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Nr. 284. 27. Jahrgang 3. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt. Sonntag, 4. Dezember 1910.

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Literarische Rundfchau.

Biblische Geschichten. Beiträge zum gefchichtlichen Ver- 1 ständnis der Religion. Von Max Maurenbrecher  . Verlag: Buchhandlung Vorwärts, Berlin  . 10 Hefte a 1 M. ( Vereinsausgabe a 40 f.) Maurenbrechers Biblische Geschichten" führen sich ein als Boräge zum geschichtlichen Verständnis der Religion". Wir be­dürf bei dem Einfluß, den diese Staatseinrichtung" zurzeit bei uns besitzt und den die herrschenden Klassen immer noch zu verstärken suchen, durchaus solchen Verständnisses; denn Verständnis heißt den wahren Wert einer Sache erkennen. Insofern ist ganz richtig, wenn Maurenbrecher in feinem Geleitwort" fagt, dieses geschichtliche Verständnis mache uns in der Gegenwart unabhängig und frei gegenüber der über­lieferten Religion. Wir können uns die Fragen des Lebens auf Grund unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse selber beantworten. Aber und jetzt kommt der Pferdefuß des ganzen Wertes zum Vorschein nun spricht Maurenbrecher sofort von aufbauender Arbeit und einer Weltanschauung für modernes Denken und Wollen", zu der sein Buch erst die Bausteine, noch nicht den Grund­riß liefern foll. Also ist er der Meinung, daß eine Bibelkritik das liefern fönne. Dem muß auf das entschiedenste widersprochen werden. Unserer Meinung nach enthält die Bibel nur den Bauichutt eines bestimmten Gebäudes antiten Denkens und Wollens, den wir uns nicht in das Gebäude unserer modernen Weltanschauung hinein­schmuggeln lassen dürfen als fernigen Stein frisch aus dem Bruche. Aber gerade das erscheint uns als die Absicht der Maurenbrecherschen

Arbeit.

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Maurenbrechers Religionsauffassung ist, um sie furz zu be- rung, die auf den ersten Blick falsch erscheint und die er anschei­zeichnen, die Religionstheorie der liberalen protestantischen Theo- nend selber seinen Quellen nur halb glaubt plausibel zu machen. logie. Diese hat eingesehen, daß es auf dem alten Wege nicht Trotzdem der Agitator des Südreichs das Nodeeich lästert weiter geht, daß die Bibelkritik, wenn sie sie nicht betreiben, von und aus demselben deshalb mit preußischer Schneidigkeit ausge anderen besorgt wird, und so gibt sie heute, bis auf wenige Aus- wiesen" wird, friegt M. cs fertig in Heft 3, S. 46 a rehaupten, nahmen zu, daß die Bibel, besonders das alte Testament, in vieler schon unter David   und Salomo   wären Israel   und Juda zu dem Beziehung falsches enthält. Aber das ist nur das Werk unverstän- Gefühl(?) einer einheitlichen Nationalität zusammengewachsen. diger Menschen und liegt nicht in der Sache. Diese, die Religion Das würde fein Völkerkundiger glauben, selbst wenn die Bibel selbst, sucht man in ihrer unbegreiflichen" Gigenart zu nicht das ftritteste Gegenteil behauptete. Sie erzählt jedoch, daß retten und insbesonders ihre oben dargelegte natürliche Entstehung das nur mit Gewalt zusammengehaltene Reich unter Salomos  zu verhüllen. Die Tatsachen müssen sich zu diesem Zwecke die Sohn wieder auseinander fiel. Und es war Krieg gewesen mannigfaltigsten Entstellungen gefallen lassen. Der erste Ge- zwischen Rehabeam und Jerobeam   alle Tage ihres Lebens" währsmann, den M. zitiert, der Berliner   Theologieprofeffor perm.( 1. Könige 15, 6). Ja, der Krieg hat laut den Bibelberichten Gunkel, fagt in feiner, auch von M. benutzten Genesiserklärung zwischen beiden Ländern bis zum Untergang Israel  - Samarias ( 1902): Die Erkenntnis der Sagenhaftigkeit der Bibelerklärungen eigentlich nie aufgehört. So muß M. um seine religiöse Phanta ist schon zu ſehr Gemeingut der historisch Gebildeten geworden, fien zu retten, Geschichte auf eigene Faust machen. als daß sie sich unterdrücken ließe; sicherlich wird sie das ist ein Wenn er durch sein Buch bezwecken will, daß der Leser selbst ganz unaushaltsamer Prozeß in unser Volk dringen; sorgen wir auch bald Spreu von Weizen scheiden lerne, so wird wohl schon Evangelischen dafür, daß sie ihm im rechten Geiste das angeführte genügen, daß das Buch zur Spreu fliegt. Alles geboten wird." Daß dieser rechte" Geist nur der Geist der er sonstige Falsche und Schiefe in den Erzvätergeschichten zu wider­habenen theologischen Spekulation, der tönenden und dröhnenden legen, brauchte man ein ganzes Buch. Nichtigkeit, der Verwässerung und des Abschleifens aller Bestimmt­heit, der Geist der Umnebelung sein kann, dürfte jedem Denkenden tlar sein. Maurenbrecher   bläst ins Horn dieser Theologen, milde und fanft. Er schreibt fürs Volk und will die gläubigen Seelen nicht schrecken. Ebenso sanft in der Form und schwach in der Sache: das ist sein Prinzip.

flauben.

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Diefer unflaren, widerspruchsvollen Absicht entspricht auch die widerspruchsvolle Grundlage seiner Schrift, wie Maurenbrecher sie Die Käufer der zehn Hefte erhalten außer dem Geleitswort weiter in seinem Geleitwort niedergelegt hat. Er will die Religion feinerlei Einleitung in den Stoff. Die Bibel bleibt, was sie ihnen als geschichtliches Gebilde erklären, jeder religiösen Vorstellung ihre erscheint ein Buch oder Bücherhaufen. Es gibt keinerlei vor­notwendige Stelle in der Stette der Entwickelung geben, sich läufige orientierende Nachricht, wann, wo, wie die Schrift ent­gehorsam beugen vor dem Zwange, der in den Dingen standen, auf welche Weise und aus welchen Gründen sie sich in so felbst liegt. Darum legt er wunderbar erscheinender Weise bis auf die Gegenwart erhielt, feinen Untersuchungen je weils einen Kreis zusammengehöriger biblischer Ge- während so viel Jüngeres völlig unterging. Auch erhalten wir schichten Schöpfungsgeschichten, Sintflutgeschichten usw. teinen Abriß der Geschichte des Boltes, bei dem sie entstand. Alle grunde." Der Wiz an der Sache ist nun aber eben der, daß Antworten auf diese Fragen muß der Leser, wenn sie überhaupt diese in der Bibel beieinander stehenden Geschichten eben meist gegeben werden, sich aus dem fast 600 Seiten starken Buch heraus­nicht zusammen gehören und Produkte ganz verschiedener Entwickelungsreihen sind. Erst in sehr später Zeit, als man von der Wem wirklich an Verbreitung religiöser Aufklärung lag, würde alten Entwickelung nichts mehr wußte und von ihr auch nichts mehr an erster Stelle einen Ueberblick über die Entwickelungsgeschichte wiffen wollte, sind sie von bestimmte Zwede verfolgenden der Religion gegeben haben, nicht wie er sie sich zusammenphanta­priesterlichen Sammlern ihrem fachlichen Inhalt nach zusammen- fiert hat, sondern nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft. Er getragen und wegen ihrer vielfachen Widersprüche gewaltsam mit müßte zeigen, wie auf den noch ungeordneten Geisterglauben der einander in Einklang gebracht worden. Glaube an Geschlechts- und dann aufsteigend an Stammes- und Freilich muß Maurenbrecher gleich auf den ersten Seiten die Ortsgötter sich entwickelte, und wie nach der entstehenden staat. Geschichten trennen, aber sie erscheinen stets als Zusammenarbeitungen lichen Organisation der Glaube an Landes- und Reichsgötter ent­gleich naiver und gemütvoller Erzähler alter barmloier Geschichten, stand. Dann war an der Hand der biblischen Geschichten und No­der Leser erfährt nirgends furz und klar, daß die Bibel nicht nur tizen nachzuprüfen, ob die religiöse Entwidelung der Juden diesem die Literatur zweier verschiedener Völker, der Jsraeliten und der Stufengange entsprach. Da würde sich gefunden haben, daß die Juden, sondern auch die verschiedenster Zeiträume und Kulturstufen religiöse Geschichte der Juden sich von der allgemein menschlichen durcheinanderwirrt, die Sagen der noch halbwilden Juden vom nicht unterscheidet, die Juden also kein religiös bevorzugtes Bolt Jahre 1000 und die Anschaumgen der durch Babylonien   und Berfien find; sie vielmehr, weil sie allgemein rückständig waren, aber zibi­fultivierten nacherilischen Juden des fünften und vierten Jahr- schen Kulturvölkern wohnten, ihre höheren Religonsideen von diesen hunderts v. Chr., fowie die aller Zwischenzeiten. Statt aber die trop entlehnten. Ferner, daß auch die religiösen Ideen des Christen­aller Priesterarbeit auftretenden Widersprüche in der Bibel auf- tums ganz auf denen der alten Völker beruhen, nichts grund­zuführen, abzuwägen, um dadurch zur Wahrheit durchzubringen, stürzend Neues, sondern nur die anders formulierten alten sind. werden sie geradezu in der Weise der Orthodoxie übergangen oder Daraus würde sich dann der Schluß ergeben, daß es der fortgefeß­in harmonistischer Zusammenarbeitung zu einer erbaulichen Geschichte ten Täuschungen endlich genug sei, und daß man sich lieber auf des Judentums und feines Gottes formuliert. Darum sieht Mauren  - sich selber, statt auf himmlische Hilfe verlasse. Aber daran liegt M. anscheinend nichts brecher auch nicht die Fälschungskünfte der späteren Jerufalemer Tempelpriesterschaft, die von ihrem Spezialgott Jahwe, der in der fann er zu solchem Gedankengange auch gar nicht kommen. Urzeit nur der Gott einer fleinen Gruppe gewesen sein kann, be- hindert ihn daran seine Theorie der Religion halb Betrug, halb haupteten, er fei schon seit ältesten Beiten der Gott des Sehnsucht nach dem Jdeal. Den Betrug will er beseitigen, dem Volkes Jórael", das es in jenen ältesten Zeiten noch gar Ideal will er in der" gereinigten" religiösen Verbrämung weiter nicht gab. Er macht deshalb deren Schwindel mit, nachjagen. Ein freisinniger Theologe, nichts weiter. der darin besteht, diefer Gott Jahwe mit den sämtlichen Lokals göttern des Landes Palästina zu einem einzigen Gotte zusammen­zuschmelzen. Aber dieser Priestergott wurde erst herrschend im nach­erilischen Juda, während die historischen Bücher der Bibel- denen caratteristischer Weise M. fein Heft widmet und auch die prophetischen, auf jeder Seite beweisen, daß sich Jahwe in bor  egilischer Zeit den Boltsgöttern gegenüber nur mit Mühe selbst auf dem Tempelberge behauptete.

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Im 4. Heft, Mosegeschichten, erfahren wir über Mofes vers hältnismäßig am wenigsten, dafür wird aber wieder in langaus­gesponnenen Kapiteln über Gott Jahwe orakelt, das ganze theo­logische Material über diesen Namen nochmals gefegt, der brennende( aber nicht verbrennende) Dornbusch ganz platt ratio­nalistisch mit einem unter(?) ihm brennenden Erdfeuer erklärt.

Seite 38 gibt M. uns seine Göttertheorie am ausführlichsten: Jrgend ein Fels, ein Baum, ein Stein, ein Quell, ein Natur­schauspiel am Himmel, hier ein Vulkan oder ein Erdfeuer haben den Sinn naiber Naturmenschen bewegt. Der Gegenstand oder das Naturschauspiel erweckten Grauen und Schrecken oder Ghr­So wird bereits für die unmittelbare furcht und Staunen Anschauung des Naturmenschen, ohne daß er auch nur eine Spur weiteren Nachdenkens braucht, der Naturgegenstand selbst zum lebendigen Wesen. Als solches erhält er fofort einen Namen: Der Baum wird Mamre, der Brunnen El- Roi, der Stein Bethel, der Fels Abram, die Sonne Marduk und die Feuersflaume ist Jahwe geworden."

Die Feder sträubt sich fast beim Abschreiben dieses Nonsens. Jeder, der behauptet, sich unter diesem Bimbam etwas vernünftiges oder Logisches vorstellen zu können, ist ein ganz gewöhnlicher Auf­schneider. Wer den Begriff eines Gottes bereits besitzt, der mag unter den vorgetragenen Umständen wohl sagen: Hier wohnt einer!, aber bilden kann man den Begriff eines Geistes durch solches Erlebnis ebensowenig wie den der Erhaltung der Kraft durch eine Ohrfeige. Und der Ürmensch ist zwar univissend, aber ein vortreff­licher Logiker. Obige Theorie ist erfunden und mit Eifer propagiert worden, um den unheilbaren Blödsinn zu beweisen, mit dem an geblich die Naturvölfer geschlagen sind, und die Erleuchtung der christlichen Nationen durch die allein wahre Offenbarung um so glänzender strahlen zu lassen. Aber seit zwei Jahrzehnten tritt ein ernst zu nehmender Forscher diesen Quark nicht mehr breit. Maurenbrecher hätte sich nur die dritte Auflage von Hellwalde Stulturgeschichte und neuere geschichtliche Werte etwas ansehen brauchen.

Seite 40 fommt M. auch auf die Seele zu sprechen, um sie Seite 44 ganz in theologischer Weise von der Gottesvorstellung scharf zu trennen. Lettere ist von anderwärts aufgeteimt". Von wo jagt M. nicht. Er schämt sich doch noch ein bißchen. Wir aber wollens sagen: Von oben"! und im Grunde

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Und so springt Maurenbrecher, ganz in der Weise theologischer " Einleitungen", die aber freilich vielerlei Studium voraussehen, mitten in die Sache hinein. Er erklärt uns in den ersten fünf Heften die Geschichten" der Bibel bis Moses   und gibt in den zwei folgenden eine Stizze der Entwickelung der jüdischen- er fagt falsch: israelitischen Religion. Es ist im höchsten Grade charatte­ristisch, daß er alle wirklich geschichtlichen Bücher trok starter Ueberarbeitung durch das, was sie uns unbeabsichtigt überliefern Solchen Unsinn fann man nur mitmachen, wenn man feinerlei noch die besten Quellen für die jüdische Geschichte und die ursprüng­Religionstheorie hat oder nur eine jüdisch- theologische. Maurens liche jüdische Religion ganz überspringt und nur einige Rosinen brecher fagt uns denn auch, daß er keine geben wolle. So herausnimmt, die in seine Auffassung passen. Die letzten drei Hefte ganz ohne aber geht es doch nicht, und so gibt er uns schließlich behandeln die Jesuslegende. doch eine, so im Vorbeigehen sie ist aber auch danach. Der theologischen Auswahl entspricht die Behandlung des Religion ist nicht nur eine plumpe Täuschung der Maffen durch Stoffes. Die ersten drei Bibelkapitel erfordern über 50 Seiten babgierige Priester, und sie ist nicht nur ein Recken und Strecken der Großottab; es wird da feitenlang über Formung, nicht Schöpfung, Menichen nach edlerem, höherem Leben. Sie ist beides zu den Gottesfluch über Ader und Weib, die eifersüchtige Gottheit, gleich!" Diese Theorie" ist teils nationalistisch, teils theologisch, die vier Flüsse, Entgeistigung der Natur usw. philosophiert, ohne im ganzen ideologisch und auf jeden Fall total unrichtig. Sie daß dem Leser ein Faden gegeben wird, an dem er das aufreihen weicht weit ab von dem, was die allgemeiner, nichttheologische Re- fann. Genau so in den anderen Heften, wo überall lang und ligionsgeschichtsforschung als Seligion ansieht. Maurenbrecher tut breit über jüdische Religion, den Gott Jahwe, Priester, religiöse feinen Mittheologen seit den ältesten Zeiten unrecht, wenn er die eine Einrichtungen geredet wird, ohne daß der Leser vorwärts kommt. Hälfte der Religion als plumpe Täuschung seiteus habgieriger Briefter Maurenbrecher glaubt teils dem Bibeltext, teils den theologischen darstellt. Religion ist feme   bewußte Erfindung, am wenigsten zu Auslegern, meist aufs Wort, und beide hat er selost sehr schlecht ber­Täuschungszwecken, sondern das Produkt der ursprünglichsten Philo- standen. Wie fönnte er sonst dazu kommen, das jüngste Quellwerk fophie der Menschheit. Sie ist ursprünglich der Stult die Pflege der Mosesschriften als Erzählungsbuch I, das älteste als III zu be­der Geister der Abgeschiedenen, der auch heute noch die Grundlage zeichnen. Das geht ja zurück bis auf Delitzsch  ' Vater und muß der geoffenbarten Religionen bildet, denn auch der große Gott des einen noch unbelehrten Leser vollkommen verwirren. Mauren­Christentums ist nur ein Geist" lies Gespenst" dem man brecher kann auch nicht selber beurteilen, ob die Quellen, wie sie amr Altare wirkliche Opfer wie im fatholischen oder symbolische zur Zeit beschaffen find, nicht Fälschungen enthalten. Es steht ja Opfer wie im protestantischen Kult darbringt. fest, daß der südpalästinische( levitische), erst in der späten Königs­Die Betämpfer der materialistischen Geschichtsauffassung haben zeit zum jüdischen Reichsgott" gewordenen Jahre, der im in bezug auf die Religion hervorgehoben, daß diese sich nicht durch israelitischen Nordpalästina niemals herrschte, vielfach in jene erflären ließe. Sie haben damit Schliff gebaden. Nicht ein Sozial- alte nordpalästinische Geschichten hineingeändert worden ist, die demokrat, sondern der Kulturgeschichisforscher Julius Lippert   hat alten Gottesnamen verdrängte. Maurenbrecher berücksichtigt das rit reinlich und zweifelsohne im Zusammenhange und auf nicht; er sieht, mindestens seit dem neunten Jahrhundert teinen Tatsachen gestützt festgestellt, daß Religion ein Produkt religiösen Unterschied mehr zwischen Norden und Süden, sondern des menschlichen Egoismus sei. Sie dient( oder soll dienen), wie überall Jahmeverehrung. So bringt er es Heft 3, G. 20, fertig, alles was der Mensch tut, der Erhaltung seines Lebens; fie die von Amos  ( 8, 14) borgeführten drei Hauptgötter des Nordreichs ist nach Lipperts Ausdrucksweise Produft der Lebensfüriorge" in eine Vergangenheit zu verjeten, obgleich es am Tage liegt, daß des Vienschen. Furcht und Hoffnung Furcht vor dem der jüdische Jahwemiffionar Amos   eben gerade deshalb den Jercali­Saden, den sie anrichten könnten Hoffnung auf die ten flucht, weil sie noch unter seinen Augen eben jene Götter und Silfe, die sie zu leisten vermögen, läßt den Urmenschen den nicht Jahwe verehren. Für die Israeliten des 8. Jahrhunderts Geistern Berehrung" zollen. Eine Berehrung" ist aber eine Gabe. wäre es natürlich Unsinn, anzunehmen, daß sie bewußt verschiedene Das ist der Kult. Der ganze Borstellungsflomplex von der Ver- Götter angebetet hatten." Nein! es ist ein Unsinn, und noch dazu bindung des Menschen mit der Geisterwelt ist das Gebiet der Ste- ein blamabler, zu behaupten, daß die damals noch nicht allzulange ligion. Ein sittlicher Gedanke liegt ihr nicht zugrunde; ihr Prinzip und nur sehr locker staatlich geeinigten Jsraeliten schon den einen ist das, was die Römer furz bezeichneten als do ut des: ich gebe, Gott gekannt oder gar den Gott des immerdar feindlichen Nachbar­vamit du gibst( natürlich möglichst mehr). bolkes Juda verehrt hätten. Hochgebildete Griechen und Römer be­Aber die Religion, wie sie die erste über das bloße Triebleben teten noch zur Zeit Chrifti bewußt verschiedene Götter an." Man hinausgehende Einrichtung ist, nimmt sie nun alle weiterhin neu sieht, daß Maurenbrecher, dem die Juden trop der schavindelhaften entstehenden Einrichtungen unter ihre Sanktion, meist in ihren Mosesoffenbarung ein auserwähltes Volf sind, zu deren Gunsten Dienst: soziale, rechtliche, fünstlerische. Letztere eignete sich der alle geschichtliche Logik auf den Kopf stellt. Ault   vorzugsweise an: Tanz, Mujit, Deflamation, mimische Dar- Dabei scheidet dieser selbe Prophet Amos   den von ihm verdon­ftellung, Bau-, Male, Echniß-, Schreibfunst, Astronomie, Rechen- nerten El" an einer anderen Stelle noch genau von seinem Jahre. tunst, Witterungskunde usw. Aber dieses wahrhaftige Reden und 4,11 heißt es bei ihm:" Ich stürzte euch um, wie einst Gott  ( El  ) Sodom Streden nach Edlerem und Höherem hat die Religion immer in und Gomorra umftürzte", ist der Spruch Jahwes. Schlagen wir thre spanischen Stiefel eingeschnürt; die geistige und fünstlerische 1. Moje 19 nach, so finden wir, daß dort Gott Jahwe Feuer und Entwickelung des leßten halben Jahrtausends empfängt ja geradezu Schwefel über die Städte regnen ließ. Also erst nach Amos  , der thren Stempel von dem Kampfe aller Künste und Wissenschaften dort noch" GI" las, sind die Fälscher an der Arbeit gewesen. Bu behufs ihrer Befreiung von der Religion. Sie ist allen gelungen Amos   Zeiten war es noch rein israelitische Lokalgeschichte. Aber bis auf die Moral, die das Priestertum noch heute für sich mono. M. ist das alles eins. An Dutzenden anderer Stellen muß er einen polisieren möchte, ähnlichen, oft feitenlangen Summs veranstalten, um eine Erflä­

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Dem religiösen Mischmasch entspricht der kulturhistorische. Die Gotteslade Lade Jahwes ist ein Kaften. Soweit so gut. Aber diese Lade des unkultivierten Wüstenvoltes war( Heft 4, S. 48) mit " Der Beduinenstamm Jerael muß diese Lade irgendwo erbeutet oder erhandelt haben. Daß diese Ausschmückung der Phantasie oder der Kunstfertigteit späterer Beit- als auch im Tempel eine, nicht diese, Lade stand ihre Entstehung verdanken könne, wie das Kapitel, in dem die Beschreibung enthalten, tatsächlich der erilischen, wenn nicht der nacherilischen Zeit entstammt, tommt Mi. nicht in den Sinn. Solche aus den Fingern gesaugten, geradezu an Fälschungen streifenden Behauptungen, die selbst sichere Resultate der liberalen Kritik wieder wegestamotieren, finden sich zu Hunderten. Wir müssen zu Ende kommen und übergehen die nächsten drei Sefte; das Resultat der Kritik könnte doch fein anderes als bisher fein; auf je sechs Zeilen müßte man eine Seite lang berichtigen. Heft 8 und 9 befassen sich mit der christlichen Mythe und bleiben sowohl was den Inhalt wie die systematische Gestaltung desselben betrifft, weit hinter vielen bürgerlichen Darstellungen zurück. Drews und Lublinski haben in neuerer Zeit besseres gegeben, auch schon viele ältere. Natürlich beriefen sie sich nicht auf den Berliner   Hoftheologen Harnad und die übrigen Quellen Maurenbrechers, die meist von gleicher Qualität sind und kein besseres Resultat zeitigen konnten. In Heft 10, Der geschichtliche Jesus", wird uns aus den neutestamentlichen Quellen jalbungsoll sein Armeleuteevangelium vorgeführt, ebenso eine Geschichte finer Lebensschidsale. Da jeder Leben- Jesu- Theologe dieselben anders auffaßt, hat solche Darstellung mur subjektipen Wert.

Zudem ist die Zeit der Leben Jesu- Theologie vorbei. Der Beweis der historischen Forschung, daß die Heilsgott- Erlöser­Messiasidee altheidnisches Religionsgut sei, darf heute als ebenso völlig gelungen angesehen werden wie die Tatsache nicht aus der Welt zu schaffen ist, daß die überlieferten Jesus ge chichten von Anfang bis Ende Adoptierungen heidnischer Mythen find. Das heißt: alte mythologische Erzählungen wurden bewußt auf die neue Figur angewendet und aus ihnen die angeblichen Lebensschicksale dieser Figur herausspintisiert bezw. neu gedichtet zu dem zwede, feinen Erlöserberuf im Symbol zu zeigen. So angesehen bleibt religiös für und geschichtlich von Jefus nichts übrig. Ein Sozial­demokrat hat alle Ursache, sich mit diesem Resultat zufrieden zu geben.

Mit dem Bericht über den Tod des Jesus   schließt das Buch so schroff, wie es angefangen. Troß feines abschreckenden sonstigen Wortreichtums hat es feinen armseligen Hinweis auf die Zukunft von Religion und Christentum oder deren Bedeutung für die Ar­beiterklasse. Entweder hat Maurenbrecher dazu nichts zu sagen, oder er mill darüber nichts sagen. Beides wäre gleidertig, beides würde auch in gleicher Weise uns zeigen, daß Maurenbrecher die Bedürfnisse der Arbeiterklasse in bezug auf die Religionsgeschichte keinesfalls erkannt hat. B. Sommer.

München  .

Eingegangene Druckfchriften. Holunderduft von Augufte Supper. 3,50 M., geb. 4,50 M. Süd­deutsche Monatshefte, München  . Der Kampf des Bürgertums um die Freiheil von Prof. H. Hummel( Voltsschriften Heft 16.) Dte preußische Verfassung von Prof. Dr. F. Cauer.( Boltsschriften Heft 17) je 15 Pf. Nationalverein", Grundbegriffe der Politit von Friedrich Stampfer  . Berlag der Fränk. Verlagsanstalt u. Buchdruckerei G. m. b.. Nürnberg  . Preis geb. 3 M. Auch in 10 Lieferungeu a 25 Pf. zu bezicheit. Stesenvermittlergejet vom 2. Juni 1910 von Viktor Szczesny. Berlag F. Vahlen, Berlin  , Linfstr. 16. Geb. 2,40 M. fchaftsverein Bochum  . Herausgegeben vom Berband der Bergarbeiter. Die Kämpfe um Knappschaftsreformen im allgemeinen Knapp 158 6. Die Liga der Kontorfräulein von Elin Waegner  . 2 M., geb. 2,60 M. Süddeutsche Monatshefte, München  .