Sob erfolgt feien! Wohlweislich hat man sich auch bemüht.bie Knappschaftsältesten Dehler und Schäfer von den Bergungs-arbeiten fernzuhalte», obgleich der Minister ihre Hinzuziehunggewünscht hatte. Hinzu kommt dann noch die Art des Verfahrens.Diejenigen, die die Zeche stützten, hatten xilles zur Verfügung. Siehatten ihre Werksfeststellungen festgelegt in Akten und Journalen.Und nicht immer gelingt, was dem Verteidiger im letzten Nadbod»prozeh gelungen ist, nachzuweisen, daß die Wetterbücherund Lohnlisten mit den wirklichen Tatsachen imWiderspruch stehen!! Kurz und gut, für die Beurteilungder damaligen Verhältnisse auf Radbod war es nötiA daß derProzesz möglichst bald nach der Katastrophe kam.Aber nicht gleich nach dem Unglück und auch nicht wegender Festellungen über die Ursachen der Kala-strophe ist Anklage gegen die„Bergarbeiter-zeitung" erhoben worden. Einen ganz anderen Anlaßbenutzte die Verwaltung von Radbod, um zu klagen. Am 29. Fe-bruar lSt>9 hatte die„Bergarbeiterzeitung" in der Polemik gegeneine Berichtigung der Verwaltung, in der behauptet wurde, daßallen, die um Hilfe gerufen haben, auch Hilfe geworden sei, u. a.Mitteilung von dem bekannten Dialog gemacht, der anläßlich derRettungsarbeiten zwischen dem königlichen BergrevierbeamtenHallender und dem Direktor Andree stattgefunden habensollte. Dazu schrieb das Bergarbeiterorgan:„Wir s«d bereit, dem untersuchenden Richter, eventuell derStaatsanwaltschaft, den Namen de? betreffenden Bergarbeiters(der den Dialog gehört haben wollte), zu übermitteln. Nicht erallein will diese sinngemäßen Aeußerungn gehört haben. Wirselbst stehe» auf dem Standpunkt, daß Umstände auch bei einer.Katastrophe im Bergbau eintreten können,>vo an eine Rettung» selbst Lebender nicht mehr gedacht werden kann. Ob eine Rettungauf Radbod möglich war, das zu untersuchen, ist nicht unsereSache. Wir stellen nur fest, was zu unseren Ohren gekommenist und wir glauben, damit nur zur Klärung der AngelegenheitRadbod beizutragen. Bewahrheiten sich obengenannte Aeuße-rungen aber, dann glauben wir, daß die Zechenverwaltung derZeche Radbod ihre Berichtigungen später ettvas vorsichtiger ab-faßt oder damit am besten ganz zurückhält, bis das Gericht dasDrama selbst erörtert hat."Nun fühlte sich Direktor Andree beleidigt, weil man ihn— derFeigheit bezichtigt habe. So behauptete er. trotz der Bemerkungen,die die„Bergarbeiterzcitung" dem Dialog angefügt hatte. Ja, auchdie sollten beleidigend sein. Die Staatsanwaltschaft erhob dannauch Anklage im öffentlichen Interesse.Im ersten Verfahren wurde bekanntlich vom Gericht im Ein-Verständnis mit dem Kläger jede Beweiserhebung über die Zu»stände auf Radbod abgelehnt und der Angeklagte zu 300 M. Geldstrafe verurteilt. Aber das Reichsgericht erklärte die Revision desAngeklagten gegen dies Verfahren für gerechtfertigt und so muhte— in der erneuten Verhandlung— über sämtliche Behauptungendes Artikels der..Bergarbeiterzeitung" Beweis erhoben werden,was dem Kläger fichtlich unbequem war. Für ihn war die Haupt.fache die Bestrafung. Damit ließ sich vieles andere decken.Welche Nutzanwendung man aus einer Bestrafung ziehen tonnte,das hat der für da« Jahr 1908 erschienene Jahresbericht des„Ver-eins für bergbauliche Interessen für den Oberbergamtsbezir! Dortmund" klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. ES heißt da:„Die Radbodkatastrophe hatte zur Folge, daß in mehrerenFällen wegen Beleidigung durch die Presse Privotklage erhobenoder auf Antrag der Zechenverwaltung das Strafverfahren ein-geleitet wurde. Gegen den verantwortlichen Redak.teur der„Bergarbeiterzeitung" wurde auf 300Mark Geldstrafe und gegen den Verantwortlichen Redak-teur der„Dortmunder Arbeiterzeitung" auf!000 M. Geldstrafeerkannt: Ferner wurde ein Redakteur des„Simplizissimus" zu1500 M. Geldstrafe verurteilt."Da haben wirS! Kein Wort davon, weshalb und we».wegen die Bestrafung des Redakteurs der„Berg-arbeiterzeitung" erfolgte! Das war nicht der Zweckder Uebung. Nach außen sollte eS scheinen, als ob die Bestrafungerfolgt fei, weil die„Bergarbeiterzeiwng" unwahre Befchuldigun.gen in der Schuldfrage bezüglich der Katastrophe selbst erhobenhabe.Nun ist es ja im dritten und letzten Prozeß bei der Strafevon 300 Mark geblieben. Das war vorauszusehen. Aber nicht dieBestrafung, sondern die Begründung des Urteils inter-essiert uns. Sie ist sehr merkwürdig. Da das Urteil sick, Haupt.sächlich auf das Beleidigende, das im Dialog liegen soll, stützt, feidie betreffende Stelle hier wiedergegeben. Es heißt da:„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann es einemZweifel nicht unterliegen, daß das Gespräch, welches die aus-schließliche Unterlage der heutigen Verhandlung bildet, wederso, wie es behauptet ist. noch auch sinngemäß ge-fallen ist, daß jedenfalls zwischen dem HerrnAndree und Herrn Hallender ein deravtige»Gespräch überhaupt nicht gefallen ist. Daß inder Grube gesprochen worden ist, das ist wohlganz leicht möglich, sicher ist aber, daß die Er-rlärung in einem ganz anderen Sinne gefallenist. alssiebehauptetist. In dem Gespräch, wie eS abge-druckt ist, ist lediglich behauptet. Hallender:„Herr Assessor, hiersind noch Lebendige". Andree:„Was lebt, lebt, wir müssenheraus",— ein Gespräch, was doch wohl zweifellos jedwedelltücksichtnahmeaufandere, wiejedwedeSmensch-liche Empfinden vermissen läßt, während das Ge>sprach, wenn, wie es von den Zeugen, die darüber bekuitdet haben,gehört worden ist. zum Ausdruck brachte, daß leider nichtsmehr zu machen fei, daß vielleicht die Rettungsarbeiten ringe-stellt werden müßten, weil nichts mehr zu machen sei; also dasgerade Gegenteil. Daß diese Nachrede,.Herr Andree habe dieFrage, was zu machen fei, in dieser kalten Weise kalt und herz.loS beantwortet, für Herrn Andrer beleidigend ist, das bedarfwohl einer weiteren Ausführung nicbt. Der Beweis fürdie Wahrheit ist, wie gesagt, nicht erbracht, imGegenteil, eS steht fest, vaß da» Gespräch nichtgefallen ist."An Unklarheit läßt diese Begründung nichts zu wünschen übrig.Mit Mühe liest man heraus, daß, wenn das Gespräch wirklichstattgefunden haben sollte, eS einen anderen Sinn gehabt habe, wiedie.„Bergarbeiterzeitung" ihm gegeben. Und der fei beleidigend.Hallender und Andree bestritten das Gespräch, dahingegen tratendie Zeugen Kritischka, Röjfjn und Hirschfeld auf und er»klärten, daß das Gespräch so oder ähnlich gelautet habe! Kri.tischka bezeugte, daß das Gespräch wie folgt war: Herr Assessor,ich glaube, da oben ist noch jemand am Leben!" Einanderer Herr habe geantwortet:„Was lebt, müssen wirleben lassen, wir müssen heraus!" Röhn hat einenTeil dieser Rede gehört, sich dann aber sofort von Kritischka dennäheren Wortlaut sagen lassen. Auf Vorhaltungen erklärte Kri-tischka vor Gericht weiter:„ES i st w a h r, daß das Gesprächstattgefunden hat. Sie(zu Andrer) sind mit AssessorAndree angeredet worden. Ich wäre ein Schuft,wenn eS anders wäre!"So stehen Aussagen gegen Aussagen. Wir haben keine Ursache,den Angaben der Arbeiter weniger zu glauben, als den Aussagender beiden Beamten, die im ganzen Prozeß eigentlich nur für ihreeigene Sache sprachen.Ob nun da« Gespräch stattgefunden hat oder nicht, die ein-fachen Tatsachen, daß Herr Andree selbst zum erstenmal inseiner Berichtigung den Gedanken, ob Lebende in der Grube warenund um Hilfe riefen, in die Oeffentlichkeik zerrls(Bis dahinwar ein solcher Gedanike nicht öffentlich diskutiert worden) unddaß über ein solches Gespräch in engen Kreisen gesprochen wurde,veranlaßte die„Bergarbeiterzeitung", den Dialog zu veröffent-lichen. Zu welchem Zweck ist ja gleich mit angegeben worden. AufVerlangen der Staatsanwaltschaft in Münster teilte die„Berg-arbeiterzeitung" den Namen Kritischkas mit. Herrn Andree per-sönlich der Feigheit zu bezichtigen, ihm jedwedes menschliche Emp-finden abzusprechen, ihn herzlos zu heißen, ist der„Bergarbeiter-zeitung" gar nicht eingefallen. Wollte sie das und lag Ursachehierfür vor, dann hätte das Organ der Bergarbeiter solches auchgetan, dafür ist die„Bergarbeiterzeitung" bekannt. Aber wenndas Organ das gewollt Hütts, was Andree und das Gericht ihmunterschiebt, hätte es sich nur bloßgestellt, da jedermann weiß, daßimmer ein Stück persönlicher Mut dazu gehört, sw, un Rettungs-arbeiten nach Grubenkatastrophi-n zu beteiligen.Die Bestrafung hat die Verwaltung der Zeche Radbod erzielt.Aber das wird ihr wenig Vergnügen bereiten. Schon deshalb nicht,weil die Bergarbeiter das Urteil gar nicht ver-stehen werden. Für sie ist die Hauptsache zu wissen, wie esauf Radbod vor der Katastrophe aussah. Und wenn die Zechen-Verwaltung auch vermeint, daß sie auch hier ohne Makel dasteht, soirrt sie sich gewaltig, Was sie und das Gericht für kleine„Un-regelmäßigkeiten" halten, das wiegt bei den Bergleuten schwerer.Diese kleinen Unregelmäßigkeiten haben sich imRuhrbergbau längst zu einem System verdichtet,das für die Bergarbeiter unerträglich gewordenist. Dieses System verschuldet die Hekatombender Gefallenen im Bergbau. Die neuntägigen Berhand-lungen haben dieses System gründlicher enthüllt, denn je ein Vor-kommnis bisher. Daraus werden die Bergarbeiter noch ihre Nutz-anwenöung ziehen und andere Leute auch.politifcke Gebcrficbt,Berlin, den 5. November 1910.Nationalliberale Schwindelmanöver.In der.Nationalliberalen Korrespondenz", die seit einiger Zeitvon Dr. Fritz Stephan Neumann-Berlin verantwortlichgezeichnet wird und als amtliches Mitteilungsblatt des Vorstandesder nationalliberalen Partei angesprochen werden darf, wurden inletzter Zeit eine Anzahl Artikel über a»gebli<k«„sozialdemo-kratische Mißwirtschaft in den Ortskrankenkassen"veröffentlicht. Unter dem Vorwande, daß die Einsender dieser An-schuldigungen nichtsozialdemokratische Angestellte der Ortstranken-lassen seien, die»den sozialdemokratischen Kassengewaltigen nicht ansMesser geliefert" werden sollten, wurde in den Artikeln weder einName noch ein Ort angegeben, so daß jede Nachprüfung der Richtig-keit der aufgestellten Behauptungen absolut ausgeschlossen war. Aufwiederholte Angriffe erklärte schließlich die.Nationalliberale Kor-respondenz" am 4. November:.Im übrigen steht unser Material jedermann zur Einsichtoffen, sofern er einen vertrauenerweckenden Eindruck macht unddie Gewähr bietet, daß er die aus diese Weise erlangte Kenntnisder Namen und Orte nicht zu Racheakten gegen den Einsenderbenutzt."Auf diese Ankündigung hin wandte sich Genosie Reichstagsabgeordneter Eichhorn telephonisch an Dr. Neumann mit dem Er-suchen, das Material einsehen zu dürfen. Dr. Neumann sagte, ohneirgendeine Bedingung zu stellen, zu, und die Einsichtnahme wurdefür den 5. November(vormittags) vereinbart.Am Morgen des 6. November erhielt indessen der Abg. Eichhornfolgenden Brief:Nationalliberale Partei.Geschäjtsführender Aufschuß.Berlin W. 9, am 4. Nov. 1910.Herrn ReichStagSabg. Eichhorn,Berlin, Reichstag.- Sehr geehrter Herr Abgeordneter IAuf Ihre telephonische Anfrage von heute vormittag betr.Einsichtnabme des bei uns eingelaufenen Materials über die Orts-krankenkassen teilen wir Ihnen höflichst mit, daß wir die Einsichteinem Anhänger der Sozialdemokratie leider nicht gestattenkönnen. Diese« Verhalten wird Ihnen nach Lage der Dinge ver-ständlich sein.HochachtungsvollRedaktton der»Nationalliberalen Korrespondenz".i. B.: Trucksäß.Dieses Verhalten der Herren Nationalliberalen entsprichtlediglich einer alte» Gepflogenheit. Auch bei der Beratung desKrankenkassengesetzeS in der VerstcherungSkommission verfuhren dienationalliberalen Vertreter nicht viel ander» als jetzt die Partei-amtliche.Nationalliberale Korrespondenz". Der Abg. Haußmannund der konservative Abg. Pauli- Potsdam waren wenigstensso vorsichtig, hals st» ihre in Schreibmaschinensckrift vervielfältigtenRäubergeschichten gegen die.sozialdemokratischen" Verwaltungender Ortskassen vortrugen, sich nicht mit diesen Behauptungen zuidenttflzieren. Dagegen verteidigte der dem Reichsverband gegendie Sozialdemokratie sehr nahestehende nationalliberale AbgeordneteG o e r ck e. Brandenburg mit großem Eifer diese Verleumdungenals lautere Wahrheit und fühlte sich auch dann noch nicht bewogen,seine Angriffe zurückzunehmen, als ihm vom Abg. Eichhorn auf derStelle nachgewiesen wurde, daß die meisten dieser Geschichten ausden Fingern gesogen seien.Die.Nationalliberale Korrespondenz' folgt ganz den Fußtapfendes Reichsverbändlers Goercke. Wenn auch nur ein Schimmer vonWahrheit an de» Behauptungen wäre, worum nennt sie nichl wenigstensden Ort, um de» Beschuldiglen die Möglichkeit einer Rechtfertigungoder Verteidigung zu geben? Das Verfahren der»NationalliberalenKorrespondenz' ist unsäglich feig und beweist, daß das Organ desnationalliberalen Parteivorstandes selbst weiß, ihr sogenanntes.Material" hält einer Prüfung nicht stand.ReichstagSersatzivahl in Kosten-Schmiegel-Neutomischel.Wie telegraphisch auS Posen gemeldet wird, wurden bei dergestrigen Neichstugsersatzivahl im 4. Posener Wahlkreis Neuto-mischel-Grätz-Kosten-Schmiegel im ganze» 22 178 Stimmen abgegeben. Davon erhielien v. Morawski(Pole) 16 476, Schwartzkopff(Deutsch-Konservativ) LS48. SremSki(Soz.) 43 Stimmen. Zersplittertwaren 11 Stimmen, v. Morawski ist also gewählt.Bei der Wahl im Jahre 1907 erhielt Dr. V. SkarzvnSli(Po�)17 519, Pflug(lonserv.) 6034 Stimmen.Vieheinfuhr.Baden voran. Wie die»Allgein. Fleischer-Zig." meldet, hatdie badische Regierung unter Zustimmung deS Reichskanzlers einekontingentierte Einfuhr von Rindvieh und Schweinen a u S Frank-reich nach den Schlachthöfen in Karlsruhe, Mannheim undHeidelberg zur sofortigen Abschlachtung gestattet. Nach Karls-ruhe und Mannheim sollen wöchentlich 400 Rinder und 400 Schweine.nach Heidelberg 50 Rinder und 100 Schweine eingeführt werde»dürfen. Die Schweiz hat die Erlaubnis zur Durchfuhr bereits er»teilt; von der Regierung in Elfaß-Lothringen wird der die Durch»fuhr gestattende Bescheid voraussichtlich noch heute eintreffen. Dieamtliche Bekanntgabe der Einfuhrerlaubnis ist in den allernächstenTagen zu erwarten. ES besieht begründete Hoffmmg, daß auchandere Bundesstoaten die Grenzen für die Vieheinsuhr auS demAuslande werden öffnen dürfen.Wann folgt Preußen?Nieder mit der freien Jugendbewegung!Auf Berlin folgt Lichtenberg. Die in Lichtenberg,Stralau und Boxhagen-Rummelsburg bestehendeFreie Jugendorganisation der östlichen VororteVerlins ist durch den Polizeipräsidenten zu Lichtenberg auf-gelöst worden, weil ihr Zweck den Strafgesetzenz u w i d e-r l a u f e IDer Schlag kam nicht mehr unerwartet. Nachdem dieLichtenberger Polizei eine Versammlung für Jugendliche ver-hindert und der Polizeipräsident zur" Begründung erklärthatte, die Lichtenberger Jugendorganisation sei proletarisch,konnte die Auflösung nur noch eine Frage der Zeit sein.Daß»sie ihren Zweck nicht erreichen wird, steht fest. Diefreie Jugendorganisation ist nicht an die Form einer Vereins-organisation gebunden. Die bürgerliche Gesellschaft wird diefreie Jugend ebensowenig wieder los. Wie das moderneklassenbewußte Proletariat selbst.»Unsere Staatslenker sinnen indeS verzweifelt auf Mittel,wie sie dem Proletariat die Jugend rauben können. EinArtikel der„Mil.-Pol. Korresp." verrät, daß der Kriegsministerbange Sorge um die Gesinnung der zukünftigen Rekruten hat— daher wurde neulich eine solche Nachricht von den Offiziösenkategorisch dementiert! Die Heeresverwaltung fordert obli-gatorische Fortbildungsschule bis mindestenszum 18 Lebensjahre, um die Gefahren für dieSchlagfertigkeit des Heeres abzuwenden.Diese Gefahr soll sich darin kundgeben, daß sich vornehmlichin Garnisonen mit Ersatz aus den Industriegebieten,auch Sachsens und Süddeutschlands, die militärischenKlagen über die moralische Qualität desRekruten Materials häuften.„Schlechter Wille undpassive Resistenz erschwerten in nicht mehr vereinzelten,auf zielbewußte Beeinflussung oder fitt-liche Verwahrlosung zurückzuführenden Fällen dieAnfangsstadien der Ausbildung bei einer ganzen Reihe be-stimmter Truppenteile in solch steigendem Maße, daß die ver-schiedenen Kr'egsministerien sich zu scharfer Stellungnahmeveranlaßt gesehen haben."„Zielbewußte Beeinflussung", fr h. sozialdemokratischeGesinnung und„sittliche Verwahrlosung" werden gleichgesetzt— es ist überflüssig, gegen diese Unverschämtheit einWort zu sagen. Daß die sozialdemokratische Gesinnung zupassiver Resistenz führe, ist ebenfalls ein frecher Schwindel—die Herben Kommandeure müßten denn die Tatsache, daß dieRekruten aus den Gebieten mit starker Arbeiterbewegung abund an von ihrem Beschwerderecht Gebrauch zu machen wagen,daß sie nicht mehr stillschweigend Mißhandlungen einstecken.als passive Resistenz ansehen.Dos Heilmittel des Herrn Kriegsministers ist übrigensar nicht schlecht, die Sozialdemokratie hat natürlich nichtsagegen einzuwenden. Wohl aber hätte sie zu protestieren,wenn man die Fortbildungsschule zur Soziqlistenbekämpfunganttlich mißbrauchen wollte. Wenngleich sie durchaus nicht zubefürchten hat. daß die Herren Sozialistentöter damit irgendetwas Nennenswertes erreichen!Das Talglicht vo« Seifersdorf.Die Versammlungsverbote schlesischer Amtsvorsteher haben schonmanchesmal unseren Genossen in Schlesien und im Reiche Spaßgemacht. Selten aber hat ein Amtsvorsteher bisher so viel Begabungfür das komische Fach bewiesen, wie der Amtsvorsteher Walter inSeifersdorf, Kreis Liegnitz. Als kürzlich dieser Herr eine öffentlichepolittsche Versammlung unter freiem Himmel mit nachfolgender Be»gründung:Herrn Rudolf Pohner. Liegnitz.Ich kann Ihnen die Versammlung in SeiferSdorf bei Schmidtfür nächsten Sonntag oder sonst einem Sonntag im Septembernicht genehmigen, da der Gendarmerie- WachtmeisterHochzeit hat usw. Später können Sie die Versammlung ab-halten, im Okober usw.Der Amtsvorsteher.Walter.verbot, nahm die BreSlauer.VolkSwacht" Veranlassung, dpShumoristische Versammlungsverbot entsprechend zu beleuchten.Damit zog sie sich aber den schweren Zorn deS AmtsvorstehersWalter zu. In einem Briefe an die.Volkswacht" machte er seinen:Herzen wie folgt Lust:SeiferSdorf, den 25. Ottober 1910.Auf Ihre Artikel über mich in der.VolkSwacht" vom 5. und0. d. M. mutz ich Ihne» bemerken, daß ich es sehr unanständigfinde, einen Gegner aus einen einseitigen Bericht hin geistig ab-zuschlachten und lächerlich zu machen. Abgesehen von anderenUnwahrheiten, will ich nur den Punkt hervorheben, daß ich ge-swriebe» Hobe,»die Versammlung aufzuschieben, weil derGendarnieriewachlmeister Hochzeit halte." Solche Stellen aus demZusammenhange der Tatsachen herauszureißen, ist eine alte Taktikgeistiger Strauchdiebe.Wohlweislich haben Sie verschwiegen, daß der betreffendeWachtmeister und ich schon einmal einen Sonntag nachmittagvergeblich hier auf die Abhaltung der sozialistischen Versammlunggewartet hatten, nämlich am 11. September d. I.. für welchenTag ick) die Versaininlung genehmigt hatte, an welchem aber derrote Redner aus Breslau nicht erschien, sodaß dieVersammlung ausfallen mußte.Ihre hiesigen Genossen konnten doch unmöglich verlangen,daß ich auch noch den weit weg wohnenden anderen Gendarmmeines Bezirks für den nächsten Sonntag bestellen sollte, wo-möglich auch wieder umsonst, wenn eS dem Herrn roten Redneraus Breslau nicht paßte. In, übrigen muß ich bemerken, daßwir Ihre Papierweisheit für unsere paar deutsche» land-wirlschatttiche» Arbeiter incbt brauchen; dieselben find heute bessergestellt als Ihre freien und Fabrikarbeiter und werde» wohlkaum Luft baben, Ihre Parteitosse mit Beiträgen zu füllen....Wenn Sie in einer preußischen Junkerhaut steckten,würden Sie es vor Aergernis und Aufregung auf dein Lande nichtauSbalten, und bald das Wort betätigen:„Do zieh ich lieber eide Stvadt l" Seien Sie froh, daß wir noch Leute haben, die denMut finden, die Scholle zu bebauen, trotz ihres Geldes, und Siein Ihren traurigen Großstadt-Slrinwüsten mit Nahrung zu ver-sorgen, damit Sie nicht verbungern....Sie werde» ja diese meine Berichtigung nicht in Ihr Blattaufnehmen, denn die Wahrheit wollen Sie ihren Lesern vor»enthalten. Schadet aber nur auch nichts, und Sie zu Verllagenhabe ich weder Zeit, noch ist mir dies gut genug.Mit Landheil lWalter.Herr Walter hat entschieden seinen Beruf verfehlt. Er besitztdas nötige Talent für unfreiwilligen Humor, um neben den Kalck-und anderen-Steinen dem Mitarbeiterlreis der»Kreuz-Zeitung"eingegliedert zu werden.Ich bin der Amtsvorsteher.DaS Licht von SeiferSdorf!