beS Volkes pgchuEet d-r verfaulken Monarchie in den kapitalistischen Großstaaten hat die Bourgeoisie schon längst jede revolutionäre Haltung aus Furcht vor der Arbeiter- klassö aufgegeben—, erklärt aber zugleich auch, daß die Ar- bciterforderungcn bei einem Teil der Bevölkerung selbst auf Widerstand stoßen. Zugleich beobachtet die gesamte deutsche und ausländische kapitalistische Presse diese Klassen- kämpfe Portugals mit größter Aufmerksamkeit und mit Leidenschaft fällt sie ihr Verdaminungsurteil über die Streikenden, die in diese schöne, musterhafte bürgerliche Re- volution den Mißklang ihrer Lohnansprüche hineingetragen haben. Tic streikenden Eisenbahner haben in muster- hafter Ordnung ihren Streik geführt. Keine einzige Ge- walttat kann ihnen nachgesagt werden und sie haben sogar jeden Sympathiestreik abgelehnt. Daß es zu Zwischenfällen und Zusammenstößen gekommen ist, ist nicht ihre Schuld. Nicht sie waren es, sondern ihre Gegner, die an die Gewalt appelliert haben. Um so mehr zu begrüßen ist es. daß ihrer Festigkeit und Besonnenheit schließlich der Erfolg beschieden ist. Aber die sozialen Kämpfe dauern fort. Die Metall- o r b c i t e r streiten fort, der Gasarbeiter st reik scheint einen Teil der Bevölkerung noch mehr gegen die Streikenden aufgebracht zu haben und die Regierung wagt es zum Teil aus Furcht vor dem Ausland— das Kapital ist meistens in ausländischem Besitz— nicht, mit der nötigen Entschiedenheit für die bescheidenen Forderungen der Ar- bciter einzutreten. Der Kampf um den Bahnhof. Lissabon , 14. Januar. Die Bevölkerung, erbittert über den Ausstand der Eisenbahner, ist in den Hauptbahnhof am Rocioplatz eingedrungen, um das Abgehen von Zügen zu erzwingen. Die Ausständigen haben sich im Bahnhof v e r- barrikadiert. Die Gasanstalten, deren Arbeiter sich im Ausstand be- finden, werden von starken Kavallerie- und Infanterie- abteilungen bewacht. Die Elektrizitätsarbeiter der öffentlichen Bcleuchtungsanlangen sind ebenfalls in den A u S- ftan d getreten. Der Dienst der streikenden GaSarbeiter wird von Feuerwehrleuten versehen. Trupps von ausständigen Metallarbeitern machen vergebliche Versuche, die Weber zu sich herüberzuziehen. Der Angriff abgeschlagen, Lissabon , 14. Januar. Tie im Hauptbahnhof verbarrikadierten Eisenbahner haben ihre Gegner aus der Bevölkerung, die den Ab- gang der Züge erzwingen wollten, genötigt, sich z u r ü ck z u- ziehen, anscheinend, ohne- daß jemand zu Schaden gekommen ist. Auch im Süden des Landes hat die Bevölkerung ihrem Un- willen über den Eisenbahnerausstand demonstrativ Ausdruck ge- geben. Von verschiedenen Körperschaften sind Kundgebungen in bezug auf die AuSstandsbewcgung erfolgt. So haben die republikanischen Vereine das Volk aufgefordert, den Streik im Interesse der Republik nicht zu unterstützen. Zwischen den ausständigen Eisenbahnern ist es bei Versammlungen, die von ihnen abgehalten lourden, verschiedentlich zu kleinen Konflikten ge- kommen. Ter Zivilgouverneur fordert in einem Erlaß die Bevölkerung auf, den Gasverbrauch einzuschränken, da die streikenden Gasarbeiter einen Gasometer beschädigt hätten. Am Dienstag werde die Lage wieder normal sein. Sieg der Eisenbahner. Lissabon , 15. Januar. Der Vermittclung der Regierung ist es gelungen, die Gesellschaften zu Zugeständnissen zu bewegen, die von den Eisenbahnern akzeptiert wurden. Die Zu- geständnisse sind folgende: Die niederen Lohnklassen erhalten eine tägliche Zulage von 100 Reis(0,46 M.); allen Angestellten wird ein jährlicher Urlaub von 20 Tagen gewährt, während dessen das volle Gehalt gezahlt wird; die Arbeitszeit in den Werkstätten wird auf neun Stunden festgesetzt; die Pensionsverhältniffe sollen neu geregelt werden; sämtlichen Angestellten werden jähr- liche Freikarten geliefert, und die Streiktage sollen als Urlaubstage angesehen und bezahlt werden. Der Streik ist damit beendet. Die Züge verkehren zum größten Teil wieder normal. Der Gasarbeiterstreik. Lissabon , 15. Januar. Die ausständigen Gasarbeiter haben Gasometer und Gasleitungen beschädigt. Die Repa- raturen werden bis Montag dauern. Die Truppen gingen teil- weise mit dem Gewehrkolben gegen die AuSstän- d i g e n vor. Ernstere Verletzungen scheinen nicht vorgekommen zu sein. Um 4 Uhr morgens wurde festgestellt, daß der GaSvorrat infolge Entweichen? des Gases erschöpft war. Die Streikenden beschädigten 23 Lesen in der Gasanstalt in Belem. Die Truppen werden schwierig. Paris , 15. Januar. Der„Agence HavaL" wird aus Madrid berichtet:„Jmparcial" meldet, in Portugal seien die Reser- v i st e n einberufen worden, sie weigerten sich aber, dem Ge- stcllungsbefehl Folge zu leisten. Die Behörden von Campo Major hätten dringend um Entsendung von zwei Bataillonen ersucht, zu welchem Zweck sei unbekannt; doch habe die Regierung dies ab- gelehnt mit dem Bemerken, sie verfüge nicht über eine hinreichende Zahl von Truppen. Für die Regierung. Lissabon , 15. Januar. Heute zogen Freiwilligen- Bataillone, die sich nach der Proklamierung der Republik gebildet hatten, in Begleitung mehrerer tausend Personen und mit Musikkapellen bor die einzelnen Ministerien, um der proviso- rischen Regierung eine Sympathiekundgebung darzubringen. Ein Attentat? Lissabon , 16. Januar. Der Eisenbahutuimcl von Chella ist durch die Erplosion einer Bombe beschädigt worden. Die Züge auf der Lissaboner Gürtelbahn müssen infolgedessen um- geleitet werden. Eine Gasexplosiotl. Lissabon , 10. Januar. Durch Sabotage der streikenden Gas- arbeiter war Was in die Kanalisationsröhren gedrungen, wo es durch die Laternen dreier Männer, dm Ratten fingen, unterhalb des Bahnhofs und des Hotels der Avenida da Liberdade zur Explosion gebracht wurde. Die drei Männer wurden schwer verbrannt, die Gebäude rn der Nähe der Explosionsstelle beschädigt. Die starke Detonation hat im Mittel- Punkt der Stadt eine lebhaste Panik hervorgerufen» poUtiCche Ocberlicbt, Berlin , den 16. Januar 1911. Wertzuwachssteuer. Aus dem Reichstag , 16. Januar. Einer dreimaligen Lesung hat es bedurft, um das Reichswertzuwachssteuergesetz durch die Kommission zu bringen. Durch diese dreifache Siebung hat es die maßgebende agrarische Mehrheit denn glücklich fertig gebracht, den Gesetzentwurf völlig ini agrarischen Interesse umzumodeln. Wie die Fassung gegenwärtig lautet, würden fast nur die städtischen Interessenten von der Steuer erfaßt werden, die Agrarier hätten die Gelegenheit, sich da- von zu drücken. Dabei weist aber das Gesetz den Hauptteil der erwarteten Einnahmen aus der Besteuerung dem Reich und nicht den Gemeinden zu. Insgesamt könnte man also den Nutzeffekt dieser Maßregel hinstellen als eine Besteuerung der städtischen Bevölkerung zu Nutzen der Gesamtheit. Das ist, ganz allgemein gesprochen, das Bedenken, das gegen den Entwurf geltend gemacht werden könne, wenn man die Vorlage ganz fsoliert für sich betrachtet. Vom Standpunkte der Sozialdemokratie nimmt sich das Bild aber noch anders aus. Um diese neue Steuerordnung durchzudrücken, hat die Regierung die Veteranenfürsorge als Vorspann benutzt. Sie behauptet, aus den laufenden Mitteln nicht die 5 Millionen Mark flüssig machen zu können, die für die Veteranen notwendig sind. Sie wirft deshalb den Köder aus: Bewilligt ihr dem Reich die Wertzuwachssteuer, so bekommen die Veteranen einen Brocken ab. Um also den Veteranen vorübergehend 5 Millionen Mar! ge- währen zu können, sollen dauernd als stehende Einrichtung etiva viermal so viel bewilligt werden, Daß überhaupt ein Bedürfnis zur Bewilligung neuer Geldmittel besteht, ist für die Regierung, aber auch für die bürgerlichen Parteien außer Frage. Ganz anders denkt dar- über indes die Sozialdemokratie. Sie hält die jetzigen Geld- aufwendungen für militärische Zwecke schon für übermäßig hoch und verlangt deren Herabsetzung, um die bestehenden Stenern zu verringern. Auf neue Steuern, selbst wenn sie an sich steuertechnisch unseren Grundsätzen ent- sprechen, kann sich die Partei nur einlassen, wenn dafür alte drückende Steuern abgeschafft werden. In der gegenwärtigen Situation würde also die Partei bereit sein, eine zweckmäßig gestaltete Wertzuwachssteuer zu bewilligen, ivenn deren Ertrüge, nachdem die berechtigten Ansprüche der Veteranen daraus befriedigt sind, zur Auf- Hebung der Zündholz st euer verwandt werden. Bei der Erörterung des§ 1 der Vorlage wurde wie üblich heute über die Gesamtfrage ausführlich geredet. Der Staatssekretär Mermuth bemängelte die Abschwächung der Vorlage in der Kommission, deren Werk einen entschiedenen Verteidiger in dem konservativen Grafen Westarp fand. Mit dem üblichen Zentrums-Wenn und Aber nahm Herr Marx aus Köln zu der Vorlage Stellung. Er glaubte da- bei sich an der Sozialdemokratie reiben zu können, indem er ihr vorwarf, sie berücksichtige das Interesse der Arbeiter nicht, wenn sie Grundstücksbesitzer mit weniger als 2000 M. Jahreseinkommen von der Steuer nicht befreien wolle. Mit großer Wärme und Entschiedenheit vertrat Genosse Göhre in seiner ReichstagSjungfernrcde den sozialdemotrati- schcn Standpunkt, indem er gleichzeitig den Angriff des Herrn Marx mit dem Nachweis abwehrte, daß jene 2000 Mark-Bestimmung nur dem Zweck diene, den Großgrundbesitzern, die es auf dem Lande vortrefflich verstehen, ihr Einkommen niedrig einzuschätzen, die Möglichkeit zu schaffen, sich der Wertwachsstcucr zu entziehen. Er betonte scharf den agrarischen Charakter des Gesetzes und erläuterte die gesamte Argumentation der Agrarier als ein Eingeständnis, daß die Finanzreform von 1909 kläglich ge- scheitert ist. Gleich eingangs seiner Rede hob er hervor, daß der Gedanke einer Wertzuwachssteuer an sich uns schon des- halb sympathisch sei, weil er einen konfiSkatorischen Kern enthalte. DaS war natürlich wenig nach dem Geschmack des national- liberalen Herrn Weber, der über diese„Brandrede" sich be- chwcrte und dann im Wettbewerb mit dem Zentrums- Marx dem Hanse einen anniutigen Eiertanz zwischen Wenn und Aber vorhüpfte und dabei bald nach linkS, bald nach rechts eine Verbeugung machte. Mach einer schwer verständlichen Rede des Fortschritt- lichen Herrn Cuno wurde die Debatte auf Dienstag vertagt. Die Regierung auf der Anklagebank. Zu einer flammenden Anklage gestaltete sich die mehr als zweistündige Etatsrede, in der am Montag Genosse S t r ö b e l der Negierung und den herrschenden Klassen ihr Sündenregister vor Augen hielt. Obwohl er erst in später Stunde zu Worte kam. gelang es ihm dennoch, die Aufmerksamkeit aller Parteien des Hauses zu fesseln. Auch die Minister lauschten gespannt seinen Worten. Nur der Hauptangeklagte Herr v. Bethmann Hollweg zog es vor, der Verhandlung fernzubleiben, wie er ja auch am ersten Tage der Etatsberatung, ohne sich zu entschuldigen, gefehlt hatte. Wie es sich für einen sozialdemokratischen Etatsredner von selbst versteht, begann Ströbel seine Ausführungen mit einem scharfen Tadel der Thronrede, die kein Wort von einer Reform des Wahlrechts sagt. Treffend wies er in einem kurzen Rückblick auf die vorjährigen Wahlrechtsdebatten nach, wie Zentrum und Konser» vativc schmählichen Verrat am Volke geübt haben und wie bescheiden die Nationalliberalen trotz ihres scheinbar oppositionellen Lerhal- tens im Grunde genommen doch seien, da sie sich mit dem geheimen und direkten Wahlrecht begnügen wollen. Daß die Wahlrcchtsfrage nicht von der Tagesordnung verschwinden wird, und daß d» Sozialdemokraten nicht ruhen werden, bevor nicht das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für Preußen errungen ist, unterliegt nach der erneuten Versicherung ihres Sprechers keinem Zweifel. War den Mehrheitsparteien schon bei diesen Ausführungen nicht gerade angenehm zumute, suchten sie. freilich erfolglos, durch allerhand Zwischenrufe unseren Redner aus der Fassung zu bringen. so bemächtigte sich ihrer erst recht eine große Unruhe, als S t r ö b e l thncn ihr innerstes Wesen vor Augen führte, wie er sie als Unter- drücker und AuSsauger des Volkes entlarvte, ihre kulturfeindlichen Bestrebungen auf allen Gebieten des öffentlichen LcbenS an das Tageslicht zog und die Regierung und die bürgerlichen Parteien schonungslos als das hinstellte, was'sie in Wirklichkeit find: die Geschäftsführer der agrarischen Junkerclique und der mit ihr ver- bündeten kapitalistischen protzenhaften Scharfmachcrsippschaft. Den Höhepunkt seiner Darstellungen bildete der Rückblick, den er auf den Moabiter Prozeß warf. Gestützt auf das Urteil der Lieber- Kammer konnte er den ganzen Schwindel der von der Regierung inspirierten Presse enthüllen und zeigen, wo die wahrhaft Schuldigen fitzen. Mit der Ankündigung eines immer energischeren Kampfes gegen die Reaktion und dem Versprechen einer gründlichen Ab- rechnung bei den nächsten Reichstagswahlen schloß er seine treffliche Rede. Vor ihm hatte der Pole Dr. v. JazdzewSki eine Reihe von nur allzu berechtigten Beschwerden der polnischen Mitbürger, insbesondere auf dem Gebiete des Schulwesens und des Versamm- lungsrechts vorgetragen, und Abg. Dr. Wiemer(Fortschr. Vp.) mit einer Schärfe, wie man sie sonst bei den FreifinnSmännern nicht mehr gewohnt das konservative Regiment w Kreutzen gegeißelt unö Las allgemeine Wahlrecht gefordert.<5$ schein?, als ob der Freisinn durch eine scharfe Tonart die Zeiten der Blockära vergessen machen will. Warten wir ab, ob er den Worten die Tat folgen läßt. Seitens der Regierung griffen wieder nicht weniger als drei Vertreter in die Debatte ein: der Finanzminister Dr. Lentze, um sich gegen eine Beseitigung der Steuerzuschläge vor einer Reform der Steuergcsetze auszusprechen; der Kultusminister Trott zu Solz, um seine neulichen Ausführungen über den Modcrnisteneid zu er- ganzen bezw. richtigzustellen, jund endlich der Minister des Inner» v. Dallwitz, um einige Angaben über die geplante Verwaltung�- reform zu machen. Auf Beschwerden der Vorredner gingen die Herren nicht ein. das wollen sie sich bis zur zweiten Lesung auf- sparen. Zu Beginn der Sitzung konstituierte sich das HauS endlich. Diesmal ging es ohne Hindernisse ab. Herr v. Kroch er muhte eine Zcttelwahl über sich ergchen lassen, während die Herren Dr. P o r s ch und Krause durch Zuruf gewählt wurden. Die Sozial- dcmokraten blieben dem Wahlakt fern, sie ließen sich an dem am Sonnabend abgegebenen Protest genügen. Dienstag: Fortsetzung der Etatsberatung. Der Postetat und die Enttäuschungen. Am Sonntag fand in Berlin eine von etwa 5000 unteren Post- und Telegrapbenbeamten veranstaliete Versammlung statt, in der der Referenr Remmers über den.Postetat und die Enttäuschungen" sprach. Er führte lebhaste Klagen über die rückständigen Gehalts- Verhältnisse der Unterbeamten. Regierung und Reichstag möchten sich mit den Beomtenorganisationen in Verbindung setzen, um sich zu überzeugen, daß die Beamten keineswegs.unersättlich" seien. Aber, meinte er, die Postbeamten hielten, ob man ihre Wünsche er- fülle oder nicht, treu zu Kaiser und Reich, trotz aller Versuchungen, die an sie herantraten. In einer Resolutton wurden RegteruUg, Verwaltung und Reich'« tag gebeten,.noch durch den zur Beratung stehenden Postrtat 1911 geeignete Maßnahmen zu treffen, um der immer weiter um sich greifenden Mißstimmung und Unzufriedenheit der unteren Post- und Telegrapbenbeamten durch Er- füllung ihrer dringendsten Wünsche zu steuern". Polizeikultur. Die Reaktionäre vom Schlage der Heydebrand, Oldenburg . Pappenheim u. Co. haben sich über das Moabiter Urteil sehr ge- ärgert, besonders über jenen Teil der Urteilsbegründung, in dem es heißt, das Gericht sei zu der Uebcrzeugung gekommen, eS handle sich nicht um vereinzelte Mißhandlungen der Polizei, sondern nm polizeiliche Mißgriffe in einergrößerenAnzahlvonFällen. Und da der Aerger gewöhnlich ein schlechter Berater ist, so glaubt die diesen Junker- führcrn nahestehende Presse die Wirkung der gerichtlichen Fest- stellungen dadurch abschwächen zu können, daß sie die Berliner Schutzleute für Gentlemen erster Güte erklärt und ihnen Vater- ländijche Lorbeeren um die Dulderstirne flicht. So schreibt z. B. die„Kreuzzcitung" in ihrer gestrigen politischen Wochenübersicht: „Die Polizeibeamten sind auch Menschen; der politische Haß, dem sie in ihrem Berufe stets ausgesetzt sind, wie man täglich auf den Berliner Straßen beobachten kann, verbittert ihr ganzes Leven. Sie setzen, wie man ebenfalls täglich beobachten kann, ihren Mannesstolz darein, auch den raffiniertesten Hänseleien gegenüber eine eherne Ruhe zu bewahren. Aber selbstverständlich sind sie nicht alle Helden und gefeit gegen politische Leidenschaften. Man kann sich deshalb beinahe wundern, daß bei den nacht» lichen Straßenkämpfen in Moabit nicht noch mehr„Ausschreitungen" von Schutzleuten vor- gekommen sind, da sie doch hier oft genug ohne Aufficht ihrer Vorgesetzten auf eigene Faust vorgehen mußten. Aber schon die von Zeugen behaupteten Mißgriffe und grundlosen Beleidi- gungen sollten genügen, um die Vermehrung und Entlastung der Schutzmannschaft, die Verbesserung ihrer mate» riellen Existenz und ihrer sozialen Position in ernste Erwägung ziehen zu lassen." Zur Belohnung für die„Mißgriffe in einer größeren Anzcchl von Fällen", deren sich nach gerichtlicher Feststellung die Berliicer Polizei schuldig gemacht hat. muß also nach Ansicht der„Kreuz- zeitung" die Schutzmannschaft vermehrt und ihre materielle Existenz verbessert, d. h. die Gehälter bcträckllli» aufgebessert werden. Sonderbare Logik! Nach gewöhnlichem Menschenverstand sollte man meinen, das beste Mittel zur Verbesserung der Qualität der Ber liner Polizei wäre, die bloßgestellten, zu Ausschreitungen und Brutalitäten geneigten Personen zu entlassen und bei Reutin- stellungen nicht nur solche Bewerber zu berücksichtigen, dt««h« höhere Befähigung für das Amt eineS„Hüters der öffentlichen Ord. nung" lediglich durch ein acht- oder neunjähriges Drillen von Re- krutcn erbracht haben._ Die Tcharfmacher finden sich! Die„Kreuz-Ztg." spendet dem EtatSredner der National- liberalen. Herrn Dr. Irls db erg. folgendes Lob: „In der Beurteilung des Moavtwr Prozesses wich der Abg. Dr. Friedberg in erfreuli»er WeisevondenLinkS- liberalen ab. Er meinte mit Recht, im großen und ganzen habe die Polizei ihre Pflicht getan, in wetten Kreisen aber sei man. wie wir auch wiederholt betont haben, der Heber- zeugung. daß die Unruhen den beklagenswerten Umfang nicht angenommen haben würden, wenn man von Anfang an fest zugegriffen hätte. Ferner erNärte der nationalliberale Führer. daß feine politischen Freunde auf dem Standpunlte ständen, der Staat müsse uiiter allen Umständen das Recht der Arbeitswilligen wahren und dm rückstchtSlosestm Gebrauch von seiner Macht machen..Die Leute, die die Freiheit anderer nicht achten. sollen auch für sich keine Freiheit in Anspruch„ebmen dürfen." Diese Auslassungen find erfreulich und werdm hoffentlich auch parteipolitlsche Konsequenzen haben. Die.Ber- scharrung" einer ArbeitSwilligenvorlage unter Basiermanns Führung wird man also wohl nicht mehr befürchten müssen." So kompromitticrend solches Lob aus solchem Munde ist — Herr Dr. Friedberg hat'S redlich verdient I Der„innere Feind" der Kirche. Rom bietet der Welt in der letzten Zeit manche UeberraschuU- gen. Bisher glaubte man immer, daß die Kirche ihre Hauptaufgabe darin erblicke, wider den Unglauben zu Felde zu ziehen, die Massen in christlicher Gesinnung zu erhalten und sie vor dem Abfall von der Kirche zu behüten. Diese Meinung war falsch. Die Sorgen der Kirche liegen auf einem ganz anderen Gebiete, wie uns ein Auf- fatz in den klerikalen.C a n i s i u s st i m m e n" lehrt, der in der letzten Nummer des Berliner „Arbeiter", des Fachabteilungsorgans wiedergegeben ist. Schon die Ueberschrift des Artikels:„PiuSX., derüber. natürliche Papst, welchen die Weltkinder nicht verstehen", läßt erkennen, daß es sich um außergewöhnliche Dinge handelt. Wir erfahren dort, daß Papst Pius, weil er ein „übernatürlicher" Papst ist, dessen Erlasse ihren Grund in der .Uebernatur", d. h. dem Heiligen Geiste, haben, nicht mit dem natürlichen Verstände, sondern nur dann zu verstehen ist, wenn man ihn mit dW»A ugen des fislgufesal*1«Heht= teal,
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