unsere Bewegung besteht aus zweiTeilen: einem vergänglichen und einem unvergänglichen. Unver-gänglich ist der Glaube und das Ideal, vergänglich ist die Formdes Tageskampfes, das Gerüst der praktischen Aktion. In bezug aufden zweiten Teil stehen wir heute vor dem Problem: ihn zu er-neuern oder zugrunde zu gehen.(Anhaltender, lebhafter Beifall.)Der Kongreß tritt dann in seine Mittagspause ein.(N a ch m i t t a g s s i tz u n g.)Die Nachmittagssitzung beginnt mit einer persönlichen Bemer»kung Canesias, der erklärt, die Behauptung Musselinis, er habeeine Medaille vom König erbeten, beruhe auf Unrichtigkeit. Das»st durch ein Sportkomitee geschehen, mit dem er. Canepa, nichtszu. tun hatte.Lefemine-Bari(Revolutionär): So lange man die süditalie-nische Bendee haben werde, müsse man darauf gefaßt sein, in derKammex die ewig ministeriellen Abgeordneten dieser Vendee zuhaben. Die Bemerkung des Redners, daß die Abgeordneten desNordens sich nicht um armen, zerlumpten Pöbel des Südenskümmern könnten, ruft lebhaften Protest hervor.In bezug auf die Reformen sind wir, fährt er fort, alle einesSinnes, aber wir mißtrauen den Methoden, durch die sie erreichtwerden. Wir glauben an die Reformen, die das Proletariat er-zwingt, weil es für sie reif ist. Seit Jahren haben wir obligato-rische Volksschulen in Italien, und der Analphabetismus bestehtweiter.Den Reformisten sagt der Redner: Ihr seid noch nicht einmalReformisten, Ihr seid Demokraten, Ihr seid der fortgeschrittensteTeil der Bourgeoisie. Seit Jahren entfaltet Ihr keine sozialistischeWirksamkeit mehr. Das Parlament ist Euch alles, während es füruns nur ein Kampfplatz von vielen ist. Die Reformen sind sehr oftnichts weiter als Mittel zur Stärkung der jetzigen Gesellschaft. Dieherrschende Klasse wirft sie dem Proletariat hin, wie man einemhungrigen Hunde, der uns zu zerreißen droht, ein Stück Fleischhinwirft. Die Bank der Arbeit, die die Reformisten so verHerr-lichen, scheint dem Redner ein mächtiges Werkzeug politischer Kor-ruption zu sein.Allseitiger Beifall begrüßt Bissolati, als er die Rednertribünebetritt. Nach einer kurzen Pause der Verwirrung erklärt er, daßer diesen Beifall als der Offenheit gezollt ansehe, mit der er redenwerde. Dann fährt er fort: In dreifacher Weise bin ich Gegenstandallgemeiner Kritik: Ich war Chefredakteur des„Avanti", war Mit-glicd des Parteivorstandes und bin Abgeordneter. Im Gegensatzzu Turati halte ich dafür, daß man die Verantwortlichkeit nicht denVerhältnissen zur Last legen, sondern auf die Personen zurückgehenmüsse.Ueber vier Hauptfragen soll der Kongreß entscheiden: über dieSelbständigkeit der Wahlkreise bei den Wahlen, über die Selb-ständigkeit der Parlamentsfraktion, über das Recht, ein Ministe-rium zu unterstützen, und viertens soll er ein Urteil fällen über dasVertrauensvotum, das die Parlamentsfraktion Luzzati gewährt hat.Zur Frage der Selbständigkeit der einzelnen Wahlkreise gibtes nur zwei Stellungen: Selbständigkeit oder nicht. Zu Zwischen-formen mit Kontrolle des Parteivorstandes habe ich kein Vertrauen.Wer die Selbständigkeit der Fraktion nicht will, der unterwirftsie der Kontrolle des Parteivorstandes. Ich verstehe nun nicht,warum man den Menschen, die man zu einer gegebenen Aufgabeausdrücklich beruft, die Entscheidungsfreiheit bestreitet, um dieseanderen Menschen zu übergeben.(Beifall.)Ueber die Unterstützung eines Ministeriums bemerkt Bissolati,daß der Kongreß sie wahrscheinlich nicht gewähren werde. HütetEuch aher davor, dadurch Eurer parlamentarischen Aktion die Wirk-samkeit zu nehmen. Eine Fraktion, die immer und kraft einesParteitagsbeschlusses in der Opposition sein mutz, verliert jedenparlamentarischen Einfluß, sie möge nun aus 40 oder 80 Mit-gliedern bestehen. Wenn doch nichts anderes als Protest heraus-kommt, dann ist es gleichgültig, ob man eine mehr oder wenigergroße Zahl in die Kammer schickt. Aus dieser Forderung bestän-digen Protestes folgt logischerweise der AntiParlamentarismus, diedirekte Aktion und der Generalstreik. Wenn dagegen die Fraktiondie Möglichkeit hat, von der Opposition zur Unterstützung einesKabinetts überzugehen, dann kann wirklich ein Druck ausgeübtwerden. Der Ministerialismus bedeutet wahrhaftig nicht, daß wirimmer ein Kabinett unterstützen müssen. Wenn aber z. B. dieAgrarier morgen das Kabinett Luzzatti zu stürzen drohen, weil esihnen nicht willfährig ist, so könnte sich dieselbe Situation wieder-holen, in der wir für das Kabinett Zanardelli/Giolitti gestimmthaben.Was sind die Vorteile, die die Reformisten erzielt haben? Wirkönnten den Spieß umdrehen und sagen: Was habt Ihr mit EurerJntransigcnz erzielt. iUnterbrechung: Wir haben sie nicht praktischerproben können.) Freilich habt Ihr sie erprobt! Erzielt habt Ihr,daß der Teil der Bourgeoisie, der früher zu uns gekommen war,sich den Reaktionären in die Arme geworfen hat. Wir dagegen habenz. B. unter dem ersten Ministerium Sonnino an der Aufhebungder ZeitungSzcnsur mitwirken können. Wir haben Luzzatti eineantiklerikale Politik aufgenötigt, die den aus Portugal aus-gewiesenen Orden die Grenzen schließt. Wir werden ihn werterstützen, so lange er sein Versprechen hält, das Wahlrecht zu er-weitern.(Zwischenruf Salveminis: Das ist keine große Sache!)Ja, es ist eine große Sache. Luzzatti will das Wahlrecht, das heutean die Absolvierung der ersten vier Volksschnlklassen gebunden ist,all denen verleihen, die lesen und schreiben können. Dadurch ver-messbt sich die Zahl der Wähler um rund 2 Millionen. Der Kampfum das Wahlrecht kann als solcher nicht jene Massenbewegung aus-lösen, einfach deshalb, weil oie Arbeiterschaft, die heute dasWahlrecht genießt, fürchten mutz, daß die Verleihung des Wahl-rechts an die Analphabeten eine Verstärkung der Klerikalen herbei-führen müsse, und weil den Landarbeitern des Südens schwer dieBedeutung des politischen Wahlrechts klar gemacht werden kann.Anders ist es im Norden, wo die Gewerkschaftsbewegung der poli-tischen Erkenntnis die Wege gewiesen hat.(Widerspruch Salve-minis.) Um eine lebhafte Massenbewegung für das Wahlrecht zuerwecken, müßte man diesem sofort einen Inhalt geben, wie etwaden der Altersversicherung. Wie können wir aber? im guten Glaubendem Süden versprechen, daß sein Proletariat durch das Stimmrechtin kürzer Zeit die Altersversicherung erlangen werde?Wenn Ihr eine Resolution annehmt, die den Ministerialismusder Fraktion desavouiert, so bedeutet das, daß Ihr das Wahlrechtgering achtet, daß Euch nichts daran liegt, zwei Millionen proleta-rischer Wähler mehr zu haben. Wer hier gegen uns stimmt, stimmtgegen die schrittweise Verwirklichung der Reformen. Dann habtIhr aber nicht mehr das Recht, Euch zu beklagen, wenn sich dasnicht verwirklicht, was Luzzatti versprochen hat. Ihr habt zuvielAchtung vor uns, um anzunehmen, daß wir Eure Marionettenwerden könnten, und heute zerstören, was wir gestern taten. Lieber,als daß wir durch unser Votum dazu beitragen, zwei MillionenProletariern das Wahlrecht vorzuenthalten, lieber lassen wir unsdie Hände abschneiden.Wenn das Ministerium seine Pflicht nicht täte, so würden wirdie ersten sein, es zu stürzen. Keineswegs dürfte man es aber alsBankerott unserer Methode deuten, wenn Luzzatti sein Versprechennicht einlöst. ES wäre der Bankerott, wenn wir trotzdem fort-führen, weiter für das Kabinett zu stimmen.(Widerspruch. Un-ruhe.)Was die Krise in unserer Partei betrifft, so liegt kein solcherVerfall vor, daß unsere Partei der Ersetzung durch eine andere be-dürfte. Ich glaube aber, daß in der Folge eine direkteVertretung der Arbeiterorganisationen uns ab-lösen muß. Heute schreibt sich jeder, der unserer Partei bei-tritt, das Recht zu, das Proletariat zu vertreten. Hier mag wohlder Grund sein für die unverkennbare Dekadenz unserer Partei.Es muß eine Verschiebung der Funktionen auf die Arbeitcrorgani-sationen stattfinden. Diese Organisation ist heute noch schwach.Darum hat die Partei heute noch eine Funktion, aber mit demVorgefühl der Notwendigkeit dieser Verschiebung fängt auch schondas Schwanken und die Unsicherheit unserer Politik an. Und esmutz der Moment kommen, in dem das Proletariat-sclbst seine Be-dürfnisse formuliert und sich selbst direkt mit eigenem Denken undeigenem Willen die Wege seines Geschicks zeichnet.(Lang-andauernder Beifall.)Salvemini spricht der verheitzonen Wahlreform jeden demokratischen Charakter ab. Italien hat sechs Millionen NichtWähler, vondenen vier Millionen Analphabeten sind. Die Ausdehnung desWahlrechts aus die übrigen zwei Millionen, würde in Süditalien,wo bis zu 80 Proz. der Arbeiter Analphabeten sind, nur einen Zu-wachs kleinbürgerlicher Wähler bringen. Wenn man dann zudieser Ausdehnung des Stimmrechts noch das obligatorische Votumhinzufügt, das alle trägen und gleichgültigen Bourgeois an dieUrnen schleppt, so wird man die Reaktion verstärkt haben.Vor ziemlich ungeduldigem und übermüdetem Kongreß nimmtals letzter Redner die Genossin Balabanoff das Wort. Was vorallem nottut. sind feste, klare Leitsätze. Wenn unsere Partei diesehätte, so wäre eine Situation, wie die heutige, unmöglich. AlsMarxistin protestiert sie dagegen, daß das Eintreten für Reformenein Charakteristikum des Reformismus sei. Aber wir wollen dieReform nicht Herrn Luzzatti danken, sondern der Kraft des Pro-letariats. Der sozialistischen Bewegung und dem Proletariat sindihre Wege von der Geschichte vorgezeichnet. Wenn heute die sozia-listische Partei zugrunde gehen sollte, so würde sie morgen durch dieMacht der Verhältnisse wieder aufstehen.(Beifall.)Der Kongreß vertagt sich aus morgen.Mailand, den 24. Oktober 1910.Vierter Berhandlungstag.(Vormittagssitzun g.)Man hat sich dahin geeinigt, daß von jeder der drei währenddes Kongresses zutage getretenen Richtungen noch je zwei Rednerzu Worte komwcli sollen; diese drei Richtungen find die serTuratianer, eine mittlere Tendenz Morgari-Salvemini-Modiglianiund die der Revolutionäre.Modigliani glaubt nicht an den Verfall einer Partei, die nochso viel zu leisten vermag wie die unsere. Wir scheiden uns von denRevolutionären aus all den Gründen, aus denen Ihr ReformistenEuch von ihnen scheidet. Cabrini hat hier gesagt, wenn wir dieheutige Taktik nicht wollten, so sollten wir unsere Vertreter ausdem Arbeitsrat zurückziehen. Das sind Advokatenkniffe. Cabrinisagt, daß eine Reform nicht einzig dadurch fruchtbar wivd, daß dasProletariat sie erringt. Aber eine Reform nützt nur denen, die siezu erkämpfen vermögen. Als Beweis diene das Gesetz über dieGewcrbegerichte, das seit Jahrzehnten besteht und erst in jüngsterZeit den» Proletariat etwas nützt. Ihr sagt weiter, die Parteihätte nichts für den Wahlrechtskampf getan. Das ist nicht wahr.Wöhr ist aber, daß die Parlamentsfraition unserer Aktion einenRiegel vorgeschoben hat, indem sie sich mit einem beschränktenWahlrecht begnügte.Die Arbeitspartei, von der hier die Rede war, ist kein Zu-kunftsgebilde, sie ist heute schon da: Ihr Reformisten seid diesePartei. Die Arbeiterorganisationen drängen gewaltsam vorwärtszu neuen Eroberungen. Die Partei hat zu entscheiden, ob sie dieseBewegung annehmen und hingehen lassen soll so wie sie ist, oderob es ihre Aufgabe bleibt, sie mit klassenpolitischem und soziali-stischem Geiste zu beleben. Wir wollen eine klare Antwort überdiese Frage und werden deshalb eine Tagesordnung vorlegen.die uns erlaubt, die Anhänger unserer Auffassung zu zählen.(Beifall.)Lerdn(Revolutionär): Wir glauben nicht, daß die Verhält»nisse allein es sind, durch die der Sozialismus seinen Weg findet.Die sozialistische Partei ist mehr als die Anerkennung der Wirk-lichkeit der Dinge. Sie ist eine Kritik der Wirklichkeit. Als wirzusammen ausgingen, Turati, Cabrini und andere von uns Alten.da habt Ihr in dem Sozialismus mehr gesehen als die kleinenReformen, die Ihr heute anstrebt. Wir wollten die ganze Gesell»schaft umgestalten, aber dazu brauchten wir die sozialistische Pro-paganda. Was habt Ihr diese nicht verhöhnt, was habt Ihr unsRevolutionäre nicht als Verherrlicher der Barrikaden und als?ln-Hänger der Katastrophentheorie verspottet! Unsere revolutionäreAuffassung ist nicht die der Barrikaden, aber sie will eine Ver-änderung des Wesens der Gesellschaft, während Ihr nur eine solcheder Form wollt.Redner erklärt dann, daß ihm kurz vor dem Betreten derTribüne vom Genossen Mazzoni mitgeteilt worden sei, daß nichtnur die Abgeordneten, wi« schon Bissolati gesagt hat, ihr Mandatniederlegen würden, falls die revolutionäre Fraktion siegte, sonderndaß auch die Organisationen von Reggio Emilia. von Ravennaund Genua sofort aus der Partei austreten würden. Wenn Ihrdiese Erpressungsversuche macht(Lebhafter Beifall), dann sage ichEuch, daß wir Euch um solche Mittel, den Sieg zu erringen, wahr-lich nicht beneiden. Wir antworten Euch, daß, wie immer derKongreß entscheiden möge, wir in der Partei bleiben, um dieWürde unserer Bewegung aufrechtzuerhalten.(Beifall.)Wir sind nicht Gegner der Reformen, aber wir wollen, daßauch sozialistische Arbeit geleistet werde. Meine Fraktion hatkeinerlei Hoffnung auf Sieg, aber wenn wir siegten, so würdenwir der Partei eine andere Richtung geben: wir würden die Pro-paganda ausbreiten und würden die Parteifraktion einer Kontrolleunterwerfen, die es verhindert, daß man weiter für ein Linsen-gcricht Eure ideelle Erstgeburt verkauft.(Beifall.)Es kommt nun Genosse Rigola zum Wort, der im Namen derKonföderation der Arbeit, und nicht als Redner einerder drei Richtungen spricht. Er erklärt, keine Angst vor der Be-Zeichnung eines Trade Unionisten zu haben; er halte es mit Bern-stein, der vom Realen zum Idealen schreiten will. Was die Frageder Arbeiterorganisationen betrifft, so sei die organisatorische Ve-wegung heute nicht mehr auf das Proletariat beschränkt. Aber wieverschieden ist die Stellung der proletarischen Organisationen vonder der Mittelschullehrer, der Aerzte usw.I Der Staat organisiertsich nicht zum Widerstand gegen diese bürgerlichen Organisationen,wohl aber organisieren sich die Unternehmer gegen die Arbeiter.Ihr habt nicht beachtet, daß der Hauptfeind nicht mehr der Staatist, sondern die organisierte Unternehmersibaft.Als Wortführer der Konföderation der Arbeit liegt mir natür-lich daran, daß hier die von den Gewerkschaften gewünschte Taktikdurchdringe. In bezug auf die Autonomie der Parlamentsfraktionbin ich mit Bissolati einverstanden, obwohl ich freilich das alljähr-liche Tagen des Parteitages zur Rechenschaftsablage wünschte. Nichteinverstanden bin ich in bezug auf die Autonoini« der Taktik. Wirglauben, daß die Taktik, die der Kongreß festsetzt, einer Kontrolledes Parteivorstandes unterstehen müsse. Für die absolute Ab-lehnung von Wahlkompromissen bin ich nicht, vor allem deshalb,weil uns bei kommunalen Wahlen in kleinen Orten oft in derPartei die Persönlichkeiten fehlen, um ausschließlich aus Genosseneine Stadtverwaltung zu bilden. In bezug auf die Unterstützungeines Ministeriums meine ich, daß sie um klein« Reformen nichtgewährt werden dürfe. Was uns interessiert, sind die großen undgroßzügigen Reformen. Das Proletariat braucht eine Atmosphäreder Freiheit und der Demokratie. Nicht die Regierung, die Unter-nehmerorganisationen sind unsere Feinde. Wartet das nächsteFrühjahr ab, und Ihr werdet den Vorstoß des Agrarierverbandesund der industriellen Uuternehmerorganisation erleben. Wenn wirdann nickt eine Atmosphäre der Freiheit haben, wenn wir nichtin der Regierung einen besseren Verbündeten haben werden alsheute, so werden wir den allerschwersten Stand gegen die ReaktionhabenRedner geht dann ans die Frage der Gründung einer Arbeits-parte! ein. Diese besteht heute schon. Kein Mensch kann eine Parteischaffen. Für mich ist die politische Organisation noch kein dürrerZweig, aber sie ist doch j.m Absterben. Nur ist der neue Zweig derwirtschaftlichen Organisation noch nicht stark genug, um an seineStelle zu treten. Pflicht der Partei ist, für seine Stärkung zuarbeiten. Redner setzt hinzu, daß keineswegs sein Ideal sich iader Bildung starker Gewerkschaften erschöpfe. Wie wir den Friede«»zwischen den Nationen wollen, so wollen wir ihn zwischen deneinzelnen Teilen der Gesellschaft. Wenn auch die Gesellschaft nochin Gruppen geteilt bleibt, so wollen wir zwischen diesen«inenmenschlichen und zivilen Kampf, nicht die heutige Härte undBrutalität. Dies ist unser Ideal. Ihr mögt urteilen, ob wirwert sind, weiter mit Euch zusammenzuarbeiten.(Anhaltend-»Beifall.)Der Parteitag tritt nunmehr in die Mttagspause ein.Sie Ksckbotler Katastrophe vor Lerich tSiebenter Berhandlungstag.Zu der heutigen Verhandlung sind vom Nebenkläger Berg-Werksdirektor Andree und von der Verteidigung des Angeklagtennoch etwa 12 Zeugen geladen. Als erster Zeuge wird der Direktordes Allgemeinen Knappschaftsvereins Köhncn vernommen. Er be»kündet über diO Hinzuziehung der Arbeitervertreter zn den Auf»räumungsarbeiten auf Radbod: Wir erhielten eine Aufforderungvon dem Bergrevierbeamten aus Hamm. Ich hatte die Auffassung,daß die Bergbehörde erwägen wollte, ob sie zu den Bergungs-arbeiten auch Vertreter der Arbeiter hinzuziehen solle. Deshalbhabe ich den Vorschlag gemacht und die Knappschaftsältcsten vor--geschlagen, die sonst bei solchen Gelegenheiten schon einmal in Vor-schlag gebracht waren. Wenn Herr Oehler dann sofort nach Radbodgefahren ist, so ist das ein Mißverständnis gewesen.— Vorsitzender:Herr Oehler hat es aber so aufgefaßt, als ob er bei der Bergungder Leichen dabei sein solle.— Zeuge: Ich persönlich wollte undkonnte gar keine Stellung nehmen. Herr Oehler hat es mißver»ständlich aufgefaßt.— Borsitzender: Es sind aber dann noch späterKorrespondenzen erfolgt. Der Bergrevierbeamte von Hamm Kat