Einzelbild herunterladen
 

»--W. 27j.»t,«, 2. Ktilllge deslIormirtD" Kerlim Polliülihtt. mmMmM. Prozeß Krüh» und Genoffen. Dritter Tag. Nach Eröffnung der Sitzung durch Landgerichtsdircktor Lampe gibt Sachverständiger Dr. L i m a n(geb. Tally Lippmann) zunächst sein Gutachten über die sechs Nummern derWahryeit" ab, die nachträglich auf Antrag des Angellagien Wilhelin Brubn der Prüfung des Sackverftärrdigen überwiesen worden sind. Das Gutachten ging im allgemeines dahin, daß gegen die Leitartikel Theaterkritiken, und Börsenchronik dieser Nummern in der Form nichts einzuwenden sei. DieStreiflichter" stellen teilweise kleine Pikanterien für Kenner dar. In diesen kleinen Sachen liegt eine Arl künstlerischer Kraft; eine andere Frage sei es allerdings, ob sich die künstlerische Kraft nach der richtigen Seite gewandt hat. Die kleinen Artikel machen vielfach Abschweifung auf das Gebiet der persön- lichen Pikanterien. Der unerfreulichste Artikel sei derjenige, der die Arbeitsverhältnisse im Hause Jandorf bespricht. Im Vordergründe stehen bei diesem Artikel die persönlichen Verhältnisse des Herrn Jandorf. Bei einzelnen Artikeln habe man den Eindruck, dasi die Informationen vielfach von einer Prozesipartei gegeben sind, die einen Prozesi verloren hat bezw. zu verlieren glaubt und dann zurWahrheit" rennt und ihrem beschwerten Herzen Luft macht. Unter den vielen Artikeln, die der Sachverständige in mehr als ein- stündigem Vortrage ihrem Inhalte nach bespricht, erregt ein solcher grojze Heiterkeit, der dieLeichensektionen in der Charitö" bespricht und behauptet, daß dort Leichen von Juden überhaupt nicht seziert werden. Rechtsanwalt Bredereck und Angekl. W. B r u h n halten die abfällige Kritik des Sachverständigen über den Jandorf- Artikel doch nicht ganz gerechtfertigt. Sie weisen darauf hin, dasi nicht dieWahrhett", sondern Leo Leipziger zuerst die Beziehungen des Hauses Jandorf zu einem Friseur aufs Tapet gebracht habe. Staatsanwalt L e i s e r i n g stellt noch einige Fragen an Dr. Lima«. Er weist auf die verschiedenen Artikel hin. in denen doch immer persönliche Spitzen sich vordrängen, auf die Pikanterien, die besonders gepflegt werden und auf den Inhalt des Briefkastens und bittet den Sachverständigen, alle diese Punkte für sein Eud- urteil über den Charakter derWahrheit" zu verwerten. Dr. L i m a n: Notizen im Briefkasten seien eigentlich für Dritte immer unverständlich und deshalb belanglos. An sich könne man aus solchen Briefkastennotizen gar nichts folgern. Was die Pikanterien für Kenner betrifft, so sei es ja doch selbstverständlich, dasz jemand, der das Nachtleben schildern ivill, auch Typen ver- wendet, die von den Kennern als ganz bestimmte Persönlich- keiten erkannt werden. Solche Plaudereien finde man in französischen Blättern sehr viel, ohne dah daraus üble Schlußfolgerungen gezogen werden. Die Hereinziehung per- sönlicher Momente in die Artikel sei natürlich sehr übel und unerfreulich, sie sei wohl dadurch zu erklären, daß ein trockener, sachlicher Stoff interessanter gestaltet werden soll. Das Publikum hat aber auch schuld daran, weil es solchen Klatsch besonders interessant findet. Wie weit und ob dieser Klatsch den Artikeln hin- zugefügt ist, um andere Zwecke zu verfolgen, wird Sache der Be- weisaufnahme sein. Er habe lediglich aus der Lektüre der Artikel diesen Eindruck nicht gewonnen. Nach Verlesung des Artikels Die Liebe und die Arbeitsverhältnisse im Hause Jandorf" gibt Dr. Lima» auf Ersuchen des Vorsitzenden sein Gutachten zusammen- fassend dahin ab t Die politischen Artikel machen einen ruhigen, objektiven Eindruck. Der Angeklagte Wilhelm Bruhn sei zweisellos bestrebt, der Politik seiner Partei gerecht zu werden. Was die Artikel aus dem sozialen Leben betrifft, so glaube er, daß der Herausgeber sein Programm darin hochhält, aber die Artikel seien vielfach zu mißbilligen, mit denen er zu seinem Ziele zu gelangen sucht. Daß dieGeschichten aus der Lebeweli" mit Rücksicht auf Erlangung von Inseraten geschrieben seien, sei nicht anzunehmen, denn beispielsweise werdeHerr von Prittwitz" oderdie schwarze Grete", die darin genannt werden, kaum zu Aufgabe von Inseraten geneigt erscheinen. Im ganzen könne man sagen.' Aus der einen Seite ist die in derWahrheit" vertretene Politik eine national gerichtete und ernsthafte. In scharfem Gegensatz dazu steht auf der anderen Seite das Eindringen in den S u m p f der Lebe weit, welches eine abschreckende Wirkung aus das Publikum nicht ausüben kann. Dieser Gegensatz klaffe und es führe gar keine Brücke hinüber. Die dritte Seite sei die K o r r u p ti o n. Wenn ein Kampf gegen Warenhäuser und Spielhöllen geführt wird, so könne das keiner übelnehmen, es frage sich nur, ob dieser Kampf in der richtigen Weise geführt wird. Bei vielen Artikeln kann man es bejahen, bei einzelnen müssen Bedenken aufsteigen. Weil diese Artikel vielfach einen persönlichen Einschlag haben, deswegen wird wohl das große Interesse des Publikums erregt. DieWahrheit" gilt im Publikum als ein Sensationsblatt und ist cS auch, weil die persönlichen Verhältnisse in den Artikeln stark hervorgelehrt werden. Die Frage, ob irgendwelches Erpressungs- bedürfnis aus den Artikeln hervorleuchtet, könne er nur verneinen. Er könne nicht sagen, daß die von ihm geprüften Artikel darauf hin- deuten, daß es sich um ein Revolverblatt handelt, auch der Jandorf- Artikel nicht, denn der Inhalt müßte Herrn Jandorf doch gewiß abschrecken, mit derWahrheit" irgendwie in Verbindung zu treten. Von den Verteidigern wird darauf hingewiesen, daß die gesamte deutsche Presse solche Zustände aus den Nachtlokalen usw. nicht behandelt; der lokale Teil werde nur referierend behandelt, und deshalb sei ein Bedürfnis für ein Blatt wie dieWahrheit" vorhanden. Auf zahlreiche Kreuz- und Querfragen der Verteidiger erklärt der Sachverständige u. a., daß es Methode derWahrheit" sei, ernste Gerüchte mit einer pikanten Sauce zu übergießen. Ueber die Tendenz derWahrheit" und die Berechtigung, sie als Sensations­blatt zu bezeichnen, kommt'e« zu längeren Auseinandersetzungen, bei welchen der An- geklagte Wilhelm Bruhn sehr erregt wird. R.-A. Jul. Meyer I fragt den Sachverständigen Dr. L i m a n, ob nicht die kleinen Pikanterien einen künstlerischen Wert und auch ihre gewisse Bcrechti- gung haben. Solche Dinge seien aus Frankreich zu uns herüber- gekommen, wie z. B. auch Stücke, ivie sie im Residcnz-Theater gegeben werden. Dr. Li m a n n: Diese kleinen Artikel haben allerdings einen gewissen literarischen Wert, sie sind zum Teil sehr fein herausgearbeitet. Diese Feststellung hat aber nichts mit der unmoralischen Seite zu tun. Angekl. W i l h. Bruhn betont, daß die Lebemannsbriefe seit dem Ausscheiden Dietrichs sich sehr ab- geschwächt haben und zwar auf sein dringendes Betreiben. Im übrigen verlangt er sehr lebhaft die Verlesung eines Artikels Kellnerinnen im Warenhause Wertheim", den der Sachve, ständige unter andern als dem Sensationsbedürfnis entspringend bezeichnet hatte. Der Angeklagte verbleibt trotz aller Vorhaltungen bei seinem Antrag, da er entschieden bestreitet, daßDie Wahrheit" lediglich ein Sensationsblatt sei. Er müsse auf Ver- retung bestehen, denn in der Anklage werde ausgeführt, daßDie Wahrheit" sich von einem SeniatiouSblatt zu einem Revolverblatt entwickelt habe. Da müsse er doch nachweisen, daß die Voraussetzung nicht zutrifft und er kein Sensationsblatt herausgegeben habe. Vors.: Daun könnte man am Ende auch zu der Schluß- Folgerung kommen, daß dieWahrheit" von Anfang an ein Revolverblatt gewesen sei. Also: eine solche Schlußfolgerung könnte sich dann vielleicht auch hervordrängen. Der ArtikelKellnerinnen im Warenhause Wertheim" wird verlesen. Rechtsanwalt Bredereck sucht die Erregung des Angeklagten dadurch zu erklären, daß in den Deutschen Nachrichten" gestern ein Artikel gestanden habe, der den Angeklagten Bruhn schon als schamlosen Erpresser, als Mann, der in ekelhafter Weise Patriotismus und Sittenlosigkeit verknüpfe, hin« stelle. Rechtsanwalt Dr. S ch w i n d t stellt den Antrag, den ZeitungSverleger Friedr. Wartbemann, Thomasiusstr. 27, als Zeugen zu laden. Zu diesem habe sich Brubn, als er dieWahrheit" be- gründen wollte, ausführlich über die Tendenzen, die das Blatt ver- folgen solle, ausgesprochen. Rechtsanwalt Dr. Jul. Meyer I bittet, im Interesse seiner beiden Klienten, die Verhandlung ledig- sich darauf zu beschränken, ob Straftaten begangen sind. Die Erregung des Angeklagten W. Bruhn sei zu begreiflich, aber es handle sich doch lediglich darum: sind Erpressungen begangen oder nicht? Ob dieWahrheit" ein Sensationsblatt ist oder nicht, sei doch ganz gleichgültig. Wir kommen ja schließlich ins Uferlose und kommen gar nicht zu Ende. Vors.: Eine Trennung der Sachen ist natürlich nicht möglich. Ist der Hauptangeklagte Bruhn nicht schuldig, so ctHibt�sich die Freisprechung der Mitangeklagten von selbst. Deshalb müssen alle diese Dinge eingehend besprochen werden. Uebrigens wird der Umfang der Hauptverhaudliing und was zur Sache gehört, von dem Gerichtshof bestimmt. Wir gehen nicht ins Uferlose. Das ist eine ganz unangemessene Redewendung. Auf eine Frage de? Staatsanwalts Leisering, obeS nicht ungewöhnlich sei, daß ein Redakteur zugleich Annoncen-Redakteur sei, erwidert Dr. L i m a n, daß dies bei großen Zeitungen wohl nicht vorkomme, bei kleineren Zeitungen und Wochenblättern sei dies aus Rücksichten auf den beschränkten Etat möglich. Der als Zeuge vernommene Annoncen- Akquisiteur Plag st Ys hat für dieWahrheit" Inserate gesammelt. Erbe- kündet, daß ihm die Weisung gegeben sei, alle mög- lichen Firmen und auch die Warenhäuser zu be- suchen, mit Ausnahme von Tietz und Wertheim . Im allgemeinen follten solche Finnin nicht besucht werden, gegen die Angriffe erfolgt seien. Der Zeuge, Redakteur und Parlamentsjournalist, PhoebuS B e r l o w i tz soll darüber aussagen, ob dieWahrheit" in Journalistcnkreise» als Revolverblatt bekannt sei. Er bekundet: Er sei Leiter eines parlamentarischen Bureaus, daS Zeitungen der verschiedensten Partcirichltmgen Parlaments- berichte liefert. Daher stehe er im ständigen geselligen und beruf- licben Verkehr mit zahlreichen Kollegen. Daß Herr Bruhn Schmier- gelber empfangen, habe er nie gehört. Dagegen habe er aus gelegentlichen Unterhaltungen mit Kollegen, auch von solchen, deren p o li tisch e G e sinnu ng der Bruhnschen nahe st cht, immer den Eindruck ge­wonnen, daß man dieWahrheit" als ernstes poli- tischeS Blatt und Bruhn alsPreßmenschen" inBe- rufskreisen ablehne. Tatsachen auf Grund deren man dieWahrheit" alsRevolverblatt" bezeichne, kann der Zeuge nicht angeben. Auf Befragen erklärt der Zeuge: er verstehe unter einem Revolverblatt nicht nur ein Blatt, welches zweifel- loS und bewußt zu erpresserischen Zwecken begründet sei, sondern auch ein Blatt, das indirekt die Nötigung aus- ü b t in der Weise, daß Leute, die. wie man sagt, Butter auf dem Kopfe haben, nicht in die Oeffentlichkeit gebracht werden wollen und glauben, es mit derWahrheit" nicht verderben zu dürfen. Die Artikel und ihre ganze Aufmachung seien doch nicht darauf berechnet, möglichst viele Leser heranzuziehen, sondern auf ganz bestimmte Kreise Einfluß auszuüben. Angekl. Bruhn hat, wie der Vor- sitzende dem Zeugen vorhält, dagegen geltend gemacht, daß dieser Zeuge voreiugeiiommen sei, weil er früher Jude gewesen und auf entgegengesetztem politischen Standpunkt wie er stehe. Der Zeuge bestreitet diese Ausführungen des Angekl. Bruhn als unzutreffend. Auf Antrag deS Angekl. Bruhn wird über dasselbe Thema der Jo urn allst Döring vernommen. Er gibt an, daß er Bruhn seit acht Jahren kenne und Mitarbeiter derWahrheit" sei. Er schreibe politische Leitartikel für das Blatt. Er gibt derWahrheit" das Zeugnis, daß sie ein deutsch -nattonales, rcgicrungSfrcuitdlichcs Wochenblatt sei, ein bemerkenswertes Gegengewicht gegen die demokratische und sozial- demokratische Umsturzprcsse. Bei dem ihm bekaintten Charakter Bruhns Halle er es für ausgeschlossen, daß derselbe Artikel ver- öffentliche, um in erpresserischer Weise Inserate zu erlangen. Der Zeuge erklärt es serner für unwahr, daß man auf der Journalisten- tcibüne des Parlaments von Bruhnabrücke". Zwei Zwischenfälle. Nach kurzer Pause erklärt der Vorsitzende: ES ist vorhin hier meinerseits eine Aeußerung gefallen, bei welcher ich dem Herrn Rechtsanwalt Julius Meyer gegenüber den Ausdruckunangemessen" gebrauchte. Ich will erklären, daß dieser Ausdruck wohl etwas zu scharf war. Rechtsanwalt Dr. Jul. Meyer: Ich danke für diese Erklärung und kann gleichzeitig meinerseits erklären, daß es mir völlig ferngelegen hat. die Prozeßführung des Herrn Vorsitzenden einer Kritik zu unterziehen. Staatsanwalt L e i s e r i n g: Es ist mir mitgeteilt worden, daß der Redakteur Schweitzer svon derFrankfurter Zeitung "), der hier ein Krankheitsattcst eingereicht hat, jeden Tag auf der Börse zu fintwn sei. Ick habe die Richtigkeit dieser Mitteilung durch zwei Polizeiocamtc feststellen lassen und beantrage nunmehr die Auf- Hebung deS Beschlnsses, nach welchem Schweitzer vom Erscheinen entbunden ist, und Herrn Schweitzer nochmals zu laden. Auf einen Hinweis des Vorsitzenden, daß dem Sachverständigen das ganze in den drei VcrhandlungStagen vorgebrachte Material noch- mals vorgelegt werden müßte, zieht Staatsanwalt Leise- ring den Antrag ans Zweck mäßigkeitSgründen zurück. Weitere Auskünfte einiger Antisemiten über Bruhn. Der hierauf vernommene Rechtsanwalt Dr. Max Hahn bekundet: Er sei Schwiegersohn des verstorbenen Redakte ttrs Dedo Müller und sei Besitzer von Anteilscheinen der S t a a t s b ü r g e r- Z e i t n n g", G. m. b. H., in Höhe von tOOOO M. gewesen. Als Dedo Müller sich wegen Kranlbeit von der Leitung zurückzog, wurde Bruhn Geschäftsführer. 1905 schied B. aus. Zwischen ihm(Zeugen) und Bruhn haben ständige Gegensätze bestanden, weil Bruhn doch nur für die verlegerischen und kaufmännischen Dinge angestellt war und er meinte, auch politisch die Direktive geben zu können. Er habe' ans diesen Gegensätzen heraus schon einmal den Antrag ans Ab- sctzung des Bruhn gestellt gehabt, weil er dieStaatsbürger- Zeitung" in ein radikales Fahrivasser hinüberleitete. Es war kein rein sachlicher Ton mehr in der Zeitung, die ganze Tendenz war persönlich geworden. Falsch ist die Behauptung, daß die Differenzen aus sttian« ziellen Dingen entstanden seien. Der innere Grund war, daß die früheren Gesellschafter mit dem Ton und der Haltung nicht einverstanden waren. DaS Verhältnis war auf die Dauer nicht mehr zu hallen, es wurde gekündigt, lieber die Wahrheit" kann ich nicbts sagen. Auf weitere Fragen erklärt der Zeuge, daß er keinen Anhalt dafür habe, daß Brtihn erpresserische Handlungen begehen könne. Während seiner Tätigkeit bei der StaalSb.-Ztg." seien ihm solche Handlungen nicht bekannt geworden. Er könne seinerseits aussagen, daß seiner Meinung nach Bruhn sehr brutal und egoistisch sei. Der nächste Zeuge ist der Schrift st eller Plack-Pod- aorSki. Vors.: Sind Sie derselbe Mann, der kürzlich in Magde « bürg zu sechs Monaten GelängntS verurteilt wurde, weil er den Tierarzt Stieber beschuldigte/ der Mörder der Hedwig Nitschc zfl sein? Zeuge Plack: Derselbe bin ich. Ich habe dem Tierarzt nahe gelegt, die Sache durch Selbstmord zu sühnen.(Heiterkeit.) Vors.: Na, das ist doch eine komische Zumutung. In der Verhandlung soll doch für den Mann ein tadelloser Alibibeweis geführt worden sein. Zeuge: Ich bin nur aus Grund des§ ISö verurteilt worden und mußte ja natürlich aus rechtlichen Gründen verurteilt werden, die Herren hier kennen ja daS Strafgesetz ebenso gut wie ich.(Heiterkeit.) Verhältnis des Ministers Miqucl zu den Antisemiten. Rechtsanw. Bredereckt Von anderen Vorstrafen wollen wir hier absehen, aber ich mache daraus aufmerksam, daß der Zeuge seinerzeit wegen Verleumdung des Ministers Miqnel zu l'/z Jahren Gefängnis verurteilt worden ist. Zeuge: Das ist so incht richtig. Ich bin nicht wegen Verleumdung, sondern wegen Beleidtgtiug gemäß§ 186 verurteilt worden. Ich hatte damals ein BuchPharisäer und Heuchler" herausgegeben, in welchem ich als Antisemit, der ich immer gewesen bin, gewisse Dinge zur Sprache brachte, durch die sich Herr Miqnel beleidigt fühlte. Wenn bier dies angeführt wird, um meine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln, so betone ich hier, daß nach Verbllßung meiner Slrase Mtquel an mich heran­getreten ist, um sich mit nur zu vetsöhnen. Angeklagter Wilh. Brubn springt empört auf und ruft mit lrnuer Stimme: DaS ist eine Unwahrheit, eine Beleidigung und Schändung dieses Mannes. Wenn ich unter Eid stände, würde ich das Gegen­teil beschwören. Ich habe Herrn von Miqnel gewarnt, Ihrer Frau Unter stütz un gen zukommen zu lassen. Will der Zeuge dies aus seinen Eid nehmen? Zeuge: Gewiß! Diese Aussöhnung ist von einem Manne eingeleitet worden, der schon früher Abgeordneter war wie Sie, nämlich von Herrn Picke nbachl Bruhn(mit lauter Stimme) t Was Sie sagen, ist mir höchst egal, das kann ich Ihnen sagen. Zeuge: Umge- kehrt ist's ebenso. Mich kann der Herr nicht einschüchtern. Rechtsanwalt Bredereck stellt fest, daß der Zeuge wiederbolt Strafanzeigen gegen Bruhn erstattet hat, die alle ohne Er- folg geblieben sind. Bors.: Kennen Sie den Angeklag- ten Bruhn näher? Zeuge: Ich kenne ihn von der Zeit her, als er in dieStaatsbürger Zettung" eintrat. Ich hatte bald herausgefunden, daß man derStaatsbg. Ztg." zu dieser Akquifition nicht beglückwünschen konnte. Vors.: Haben Sie Bruhn für einen Antisemiten gehalten? Zeuge: Ja, aber mit sehr ge- schäftlichcm Einschlag. Vorl.: Sie habe» auch einmal be­hauptet, Bruhn habe den Oberleutnanl Freitag betriigerischnweisc um 66 000 Mark geschädigt. Wie kamen Sie dazu? Zeuge: DieSttatSb.-Ztg." war doch vollständig verschuldet. Wenn dann doch jemand überredet wird, als Teilhaber einzutreten, so sind doch die Voraussetzungen des Strafparagraphen gegeben. Ich habe Bruhn heftig angegriffen und beleidigt, er ist aber nie mit einer Beleidigungsklage gegen mich vorgegangen. Seinen Wählern hat er aber. öffentlich versprochen, nach seiner Rückkehr nach Berlin mit mir Abrechnung zu halten. Vors.: Ist Ihnen bekannt, daß dieWahrheit" auf Erpressung ausgeht? Zeuge: Positive Tatsachen kann ich nicht angeben, aber Schlüsse kann ich doch ziehen. Vors.: Wollen wir diese Erörterungen mit anhören? Allseitige Zurufe t Nein I Nein! Beisitzer Landgerichtsrat Grodke: Sie haben bei Ihrer Vernehmung u. a. ausgesagt, daß daS Blatt nur den Zweck habe, durch Skandal Geld zu erwerben. Haben Sie hierfür Beweise? Zeuge: Direkt nicht. Aber es ist doch klar: Bruhn lag auf der Straße und mußte einen Erwerb suchen. Wenn die Situation günstig gewesen wäre, hätte Bruhn sich auch wohl besonnen, eindento» kratisches Wochenblatt herauszugeben. Vors.: Wissen Sie denn, wie die Inserate der Nachtlokale zustande ge» kommen sind? Zeuge: Ich weiß aus einem Spezialfall, daß Dietrich im Gespräch mit Bruhn einmal gesagt haben soll: die großen Leute müssen sich alle in derWahrheit" gegen Brandschaden versichern". Es folgen dann längere und teilweise sehr heftig ausklingende Auseinandersetzuiigen zwischen dem Zeugen und Wilhelin Bruhn über den Fall Israel . Es handelt sich darum, ob zu der Zeit, als dieser Fall ins Rollen kam, in derStaaisb. Ztg." ein Inserat Israels veröffentlicht worden ist. Eine Aeußerung des Zeugen Plack gehl unter anderem dahin, daß seinerzeit keine Zeitung in Berlin einen Bericht über den Straffall Ohm-Jsrael gebracht habe. So weit reiche der Einfluß des Hauses Israel. Sachverst. Dr. Limant Der euge behauptete soeben: So weit reiche der Einfluß des HaufeL �srael, daß die Zeitungen nichts von der Verhandlung brachten. Sie sagen also implicite, daß die gesamte Presse durch Israel ge» kauft sei. Halten Sie das ausrecht? Zeuge Plack: Be- stochen nicht, aber ich könnte Fälle nennen, wo--- Sach­verst.: Ich will keine Fälle wissen, sondern eine konkrete Antwort haben. Zeuge antwortet mit lauter Stimme, indem er auf große Inserate hinweist, die in den Zeitungen erscheinen usw. Vors.: Schreien Sie vor allen Dingen nicht so, wir sind hier nicht taub. Angekl. Wilhelin Bruhn: Der Zeuge hat kühn die Behauptung über mich aufgestellt t Vom Lebende» hat er ge- fressen, und den Toten dafür noch angegriffen. Da muß ich doch beantragen, den fraglichen Artikel tVom toten Israel und dem lebenden Gehlteit" ztt verlesen. Zeuge Plack: Meinet­wegen brauchen Sie den Artikel nicht zu verlesen. Vors.: Nein. Ihretwegen nicht, solch' wichtige Persönlichkeit sind Sie nicht. (Heiterkeit.) DaS Gericht beschließt die Verlesung deS Ltsikels. Auch Ahlwardt will vernommen werden. Landgerichtsrat Lampe teilt hierauf mit, daß schon wieder eine Zuschrift bei dem Gericht eingegangen sei, welche diesmal von dem«Freidentschen Bund" herrühre. Dieser teilt mit, daß in der Presse eine Notiz erschienen sei, nach welcher der Rektor Ahl« warbt ebenfalls als Zeuge in dieser Sache geladen sei. Der Freideutsche Bund" halte sichaus heißer vaterländischer Ge- sinnung" verpflichtet, die Adresse seinesverehrten Ehrenvorsitzendeti" Ahlwardt mitzuteilen. Die Verlesung dieses Schriftstücks ruft all- geineine Heiterkeit hervor, da weder dem Gericht, noch dem Staats« anwalt oder den Verteidigern etwas von der beabsichtigten Ladung des Herrn Ahlwardt bekannt ist. Die jüdischen Inserate in derWahrheit". Der Zeuge Jnseratenakquisitettr Simon Strauß bekundet: In derWahrheit" waren eine Anzahl gehässiger Artikel gegen Professor Moritz Meyer erschienen. Dieser beklagte sich bei mir darüber und sagte, es würde ihm dadurch unmöglich, eine Position in Berlin zu erhalten und ob ich ihm nicht helfen könne. J» erwiderte, daß ich einen bekannten Jitseratenakquisiletir bei der Wahrheit" hätte, der vielleicht einmal mit Bruhn sprechen würde. Nach zwei Tagen teilte mir dieser Bekannte mit, daß ihm Bruhn gesagt habe, er habe gerade keinen Finanzichriflstcller, Prof. Meyer solle doch Finanzartikel für ihn schreiben. Ich riet Professor Meyer, er solle diese schreiben, dann würden die Angriffe schon aufhören. Ob Artikel geschrieben sind. weiß ich nicht. Vors.: Sie haben nur einmal dem Zeugen Weinert gegenüber eine Mitteilung über die Herkunft von Inseraten gemacht? Zeuge: Bei einer Zusammenkunft von Kollegen sagte jemand, der dieWahrheit" mitbrachte und ans die Inserate bin- wies eS wären lnntcr Inserate von jüdische» Wirte» und sehe aus wie ei» koscherer Mittagstisch:Seht Kinder, so müßt Ihr arbeiten!" Ich sagte darauf t Das köiuieii wir nicht, diese Inserat« werden mit dem Brecheisen geholt. Aus Befragen der Rechtsanwälte Dr. Schwindt und Bredereck erklärte der Zeuge, daß er positive An- gaben, wie er zu dieser Aeußerung gekommen sei, nicht mehr machen könne. Jnseratenagent Weiner bekundet im allgemeinen, daß ihm von den beiden Gebrüder Bruhn die Anweisung gegeben worden sei, solche Firmen zur Erlangung von Inseraten nicht zu b-siichen. gegen welche Angriffe in derWahrhett" erschienen waren. Der Zeuge entsinnt sich eines Vorfalles mit dem Professor Meyer. wie ihn der Vorzeuge geschildert, überhaupt nicht. Eine solche Aeußerung, wie sie ihm Strauß in den Mund gelegt, habe er, wie er eidlich bekunde, unter keinen Umständen getan. Der Zeuge