6ewerf?fcbaftUcbee. Rüttcnarbeitcrfcbutz. Die Verwaltungsstelle Bochum des Metallar?eiter-Ver- Kandes hat im Auftrage einer großen Versammlung von Ar- beitern des„Bochumer Vereins " eine Eingabe an den Reichs- tag gerichtet, in der der Reichstag ersucht wird, den schon vor Jahren geforderten Schutz für Hüttenarbeiter in Angriff zu nehmen. Es wird sowohl der Schutz gegen Unfallgefahren, wie auch gegen Gesundheitsgefahren gefordert. Erneuten An- laß zu dieser Forderung gab das entsetzliche Unglück in der Stahlgießerei des 7000 Arbeiter beschäftigenden„Bochumer Vereins " am 10. Dezember, wobei, so heißt es in der Eingabe, während des Gießens das Gehänge einer Gießpfanne zerriß. Diese stürzte, und ihr glühend flüssiger Inhalt verbrannte vier Arbeiter in gräßlicher Weise. Drei wurden förmlich über- schüttet mit dem glühenden Fluß, versanken in ihm und starben sofort. Der vierte Arbeiter vermochte sich, brennend, noch etwas beiseite zu flüchten, erlag aber auch den erhaltenen fürchterlichen Brandwunden. Diese Katastrophe hat begreif- licherweise eine große Erregung in der Arbeiterschaft wachge- rufen, zumal in dem Betrieb schon früher schwere Unfälle vor- gekommen sind. Wie von Fachleuten versichert wird, hätte das Unglück der- hindert werden können, wenn: erstens das Gehänge von Zeit zu Zeit ausgeglüht worden wäre, um das Material elastischer zu erhalten. Die Bruchstelle zeigte die charakteristischen Merk- male hoher Sprödigkeit des Materials! Auf anderen, ähn- lichen Werken wird die Manipulation des zeitweiligen Aus- glühens der regelmäßig benutzten Gehänge, Ketten, Haken, Zangen usw. tatsächlich geübt. In dem fraglichen Betrieb des Bochumer Gußstahlwerks soll es auch geschehen sein— aber erst nach dem großen Unglück! Der Raum in der Gießerei sei so beschränkt, daß die Ar- heiter über das Material stolpern. Das Jagen, Hasten uni Antreiben sei so unvernünftig, daß Unglücksfälle nicht aus- bleiben könnte». Ueber die Arbeitszeit wird in der Eingabe gesagt, daß sie in der Regel noch eine zwölfstündige sei. Aus dem Berichte des Gewerbcinspektors gehe hervor, daß die weitaus meisten Feuerbetriebsarbeiter in der Großeisenindustrie genötigt seien, regelmäßige Schichten von 12 und 13 Stunden zu machen. 45,7 Proz. der fraglichen Arbeiter machen obendrein noch Ueberzeitarbeit! Ein Fall wird verzeichnet, wo der betreffende Arbeiter sogar eine 27stündige Schicht absolvierte! Wohl hat die Bundesratsverordnung voni 19. Dezember 1908 für die Großeiseuindustrie gewisse Pausen vorgeschrieben, aber auch aus dem Bericht des Gewerbeinsvektors ist zu entnehmen, daß die Werksleiter selbst Arbeitsunterbrechungen von 10 Minuten an als„Pausen" in Anrechnung bringen. Daß hierdurch der Zweck der Bundesratsverordnung, nämlich den Arbeitern regelmäßige Ruhezeiten innerhalb der Schicht zu verschaffen, illusorisch gemacht sei, bedürfe keiner Erläuterung. Weiter klagt die Eingabe über die v ö l l i g u n z u l ä n g- liche Betriebskontrolle der Gewerbeinspek- t i o n s b e a m t e n. Es wird zahlenmäßig bewiesen, daß die Unfälle in den Hüttenbetrieben von keiner Berufsgruppe, nicht einmal im Bergbau, erreicht würden. Die amtierenden Ge- werbeaufsichtsbeamten seien laut eigenem Eingeständnis wegen Arbeitsüberhäufung nicht in der Lage, die Betriebe einer so eingehenden Kontrolle zu unterziehen, als mit Rücksicht au die übliche Produktionsmethode nötig sei. Der Arnsberger Berichterstatter teilte mit, daß 1909 nur 4897(52 Proz.) der zu inspizierenden Anlagen mit 189 694(84 Proz.) Arbeitern besucht worden seien. Revidiert sei überhaupt 8231 mal, gegen 8429 mal in 1908: also ginge die Revisionstätigkeit noch zu- rück! Jeder Betrieb wurde im Jahre nur 1— 2mal besucht Infolgedessen sei leicht erklärlich, warum zahlreiche Hütten- und Walzwerksarbeiter jahrelang keinen Gewerbeinspektor an ihrer Arbeitsstelle sähen! Es sei ihnen also keine Möglich- keit gegeben, den Revisionsbeamten an Ort und Stelle von dem Vorhandensein lebensgefährlicher Betriebsmißstände zu unterrichten. Sie wuchern weiter und zerstören Gesundheit und Leben der Arbeiter. So sei zu konstatieren, daß in den Jahren 1908 und 1909 bis zur Fertigstellung am 9. Mai 1909 eines Hochofens auf der H e i n r i ch s h ü t t e i n H a t t i n- gen vierzeh nArbeiterzuTo dekamen. Die letzten vier erstickten infolge einer Gasentweichung, die sich hätte ver- hüten lassen können, wenn eine strenge Betriebskontrolle statt- fand. Kaum eine Woche vergeht ohne schwere Hüttenwerks- Unfälle. Beispielsweise wurde am 23. Dezember 1910 auf den Westfälischen Stahlwerken in Bochum ein Reparaturschlosser unter einem Walzen-Blocktisch förmlich erdrückt! Am 27. De- zember 1910 wurde auf demselben Werk ein Vorarbeiter in einem Sammelloch für Drehspäne usw. tätlich zerquetscht! Beinbrüche, Armquetschungen. Verbrennungen usw. kommen auf den großen Eisenwerken alltäglich vor: eine gesetzliche Ver- kürzung der Arbeitszeit auf zunächst 10 und für Feuerbetriebs- arbeiter auf 8 Stunden würden neben der Verschärfung der Betriebskontrolle zweifellos Besserung schaffen. Ein anderer Uebelstand, die Unsicherheit der Entlohnung, trüge ebenfalls zu der Drangsalierung der Hütten- und Walzwerksarbeiter bei. In der Regel wisse keiner, für welchen Lohn er arbeitet, darüber werde bei der Arbeits - annähme nichts gesagt. Aber auch die Arbeiter, die lange auf dem Werk � schaffen und im sogenannten„Akkord" bezahlt werden, wissen selten vor dem Lohntag, was sie verdient haben. Wieviel ihnen pro 1000 Kilo Guß oder pro Stück an Akkord- lohn verrechnet werde, das wissen diese Arbeiter nicht. Es werde mit ihnen kein regelrechter Akkord vereinbart, sie be- kämen keinen schriftlichen Vertrag für den abgeschlossenen Akkord und daraus entständen fortwährend Differenzen. Es sei dringend zu wünschen, daß die Gesetzgebung hier regelnd eingreife, damit der Willkür ein Riegel vorgeschoben würde. Wegen des Gesundheitsschutzes sagt die Eingabe weiter: In den meisten Fällen ist für den Schutz der Arbeiter gegen den quälenden Rauch, gegen Wind und Wetter keine oder nur mangelhafte Vorsorge getroffen. Hier und da sind in den letzten Jahren geschützte Aufenthaltsräume für die pausieren- den Arbeiter hergerichtet worden, wo sie ihre Speisen zu sich nehmen, sich waschen und baden. Aber fast alle diese Ein- richtungen sind durchaus unzulänglich, viel zu klein oder so gelegen, daß die Arbeiter sie nicht benutzen können. Es ist zuzugeben, daß viele Arbeiter die Notwendigkeit und Wohl- tat eines regelmäßigen Gebrauchs der Badeeinrichtungen noch nicht erkannt haben, sie darum nicht benutzen. Aber man würde mit einer entsprechenden Belehrung auf diese Arbeiter um so besser einwirken können, wenn ihnen die Benutzung der sanitären Einrichtungen leichter gemacht würde. Heute müssen sie unter Umständen stundenlang auf den Zutritt zu den Reini- gungsanstalten warten, weil sie viel zu klein sind. Es liegt aber durchaus im Interesse der Industrie, daß. sie Einrichtun- pen schafft, die es in ausreichender Weise dem Arbeiter er- verantw. Neda».: Richard Barth , Berlin . Lnseratenteil verantw.: mögliches, seinen Körper zu pflegen, Samik er widerstandsfähiger gegen die gesundheitsschädlichen Einflüsse des Be- triebes wird. Dadurch würde ein Herabgehen der sehr hohen Krankenziffern unter den Hütten- und Walzwerksarbeitern bewirkt und der Industrie eine leistungsfähige Arbeiterschaft erhalten werden._ Berlin und Umgegend. Achtung, Mützenmacher! Bei der Firma S. Gärtner u. Co., Markusstr. 60, sind samt- liche Arbeiter in den Streik eingetreten, weil die Firma von den Garniererinnen den Austritt resp. die Nichtzugehörigkeit zum Deutschen Kürschnerverband verlangt. Die Werlstatt ist gesperrt, Zuzug ist fernzuhalten. Deutscher Kürs-dnerverband, Filiale Berlin . Deutsches Reich . Die Christen hinken nach. Der Christliche Gewerkverein sieht sich nun auch genötigt, den drei in der Lohnfroge zusammengehenden Verbänden nachzuhinken. Er läßt durch die Arbeiterausschutzmitglieder an die Zechen- Verwaltungen ein Schreiben richten, worin die Bitte ausgesprochen wird,„baldmöglichst eine den Verhältnissen entsprechende Auf- besierung der Löhne der Arbeiter unter und über Tage bor- zunehmen". Dieser Schritt erfolgt sicherlich nicht von ungefähr. Jedenfalls haben die christlichen Kumpels gegen die Haltung ihrer Leitung in der Lohnstage protestiert._ Achtung, Tabakarbeiter 1 Ueber die Filialen der Firma Böhlen u. Wichardt(Sitz Herford i. Wests.) in Oetinghausen und L i p p i n g- hausen wurde wegen Differenzen und Matzregelung die Sperre verhängt. Zuzug ist fernzuhalten. Achtung, Metallarbeiter und Holzarbeiter! In der Maschinen- fabrik, Eisengießerei und Mühlenbauanstalt N i e b a u m u. Gutenberg, Herford i. Wests, bestehen seit 4 Monaten Differenzen. Die Arbeiter streiken, weil die Firma die schlechten Lohnverhältn'isse nicht aufbessern will. Von der Firma wurden 102 Arbeiter auf die schwarze Liste gesetzt. Wiederholte VerHand- lungen sind an der Hartnäckigkeit der Firma gescheitert. Seit Freitag, den 6. Januar, beschäftigt die Firma 32 Berufsstreik- brecher, vermittelt durch den Streikbrecheragenten Färber aus Barmen. Metallarbeiter und Holzarbeiter aller Branchen wollen Herford meiden._ Zur Lohnbewegung der Rohglasschleifer in der Oberpfalz . Am 1. Januar sollte die Arbeitseinstellung erfolgen, denn es waren der Arbeiterschaft bis zu diesem Termin nicht die geringsten Zugeständnisse gemacht. Erst in den letzten Tagen erklärten sich die Unternehmer zu Verhandlungen bereit und diese fanden am 2. Januar in Regensburg statt. Die Unternehmer hatten neun Herren zur Verhandlung entsandt, während vom Verbände der.Glasarbeiter und dem Verbände christlicher Kcramearbeiter 17 Personen anwesend waren. Bei der ganzen Verhandlung stellte sich dann bald heraus, daß der von den Unternehmern gestellte Vorsitzende den Standpunkt der Industriellen in der reaktionärsten Weise vertreten wollte; seine Erklärungen gipfelten in den kurzen Worten: wir können nichts bewilligen. Die Einführung der lüstündigen Arbeitszeit für die Schleifer und Polierer wurde vom Vorsitzenden als undiskutabel bezeichnet. Die Herren erklärten, daß während der Arbeitszeit sich Gelegenheit zum Ausruhen biete, und wenn die Arbeiter sich gegenseitig verständigten, könnte jeder Arbeiter kurze Zeit ruhen. Es genierte die Herren nicht, daß der Arbeiter auch während der Ruhezeit den Betrieb nicht verlassen kann. Der von den Vertretern der Arbeiter gestellten Forderung, daß am Sonnabend und an den Vorabenden aller gesetzlichen Feiertage die Arbeit abends 6 Uhr eingestellt werden mutz und bis zum Montag früh 6 Uhr zu ruhen hat, so datz eine 36stündige Ruhepause eintreten mutz, setzten die Unternehmer gleichfalls ein entschiedenes Undurchführbar entgegen. Erst als der Vertreter des Verbandes, Genosse G i r b i g, in ganz entschiedener Weise betonte, datz dann alle Verhandlungen zwecklos wären, weil die Arbeiter niemals von dieser Forderung Abstand nehmen würden, erklärten die Unternehmer, datz sie dann bereit wären, mit den übrigen Industriellen in Fürth Rücksprache zu nehmen, und datz auch diese Herren vielleicht bereit wären, die Forderung anzu- erkennen. Also nicht einmal diese so überaus geringen Wünsche konnten durch eine definitive Erklärung der Industriellen erledigt werden. Noch besser kam es aber bei den Lohnforderungen. Alle fach- lichen Begründungen prallten wirkungslos an dem Verhalten der Unternehmervertreter ab mit dem Hinweis, datz damit der Ruin der Industrie herbeigeführt werde. Sie verwiesen darauf, datz sie schon jetzt Feiergelder zahlen, wenn die Betriebe still gelegt werden. Es würden solche Feier- gelder in keinem zweiten Industriezweig gezahlt. Mit vollem Rechte wurde von den Vertretern der Arbeiter darauf hingewiesen, datz die Industriellen diese Feiergelder nur der Not gehorchend zahlen, denn, würden die Arbeiter diese Entschädigung nicht bekommen. dann müßten sie die Oberpfalz verlassen und sich anderen Industrie- zweigen zuwenden. Sie würden dann sicher in ihre frühere traurige Betriebsstätte nicht mehr zurückkehren. Die Unternehmer begründen ihren ablehnenden Standpunkt 'erner damit, datz der Lohn für die Doussiererinnen zu hoch wäre; wenn sie den Arbeitern Lohnerhöhungen hewilligen würden, müßten sie den Lohn der Doussiererinnen herabsetzen. Die Doussiererin sei aber die Frau des Schleifers und indirekt träte durch die Arbeit der Frau auch eine Erhöhung des Lohnes für den Arbeiter ein.— Datz die Heizung der Werke auf Kosten des Unternehmers geschehen müßte, sollte man für ganz selbstverständlich ansehen; aber die Herren Millionäre von Fürth vertreten auch in diesem Falle eine ganz andere Anschauung. Die Arbeiter haben die Heizung selbst vorzunehmen. Die Unternehmer erklärten sich schließlich bereit, eine monatliche Vergütung von 3,50 M. dafür zu zahlen, womit die Arbeiter einverstanden sind. Nach nahezu fünfstündiger Verhandlung waren die so überaus geringen Forderungen der Arbeiter von den Industriellen fast in allen Punkten abgelehnt. Die Unternehmer verlangten den Ab- chlutz eines Tarifes auf die Dauer von 5 Jahren. Die Konferenz einigte sich schließlich dahin, datz die Arbeiter nochmals in eine Beratung und Festsetzung der gesamten Forde- rungen eintreten möchten, die dann festgesetzten Forderungen der Arbeiter sollten gewissermaßen als Ultimatum gelten. Dies ge- schah dann auch und legten die Arbeiter folgendes fest: „Eine Lohnerhöhung von 10 Proz. Für Apparatschleifer einen Mindestsatzlohn von 6 M., außerdem eine Teuerungszulage von 50 Pf. pro Satz zu den bisher bereits gezahlten 30 Pf. Auf allen Schleif - und Polierwerken hat eine wöchentliche Ruhezeit von 36 Stunden einzutreten, und zwar vom Sonnabend abend 6 Uhr bis Montag früh 6 Uhr. Lohnzahlungen habe alle 14 Tage am Sonnabend stattzufinden. Mit der Entschädigung für Beheizung und Beleuchtung von 3,50 M. pro Monat für die 6 Wintermonate erklären sich die Arbeiter einverstanden. Für Abeisen der Wasser- räder und für alle Reparaturarbeiten sollen 50 Pf. po Stunde ihlt werden. Die Feiergelder werden unter Zugrundelegung bisher gezahlten Entschädigung um 1 M. pro Woche und Person erhöht. Der Tarif gilt für zwei Jahre. Räch Wiederaufnahme der Verhandlungen begründete G i r b t g die Forderungen. Die Herren waren geradezu empört über diese Forderungen und erklärten, daß jede weitere Beratung völlig über- ssüssig sei. Darauf verließen die Unternehmer das Sitzungs- z immer._ Th. Glocke. Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. v. Verlagsanstalt > Die bayrische Regierung soll als Vermittler eingreifen. Der Gauleiter des Glasarbeiterverbandes hat sich am 3. Januar an die Regierung gewandt und deren Vermittelung nachgesucht. Gelingt es nicht, eine Verständigung herbeizuführen, dann ist ein Kampf in der Glasindustrie in der Oberpfalz unvermeidlich. Und wenn die Unternehmer fortgesetzt erklären, die Industrie vertrage eine Erhöhung des Lohnes der Arbeiter nicht, dann werden sie sich damit befreunden müssen, datz der Industrie ein langer Kampf mit den Arbeitern bevorsteht. Husland. Der Stand des belgischen Bergarbeiterstreiks. Die wahren Streikursachen. Unser belgischer Berichterstatter meldet uns unter dem 10. Januar: Die UnVersöhnlichkeit der Grubenunternehmer im Verein mit der Wirkung, die die blutigen Vorfälle in Seraing hervorgebracht haben— eines der Opfer, die in die Schläfe getroffene Frau, ist gestern g e st o r b e n— bat bewirkt, datz sich immer mehr Berg- arbeiter dem Streik anschließen. Nach deni Anschluß der Gruben- arbeiter von Herve und der in Lüttich und Seraing neu Hinzu- gekommenen, ergibt sich, nach einer heutigen Schätzung des.Soir", eine Summe von 21 000 Streikenden. Trotz dieser Masse Streikender ist es bisher— mit Ausnahme der eben in Seraing von der Gendarmerie provozierten— zu keinerlei «Störungen der Ruhe" gekommen, was_ nicht hindert, daß immer neue Gendarmerieverstärkungen ins Streiklager abgehen. Gestern ist wieder ein Teil der in Tervueren bei Brüssel gelegenen Gendarmeriebrigade im Lüllicher Bassin eingerückt. Montag versainmelte sich in Charleroi das Landes« komitee der Bergarbeiter, um zum Streik Stellung zu nehmen. Die von ihm angenommene Tagesordnung stellt in Prä- ziser Weise die Streikursachen fest. Sie führt als solche an: Das anläßlich des neuen Berggesetzes in die Grubenordnung ein- geführte unerhörte S t r a f s y st e m; die Neueinrichtung, daß zu stellvertretender schwerer Arbeit alle Arbeiter verwendet werden sollen; die Weigerung der Unternehmer, die er- wordenen Rechte der Bergarbeiter bezüglich der Arbeitszeit anzuerkennen sowie zur Verwaltung der durch die Strafgelder gespeisten Hilfskassen Arbeiter zuzu- ziehen und die Reduzierung der für die Mahlzeiten fest- gesetzten Ruhepausen. Das Komitee stellt ferner fest, daß die Unternehmer alle Einigungsversuche abgelehnt und danüt die Arbeiter in den Streik getrieben haben. Das Komitee bestätigt die Haltung der Lütticher Föderation— deren Kundgebung wir bereits mitgeteilt haben— und verspricht, den Streik mit allen Kräften zu unterstützen. Gleichzeitig ergeht an alle regionalen Föderationen da» Ersuchen, sich vorher zu versammeln, um die materielle Unterstützung der Stellenden anzubahnen. G Lüttich, 12. Januar. Heute mittag fand hier eine große Kund- gebung von etwa 40 000 ausständigen Bergarbeitern statt, die mit Frauen und Kindern aus den Ortschaften deS Kohlenreviers herbei- geströmt waren und sich vor dem Volkshause versammelten, wo einige Deputierte Ansprachen hielten. Die Kundgebung ist stiedlich verlaufen._ Hetzte ffocbrichten. Die Wahle» zum finnischen Landtag. Helsingfors , 12. Januar. (W. T. B.) In den finntscheu Landtag sind gewählt: 87 Sozialdemokraten, 42 Altfinnen, 28 Jungflnncn, 26 Schweden , 16 Agrarier, 1 Vertreter der christlichen Arbeiterpartei. Das Stärkeverhältnis der Parteien ist � dasselbe wie nach den� vorhergehenden Wahlen, nur haben die Sozialdemokraten einen Sitz auf Kosten der Agrarier gewonnen._ Ans der französischen Deputiertenkammer. Paris , 12. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputiertenkammer wies Deschanel als Berichterstatter in der Generaldiskussion über das Budget des Ministeriums deS Aeutzern auf die Notwendigkeit hin, daß Frank- reich seine Bündnisse und Ententen verstärke, um Ueberraschungen vorzubeugen, die Zersplitterung der Kräfte zu vermeiden, die noch schwer auf Europa laste. Andererseits müsse Frankreich seine Land- und Seestreitkräfte weiter ausbauen, um sich die Rolle zu sichern, auf die fünfzehn Jahrhunderte der Arbeit. der Tapferkeit und des Ruhmes ihm ein Anrecht gäben. Abel Ferry sprach sein Bedauern aus, datz Frankreich sich die In- struktion der türkischen Truppen habe entgehen lassen. Redner äutzerte die Befürchtung, datz man unrecht getan habe, auf die türtische Anleihe zu verzichten wegen einer Frage des Rechnungs- Wesens. Im Interesse der Türkei liege es, sich mit Frankreich zu verständigen. LucienHubert führte aus: Die Kaiserbegegnung in PotS- dam ist ein Zeichen dafür, datz Deutschland die Führung des Drei- bundes, der sich seit 1904 zu lockern schien, wieder aufgenommen hat. indem es Oesterreich zeigte, wie dessen Haltung auf dem Balkan sein müsse, während die italienischen Blätter die Ge» fühlspolitik in charakteristischen Ausdrücken mißbillig- t e n. Die Tripleentente ist ein wenig desorganisiert. Der Tod deö Königs Eduards VII. hat ihr einen fatalen Schlag versetzt. (Widerspruch.) Minister Pichon bemerkte unter anderem: Was die im Deut- scheu Reichstag vom Reichskanzler über die Potsdamer Zusammen- kunft abgegebenen Erklärungen anlangt, so habe Frankreich keiner- lei Ursache, sich über die deutsch -russische Abmachung zu beunruhigen. Frankreich habe eben gegen niemanden irgendwelche aggressive Ge- danken, und die Erhaltung des ztstus quo aus dem Balkan und im Orient sei eine der Grundsätze der französischen Politik, und was die Vereinbarung über Persien betreffe, so sei auch damit erfreu- licherweise nur eine Ursache der Unruhe und der Sckwierigkeiten aus der Welt verschwunden. Selbstmord eines Soldaten. Göttingen , 12. Januar. (B. H. ) Heute vormittag hat sich der bei der 9. Kompagnie des 82. Jnfanterie-Regiments im ersten Jahre dienende Musketier Friedrich aus Weitzenhausen auf einem Feldwege mit seinem Dieustgewehr erschossen. Das nene Kabinett in Chile . Santiago (Chile ). 12. Januar. (W. T. B.) Heute ist folgendes neue Kabinett gebildet worden:RafaelOrrego JnnereS, Enrique Rodriguez Auswärtiges. Anibal Letelier Justiz und Unterricht, Roberto Sanchez Finanzen, R a m o n Leon Lueo Krieg und Marine, Javier Gandarillas Oeffentliche Arbeiten._ Erplofiou auf einem Schlachtschiff. Pola, 12. Januar. (W. T. B.) Beim Revidieren von Zehnzentimeter-Geschotzzündern für daS Schlachtschiff„Radetzky" ist heute ein Zünder explodiert, wobei ein Militärarbeiter getötet wurde, der mit dem Zünder hantierte. Weitere Ausbreitung der Pest. Peking , 12. Januar. (W. T. B.) In der Mandschurei breitet sich die Pest immer mehr aus und fordert zahlreiche Opfer. Namentlich die L u n g« n p e st tritt in der bösartigsten Form auf, Zahlreiche ausländische Aerzte leisten Hilfe. Paul Singer& Co., Berlin SW. Hierzu 3 Beilage»«.Unterhaltungsbl.
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