f!n5. Mit welchen Mitteln man gegen dle Sozialdemokratie scharf zu machen sucht, nachdem das Operieren mit dem Moabiter Prozeß vorbeigelungen ist, zeigt die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung", die schreibt, die Sozialdemokratie verherrlicht den Fürstenmord und die Nevolution. Die Sozialdemokratie vertritt den Standpunkt der ruhigen, friedlichen und organischen EntWicke- lung(Gelächter rechts), solange der vorwärtsstrebenden Bevölkerung die Möglichkeit gegeben ist, auf friedlichem Wege ihr Ziel zu erreichen. Das ist ja in Preußen und Deutschland möglich. Wenn es in anderen Staaten nicht möglich war und nicht möglich ist, wie z. B. in R u ß l a n d, wenn dort eine Eruption der Gewalt kommt, dann kann man uns nicht zumuten, daß wir die Revolution verurteilen. Die herrschenden Gewalten in Rußland und in all diesen Staaten ernten nur das, was sie gesät haben. Wer mit Gewalt das Volk unterdrückt, muß sich auch ge- fallen lassen, daß das Volk sich mit Gewalt gegen seine Gewalthaber und Unterdrücker wendet.(Sahr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Man kann von uns niemals erwarten, daß wir die Revolution verurteilen, wenn das Volk durch die Zustände zur Nevolution gezwungen ist. Vergessen Sie nicht, daß auch das Bürgertum seine Revo- lution gehabt hat! Vergessen Sie nicht, daß auch das Bürger- tum die Revolution verherrlicht hat, wenn die Revolution durch die Verhältnisse geboten war. Denken Sie an das Todesurteil Karls l. (Präsident v. K r ö ch e r: Es handelt sich hier um den preußischen Etat!)(Heiterkeit.) Hier handelt es sich um die Erörterung der politischen Verhältnisse und auch um die Scharfmacherei gegen die Sozialdemokratie. Deshalb muß ich hier die ganzen politischen Verhältnisse erörtern.(Präsident v. Kröcher: Da Sie meine Mahnung nicht verstehen, rufe ich Sie zur Sache!) Dann wird bei anderer Gelegenheit noch gründlich das gesagt werden, was gesagt werden muß. Der Etat sieht, wie ich resümiere, leider nicht derartig aus, wie man das von einem wirklichen Kulturstaat er- warten kann. Die berechtigten Wünsche des Volkes werden nicht befriedigt. Die Wahlrechtsvorlage ist ausgeblieben. Bei den Nationalliberalen ist Blocksehnsucht vorhanden nach der Rede des Abg. Friedberg. (Sehr richtig! links.) Es ist deshalb Gefahr vor- handen, daß wir, wenn die Regierung endlich doch mit der Wahl- Vorlage kommt, ein ganz armseliges Flickwerk erhalten. Kulturelle Forderungen werden nicht befriedigt. Aber Matznahmen sollen ge- schaffen werden, um das Volk weiter in Abhängigkeit zu bringen. Namentlich will man der Jugend gewaltsam reaktionären Geist einflößen. Aber das geniert uns nicht. Wir werden den Kampf gegen die Reaktion in verstärkterem Matze und noch viel energischer fortführen. Tie nächste Abrechnung kommt bei den Reichstags- wähle». Aber damit ist der Kampf nicht zu Ende, das ist nur eine kleine Etappe. Die Knebelung der Massen muß auf- hören. Wer gegen Entrechtung und Knechtschaft ist, muß zu uns kommen. Wenn die Liberalen versagen, werden wir den Kamps allein führen. Wir leben in fröhlicher Siegeszuversicht: „Wir sind die Kraft, wir hämmern jung das alte morsche Ding, den Staat, die wir von Gottes Zorne sind, bis jetzt das Proletariat." (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Die Weiterberatung wird hiermit auf Dienstag, II Uhr, vertagt. Schluß 5X Uhr._ Die lüoabiter Vorgänge vor dem Schivurgericht. Sechster Tag. Als am Montag die Sitzung eröffnet war, wurde noch eine Zeugin zum Fall des Angeklagten Schadofski vernommen. Sie hat bei der Festnahme des Angeklagten mehrere Frauem die zugegen waren, sagen hören: Jetzt haben sie einen alten Mann festgenommen, aber der hat gar nicht geschmissen.— Schutzmann Leidicke bleibt dabei, daß er den Angeklagten hat werfen sehen.— Auch zum Falle des Angeklagten Borowiak werden nmb nachträglich einige Zeugen vernommen. Sie erklären mit voller Bestimmtheit, gesehen zu haben, daß nicht Borowiak, son- dern ein anderer geworfen hat, der sogleich fortlief, während Bo- rowiok, der stehen blieb, festgenommen wurde.— Die Beweisauf- nähme wendet sich nun zum Fall OrlowSki. Ein Schutzmann gibt an: In der Rostockerstraße wurde eine Menschenmenge zurückgetrieben. Währenddessen fiel eine Flasche vor den Schutzleuten nieder. Als die Menge zurückgedrängt war und die Schutzleute umkehrten, habe Orlowski mit erhobenem Arm allein auf dem Bürgersteig gestanden. Der Schutzmann ging an ihn heran, da habe der Angeklagte den Arm sinken lassen und der Schutzmann habe ihn einen Mosaikpflasterftein aus der linken «and genommen. Der Angeklagte erklärt, er habe allerdings einen Stein in der Hand gehabt. Das habe er dem Schutzmann gleich gesagt. Mehrere Zeugen bestätigen die Angaben des Angeklagten, daß er nicht zu der vertriebenen Menge gehörte, sondern in dem Augenblick festgenommen wurde, als er in ein Lokal gehen wollte. Staatsanwalt über Zeugen: Staatsanwalt P 0 r z e l t: Er lege besonderes Gewicht auf einen dieser Zeugen, den Arbeiter Melzer. Dieser habe vor dem Untersuchungsrichter angegeben, es sei ganz unmöglich, daß der Angeklagte einen Stein gehabt haben könne. Damals habe der Zeuge allerdings noch nicht gewußt, daß der Angeklagte selber zu- gegeben hat, einen Stein in der Hand gehabt zu haben. Hieran — sagt der Staatsanwalt— könne man sehen, wie solche Aus- sagen zustande kommen.— Der Zeuge Melzer gibt an, der Untersuchungsrichter habe ihn im Laufe der � Vernehmung mehrmals gefragt, wie es denn damit wäre, daß der Angeklagte einen Stein in der Hand hatte. Darauf habe er. der Zeuge, wahrheitsgemäß geantwortet, von einem Stein wisse er nichts, er habe nicht gesehen, daß der Angeklagte einen Stein hatte.— Nachdem sich diese Angaben des Zeugen als vollkommen einwandfrei herausgestellt hatten, wandten sich einige der Verleidiger dagegen, daß die Staatsanwaltschaft in»solcher Weise versucht. Entlastungszeugen ohne Grund als unglaubwürdig hinzustellen. Rechtsanwalt Heinemann bemerkt: Das Verfahren kennzeichnet sich selbst, wir enthalten uns jeder Kritik Zu dem Vorfall, der zur Anklage gegen Luksch führte, gibt Kriminalschutzmann K 0 p i s ch k e an. er habe genau gesehen, daß der Angeklagte, der vor ihm stand, einen Stein nach den Schutzleuten warf. Der Angeklagte gibt zu. einen Siein ge- warfen zu haben in der Erregung darüber, daß die Schutzleute einen alten Manu mit dem Säbel schlugen. Bei seiner Festnahme — sagt der Angeklagte — wurde er von Schutzleuten mit der Faust auf den Kopf und mit dem Säbel auf die Schulter geschlagen. Als wir auf den K-hlenPlatz kamen, schlugen mich die Arbeitswilligen mit Fäusten, Stöcken und Gummischläuchen. Dann brachte mich der Schutzmann in ein Zimmer, wo mehrere Schutzleute waren. Auf deren Verlangen mußte ich mich umdrehen, mit dem Gesicht nach der Wand. Dann schlugen die Schutzleute von hinten auf mich ei». Kriminalschutzmann Scheuzel, der den Angeklagten nach dem Aohlenplatz gcbvacht hat, behauptet, er habe nicht gesehen, daß der Angeklagte geschlagen wurde. Auf Veranlassung des Rechtsanwalts Heinemann gibt Schutzmann Scheuzel an. daß er einen anderen Fall kennt, wo ein von ihm nach dem Kohlenplatz gebrachter Am- stant namens Zollchow (einer von denen, die vor der Strafkammer angeklagt waren) von den Arbeitswilligen mißhandelt wurde. Als der Schutzmann mit seinem Arrestanten den Platz betrat, wurde der Arrestant von Ist— 15 Arbeitswilligen nmringt, die auf ihn los- stürzten und ihn schlugen. Ich habe ihnen das verboten— sagt der Zeuge— dann verschwanden sie.— Rechtsanwalt Heinentann: Wurde Ihr Arrestant nicht außerordentlich heftig geschlagen?— Zeuge Scheuzel: Außer- ordentlich heftig? Na, Haue hat er ja gekriegt. Es folgt der Fall des Angeklagten Cieslick. Hierzu macht der Schutzmann Welke folgende Angaben: Ich hatte am 27. September Dienst in Zivilkleidung und befand mich mit mehreren Kriminalbeamten in der Menge. Ich habe gesehen, daß der Angeklagte nach den uniformierten Beamten warf und nahm ihn fest. Nun schlugen Leute aus der Menge auf mich ein. Uni- formierte Kameraden hieben mich heraus. Ich sprang aus der Menge heraus. Dann brachten zwei Beamte den Angeklagten heraus. Der schlug um sich und da wurden ihm ein paar Säbel- hiebe oerfetzt. Dann habe ich mit noch vier Kriminalbeamten den Angeklagten nach dem Kohlenplatz gebracht. Der Angeklagte sagt: Ich habe nicht geworfen, ich bin unschuldig festgenommen, und bei der Festnahme habe ich einen Säbel st ich von hinten in den Leib bekommen, so das) der Säbel vorn am Bauch wieder her- auskam.— Schutzmann Welke: Der Angeklagte hat ja ein paar Säbelhiebe bekommen, aber daß er gestochen wurde, habe ich nicht gesehen.� Rechtsanwalt Heinemann: Das haben Sie nicht gesehen? Tatsächlich hat doch der Angeklagte einen Säbelstich bekommen und wird vielleicht zeitlebens ein Krüppel bleiben.— Schutzmann Welke: Nein, das habe ich nicht gesehen.— Kriininalschutzmann Thurow sagt ebenfalls, er habe gesehen, daß der Angeklagte ge- warfen hat. Der Angeklagte Cieslick macht über die ihm widerfahrenen Mißhandlungen folgende Angaben: Dreimal bin ich von den Schutzleuten geschlagen worden und hingefallen, und als ich am Boden lag, haben sie mich noch mit dem Säbel geschlagen. Das ist zweimal auf der Straße und zum drittenmal auf dem Kohlenplatz geschehen. Als wir auf dem Kohlenplatz ankamen, fiel sogleich einer der Arbeitswilligen über mich her und schlug mir ins Gesicht, daß das Blut aus Mund und Nase lief. Dann kamen auch noch Schutzleute, die schlugen zusammen mit den Arbeitswilligen auf mich ein. Die Schutzleute brachten mich nach der Wache auf dem Kohlenplatz. Auf dem Flur wollten sie mich auf einen Stuhl setzen, aber ich fiel um. Ich bat einen Schutzmann um ein Glas Wasser, habe aber nichts bekommen. An der Stelle, wo ich lag, bildete sich eine große Blutlache. Die Schutzleute sagten, ich soll das Blut aufwischen oder auflecken. Ich war aber so schwach, daß ich mich nicht bücken konnte. Da haben sie mich an den Beinen gefaßt und mich-durch das Blut gezogen. Mein Anzug ist dadurch ganz mit Blut besudelt worden. Polizeileutnant Götze: Als der Angeklagte eingeliefert wurde auf dem Kohlenplatz, ist mir sofort Meldung gemacht worden, daß er sehr schwer verletzt ist. Es wurde sogleich nach dem Kranken- wagen telephoniert. Ich sah den Angeklagten auf dem Flur in einer Ecke liegen. Er blutete sehr stark. Daß er durch sein Blut gezogen wurde, ist ausgeschlossen. Zehn Minuten nachdem mir Meldung gemacht worden war, kam ja schon der Krankenwagen.— Durch Fragen des Rechtsanwalts Heincmann wird festgestellt, daß Polizeileutnant Götze den Angeklagten nicht schon bei der Einliefe- rung, sondern erst nach der Meldung gesehen hat, also nicht wissen kann, was in der Zwischenzeit mit dem Angeklagten geschehen ist.— Angeklagter Cieslick: Ich habe keinen Leutnant gesehen.— Polizeileutnant Götze: Der Angeklagte war ja fast ohnmächtig, er rührte sich gar nicht mehr.— Angeklagter: Aber besinnungslos war ich nicht, nur schwach durch den Blutverlust. Dr. Holtze, Assistenzarzt im Krankenhause Moabit , hat den An- geklagten Cieslick behandelt und gibt über die Art der Verletzung an: Cieslick hatte an der rechten Seite des Gesäßes eine Stich- wunde, die stark blutete und zunächst als nicht gerade gefährlich galt. Aber am nächsten Tage stellte sich eine gefährliche Bauchfell- entzündung ein. Durch einen operativen Eingriff wurde der Leib geöffnet. Jetzt stellte sich heraus, daß der Stich vom Gesäß aus bis in die Bauchhöhle gedrungen war und die Därme verletzt hatte. Die Bauchwand ist unverletzt geblieben. Der Stich ist nicht vorn wieder herausgekommen. Die Heilung nahm einen auffallend günstigen Verlauf. Am 27. Oktober konnte Cieslick in die Charite übergeführt werden. Dauernden Schaden wird die Verletzung nach Ansicht des Sachverständigen nicht nach sich ziehen. Der Angeklagte Cieslick macht den Eindruck eines kranken und leidenden Menschen. Er wird auch gegenwärtig noch im Unter- suchungsgefängnis ärztlich behandelt.— Ueber die Behandlung des schwerverwundeten Angeklagten auf der Kohlenplatzwache werden noch einige Zeugen vernommen. Schutzmann Opitz sagt, er habe sich, als der Angeklagte ein Glas Wasser forderte, ein solches von Frau Lorenz, der Frau des Platzverwalters geben lassen. Frau Lorenz bestätigt das und gibt an, was mit dem Angeklagten geschah, während er auf dem Flur lag. habe sie nicht gesehen. Nachdem er fortgebracht war, habe sie auf Ersuchen eines Schutzmanns das Blut vom Boden weggewischt. Zum Fall der Angeklagten Kasimir und Jakob Adamski gibt die Zeugin Fräulein Piek an, sie habe gesehen, daß beide Angeklagte mit Steinen nach den Schutzleuten warfen, sich dann in ein Haus zurückzogen und immer wieder kamen, wenn die Schutz- leute vorbei waren.— Die Zeugen Frau Schmidt und Hausver- Walter Patermann bestätigen diese Angabe. Der letztere sagt, die beiden Angeklagten hätten zwei- bis dreimal nach den Schutzleuten geworfen und sich die Steine dazu von einem Neubau in der Nähe geholt.— Die Angeklagten bestreiten, daß sie geworfen haben. Hierauf werden mehrere Zeugen zum allgemeinen Teil vernommen. Arbeiter KallieS wiederholt die Angaben, die er an einem der letzten Tage des Strafkammerprozesses machte. Die Jungens und Rowdys, welche auf der Straße lärmten und die Polizei der- höhnten, liefen fort, wenn die Schutzleute vorgingen. Die Leute, welche nichts getan hatten, aber nicht so schnell laufen konnten, kriegten Prügel von den Schutzleuten.— Vor dem Tor des Kohlenplatzes stand ein Schutzmann und ein Herr in Zivil. Einer von beiden kommandierte: „RauS, los!" Auf dies Kommankko brachen aus dem Tor 20 bis 30 Arbeitswillige, stürzten sich auf einige Leute, die in der menschenleeren Straße vorübergingen und schlugen einen derselben, während die anderen fortrannten, fürchterlich mit Gummischläuchen. Der Zeuge wandte sich an den am Eingang des Kohlenplatzes stehenden Schutz- mann mit den Worten:„Sehen Sie denn nicht, was da vorgeht?" Der Schuvmann aber antwortete:„Was soll ich machen? Ich bin hier allein." Der Zeuge hat gesehen, daß kurz vorher etwa 100 Schutzleute auf dem Kohlenplatz eingezogen waren. Das war am 26. September. Am 27. hat der Zeuge noch eine Reihe von Ausschreitungen der Polizeibeamten beobachtet. Deshalb ging er am Abend des 28. früher als sonst seinen Geschäften, nach, weil er fürchtete, daß er später, wenn erst die vielen Schutzleute da sind, mißhandelt werden würde. Denn— sagt der Zeuge— ich hatte ja an den borhergehenden Tagen ge» sehen, daß jeder, der über die Straße ging, in Gefahr kam, nieder- geschlagen zu werden. Schauspieler Nenmaun kam in der Nacht des 27. September in Frack und weißer Weste aus einer Gesellschaft und geriet in die Nostocker Straße. Plötzlich standen vor ihm 10 bis 12 Schutzleute und ein Leutnant, alle mit blanken Säbeln. Der Leutnant sprach den Verdacht aus, Herr Neumann habe etwas weggeworfen. Der Verdacht stellte sich als unbegründet heraus, der Leutnant sagte zu den Schutzleuten:„Lassen Sie ihn laufen." Der Zeuge konnte dann zwar gehen, vorher aber versetzte ihm einer der Schutzleute zwei Säbelhiebe, was nach Ansicht des Zeugen der Leutnant gesehen haben muß. Bald darauf bekam der Zeuge in der Turmstraße von einem Schutzmann ohne jede Veranlassung nochmal einen Säbel- hieb über den Arm. Der Zeuge hat sich wegen dieser Behandlung beim Polizeipräsidenten beschwert. Der aber hat ihm geantwortet, es sei bei solchen Gelegenheiten nicht möglich, zwischen Schuldigen und Unschuldigen zu unterscheiden. Auf eine Frage des Rechtsanwalts Heine sagt der Zeuge: In beiden Fällen sei er allein und keine Menschenmenge in der Nähe gewesen, so daß in diesen Fällen überhaupt keine Schuldigen vorhanden waren und er als völlig Unschuldiger die Säbelhiebe bekam. Bäckermeister Hennig stand um Mitternacht, als er seine Arbeit beginnen wollte, in der Tür seines Ladens in der Erasmusstraße, die menschenleer war. Ein vorüberkommender Polizeileutenant herrschte ihn an:„Machen Sie, daß Sie hineinkommen, sonst kriege» Sie mit dem Säbel eins über den Kopf."— An einem anderen Tage sah der Zeuge, daß ein Mann ohne Ursache von Kriminalbeamten verhauen wurde. Andere Leute, die ruhig über die Straße gingen, wurden von Schutzleuten bedroht. Arbeiter, die von der Arbeit kamen, wurden von säbelschwingenden Beamten verfolgt und ge- schlagen. Ein Junge mit einem Stelzfuß kam mit verbundenem Kopf aus der Unfallstation. Kriminalbeamte lachten über den Ber - letzten. Frau Kunße ging mit ihren drei kleinen Kindern von der Arbeit nach Hause. Da wurden die Kinder bei einer Llttacke um» gerissen. Später, als die Frau einholen wollte, ging sie mit aus- drücklicher Erlaubnis eines Polizeileutenants über die Straße. Als sie mitten auf dem Damm war, rief ihr ein Schutzmann zu: „Hure, mach, daß Du fortkommst, sonst kriegst Du eins mit dem Säbel!" Kriminalbeamte, die sich hinter einem Gerüst versteckt hatten, schlugen auf die Vorübergehenden ein. Kaufmann Jordan hat mitangesehen, wie der Arbeiter Hermann, der an den Folgen der Säbelhiebe starb, niedergeschlagen wurde. Hermann kam aus einer Betstunde und ging auf die Straße, um seinen jugendlichen Sohn zu suchen. Hermann ging ganz allein über die menschenleere Straße. Da bekam er erst von einem Schutz- mann einen Säbelhieb, dann kam ein zweiter Schutzmann von der anderen Seite der Straße und schlug ihm mit dem Säbel noch zweimal über den Kopf, daß das Blut spritzte und der Getroffene zusammenbrach. Noch am anderen Tage waren die Blutspuren auf dem Stratzenpflaster sichtbar.— Rechtsanwalt Jacobi richtet an die Staatsanwaltschaft die Frage, ob irgendetwas geschehen ist, nm die Schutzleute zu er- Mitteln, welche Hermann niederschlugen? Ober-Staatsanwalt Prruß: Wir haben schon einmal gesagk, daß ein Verfahren in dieser?lngelegenheit schwebt. Wir werden jedem dankbar sein, der uns Angaben macht, die zur Ermittelung der Täter dieser Roheiten führen können.— Rechtsanwalt Heine: Soweit ich auS den Akten sehen konnte, hat die Staatsanwaltschaft nichts zur Ermittelung der Täter getan.— Oberstaatsanwalt Preuß: Es ist versucht, aber ohne Erfolg, gicchtsanwalt Heine: Bis zu der Zeit, wo ich von den Akten Kenntnis nahm, stand nichts davon drin. Schneidermeister Oslath macht wieder dieselben Bekundungen wie in der Verhandlung vor der Strafkammer. Sie gehen im wesentlichen dahin: Der Zeuge hat in mehreren Fällen ganz genau beobachtet, daß Herren in Zivilklcidnng, die sich unter die Menschen» menge mischten, mit lauter Stimme„Bluthunde",„Haut die Blauen" riefen. Wenn dann die Schutzleute gegen die Menge vor- gingen, stellten sich diese Herren an die Wand und wurden von den Schutzleuten meist nicht behelligt. Wenn mal ein Schutzmann auf einen der Herren losging, dann erhob dieser den Stock und rief: „Halt Kollege!" Dann geschah ihm nichts. Diese Herren mischten sich immer wieder unter die Menge und setzten dasselbe Spiel fort. Diese Leute müssen also doch— sagt der Zeuge— mit der Polizei in Perbindung gestanden haben.— Ferner hat der Zeuge gesehen, daß ein gebrechlicher alter Mann von Schutzleuten niedergeschlagen wurde und wie tot hinfiel. Ein Mann von der Sanitätskolonne, der gerufen wurde, um dem Mißhandelten beizustehen, sagte:„Der hat noch lange nicht genug gekriegt, der hätte noch mehr kriegen müssen." Hunderte sind unter den Augen des Zeugen mißhandelt worden, ohne Unterschied, ob Mann oder Frau, schuldig oder un- schuldig. Selbst ein Leutnant hat einen jungen Mann nieder- geschlagen und noch auf ihn eingehauen, als er schon am Boden lag. Als ein Herr und eine Dame allein über die Straße kamen, rief ein Samariter:«Hier her!" Darauf kamen zwei Schutzleute und schlugen mit Säbeln auf die beiden ein. Der Zeuge sagt, er habe noch viele derartige Fälle gesehen, nur seien ihm nicht alle Einzelheiten im Gedächtnis geblieben. Damit schließt die Sitzung. Die Verhandlung wird heute um 10 Uhr fortgesetzt._ «vlt»rrtinqSiiver0<Nt vom 16. Januar H>ll. moraen»» Ubr. Wcrtervrognose für Dienstag, den 17 Januar lSII. Ziemlich milde, vorherrschend wolkig bei lebhaften westlichen Winden; keine erheblichen Niederschläge. Berliner Vetterburea» «SaflerftandS-Nachrtchte» ber LandeSanstalt für Gewässerkunde, mitgetellt vom Berlwer Wetterbureau. K+ bedeutet Wuchs,— tfaD.—•) Unterpeaet.—•) EiSstand.— ch Unterhalb der Angerapvbrücke Eisstand.— ch EiStrciben.— ch Eis» bewegung.— ch Fast eissrei._ Perantwortlichcr Redakteur: Richard Barth , Berlin . Für den Inseratenteil veranttv.: Th. Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer u. Co., Berlin SW»
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