|t. 277. 27. Iahrglms.2. Ktilm des JorroirtD" Kerl« Wksblsv.Zonnabtkd. 26. Novemdtt 1916.Sie Moaditer Vorgängevor Sericht.Zwölsttr Tag.I» der Mittwochsitzung hatte der Kriminalwachtmeister Fritzebelanntlich behauptet, er habe die englischen Journalisten, die aufsein Kommando Von unisormieiten Schutzleuten mit Säbeln der-hauen wurden, deshalb für Führer der Exzedenten gehalten habe,weil er in der Zeitung gelesen habe, bei den Wahlrechtsdemonstrationen im Tiergarten seien die Führer der Demonstrantenin Automobilen hin und her gefahren. Mit Bezug auf diese Angäbe beantragte Er st er Staatsanwalt Steinbrecht zuBeginn der nächsten Sitzung du Verlesung eines Passusaus der Extranummer d e S.Vorwärts" vom7. März 1910. DSr Staatsanwalt will dadurch beweisen, dahder Wachtmeister Grund hatte, zu vermuten, dah die Leute imAuto am Kranle»hause Moabit Führer waren.— R e ch t s a n wHeine beantragt hierzu die Ladung des Redakteurs Ströbelund des Dr. Zepler. Ersterer soll Auskunft geben über dieHerkunft der„Vorwärts"-Notiz, letzterer soll bekunden, dasi er derMaim im Auto war. aber keine Führerrolle hatte und auch nichtMitMed der Sozialdemokratie ist.— Die betreffende Notiz des„Vorwärts" wird verlesen. Darin ist nicht von Führern im Autodie Rede, sonder» es heitzt nur, daß sich auch Genossen, die im Antofuhren, durch Hochrufe aus ihre Weise an der Demonstration beteiligten— Der Er sie Staatsanwalt bleibt dabei, daß auchdiese Fassung dem Wachtmeister Anlaß geben konnte zu der Annähme, im Auto säßen die Führer.— Rechtsanwalt HeineJedenfalls gibt das dem Beamten noch kein Recht, auf die Leuteloszuschlagen.— Die Verteidigung beantragt die Verlesungeines Artikels im„Demokrat", worin Dr. Zepler selbstden Vorgang bei der Wahlrechtsdemonstration darstellt.— Fernerbeantragt die Verteidigung die Ladung der beiden Mädchen, die imKleinen Tiergarten von zwei säbelschwingenden Schutzleuten verfolgtwurden.Der erste Zeuge, der gestern vernommen wurde, istSchutzmann Prieskorn,der in der Nacht zum 27. September vor einer Menschenmenge mdas Schanklokal von Ritiberger an der Ecke der EraSmusstraßeflüchtete. Schutzmann Prieskorn gehört der Charlottenburger Polizeian. Zur fraglichen Zeit ging er mit seinem Kollegen Sperling aufeinem Patronillengange durch die Huttenstraße. An der Beussel-slraße— sagt der Zeuge— sei eine Menschenmenge gewesen.welche die Laternen einwarfen und lärmten. Sie, die beidenSchutzleute, hätten die Polizeiwache in der Beusselstraßealarmieren wollen. Als sie an die Menschenmenge herankamen, sei gerufen worden:„Haut die Blauen!" Gleichzeitigseien Steine nach den Schutzleuten geworfen worden. Ein Steinhabe den Schutzmann Sperling von hinten getroffen, so daß erbewußtlos zusammengebrochen sei. Weiter sagt derZeuge PrieSkom: Die Leute heulten wte die wilden Tiere unddrangen auf uns ein. Ich zog die B r o w n i n g p i st o l e und gabeinen Schuß in die Luft ab. Da ich noch weiter bedrängt wurde,schoß ich in die Menge hinein. Ein Mann, der mich angreifenwollte, muß meiner Ansicht nach aus nächster Nähe einen Schuß indie linke Schulter bekommen haben. Als»ch alle sechs Schüffe ver»schösse» hatte, zog idb den Säbel und stellte mich in eineHanstiirnische. Die Menge stellte sich im Halbkreis vor mirauf und warf einen Hagel von Steinen nach mir. DieSteine fausten mir nur so um den Kopf. Es gelang mir,m das Lokal von Rittberger zu fliehen. Hinter mir her wurdegerufen:„Raus mit ihm." Ich floh»n ein Seitenzimmer und alsich mich auch da nicht sicher fühlte, stieg ich durch das Fenster aufden Hof. Nach% Stunden kamen Berliner Schutzleute und be-freiten mich.Der Angeklagte Hermann Weißbemerkt hierzu, er habe den Vorfall, den Schutzmann Prieskornsoeben schilderte, milangesehen. Die Menschenmenge sei von BerlinerSchutzleuten schon zweimal zurückgedrängt worden. Daseien Prieskorn und Sperling herangekommen und von einigenLeuten, die vor einem Lokal standen, gewarnt worden, weiter dieBeusselstraße hinaufzugeben, weil eS dort für zwei einzelne Schutz-leute gefährlich werden könnte.— Trotzdem seien die beiden Schutz-leute auf die Menge zugegangen, ja sie hätten ihre Schritte sogarbeschleunigt. Da Schutzmann Prieskorn diese Angaben bestreitet, be-antragt die Verteidigung die Ladung der vom Angeklagten Weißhierzu benannten Zeugen.Schutzmann Sperling gibt an, er sei von mehreren Steinenam Kopf und am Bein getroffen, er sei fast bewußtlos niedergefallenund von einem Bewohner ins Haus geleitet ivorden. Er sei wegenseinen Verletzungen 1t Tage ärztlich behandelt worden.Kriminalschutzmann H a ß l e r soll nach Angabe eines Angeklagtendabei gewesen sein, alsStraßcnpassanten von einem Kriminalbeamten verprügeltwurden. Er soll auch in jener Grupve von Krimipalbeamten ge-wesen sein, die durch Erheben ihrer Stöcke sich zu erkennen gaben,um sich vor einem Säbelangriff reitender Schutzleute zu retten.—Haßler behauptet, er wisse nicht? davon. Es wird ihm vor-gehalten, daß sich ein Schutzmann, der einen Schimmel ritt,bei der Attacke und auch bei anderen Gelegenheiten besonders be-»nerkbar gemacht habe.— H a ß l e r bleibt dabei, daß er von alle-dem nichts wisse, daß er auch niemand geschlagen habe. Er meint,es liege vielleicht eine Personenverwechselung vor.— DerAngeklagte erklärt dagegen eine Verwechselung für ausgeschlossen,da er den Kriminalschutzmann schon länger kenne. Häßler hatübrigen» in, seiner äußeren Erscheinung etwa» so«igentümliche»,daß man ihn kaum mit einem anderen verwechseln kann.Wie Schuhlmtte„schützten".Zeuge Niepagel. Expedient der„Frankfurter Zeitting", batdie Vorgänge in Moabit an mehreren Abenden, besonders am 27.und 28. beobachtet, indem er mit der Straßenbahn die Gegenddurchfuhr und an verschiedenen Stellen ausstieg. Er hat öfter beob«achtet, daßSchutzleute ohne Veranlassung mit dem Säbel auf Leute einschlugen,die sich ganz ruhig verhielten. An der Ecke der Turm- und Beussel-straße sah der Zeuge, daß ein Junge, der über die menschen-leer« Straße lief, von einem Schutzmann so geschlagen wurde.daß er niederfiel und bat:„Lassen Sie mich doch, Sie schlagen michja halb tot." Leute, die an den Haltestellen der Sirapenbahnstanden, wurden von Schutzleuten vertrieben und mußten vor derPolizei flüchten. AIS einige von Schutzleuten verfolgte Personen inein Haus flüchteten und die Tür hinter ihnen geschlosien wurde.schlug ein Schutzmann ohne zeve Veranlassung die Türschcibe ein.�m Kleinen Tiergarten wurde«in alter Mau» ohne Anlaß von«lnem Schutzmann vor die Brust gestoßen. Ganz anständige Leutewurden mit dem Säbel geschlagen. Ein Mann, der die Schutzleutehöflich bat, ihn durchzulassen, bekam als Antwort einen Säbelhieb.Am schlimmsten war es im Kleinen Tiergarten.Kriminalbeamte haben viel ärger gewütet wie die uniformiertenSchutzleute. Mit Gummiknüppeln»nd Stöcken schlugen sie auf die!Leute. Zwischen der Wald- und Besselstraße schwärmten die Schutz-;leute gegen eine Anzahl Personen aus. Alles lief davon. EmJunge von etwa 15 Jahren rannte vor den Schutzleuten fort. Dalies ein Schutzmann hinter ihm her und schlug den Jungen auf denRücken, daß er hinfiel.— RechtSanw. Heine: Mußte derSchutzmann annehmen, daß"— Zeuge: Mein, das iihn der junge Mensch angreisen würde?ist ouSges chlossen.<Zeuge v. Reitzenstcin, Redakteur der„Morgcnpost",ist ebenfalls an inehreren Abenden, besonders am 27. und 28. Sep-tember, in Moabit gewesen. Der Zeuge gibt sich ersichtlich Mühe,der Polizei ein Zeugnis des Wohlverhaltens auszustellen. Er sprichtdavon, daß die Polizei der lärinenden und schimpfenden Mengegegenüber sich vollkommen ruhig verhalten habe. Aus Fenstern feigeworfen worden, deshalb habe die Polizei die Schließung derFenster verlangt. Der Zeuge hat seine Beobachtungen meistensin Begleitung von uniformierten Polizei-b e a m I e n gemacht. Er ist auch mit Polizeibeamien in einSchanklokal gegangen und hat gesehen,»vie die Polizei dasLokal geräumt hat. Auch bei dieser Gelegenheit, sagt der Zeuge,habe sich die Polizei durchaus ziveckmäßig verhalten. aber dieGäste in dem Lokal hätten der Polizei Widerstand geleistet.' Alsder Zenge gefragt wird, wie sich der Widerstand geäußert habe,weiß er nichts>v e i t e r zu sagen, als daß— die Gäste in§ Hinter-zimmer gingen und daß dabei Tische und Stühle umgelvorfcn wurden.Hiernach habe dann die Polizei von der Waffe Gebranch gemacht.Auf weitere Fragen sagt der Zeuge, das Verhalten der Polizei seiim allgemeinen absolut zweckniäßig gewesen, Ausnahmen kamen aller-dings vor. � Vors.: Was waren das für Ausnahmen?— Zeuge: EinMann, der wiederholt vor de» Schutzleuten auf und ab ging, wurdevon einein Schutzmann aufgefordert, iveiter zu gehen, und als er nichtFolge leisteie, von dem Schutzniann in eine Nebenstraße gestoßen.Da schlug der Schutzmann unnötigerweise auf den Mann ein. Beia»deren Gelegenheiten hat der Zeuge,»vie er sich ausdrückt, HausenvonLeuten mit dicken Knüppeln gesehen, die dieStraße entlang gingen und die Passanten ver-prügelte». Als der Zeuge von der Verteidigung gefragtwird, ob die Lerite mit den Knüppeln K r i in i n a 1 b e a m t e ge-wesen seien, gibt er zunächst eine ausweichende Antwort und meint,sie bätten sich ja nicht legitimiert. Auf weitere Fragen der Ver-teidigung gibt der Zeuge jedoch an, seiner Meinung nachseien die Leute mit den Knüppeln Kriminal-beamte gewesen. Die Charlottenburger Kriminalbeamtenseien schlimmer gewesen wie die Berliner. Der Zeuge wird vomRechtsanwalt Heine über seineUnterredung mit dem Streikbrecheragenten Hintzegefragt. Er gibt an, alles was er seinerzeit über diese Unterredung in der„Morgenpost" geschrieben habe, sei richtig. Hintzehabe ihm erzählt, daß er mit seinen Leuten schon vor dem Ausbruchvon Streiks in die Fabriken hineinzukommen suche, um die dortbeschäftigten Arbeiter zu provozieren. Das werde so gemacht: Einervon HiutzcS Lcnten schlagt dem Bertraucnsmann der organisiertenArbeiter in die Fresse. Beschwert sich der Geschlagene bei der Fabrik-leitung, dann bekommt er kein Recht. Dann schlägt er ihn nochmalin die Fresse und schließlich geht er von selber weg. So werden dieorganisierten Arbeiter auS der Fabrik hinausgegrault. Wenn einStreik ausbricht, dann tritt Hintze mit seinen Leuten»n Aktion. DerZeuge wird gefragt, ob er denn das alles für Wahrheit halte, wasHintze ihm erzählt hat und ob er nicht glaube, Hintze habenur r e n o in ui i e r t. Nein, sagt der Zeuge, man muß denMann gesehen haben. Er machte durchaus den Eindruck, daßman ihm alles glauben konnte. Hintze zeigte auf eine» seiner Leuteund sagte: Sehen Sie sich mal das Siebenmouatskind an.DaS war ei» Ricscnbengcl,sagt der Zeuge. Und Hintze habe ihm gesagt, dieser Mann hautmehr wie zehn Schutzlente. Hintze selber habe vor den Augen desZeugen mit der Faust einen Nagel durch den Tisch geschlagen. Ins-besondere sei cS auch wahr, daß Hintze gesagt habe: Sehe» Sie malmeine Leute, die kriegen nicht mehr wie andere Arbeiter, aber esmacht ihnen Spaß, daß sie bei einem Streik ungestraft loSwichsenkönnen.— Rechtsanwalt Heine: Welchen Eindruck hattenSie denn bei dieser Behauptung, daß die Leute Hintzes ungestrafthauen könnten?— Zeuge: Ich meine, daß sie alsArbeitswillige unter dem Schutz der Polizei stehen. Auf eineweitere Frage des Rechtsanwalts Heine antwortet der Zeuge:In den Fällen, wo er Kriminalbeamte auf dasPublikum einschlagen sah, sei dasSchlagen durch-aus nicht nötig gewesen, denn den Beamten seikein Wider st and geleistet worden. Eine ganze Mengesolcher Fälle seien ihm bekannt. Der Zeuge hat auch vor einerFiliale der„Morgenpost" einen Mann gesehen, welcher blutete undangab, er sei von Schutzleuten geschlagen worden.— Der Staats-a n w a l t kommt nochmal auf die Unterredung des Zeuge»mit Hintze zurück. Der Zeuge bemerkt infolgedessen. Hintze habeihm auch erzählt, daß er mit seinen Leuten bei einemStreik in Sachsen und auch hier in der RostockerStraße tüchtig geschlagen habe. Hintze sagte: Jemehr Radau, desto besser ist rS für die Arbeitswilligen. Der Zeugehat die Angaben Hintzes für durchaus glaubwürdig gehalten, denndie Hintzeichen Leute, welche der Zeuge auf dem Kohleuplatzvon Kupfer sah, sahen aus wie Abenteurer. Sie spielten abendsHazard zu hohen Sätzen und tranken dabei. Der Staats-anwalk fragt den Zeugen, ob er wisse, daß auch die Arbeit«-willigen mit Siemen geworfen worden seien. Der Zeuge meint,das sei ihm erzählt worden, er habe auch zwei Arbeitswillige ge-sehen, die verwundet waren, sie seien stolz gewesen aufihre Wunden. Weiter gibt der Zeuge»och an, er habe in derStromstraße einen seiner Meinung nach scharfen Schuß aus der Mengegehört.Zeuge Motzkowskiist ebenfalls Mitarbeiter der„Morgenpost". Erverweigert sein Zeugnismit der Begründung, aus dem Schreiben des Polizeipräsidenten anden englischen Journalisten Wils geht hervor, daß die Polizei auchdie Journalisten für strafbar hält, welche in Ausübung ihres Berufsin Moabit gewesen sind. Die Verteidigung wendet zunächst ein, diejuristische Begründung deS Standpunkts sei zweifelhaft. Aber, sagtRechtsanwalt Heine, wenn der Polizeipräsident recht hat, dann hatauch der Zeuge recht. Hiernach wird auf die Vernehmung de?Zeugen verzichtet.Dr. Kochmann, sozialwissenschaftlicher Schriftsteller,hat aus beruflichem Interesse die Vorgänge in Moabit an mehrerenAbenden beobachtet. Er sagt u. a. aus: DaS Publikum war absolut an»ständig mid ruliig. ES wurde kein lautes Wort gesprochen, geschweigedenn ein Angriff auf die Polizei ausgeübt. Trotzdem aber ging diePolizei in ganz unmotivierter Weise mit der Waffe gegen DaSPublikum vor. Detaillierte Angaben macht der Zeuge über seineWahrnehmungen in der Turmstrnhe. Die Straße war fast frei vonMenschen. Ein Polizeioffizier erhob die Hand. Aus dieses Sianolstürmten aus der Oldenburger Straße Schutzleute in großer Zahlheran. Sie hieben mit blanken Säbeln ohne Anlaß auf das ruhigePublikum«in. Diesvorgehen ber Polizei war so brutal,wie ich es noch nie gesehen habe. Die Leute wurden an dieHäuser gedrängt, so daß ein Enlweichen unmöglich war und dannwurden sie geschlagen. Leute, die auf die Slraßenbahn steigenlvolllen, um zu enlkommen, wurden in sinnloser Weise von denSchutzleuten bedrängt. Die Schutzleute waren den,Publikum gegenüber in der Mehrzahl. Sie warfensich auf kleine Gruppen von Menschen und bedrängten sie vonallen Seiten. Der Polizei wurde keine Spur vonWider st and entgegengesetzt. Nicht einmal ein Schimpf-wort ist vor dem Angriff gefalle». Vorsitzender: DerBerichterstatter der.Morgenpost" hat eben da» Gegenteil gesogt.Die Polizei schützte ja die Berichterstatter.--- Zeuge: DiePreßberichte. welche ich gesehen habe, find durchweg unrichtig ge-wesen. Rur»in Blatt hat die Vorgänge durchauS>objektiv dargestellt und daS ist der„Vorwärts".Ich bemerke ausdrücklich, daß ich kein Sozialdemok ratbin und in dieser Hinsicht nicht in den Verdacht der Parteilichkeitkommen kann. Nur ein Beispiel möchte ich dafür anführen, wieunrichtig die Darstellungen der Presse gewesen sind. Ich war Zeugeeines d.:r schärfsten Zusammenstöße ar.. Kleinen Tiergarten. Amdarauffolgenden Morgen las ich im„Berliner Taaebl.", anjener Stelle seien eine Menge Schirme, Hüte und onfiere Gegen-stände gefunden und der Kriminalpolizei übergeben lvorden. Ichhabe die betreffende Stelle unmitkelbar nach dem Zigammenstoßgenau besichtigt, habe aber niäits von solchen Gegenstänoen bemerkt.DaS ist zwar nur eine Kleinigkeit, sie spricht aber dafür, wieübertrieben die Zeitungsnachrichten waren. Ueberseineeinzelnen Beobachtungengibt der Zeuge noch folgendes an: An der Hcilandkirche amKleinen Tiergarten sah ich einen einzelnen Herrn, der offenbar mitder ganzen Sache nicbtS zu tun hatte. Auch dieser Mann wurdevon Schutzleuten geschlaaeu. Der Saum des Kleinen Tiergartenswar von Schutzleuten besetzt. Jeder Passant, der vorbeikam, wurdemit dem scharfen Säbel geschlagen. Ich betone, daß das Publikumdurchaus anständig war und daß den Schutzleuten kein Widerstandentgegengesetzt wurde. Ein Herr bekam einen Schlag mit demSäbel. Er drehte sich um, da rief der Schutzmaun, der ihn ge«schlagen hatte:Du Aas, Du drehst Dich noch um?!"Gleichzeitig führte der Schutzmann einen so wuchtigen Hieb gegenden Mann, daß der Schutzmann nach vorn taumelte. Der Schlagwurde mit scharfer Klinge geführt. Zum Glück traf er den Mannnicht. Er wäre sonst von den schwersten Folgen gewesen. Kurzvorher rasten reitende Schutzleute ohne jede Veranlassung auf demBürgersteige dahin. Die Leute flüchtete» sich in die Häuser. EinMann, der sich nicht in ein HanS retten konnte, wurde vondem Pferde eines Schutzmanns an die Wand gequetscht, daßer fast ohnmächtig dastand. Anscheinend ist dieser Mann auchverletzt worden. Einige Menschen hatten sich auf dieStufen der HeilaiidLkirche geflüchtet. Ei» reitender Schutzmannraste um sie herum. Wie mir schien, wollte er die Leute nurchikanieren. Nach kurzer Zeit entfernte sich der Schutzmann und dieLeute komtten ruhig fortgehen. Ueberall konnte ich die Beobachtungmachen, daß dasPublikum durch das Borgehen der Schutzleute erregt wurde.Ich hatte den Eindruck, daß ein großer Teil derSchuld wenn nicht die ganze Schuld an denKrawallen in Moabit dem Vorgehen der Schutz-leute zuzuschreiben ist.Der nächste Zeuge ist einlöjähriger Lehrling Brecht.Er hat einen Stelzfuß und kann sich nur mit Mühe fortbewesten.Zur Zeit der Moabiter Vorgänge war der Zeuge noch iin Besitz seinesBeines, aber er hatte schon ei» Leiden am Bein und konnte schondamals nur langsam und schwerfällig gehen. Er wollte in der Nähevon Schutzleute» über die Straße gehen. Da schlug ihn einMann mit einem Schlagring nieder und zweiandere hieben mit Stöcken auf ihn ein. DerMann mit dem Schlagring trug eine Taschenlaterne undleuchtete damit umher. Er kam auS der Richtung, wo dieuniformierten Schutzleute standen. Es ist hiernach anzunehmen, daßsowohl dieser wie die beiden anderen, welche mit Stöcken auf denjungen Mann schlugen. Kriminalbeamte gewesen sind. Nach-dem der junge Mann niedergeschlagen war, ist er vonBekannten, die hinzlikainen, hinweggeführt worden. Es gingau» den Aussagen des Zeugen nicht mit Sicherheithervor, ob sein Beinleiden durch diese Mißhandlung sichso verschlimmert hat, daß ihm das Bein abgenommenwerden mußte. Jedenfalls ist die Operation des Beines bald darauferfolgt. In» übrigen trug der junge Mann Verletzungen am Ohrund am Kops davon.Hierauf wird Dr. Kochmann von Rechtsanwalt Heine be-fragt, welchen Eindruck er von dem Vorgehen der Polizei bekommenhabe. Er erwidert: DaS Vorgehen der Polizei war ein absolutunzweckmäßiges und uiimotiviertes. Die Polizei sei nicht imstandegewesen, Vorgänge des bürgerlichen LebcnS mit unbefangenen Augenanzusehen. Es würde nicht zu Ausschreitungen ae-kommen sein, wenn die Polizei nicht in dieserWeise vorgegangen wäre.Vergebliche Versuche, daS Zeugnis des Dr. Kochuiann zu erschüttern.Staatsanwalt Stelzner bezweifelt, daß der Zeuge,weil er erst 2ö Jahre alt ist, imstande wäre, ein Urleil über dasVerhalten der Polizei abzugeben. Der Staatsanwalt richtet deshalbeine Reihe von Fragen an den Zeugen, durch welche die Urteils-sähigkeit des Zeugen festgestellt werden soll. Die Antworten des?eugen gehen dahin, daß das Studium der Psycho-ogie der Massen sein wissenschaftlichesSpezialfach sei, mit dem er sich seit Jahrenbeschäftigt. Er hat unter andern,, besonders im Auslandenamentlich in den Vereinigten Staaten von Nordamerikaeingehende Studien betrieben. Seine Studien erstrecken sichu. a. auch auf' den grißen Streik der Bergarbeiter in PittSburg.Der Zeuge sagt, dort seien viel größere Mcnschcilmcugcn zusammen-geströmt wie hier und das Mciischrnmaterial in PittSburg sei beiweitem nicht so ruhig wie die Berliner Arbeiter. Trotzdem sei esin PittSburg zu keinen erheblichen Ausschreitungen gekommen, weilsich die dortigen Polizribeamte» dem Publikum gegenüber sachgemäßverhalten hätten. BIS der StaaiSamvalt die erste Frage nach derUrteilsfähigkeit des Dr. Kochiiiann gestellt hatte, ocanstandetoRechtsanwalt Heine mann diese Frage, weil sie nicht austatsächliche Angaben deS Zeugen beschränkt sei. Der Vorsitzendeaber warf die Bemerkung dazwischen: Wenn der Zeuge 40 Minutenlang die Borgänge beobachtet hat und dann ein Urteil über daSVerhalten der Polizei abgibt, dann ist die Frage des Staatsanwalt?wohl berechtigt.Auf Veranlaffung der Staatsanwaltschaft wurde Polizei«leutnant Lies« yerbeizittert und über einige Einzelheiten be-fragt, welche Dr. Kochmann angegeben hatte. ES stellte sich aberherolis, daß Polizeileiitnant Liese bei den vom Zeugen Dr. Koch-mann angegcbeueu Vorgängen gar nicht zugegen war. DemselbenZweck diente die Beriichmung des Polizeileuti, ant«S ch i r m e r. Doch auch dieser Zeuge hat den vonDr. Kochmaim angegebenen Einzelvorgängen nicht beigewohnt Erhat allerdings zu der fragliche» Zeit in der Nähe der Heilands-kirche eine SchutzmannStruppe kommandiert. Der Polizeileiitnant batmit feinen Schutzleuten mehrmals die Menge zurückaedröngt Dochgibt er an, das sei melsteiiS ohne Anwendung der Waffe geschehen.Der Zeuge behauptet, an der Treppe der HeilandSlirche sei aus deinPublikum ein Schuß abgegeben worden. Darauf habe er dannseine Leute mit dem Säbel gegen das Publikum vorgehen lassen. DieLeute seien aber so schnell gelaufen, daß sie mit dem Säbel gar nichterreicht werden konnten. Auf mehrere Fragen der Verteidigergibt der Zeuge zu, daß auch noch in anderen Fällen mit dem Säbelgegen das Publikum vorgegangen wurde. Er behauptet aber, daßfei immer nur geschehen, nachdem die Menge die EtaatSobrigkeitangegriffen habe, durch Steinwürfe und in dem einen Falle, wo einSchuß gefallen fei. DaS Publikum sei dabei nach Möglichkeitgeschützt lvorden.— RechtSanw. Rosenfeld: DaS nennenSie das Publikum schützen, wenn Sie mit dem Säbel dreiuschlagen?— Zeuge: Ich meine das Publikum, das mit der Sache mchtszu tun hatte.