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sein, Saß ein Sraunschwekgis'cher StaatSitnuister Sei einer Festrede zu Kaisers Geburtstag erklärt hat, er habe als Mit- glied deS Bundesrats nur gezwungenerweise der Finanzreform zu- gestimmt.(Hört! hört!) Unter solchen Umständen kann man sich nicht wundern, weiP der Streit um die Reichsfinan�reform unter den Parteien immer heftigere Formen annimmt und unser ganzes öffentliches Leben zu vergiften droht. Es wäre höchste Zeit, daß die bürgerlichen Parteien, denen es ernst mit der Ab- ficht ist. aufzubauen und nicht zu zerstören, sich auf sich selbst besinnen. Nicht rückwärts schauend wollen wir der Sozialdemokratie neue Wähler zuführen, sondern wir wollen versuchen, unter Verzicht auf alte Wünsche, uns mit den gegebenen Tatsachen abzufinden und an der Versöhnung der scharfen Gegensätze selbstlos mitzuarbeiten.(Zuruf bei den Sozialdemokraten-. Selbstlos? Große Heiterkeit.) Die Herren sind wohl der Meinung nach ihren Erfahrungen, man könne keine selbstlose Politik treiben.(Sehr richtig! im Zentrum. Lachen bei . den Sozialdemokraten.) Das, was ich ausgeführt habe, ist Pflicht aller bürgerlichen Parteien, die sich ihrer Verantwortung bewußt sind.(Zuruf bei den Freisinnigen: Das sind sie alle!) Wenn es gelingt, diese Ueberzeugung in immer weitere Kreise zu tragen, so wird der aus den nach st en Wahlen hervorgehende Reichstag in der Lage sein, die großen und schwierigen Aufgaben auf Wirt- schaftlichem Gebiete, die ihm bevorstehen, unter gerechtem Ausgleich der verschiedenen Interessen, zum Wohle der Allgemeinheit durch- zuführen.(Bravo im Zentrum und rchts. Zischen links.) Kriegsminister v. Heeringen: Im Falle des Oberleutnants Dammann liegen mir die Akten zurzeit noch nicht vor. Ich behalte mir vor. spätestens in der zweiten Lesung auf den Fall zurückzukommen. Der ehrengerichtliche Spruch, so wie er die aller- höchste Bestätigung gefunden hat, lautet: Weil er von einem Käme- raden, mit dem er in nicht einwandfreier geschäftlicher Beziehung stand, brieflich schwer beleidigt, seine verletzte Ehre nicht hinreichend gewahrt hat, wird er der Verletzung der Standesehre für schuldig erklärt und mit schlichtem Abschied entlassen. Der Redner verteidigt dann, unter mehrfacher Heiterkeit der Linken, das Urteil des Ehrengerichts. Abg. Freiherr v. Richthofen (k.): Dem Reichsschatzsekretär sprechen wir für die vorsichtige Aufstellung des Etats unsere An- erkennung aus. Es erfüllt uns mit Genugtuung, daß die Reichs- finanzreform ihren Zweck erfüllt hat, und daß die Grundsätze ge- sunder Sparsamkeit im Etat zur Anwendung gelangt sind. Redner wendet sich dann zum Etat im einzelnen, bleibt aber im Zusammen- hang auf der Tribüne unverständlich. Zum Schluß erklärt der lliedner neue Steuern für absolut ausgeschlossen; aller- dingS sei die Wertzuwachssteuer keine neue Steuer, sondern hängt mit der Finanzreform zusammen. Diese hat ihre volle Schuldig- keit getan, und die Unzufriedenheit im Lande rührt nicht von ihr bcr, sondern von ihrer Verquickung mit politischen Fragen, mll Fragen der Erweiterung der Macht des Reichstages, überhaupt mit der Liberalisierung des Reiches.(Bravo ! rechts.) Abg. Scheidemann(Soz.): Der R e i ch s k a n z l e r ist der einzige verantwortliche Minister im Reiche und er hätte heute unter allen Umständen hier sein müssen. Ein Blatt, das eine Art freiwilligerNorddeut- scher Allgemeiner Zeitung" ist, dieGermania ", hat den Versuch gemacht, sein Fernbleiben zu rechtfertigen. An der H o f j a g d heute nimmt auch der österreichische Thronfolger Teil, und das sei gewissermaßen eine politische Aktion, und zweifellos fei e» wichtiger, dahderNeichskanzlerdaranteilnehme, als an unseren Verhandlungen. Wir sind ja gewohnt, daß politische Aktionen aus irgend welchen höfischen Jagdgründen kommen(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten), und daß manche, wenn sie auch wo anders herstammen, doch so erscheinen, als wenn sie von irgend einer höfischen Saujagd ausgegangen wären. (Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich meine, »m Nichterscheinen des Reichskanzlers liegt eine Mißachtung des Reichstages. (Sehr wahr! links.) Der neue Reichstag hat schon eine eigenartige Wahlstimmung gezeitigt. Der Zentrumsredner freilich sagte, er wolle politische Reden unterlassen, und sich auf den Etat beschränken. Ich begreife nur nicht, warumerdannzumSchlußseiner Ausführungen eine Sammlungsrede hielt. Er Wollte wohl mit dem ZentrnmSspeck liberale Mäuse fangen? (Heiterkeit.) Es war das ein drastischer Beweis dafür, in welcher peinlichen Situation sich das Zentrum befindet.(Heiterkeit und Zustimmung links. Widerspruch im Zentrum.) Stellen Sie sich doch nicht so an. Die Sorge, die auf ihrer aller Gesichter zu lesen ist, deutet an. daß der Versuch, den ArchtmedeS zu spielen, der dem eindringenden römischen Soldaten sagt, störe mir meine Kreise nicht, künstlich gemacht ist. Ihrer aller Ohren lauschen ja gespannt auf das Getöse da draußen. Von mir werden Sie ja nur eine Rede zum Fenster hinaus erwarten, und darin haben Sie sich a u ch nicht getäuscht.(Heiterkeit.) Zwischen uns und Ihnen be­steht eine unüberbrückbare Kluft» und deshalb werden die Massen da draußen zwischen uns und Ihnen die Richter sein. Wir fallen daher nicht wie die Katze um den heißen Brei herumgehen, sondern sagen, was ist. Ich habe den Auftrag, den angenehmen Auftrag, schwere Anklagen gegen die Mehrheit zu erheben, daß fie ihr Amt schlecht verwaltet hat. Sie haben die Versprechungen, die Sie den Wählern gegeben, nicht gehalten. Sie haben die Wähler mindestens enttäuscht. Sie haben die Wähler außer» ordentlich belastet und sind jetzt in der schlimmsten Situation.(Zustimmung» links.) In dem Anklagematerial, das Sie uns in die.Hände gespielt haben, nimmt der Reichshaushaltetat mit der neuen Militärvorlage eine erste Stelle ein. Der Etat kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß er eine sehr, sehr feine Frisur trägt. Sicher war es keine leichte Arbeit für den Schatzsekretär, nach der Finanzreform, vor den Reichstagswahlen, einen Etat zu machen, der nicht von vornherein die Wähler vor den Kopf stößt. Die Unübersichtlichkeit des EtatS ist geblieben.- Dafür nur ein Beispiel. Wir finden einen Major als Attache in Kopenhagen tnit einem Gehalt von W2 M., in einem anderen Kapitel finden wir seine P f e r d e g e l d e r mit 405 M., wieder in einem anderen Kapitel seine Servisgelder mit 144 M., in einem vierten Kapitel zwei Rationen mit 805 M., in einem fünften Kapitel stehen seine Reisekosten mit 2000 M., und seine Auslands- zu läge von 8760 M. findet sich im Etat des Auswärtigen Amtes. (Heiterkeit.) Sehr bedenklich ist auch, daß wir nur einen Bruttoetat bekommen, wodurch die eigentlichen Ausgaben des Reiches verschleiert werden. Die Bruttoeinnahmen de» Reiches betragen 2 925 000 000 M., die Ausgaben für Militär, Marine. Pension, Schuldenzinsen, neue Anleihe 1730 000 000 M., das sind 5V Proz. der Bruttoeinnahmen für militärische Zwecke. Betrachten wir aber die Nettocinnahmen. des Reiches, ziehen wir also die Einnahmen aus den Reichsbetrieben ab, so hat das Reich nur 1759 000 000 M. Einnahmen und davon betragen die Ausgaben für militärische Zwecke 98,3 Proz. '(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das ist ein außer- ordentlich beschämender beklagenswerter Zustand. Direkt auf» reizend aber ist die Art und Weise, wie die Mittel des Reiches aufgebracht werden. Die erste und größte Position zeigt uns das Kapitel Zölle. Für 1911 ist es mit 638 Millionen Mark, also pro Kopf der Bevölkerung mit 10 Proz. angesetzt. Die wirkliche Belastung der Bevölkerung aus den Zöllen ist aber bedeutend größer. So haben nach den Berechnungen des Prof. Brentano (Lachen rechts) die Schutzzölle unser Getreide um.883 Millionen Mark verteuert, wovon nur 75 Millionen, also noch nicht der zehnte Teil, in die Reichskasse geflossen ist. Mehr als neun Zehntel da- gegen in die Taschen der preußischen Großgrundbesitzer. Was die Tabaksteuer anlangt, so liegt die Sache ähnlich. Uedrigens ieHglteo wir uns vor, bei erster Gelegenheit zu deantragen, daß die durch die Tabak- und die Zündholzsteuer schwer geschädigten Arbeiter weitere rcsp. neue Unter st ützung er- halten. Erfreulich ist die Mindereinnahme von 16! Millionen bei der S ch n a p s st e u e r. Das beweist, wie hier auf einem ganz speziellen Gebiet die Sozialdemokratie eine große Kulturaufgabe leistet. Bezeichnend ist, daß neuerdings vom landwirtschaftlichen Ministerium für die ländlichen Fortbildungsschulen eine Monats- schrift herausgegeben wird, in der in einem Artikel auseinander- gesetzt wird, wie aus der Kartoffel Branntwein hergestellt wird, worauf es dann am Schlüsse wörtlich heißt: Mit Matz genossen, ist der Branntwein überhaupt nicht nur ein durchaus un- schädliches, sondern entschieden bekömmliches Mittel."(Lebhaftes Hört! hört! und schallendes Gelächter links.) Vorausgesetzt, daß das Landwirtscha>ftsministerium Kenntnis von der Sache hat, wäre es geradezu ein Skandal, ein derartiges Buch in den Fortbildungsschulen zu verbreiten, zumal man bisher in den Volksschulen immer den Kindern gesagt hat, daß sie den Schnapsgenuß meiden sollen.(Sehr wahr! links.) Ich will von dieser Stelle aus betonen, und ich wünschte, daß hier in dieser Frage, abgesehen von den Schnapsbrennern, alle ein- verstanden sein könnten, daß wir es laut hinausrufen, daß kein Mensch mehr Schnaps trinken möchte, weil dieser ein die Gesundheit in der schlimmsten Weise schädigendes Gift darstellt. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Völlig unverständlich ist mir die Behauptung, daß der vorliegende Etat das Bild fort- schreitender Gesundung der Finanzen darstelle. Man kann aller- dings den Etat so balancieren, daß ein scheinbar günstiges Bild entsteht, aber darüber sollten wir uns nicht täuschen, daß es eine Bankrottpolitik gewesen ist, die Sie gemacht haben, indem Sie die Reichsfinanzreform so gestalteten, daß Sie bereits ein Jahr später eine neue Anleihe von 100 Millionen machen müssen, um überhaupt den Etat bilanzieren zu können. Die Behauptung, daß für absehbare Zeit neue Steuern nicht gebraucht werden, trifft keinesfalls zu. Wenn die deutschen Wähler abermals so dumm sein sollten, eine solche Mehrheit in den Reichstag zu schicken, wie bei den Hottentottenwahlen 1007, dann dürfen sie sich darauf verlassen, daß neue schwere Steuerlasten der Masse auferlegt werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die neue Militärvorlage ist nach dem Herrn Kriegsminister natürlich sehr bescheiden. Es wird der Anschein erweckt, als be- laste sie den Etat nur mit 8 Millionen, während doch in der Tat ihre Durchführung uns in wenigen Jahren 104 Millionen kostet. (Hört! hört! bei den Sozialdinokraten.) Herr Speck hat von der Erbschaftssteuer gesprochen und suchte die liberalen Herren da- durch zu ärgern, daß er Herrn Alexander Tille zitierte. ES ist wohl nur ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit, wenn ich nun sage, was ein Zentrumsmann über die Erbschaftssteuer gesagt hat:Der Volksmund spricht nicht umsonst von lachenden Erben. Wie gern würden soviele andere, wenn sie sich in gleicher Lage bc- fänden, denen aber ihre Eltern nichts als nur Schulden Hinte rlassen haben, die verbältnismätzig geringe Erbschafts­steuer zahlen. Im allgemeinen sind die Vorzüge der Erbschafts - stcuer in der finanzwissenschaftlichen Literatur und der Presse seit Jahren so eingehend gewürdigt und die Einwände gegen sie, ins- besondere gegen ihre Ausdehnung, so gründlich hinterlegt worden (Hört! hört!), daß es zu weit führen würde, dies alles hier zu wiederholen. Wäre die Erbschaftssteuer nicht wirklich eine der besten und gerechtesten Steuern, so könnte man auch nicht der- stehen, daß, von Deutschland abgesehen, fast alle größeren Kultur- staaten die Erbschaftssteuer in dem Maße ausgebildet haben, daß sie bei ihnen eine der mächtigsten Stützen ihrer Finanzen geworden ist." DaS hat gestanden im Hauptorgan der Zentrumspartei , in derKölnischen Volkszeitung".(Lebhaftes Hört! hörtl und Heiterkeit links.) Was die neuen Heeresforderungen anlangt, so verweise ich darauf, daß 40 Jahre ins Land gegangen sind, seit- dem im Herzen Europas der letzte kriegerische Schuß gefallen ist. Wir sind jetzt weiter davon entfernt als je zuvor, daß wtr irgend­wie in kriegerische Verwickelung hineingeraten können. Ich will nebenbei bemerken, daß wir Sozialdemokraten bekanntlich, im Gegensatz zu verlogenen Behauptungen gewissenloser und ver- ächtlicher Gegner, durchaus für die Verteidigung des Vaterlandes sind. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten; Lachen rechts.) Die Leute. die sich ein Geschäft daraus machen, die Sozialdemokratie zu ver- leumden, werden doch niemals der Wahrheit in dieser Beziehung die Ehre geben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir wollen uns auch nicht streiten darüber, ob Rußland gegenüber auf eine Brustwehr verzichtet werden kann. Wer selbst wenn wir zugeben, daß wir diesen zaristisch absolutistisch unberechenbarem Lande gegenüber eine gewisse Brustwehr brauchen, können wir doch unter keinen Umständen anerkennen, daß irgendwelche ernsthafte Gefahr für uns zurzeit bestände. Wenn wir aber überhaupt so weit gehen, dies Zugeständnis zu machen, dann betone ich mit um so größerer Schärfe, daß gegenüber unseren Nachbarn im Westen und unseren Freunden jenseits der Nordsee nicht die geringste Ver- anlassung vorliegt, irgendwie weiter zu rüsten oder diese furcht- baren Rüstungen weiter aufrechtzuerhalten. Wir sind fest ent- schlössen, eine Katastrophe, wie sie ein Krieg zwischen diesen Ländern Frankreich . England uyd Deutschland für die ganze Kulturwelt bedeuten würde, so weit eS i n unseren Kräften steht, unter allen Umständen zu ver» hindern.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Wir leben nicht in dem Jrrlvahn, als könnte irgendein Vorteil für eines dieser Länder bei kriegerischen Verwickelungen herauskommen. Gerade unser Regierungskurs trägt die Hauptschuld daran, wenn der FreundschaftSbund zwischen diesen Ländern noch nicht Wirk- lichkeit hat werden können. Ich will den herrschenden Mächten in Deutschland das Zeugnis nicht vorenthalten, daß sie natürlich den.Krieg nicht wollen, aber größer als ihre Scheu vor dem Kriege ist zweifelos ihre Furcht vor dem ehrlichen, wirklichen Frieden der Völker, die Furcht vor dem Frieden, der geeignet wäre, uns von drückenden Lasten zu befreien, vor dem ehrlichen wirklichen Frieden, der den Militarismus entwertet, und der dem sogenannten ersten Stande, dem Offiziersstande, im Staatsleben nur eine nebensächliche untergeordnete Stellung anweisen würde. Dieser ehrliche wirkliche Friede wäre, glaube ich, der schrecklichste aller Schrecken für die herrschende» Gewalten. Um diesen zu vermeiden, sind sie bereit, sich lieber in den fürchterlichsten Krieg hinein- zustürzen. Sie wollen nicht den Krieg in der Gegenwart, aber sie fristen ihre Existenz von den Kriegen der Vergangenheit und ziehen ihre Wechsel auf die Kriege der Zukunft. Daß Europa eine Art Räuberhöhle ist, in der man nicht unbewaffnet Wasen kann, sondern auf Ueberfälle immer gerüstet sein muß. ist die große Lebenvlüge, die sie nicht lassen können, wenn sie nickt ihr ganzes System elendiglich zusammenbrechen sehen wollen. (Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Deutschland kann die Last der Rüstungen nicht nur für sich, sondern auch für alle großen Mächte Europas wesentlich herabdrücken. Die wirtschaftlichen Vor- teile, die daraus entständen, wären außerordentlich groß.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) So schwer der Kampf ist, den wir auf diesem Gebiete führen: dem deutsch-französisch-englischeu Völkerbünde gehört die Zukunft doch, und wir setzen unsere Ehre darein, der Zukunft vorzuarbeiten, soweit wir können I In diesem Sinne betrachten wir auch alle Ihre Vorlagen, nicht zuletzt die für Elsaß -Lothxingen die Verfassung bringen wollen, von der wir verlangen, daß sie dem Reichslande volle demokratische Selbstverwaltung gewähren. So betrachten wir auch die Militärvorlage, für die gar keine sachliche Notwendigkeit vorliegt. Nicht Vermehrung, sondern Verminderung der Ausgaben für militärische Zwecke tut uns not. Wenn Sie Geld übrig haben, dann erfüllen Sie doch die bisher Vicht erfüllte Chrrnpflicht an den Beleranett und Solbake», (Lebhafte Zustimmung links.) Die Veteranen, die Gesundheit und Leben auf das Spiel gesetzt haben, sind an der Nase herumgezogen worden. Die Soldaten, die den kärglichen Sold von 22 Pf. bekommen, erhalten gar nichts. Ist im Etat eine Position zu finden, die endlich die von uns geforderte Soldregelung enthält? Wenn Sie sich doch einmal klar darüber werden wollten, wie aufreizend es wirken muß, wenn Sie den bei 17� Millionen Mark jährlich noch notleidenden König von Preußen eine Zivillistenerhöhung von 3� Millionen bewilligen, und in der» selben Zeit die betrogenen Veteranen vertrösten auf Ein- nahmen aus einer Vorlage, die noch gar nicht einmal bewilligt«st. (Beifall links. Bewegung.) Nichts geht über die deutsche Treue. aber joder von uns, der ins politische Leben trat, hat doch auf diesem Gebiete gründlich umlernen müssen. Machiavelli sagte von dem Papst Alexander VI. , er sei ein Meister in der Kunst, viel zu versprechen und nichts zu halten. Was ist er für ein trauriger Stümper gewesen im Vergleich zu den herrschenden Klassen in Preußen.(Lebhafter Beifall links.) Die Ver- sprechungen, die in Preußen allen Volksklassen und Berufsstönden gemackt worden sind, sind aus feinstem Porzellan, abev die ganze Politik, die sie getrieben haben, ist eine ganze Scherbenkiste voll gebrochener kleinerer und größerer Ehrenworte. Am I. April 1910 sollte die Witwenvcrsicherung in Kraft treten. Wu'rde nicht gehalten. Im Flottengesetz sagt ein Para- graph, daß neue Mittel nicht geschöpft werden dürfen auS Massen- konsumartikeln: Nicht gehalten. Es kam die neue Finanzreform, die notwendig geworden ist infolge der großen Ausgaben für den Militarismus; sie hat das Volk in schlimm- st er Weise belastet; nirgends Versprechungen, die Sie ge- halten haben. In der Budgetkommission hat ein Vertreter- des Kriegsministers in dessen Gegenwart gesagt, daß das Tempel- hofer Feld nicht verkauft werden würde, ohne Befragung des Reichstages. Auch dieses Versprechen hat man nickt gehalten. (Hörtl hört! links.) Und die Novemberverheißung von 1008, über die wir neulich hier debattiert haben, und von der es jetzt heißt, es seien uns gar keine Versprechungen gegeben worden! So ist es mit all diesen Versprechungen: Porzellanscherben aus der Königlichen Porzellanmanufaktur (Stürmische Heiterkeit; großer Beifall links), die alle geschmückt sind mit dem edlen preußischen Wappen. Alles zerbrochen, ganz geblieben sind nur noch die preußischen Krallen und der große preußische Schnabel.(Erneute Heiterkeit links.) Graben wir in dieser Scherbenkiste weiter, dann gewinnen wir die Ueberzeugung. daß da Vandalen oder BonnerBorussen gehaust haben müssen.(Große Heiterkeit.) Was ist aus dem Wablreformder- sprechen vom 20. November 1908 geworden. Aus der Wahlreform des Reichskanzlers, der leider nicht hier ist, aus dieser� großen Wohlreformkomödie des Herrn von Bethmann Hollweg , wie elend ist sie zertrümmert. Uebrigens ein Gutes hatte sie doch, wenn sie auch keinen Menschen, der es mit dem Volke ehrl-ck meint, be- friedigen konnte: Den Schluß. Denn als die unwürdige Komödie zum Sckluß kam. ging eine Erleichterung durch das ganze deutsche Volk. Man muß lange suchen nack einem Beispiel so ausgesuchter politischer Perfidie und kläglicher Unfähigkeit. Vizepräsident Schulz: Ich kann nicht zulassen, daß über dt« preußische Wahlrechtsvorlage in dieser Weise gesprochen wird.(Un- ruhe links. Ein Ruf: Nanu!) Mg. Schcideman»!(forisah» end): Ich kann dem Präsidenten natürlich nickt widersprechen; aber die Wohlreformvorlage ist ja gar nickt Gesetz geworden, und sie zu bezeichnen als ein Ding, das auf dem Schindanger verscharrt worden ist(Stürmisch« Zustimmung links), das wird man doch wohl noch dürfen!(Sehr gut! links.) Diese Schmach ist eingetragen in die deutsche Geschichte, und diejenigen, die sich damals daS Brandmal geholt haben, werden es nie mehr los!(Beifall links.) Was das Zentrum gemeinsam mit den preußischen Junkern getan hat, um die Wahlreform zu verhindern, das soll Ihnen unver- gessen und unVerziehen bleiben, ebenso wie das, was Sie hier in Gemeinschaft mit den preußischen Junkern bei der Finanz- reform getan haben, wie Sie jeden Fortschritt hindern, wie Sie dem persönlichen Regiment, dem 1008 der Weg etwas verrammelt schien, alle Wege wieder ebnen I Heute sind nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern auch der ganze Liberalismus vollständig ausgeschlossen von der Re- gierung, und die Liberalen, die früher im Block so schön mit Ihnen zusammengearbeitet haben, sind direkt in die Opposition gedrängt. Sie sollten sich auch gar keinem Zweifel darüber hingeben, daß sie oben vollständig fertig sind. Wer noch Zweifel gehabt hat, der wird wohl am 26. November gründlich davon befreit worden sein. Nichts Sck)limmereS kann Ihnen passieren, meine Herren Liberalen. als daß Sie sich die Gunst auch nach unten hin ver- scherzen, wie beispielsweise, wenn Sie auS bvzantinischen Rück­sichten die Zivilliste bewilligen.(Sehr richtig! links.) Wollen Sie. die an Zungenfertigkeit und Verstellung mit dem Zentrum doch auf keine Weise konkurrieren können, es sich auch nach unten hin völlig verderben? Wenn Sie(zu den Liberalen) kämpfen wollen, und es scheint, daß Sie kämpfen müssen, dann möchte ich Sie aufmerksam machen, daß Ihre Stärke in der Schwäche der Gegner liegt, und daß wir uns von dem schwarzbla-uen Block be- freien können nur, wenn alle außer ihm und gegen ihn stehenden Menschen in einheitlicher Taktik, in einheitlichem Kampf gemeinsam vorgehen!(Lebhafter Beifall links; Bewegung.) Die beste Antwort darauf gibt ein Blick aus die Wählerstatistik und auf die Landkarte. Von 11 Z4 Millionen Wählern stehen 4)4 Millionen hinter dem schwarzblauen Block und 6)4 Millionen liberaler und sozialdemokratischer Wähler sind von'der Mehrheitsbilduug ausgeschlossen. Können die Herren etwa, was ihr an Quantität abgeht, durch Qualität ersetzen? (Große Heiterkeit.) Sicherlich, wed«r durch die Leute, die damals gewählt sind, noch durch die Wähler, die hinter ihnen stehen. Ich will nichts Böses über sie sagen, aber Leute, die nicht Sozialdemo- traten sind, bezeichnen die Kreise, die sie vertreten, als zurück­geblieben, und sind denn die Wähler von Stallupönen und ähnlichen Kreisen neunmal gescheiter als die der Großstädte? DaS werden Sie ja selbst nicht behaupten. Außerhalb des schwarz- blauen Blockes steht die ganze industrielle Bevölkerung, auch die gesamte Intelligenz.(Widerspruch rechts.) Eine Umfrage bei den K ü n st l e r n und den Vertretern der Wissenschaft würde ergeben, daß mindestens neun Zehntel bc» schwarzblauen Block verfluche» und den Tag ersehnen, wo dies Gebilde in Trümmer geht.'(Leb- hafte Zustimmung links; Widerspruch rechts.) Der schwarzblaue Block ist ein Gebilde auf tönernen Füßen. Durch politische Eni- schluhkraft der Wähler wird er bei den nächsten Wahlen zer- trümmert werden.(Widerspruch rechts und im Zentrum.) Die Nachwahlen zeigen ja, wie man draußen über Ihre Politik urteilt. Was wir Sozialdemokraten tun können, um die Möglich- keit der Zertrümmerung des schwarzblauen Blocks zur Wirklichkeit zu machen, das werden wir tun.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten; Unruhe rechts.) Ich will das hier feststellen. damit die Wähler, wenn etwa das große, schöne, erstrebenswerte Ereignis nicht zur Wirklichkeit werden sollte, wissen, wer die Ver» antwortung dafür trägt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- traten.) Wir machen uns keine Illusionen über die Liberalen, und sie können uns gar nicht enttäuschen. Was wir als politische Notwendigkeit erkannt haben, werden wir unter allen Umständen tun, uns zu Liebe, jenen zu Leide. Wir suchen keine Bundesgenossen» und wir wollen auch keinen Block von Bassermann bis Bebel. Wir gehen unsere Wege, und wer un» Aur Seite tritt, soll uns als Kamerad wiltkyNmev sejn«