erwarten. ES ist doch etwas anderes, ov jemand tn einer beliebigenKneipe oder sonst irgendwo auf Beamte schimpft, oder ob er dieSchutzleute schimpft, die auf der Strajze, wo Unruhen sind, die Ordnungaufrechtzuerhalten haben. Wenn unter solchen Umständen Blut-Hunde gerufen wird, so werden dadurch andere Leiite zur Widersetz-lichkeit angereizt, und auch die Beamten werden dadurch erbittert.Unter solchen Umständen müssen auch Beleidigungen schwererbestraft werden wie sonst. Bon den Tausenden von Missetätern haben wir nur fünfzig zur Stelle bringen können.Bei allen schien die Schuldfrage zweifellos. Die Untersuchungshaftist in allen Fällen begründet. Der Untersuchungsrichter hat allesgründlich geprüft. Mindestens zehn Personen sind auf seine undmeine Anordnung aus der Haft entlassen, weil Fluchwerdacht nichtvorlag. Bei allen anderen haben dann auch die Eröffnnngs-kammern die Frage geprüft und die Haft aufrechterhalten. Es istgesagt worden, wo kein Strafantrag vorlag, entbehre die Ein-leitung des Verfahrens der gesetzlichen Begründung. In allen diesenFällen haben wir gesagt, dah der Strafantrag, de» wirmit Sicherheit erwarten konnten, nachfolgt. Wirnahmen an. das; der Antrag bis zum Schlust der Untersuchung ein-gehen würde. Es ist nicht richtig, daß die Jugend-lichen schematisch behandelt worden sind. Sie habensich, aufgehetzt durch Erwachsene, schwer vergangen und die schlinnn-sten Straftaten begangen. Der Grund, der für die Verbindung allerAnklagen maßgebend war, spricht gegen die Abtrennungdes Verfahrens gegen die Jugendlichen. Hier istausnahmsweise eine Verbindung geboten. Ermittelungen überdie persönlichen Verhältnisse der Jugendlichen sind angestelltworden. Die Bemerkung des Verteidigers, ich sei das ausführende Organ des Kriminalkommissars Kuhn.weise ich z u r n ck. Nicht die Ansicht deS Herrn Kuhn, sondernder Inhalt der Akten war für uns bestimmend. Es ist ja Sachedes Gerichts, nochmals nachzuprüfen, ob die Haft in allen Fällenbestehen bleiben soll. Ich stelle anheim, die AngeklagtenPlaster, Otto Weiß, Romanowski und Muslewskia u's der Haft zu entlassen. In bezug auf die anderenAngeklagten kann ich die Haftentlassung nicht beantragen.Rechtsanwalt Dr. Heine nrann: Der Gesichtspunktder Beeinflussung von Zeugen kann jetzt nicht mehr als Begründungder Untersuchungshafl aufrechterhalten werden. ES ist deshalbzu prüfen, ob nicht über den Antrag des Staatsanwalts hinaus-gegangen lverden kann. Wenn man selbst zugeben will, daß derRuf Bluthunde in diesem Falle schwerer zu beurteilen sei wie sonst,dann kann die Strafe immer noch nicht so hoch werden, daß sieFluchtverdacht und die Verhängung der Untersuchungshaft recht«fertigt. Durch die Haft wird auch die Berteidigungs-Möglichkeit der Angeklagten beschränkt. Wenn dasGericht nicht über de» Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgehenwill, dann muß im Laufe der Verhandlung in jedemEinzelfalle geprüft werden, ob sich die Aufrechterhaltung der Haftnoch rechlfertigt.Rechtsanwalt Dr. Oskar Cohn: Selbst wenn manzugibt, was ich nicht für richtig halte, daß wegen der besonderenUniständeZ besonders schwere Strafen zu erwarte» sind, so trifft dasnicht zu auf die Augeklagten Pilz und Kratzat, die auS zeitlichenGründe», sowie Mierich und Kliche, die aus räumlichen Gründenmit den Vorgängen in Moabit nichts zu tun haben.Rechtsanlvalt Dr. Kurt Rosen selb regt an, ob esnicht angebracht sei, auch Mehcr und Schulz. deren Ver-leidiger C o ß in a n n und Ulrich nicht anwesendsind, aus der Haft zu entlassen.Rechtsanwalt Theodor Liebknecht: Die den An-geklagten Pilz und Kratzat zur Last gelegten Straftaten werdenunter gewöhnlichen Verhältnissen mit 2t) bis 2ö M- bestraft. Soeinfach liegen diese Fälle, wie sich aus der Darstellung der Staats-ainvallichaft selbst ergibt. Trotzdem wird Pilz in Haft behalten,lediglich deshalb, weil er»ach Ansicht der Staatsanwaltschaft.alsPartei- und Streikwirt"' imstande sei. durch Zeugenbeein-flussung die Sache zu verdunkeln. Das ist eine Verdächtigungdes Angeklagte ii Pilz, für die jede Grundlagefehlt. Pilz hat als Gastwirt einen großen Schaden durch die Haft.Er ist in der Lage, aus eigenen Mitteln Kaution zu stellen, hat aucheine Kaution von 1000 M. angeboten, aber trotzdem bleibt die Haftbestehen.Er st er Staatsanwalt Steinbrecht: Im Falle Pilzhat das Kammergericht die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaftbeschlossen und die Kaution abgelehnt. Gegen Pilz liegt der Ver-dacht vor. daß er Zeugen zu falschen Aussogen bewegen wird. ImLokale von Pilz ist ein Arbeitswilliger gröblich mißhandelt worden.Das kann nicht streng genug bestraft werden, wenn die Leute nachden voraufgegangenen Straßenunruhen noch den Mut habe»,ArbeitSivillige zu verprügeln. Weil an dieser Tat noch mehrerePersonen beleiligt waren, liegt es nahe, daß Pilz, wenn er auffreiem Fuße ist, diese zu einer ihm günstigen Aussage beetiifluiienund ihnen drohen wird, daß er, wenn sie nicht zu seinen Gunstenaussagen, sie als Teilnehmer angeben wird. Streik- und Parteiwirt istPilz, es ist doch ermittelt, daß die Verbands- und Slreikleiter beiihm zusammenkamen.Rechtsanwalt Liebknecht: Kollusionsgefahrhat der Untersuchungsrichter bei Pilz nicht angenommen. Auchdas K a m m e r g e r i ch t, bei dem ich mich wegen der Hast be-schwerte, sagt nichts v o n K o I l u s i o n. Es ist immer nurvon Fluchtverdacht die Rede. Bielleicht hat man trotzdem KollustonS-gefahr angenommen. Anläßlich meiner Beschwerde beim Kammer-gericht begründete die Staatsanwaltschaft dasFortbestehen der Haft mit dem Hinweis, daß PilzStreikwirt sei. Aus meine nochmalige Beschwerde wurde Pilzdann als Partei- und Streikwirt von der Staatsanwalt-schaft bezeichnet und auS dieser Eigenschaft die Befürchtung derBeeinflussung von Zeugen hergeleitet. Es ist nichts dafür erbracht,daß Pilz in seinem Lokal die Mißhandlung von Arbeitswilligen ge-duldet hat. Im Gegenteil, er hat auf Ruhe und Ordnung ge-halten.Erster Staatsanwalt Steinbrecht: Pilz hat denArbeitswilligen geschlagen und ihn wieder zurückgestoßen als erfliehen wollte. Nicht weil Pilz Streikwirt ist, sondern weil die Ge-fahr der Zeugenbeeinflussung vorliegt, befindet er sich in Hast.N e ch t s a n w. Liebknecht: In den Akten steht nichts davon,daß Pilz auf den Arbeitswilligen eingeschlagen hat.R e ch t s a n w. Li o s e n f e l d: Der Erste Staatsanwalt sagte,die Diktatur deS Verbandes habe dahin geführt, daß die Arbeiter,die gar nicht streiken wollten, den Streik so lange fortgesetzthaben. Demgegenüber behaupte ich, daß von einer Diktatur deS Verbandes keine Rede sein kann. Es wird bewiesen werde», daß derVerband gar nicht sehr für den Streik war. aber die Arbeiter selbstdrängten zum Streik. Kurz vor dem Streik übersandte der Verbandeinen Tarifvertrag an die Firma Kupser und erklärte sichzur Verhandlung mit der F i r m a b e r e i t. Da? hataber die Firma abgelehnt. Nachdem der Streit ausgebrochen war,hat wieder der Verband versucht, durch Vermittelung des Gewerbe»Serichts und des Oberbürgermeisters eine Einigung zu erzielen.uch das hat die Firma abgelehnt. Nicht von einer Diktaturdes Verbandes, sondern von einer Diktatur der Firma Kupfer mußalso gesprochen werden.Er st er Staatsanwalt Steinbrecht: Ich meine nicht.daß der Verband Diktatur ausgeübt hat. Aber die Verbands-Mitglieder haben es getan, die den Kohlenwagen folgten, nach ihnenwarfen und dadurch erreichen wollten, daß sich die Arbeitswilligendem Streik anschließen sollten.Rechtsanwalt Rosenfeld: Ich konstatiere, daß derErste Staatsanwalt die Behauptung von der Diktatur des Verbandes''icht aufrechterhält. Es wird stch auch herausstellen, daßdie BerbaudSmiiglieder keine Diktatur ausgeübt haben.Rechtsanwalt Liebknecht: Der«erdacht. Pilz könneZeuge» beeniflujsen, ist hinfällig. Ich kann ja keinen von den Zeugennamhaft machen, denn jeder von ihnen muß befürchten, daß er beiGegenuberstelluiiz mit dem Arbeitswilligen von diesem der Teil-nähme bezichtigt, dann eingelocht und angeklagt wird.GcrichtZbcschliiß.Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Ms eS nachl'/üstündiger Pause wieder erscheint, verkündet der Vorsitzende: DasGericht hat beschlosten, die Untersuchungshaft der Angeklagten Pflaster,Otto Weiß, Romauowski und Muslewoti aufzuheben. Bezüglich deranderen in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten behält sichdas Gericht nach dem Ergebnis der Verhandlung weitere Be-schlüste vor.Vernehmung der Angeklagte«.Hierauf wurden die einzelnen Angeklagten über die ihnen zurLast gelegten Handlungen vernommen. Sowohl der Vorsitzende wiedie meisten Angeklagten sprechen so leise und undeutlich, daß amBcrichterstattertisch da? wenigste von den Verhandlungen zu ver-stehen ist. Soweit es zu verstehen war, kam folgendes zur Sprache:Tiedemann und Merten. Sie sollen am 20. Septembereinem Kohlenwagen der Firma Kupfer u. Ko. fortgesetzt gefolgt sein,in der Potsdamerstraße den Kutscher belästigt, ihm gedroht haben,ihm die Knochen kaput zu schlagen und schließlich mit Steinen undKokesstücken geworfen haben. Der Kutscher soll von einerMenge von etwa hundert Personen bedrängt worden sein. �Angeklagter Tiedemann bestreitet jede Schuld. Er habekeinen Menschen bedroht, sondern sei dem Wagen nur nach-gegangen, weil er von der Streikleitung den Auftrag erhaltenhalte, aufzupassen, wohin der Wagen der Firma Kupfer u. Ko.fahren und auf gütlichem Wege dem Kutscher zuzureden, dieStreikenden nicht zu schädigen. Von einer.Menge", die den Kutscherbedrängte, habe er nichts gesehen; von den wenigen Personen, dieden, Wagen folgten, seien allerdings Steine geworfen worden, dochsei er nicht dabei gewesen. Ein Schutzmann habe seine Persönlich-keit festgestellt, und noch mehreren Tagen sei er wegen Landfriedens-bruchs oerhaftet worden.— Auch Merten, der Familienvater von4 Kindern ist, bestreitet seine Schuld. Er sei dem Wagen nur gefolgt,uin festzustellen, wo der Kutscher den Kohlentransport abladenwürde.— Der Angekl. Plaster, der zu den Streikenden gehörte,soll die Schutzleute durch das Wort.Bluthunde" beleidigt haben.Er gibt an. ei» Streikbrecher habe die Menschenmenge mit einemRevolver bedroht. Diesem habe er das Wort.Bluthunde" zu«gerufen, die Schutzleute habe er damit nicht gemeint.Der Angeklagte, Laufbursche Georg Meyer sollArbeitswillige mit Steinen geworfen haben. Er bestreitet das undgibt an, andere Personen hätten mit Steinen und Kohlenstückchen ge-tvorfcn ohne jemand zu treffen.Der Angeklagte Nörenberg gibt an, er sei hinzugekommen,als die Polizei in der Rostocker Straße eine Attacke auf dasPublikum geritten habe. Dabei sei ein Mädchen Hingesalle»,ein Schutzmaunspferd habe sie auf das Kleid getreten, dasselbesei infolge dessen zerrissen worden. Hierüber empört habe er ge«rufen:.Pfui, solche Zustände".Angeklagter M u s l e w s k i gibt an, daß er in eine Menschen-menge geraten sei, von denen mehrere.Bluthunde" riefen. Er habemitgerufen, habe aber die Bedeutung des Worte? nicht gekannt,denn er sei ein geborener Pole und kenne die Berliner Verhält-Nisse nicht.Der Angeklagte Krämer kam von der Arbeit und sah, daßSchutzleute eine Meitschenmenge zurückdrängten. Einer der Schutz-leute stieß und puffte einen Menschen. Das habe ihn, den An-geklagten, so empört, daß er mit anderen gerufen habe:.Haut ihnooch in die Fresse." Er sei festgenommen worden. Der Schutzmannhabe ihm einen Knebel so fest angelegt, daß es empfindlich schmerzte.Er habe den Schutzmann gebeten, die Fessel zu lockern, da habe derSchutzmann den Knebel noch fester angezogen. Nun habe er, derAngeklagte versucht, den Knebel etwas zu lockern. Widerstand habeer nicht geleistet.Die Angeklagte Frau D o m i n i a k soll in der Rostocker Straße,als ein Wachtmeister so bedrängt wurde, daß er flüchten mußte.einen aufreizenden Ruf gegen den Beamten ausgestoßen haben. Siebestreitet es und weiß nicht« davon, daß ein Potizeibeamter von derMenge verfolgt sein solle.Der Angellagte Brey er bestreitet jede Schuld und gibt an,er sei von Schutzleuten und von Leuten in Zivil geschlagen wordenwie ein Hund.Der Angeklagte Hagen gibt an: Ich war bis zum 26. Sep-tember im Krankcnhause. Am Abend dieses Tages kam ich von einemKahn, wo ich als Schiffer beschäftigt war, um Einkäufe zu machen.Ich kam an eine Stelle, wo eine Menschenmenge auf der Straßewar und die Schutzleute abgesperrt hatten. Ich fragte einen Schutz-mann, ob ich durchgehen könne. Statt der Antwort bekam icheinen Stoß vor die Brust. Ich fragte nochmals, ob man mich nichtdurchlassen möchte. Da bekam ich einen Säbelhieb. Mein Hutfiel herunter. Der Schutzmann hinderte mich, den Hut aus-zunehmen. Ich wurde sestgenommen und stark geknebelt. Als ichmich darüber beklagte, sagte der Schutzmann:.Man immer fester.das ist noch nicht fest genug. Du kriegst noch viel mehr". Ich wurdevon den Schutzleuten zwischen die Arbeitswilligen gestoßen und vonihnen verhauen.Der Angeklagte Paul B o ck soll lärmend die Huttenstraße durch-zogen haben. Als ihm ein Schutzmann folgte, soll er etwas diesemzugerufen haben und als der Schutzmann an ihn herantrat und ihnfragte, was er gesagt habe, soll der Angellagte ihm mit einem ge-zückte» Messer in den Leib gcftochen haben. Ruch nach einem anderenzu Hilfe eilenden Schutzmann soll er gestochen, aber nur dieUniform getroffen haben. Der Angellagte behauptet, daß er nur inder Notwehr da» Mesier gezogen habe, da er von den Schutzleutenmißhandelt worden sei. obgleich er nichts getan. Auch aus demWege zur Wache und auf der Wache selbst sei er mißhandelt undmit Füßen getreten worden.— Erster Staatsanw. S t e i n b r e ch tstellt fest, daß der Angeklagte wegen Körperverletzung und auch wegenBedrohniig vorbestraft ist.Frau Martha Friese, die Frau eines Schuhmachers, bekundet:Sie sei vom Markt gekommen und wollte nach der Rostocker Str. 18bei der Witlstocker Straße. Da habe sie plötzlich nicht weiter tze-könnt, da die Straße durch Schutzleute abgesperrt war. Als man ihrden Durchgang verweigerte, habe sie gebeten, daß man sie doch nichthindern solle, da sie keine Zeit habe. Darauf habe sie einen Puffin die Seite bekommen; ein Mann, der das geieden, habe den,Schutzmann zugerufen:„Stucke doch Deine eigene Olle so zurecht I"Sie selbst habe gesagt:„Lassen Sie mich doch durch, ich muß dochMittagbrot kochen, ich habe bis 3 Uhr in der Nacht schwer in derGarderobe gearbeitet und muß nun meinen Wirsingkohl mit Rind-fleisch kochen." Dann sei fie wieder gepufft worden. Als sie dannetwa zwanzig Schritte entfernt war, habe sie halblaut vor sich hin-gesprochen:.Solch' Halunke I" Der Schutzmann, der fie gestoßen,habe das zwar nicht hören können, dagegen habe sie ein andererSchutzmann gepackt, so daß ihr brauner Kragen zerrissen wurde,und nun wurde sie trotz aller ihrer Einreden und Bitten immervorwärts gestoßen, zunächst in das Bureau von Kupfer u. Eo. hinein.wo sehr viele Schutzleute waren und auch andere Personen sich aushielten.In der Tür— sagt die Angellagte— erschien ein Schutzmann undgab mir eine Backpfeife. Dann verschivand er schleunigst. Ichivurde fast ohmnächlig von dem Schlage und habe eine dicke Backebekommen. Ich weinte und bat, man möge mich doch nach Hauselasien. Aber die Schutzleute schimpften mich mit Ausdrücken, die ichgar nicht wiedergeben kann. Auf meine Bitten, mich gehe»zu lasien, antworteten die Schutzleute höhnisch:„Ja woll,erst werden Sie mit de„grüne Minne" nach dem Alexander-platz kutichieren". Schließlich fuhr ein Auto vor. ich mußteeinsteigen und wurde nach der Wache in der Beusselstraßegebracht. Aus der Wache wurde ich wieder von den Schutzleutengeschimpft. Ein Herr in Zivil, der dort war. sagte zu den Schutz-leuten, fte sollten mir doch nicht so sehr zusetzen. Als der Herrhinausgegangen war, ging das Schimpfen wieder los. Vor Aus-regung fing ich an zu zittern. Da rief ein Schutzmann:„Nanu,letzt kriegen Sie wohl den Schiittelfrost." Endlich wurde ich ver-nommen und konnte nach Hause gehen.— Die Angeklagte versichert, daß sie für den Streik gar kein Interessehabe. ES sei eine sonderbare Fügung, daß sie in diese«ngelegenheit verwickelt worden sei, da Herr Kupser ihr leidlicher1 Onkel sei. bei dem sie allerdings nicht berkehren dürfe, welk fie einenarmen Schuhmacher geheiratet habe. Auf Befragen des Verteidigerserklärt die Angeklagte, daß sie 20 Jahre verheiratet sei und Familiehabe, früher 16 Jahre lang Zeitungen ausgetragen habe und zuletztbis ftüt nachts in einer Garderobe beschäftigt gewesen sei.Der Angeklagte, Fabrikarbeiter Heide, erklärt: Ich habe mitdem Streik nichts zu tun. Von meiner Wohnung in der Turm-straße wollte ich nach dem Kleinen Tiergarten gehen. VonSchutzleuten wurde ich zurückgewiesen. In einiger Entfernungsoll ich geschimpft haben. Ich wurde festgenommen und soll Wider-stand geleistet haben. Das war ja ganz unmöglich. Wie kann ichdenn den Beamten, die alle blank gezogen hatten, Widerstand leisten.Als ich festgenommen war, rief ich„Hilfe I". Da bekam ich zweiSäbelhiebe und wurde von dci» Schutzleuten mit Stiefelabsätzengestoßen. Handfesseln wurden mir angelegt und so stark angezogen,daß eS drei Tage später noch zu sehen war. Auf der Wache sagtendie Schutzleute zu mir:„Schweinehund, Du wirst was erleben!"Dann wurde ich mit allen inöalichen Instrumenten, Robrstöcken,Stuhlbeinen geschlagen, so daß ich die Besinnung verlor. Erst imKrankenhause, wohin ich gebracht wurde, kam ich wieder zum Be-wutztsein. Ich hatte Wunden, dazu viele Striemen und blaueFlecke am Körper.— Rechtsanwalt Dr. Rosenfeld weist daraufhin, daß sich dieser Angeklagte in seiner arbeitsfreien Zeit viel mitenglischen und französischen Sprachstudien und mit technischenDingen beschäftigte und daher wohl kein radaulustiger Mensch sei..Hier bricht der Vorsitzende die Vernehmung der Angeklagtenab und vertagt die Sitzung auf Donnerstag 9% Uhr,Hus der Partei.Genosse WcsemeierS Abschied.Aus Braunschweig wird uns geschrieben: Daß ein sozial»demokratischer Redakteur eine Gefängnisstrafe antritt, ist nachgeradezu etwas alltäglichem geworden. Anders lagen jedoch die Ver-hältnisie, als am 11. d. MtS. der„Volksfreund"- Redakteur, Ge-nosie We fem ei er, sich in das Gefängnis zu Wolfenbüttelbegab, um acht Monate wegen angeblicher Ministerbeleidigung in-folge der bekaimten Straßenschlacht vom 26. Januar abzusitzen. DieAbreise WesemeicrS wurde nämlich von der Arbeiterschaft Braun-schweigs und Wolfenbüttels zu einer imposanten Straßen»demonstration umgestaltet.Ein Ständchen, da? die«rbeitergesangvereine dem scheidendenGenossen Wesemeier am Donnerstag bringen wollten, wurdevon vornherein verboten. Aus dem verbotenen Ständchen wurdedagegen eine imposante Straßen demonstration. Die Sängersangen auf dem Hofe deS EewerkichaftshauseS, um das sich eine nachTausenden zählende Menschenmasse ansammelte, an die GenosseWesemeier aus dem Fenster«ine Ansprache richtete.Als sich die Menge zurückzog, sperrte die Polizei, wie üblich, wiederdie Straßen zur Ministerwohiumg, die Menge mußte zusammen»bleiben und der schönste Demonstrationsumzug war wieder fertig.Auch die Straßen nach der Wvhnung WcsemeierS wollte diePolizei sperren, aber wie durch Zauberei war dennoch die Straße,in der Wesemeier wohnt, mit Arbeitermassen über-flutet. Das berittene Schutzmannskorps ritt zwar unter dieMenge, aber diese hielt die Straße fest und ließ sie einfach nichtsäubern. An ihrem passiven Widerstand scheiterte auch dieses Maidie polizeiliche Taktik.;Am Freitag, als Wesemeier nach Wolfenbüttel übersiedelte,hatte sich die Polizei in der Nähe seiner Wohnung einquartiert.Die Arbcitermassen hatten sich jedoch am Bahnhose und in denStraßen nach Wolfenbüttel zu aufgestellt. Man schätzt die Masseder Demonstranten mit 26 vgl) nicht zu hoch ein. DiePolizei wäre dagegen machtlos gewesen und verzichtete vernünf»tigerweise auf eine Straßensäuberung..Wesenleier benutzte zur Fahrt nach Wolfenbüttel ein Auw»mobil, dem ein weiteres mit seinen näheren Freunden folgte.Um diese Automobile konzentrierten sich beim Gesang der Mar»seillaise die dichtgeschlosscn marschierenden Massen. Nachdem Wesc-meier die Stadt verlassen hatte, formierte sich die Menge zu einemUmzug durch die Hauptstraßen Braunschweigs, an dem«ochmindestens 19 666 Menschen teilnahmen.>Jetzt wurde an der Wohnung des Richters Roß«mann, an dem Schloß und an dem Ministerialgebäude vorbei»defiliert. Ein Arbeiterlied löste das andere ab und in kurzenZwischenräumen wechselten die Hochs auf Wesemeier mit denPfuirufen auf den Minister von Otto und den Richter Roß»mann. Die Polizei war vollständig machtlos. Hier und da rittendie Berittenen in die Menge hinein. Diese ließ sich aber wederzum Auseinandergehen noch zu Unvorsichtigkeiten verleiten. DiePolizei beschränkte sich schließlich auf die Absperrung der Straßezur Wohnung des Ministers.Gemeindewahlerfolge.Bei den am Montag und Diei�ttag vorgenommenen Wahlenzum Bürgerausschuß in Güstrow in Mecklenburg wurden in der3. Abteilung sechs Sozialdemokraten gewählt. Wirgewannen fünf n e ue Sitze.Bei der Gemeinderaiswahl in Hohensyburg wurde dersozialdemokratische Kandidat gewählt. Und das.trotzdem in der letzten Zeit der Ort der Schauplatz verschiedener mitgroßem Tamtam arrangierter patriotischer Veranstaltungen war.Die Gemeindevertreterwahl in Kemminghausen bei Dort»mund ergab die einstimmige Wahl de» s o z i a l d e m o«kratischen Kandidaten. Die Gegner halten bei der Aus»sichtslosigkeit ihres Unterfangens keinen Kandidaten aufgestellt.Eine Sektion taubstummer Mitgliederwurde vom sozialdemokratischen Verein Haqen-Schwelm ge»gründet. Der Sektton traten IS taubstumme Genossen bei.Straflofigkeit für den Prügrlhcldcn— Straft für den Preßsünder.Der Gutsinspettor Emil Engel auf Kaltenhagen imKreise Koslin will am Morgen des 22. Februar d. I. den Schweine»fütterer Albert B a n t b o n bei einem Diebstahl erwischt haben undhat den Mann dann so tüchtig verprügelt und getreten, daß dieserder Arbeit fernblieb. Am Morgen des 26. Februar starb Vanthonan einer akuten eiterigen Vauchsellenizündung, hervorgerufen durcheine Darmverletzung. In der von unseren pommerschen Gcnosienherausgegebenen Agitationsschrift„Der Pommer" wurde dieser Fallmitgetettr und der Vermutung Ausdruck gegeben, daß der Tod desLandarbeiters eine Folge der erlittenen Mißhandlung sei. Wegendieses Ärlikels hatte sich am Montag Parteisekretär Genosse AugustHorn vor dem Schöffengericht in Stettin wegen Beleidigungzu verantworlem Die Verlesung der wegen der weiten Entfernungkoinmifiarifch aufgenommenen Zeugenaussagen ergab, daß die töd»liche Verletzung des Vanthon wahrscheinlich durch einen Untall, derihm am 24. Februar d. I. widerfuhr, entstanden sein mochte. Diesgenügte dem Gericht, um, unter Ablehnung weiterer BcweiSanträge.auf eine Geldstrafe von 1S6 Mark zu erkennen. Der Amtsanwalthatte 366 M. beantragt. Festgestellt wurde in der Verhandlung, daßwegen der schweren Mißhandlung de« Vanthon gegen den Engel einStrafverfahren beantragt war. aber diesem Antrage n r ch t st a t t«gegeben wurde. Der Mann bleibt also strafftet, aber derRedakteur, der die Mißhandlung rügt, muß büßen. So will eS diepreußische Gerechtigkeit.___RcichStagSkandidatm.In einer Vertranensmäimersttzung de? Wahlkreises Schwarz»burg-SonderShausen wurde an Stelle des Genossen Kessel»