B. MilchhänNer Sftfit!, 55 Jahre öl!, 4. Stehet FrZeSner, 19 Ja5re I»ilt, S. Arbeiter Lube, 36 Jahre alt, 6. Tischler Schulz, 17 Jahrealt, 7. Fahrstuhlarbeiter Rchaab, 20 Jahre alt. 8. Arbeiter Brandt,31 Jahre alt, 9. Arbeiter Wolter, 24 Jahre alt, 10. dessen EhefrauWolter, 27 Jahre alt, 11. Arbeiter Tietz, 30 Jahre alt, 12. Auf-Wärterin Rohloff, 30 Jahre alt, 13. Zimmermannsfrau Haupt,27 Jahre alt, 14. Frau Platow, 27 Jahre alt, 15. HilfsmonteurRudolph, 20 Jahre alt, Maurer Kupper, 34 Jahre alt, 17. SchmiedSühring, 34 Jabre alt, 13. Hausdiener Hellwig, 19 Jahre alt.Teilnehmer am Streik befinden sich nicht unter den Angeklagten;fast durchweg sind es Bewohner der Umgebung der Schererstraße,die Gelegenheit gehabt haben, dem Walten der Polizei aus nächsterNähe zuzusehen, und aus Berdrutz über die beobachteten Polizei-vttacken oder auch nur aus törichtem Uebermut sich der ihnen zurLast gelegten strafbaren Handlungen schuldig gemacht haben sollen.Die ersten sechs Angeklagten werden des Aufruhrs und Land-friedensbruchs, des Widerstands und der Polizeibeleidigung be-schuldigt, die übrigen Angeklagten der Aufforderung zur Begehungstrafbarer Handlungen, der Bedrohung mit einem Verbrechen, desWiderstands, der Polizeibeleidigung, der Sachbeschädigung.Den Vorsitz in der Verhandlung führt LandgerichtsdirektorBahr, die Anklage wird vertreten durch die Staatsanwälte Brü-,iing und Dr. Linde, die Verteidigung liegt in den Händen derRechtsanwälte Heine, Heinemann, Oskar Cohn, Karl Liebknecht,Puppe, von denen einige einstweilen noch durch den Schwurgerichts-prozetz wegen der Moabiter Vorgänge in Anspruch genommen sind.In derVernehmung der Angeklagtenwerden von den meisten die ihnen zur Last gelegten Straftatenbestritten.Hartmann soll am 29. Oktober abends in der Gegend derAnton- und Maxstraße sich in einer zusammengerotteten Menschenmenge befunden haben, die der Polizei mit vereinten KräftenWiderstand geleistet haben soll. Er soll trotz dreimaliger Ausforde-rung der Polizei sich nicht aus dieser Menschenmenge entfernthaben, soll geschimpft haben:„Kommt doch her! Was wollen dieKerls? Hund, ich steche dich tot!" und soll seiner ArretierungWiderstand entgegengesetzt haben. Der Angeklagte versichert, er seiaus dem Heimwege ohne eigene Schuld in die Menge hineingeraten,habe keine Steinwürse oder sonstige Gewalttätigkeiten bemerkt, keineAufforderung gehört und sei plötzlich festgenommen worden. Mög-lich sei, daß er geschimpft habe, doch wisse er von den Vorgängenbei seiner Arretierung nichts, da er sinnlos betrunken gewesen sei.Der Angeklagte Giersch wird beschuldigt, an demselben Abendan der Scherer- und Maxstraße sich gleichfalls in einer Menschen-menge, wie oben geschildert, befunden zu haben. Auch er sagt, erhabe keine Steinwürfe bemerkt und keine Aufforderung gehört. Ersei so fest eingekeilt gewesen, daß er nicht vorwärts und nicht rück-wärts konnte. Seiner Festnahme habe er keinen Widerstand ent-gegengesetzt. Er gibt zu, daß er in seiner Aufregung einen Schutz-mann, weil der nach den Leuten mit dem Fuß gestoßen habe, einen„Kuhkopp" genannt habe, doch habe er nicht„Bluthund" ge-schimpft. Rechtsanwalt Cohn bietet Beweis dafür an, daß Gierschim Kreise seiner Bekannten das Wort.Kuhkopp" oft und härm-los gebraucht.Auch Pagel soll am Abend des 29. Oktober Aufruhr dadurchbegangen haben, daß er in einer„zusammengerotteten Menge"war. Er behauptet, daß er einen Besuch in der Utrechter Straßehabe machen wollen. An der Ecke Moxstraße habe er mitansehenmüssen, wie bei dem Transport des sistierten Giersch Schuhleuteeine Frau mit ihren Kindern beiseite stießen. Bei diesem Anblickhabe er nicht, wie die Anklage behauptet,„Muthunde" gerufen,sondern nur sein Bedauern geäußert:„Die Frau mit den Kindernkann mir leid tun!" Im näckssten Augenblick habe ihm � der Angeklagte bricht bei dieser Schilderung in Tränen aus— einKriminalschutzmann einen Stockhieb über den Kopf gegeben, undals er lPagel) nach seiner Mütze faßte, habe der Beamte ihn fest-genommen unter der Beschuldigung, die Hand zum Schlagen er-hoben zu haben.— Rechlsanw. Cohn: Wie wurde Pagel im Haus-flur der Wache behandelt?— Bors.: Was soll daraus folgern?— Rechtsanw. Cohn: Die meisten der Angeklagten sagen, sie seiendort schwer mißhandelt worden.— Vorsitzender zu Pagel: WollenSie behaupten, daß Sie mißhandelt worden sind?— AngeN.:Ja, auf der Straße wurde ich von dem Kriminalschutzmann ge-schlagen, und auf der Treppe schlug ein uniformierter Schutzmannmich mit dem Säbel. In der Wache wurde ich anständig behandelt.Am Abend des 29. Oktober hat, nach der Anklage, auch FrieSnerim der Ecke der Reinickendorfer- und Wiesenstratze„Aufruhr"begangen. Die Menge, in der er verhaftet wurde, hatte ihn auf-gehalten, so daß er stehen bleiben mußte. Er habe nicht, wie ihmvorgeworfen wird,„Bluthund" gerufen, das sei neben ihm gerufenworden.— Vors.: Wußten Sie, daß bei Morgenstern gestreiktwurde?— Angekl.: Das hatte ich erfahren, aber meinen Kindernund meiner Frau hatte ich verboten, auf die Straße zu gehen.Der Borsitzende befragt nachträglich auch die übrigen An-geklagten noch, ob sie von dem Streik wußten. Als Giersch da«verneint, ftagt er: Lesen Sie nicht Zeitungen? Den„Vorwärts"Halten Sie doch wohl? Stand da etwas drin?— Angekl. Giersch:Das las ich nicht Ich bin abends müde, da lese ich nicht alles.—StaatZanw. Brüning: Ist Giersch in einer gewerkschaftlichen Or»ganisation?— Angekl. Giersch: Ja.— Staatsanw. Brüning:Ebenso nehme ich es von Hartmann an.— Angekl. Hartmann: Ja.— Bors, zu Pagel: Wußten Sir vom Streik?— Angekl. Pagel:Ja.— Rechtsanw. Cohn hebt hervor, daß auch Hartmann über denStreik nicht unterrichtet war. weil er. abends müde von der Arbeitheimkehrend, dir Zeitung nicht vollständig lesen kann.— Staatsanw.Linde: Er hält sie sich doch aber nicht zum Luxus. Rechtsanw.Cohn fragt nach demZweck dieser ganzen Befragung über die OrganisationS»zugehärigkeit und die„BorwärtS"-LektUre.— Staatsanw. Brüning meint, ein Organisierter werde im„Vor-wärts" wohl besonders das Gewerkschaftliche lesen und müsse dannauch die Notiz über den Streik bei Morgenstern bemerkt haben.—Rechtsanw. Cohn: Nicht jeder Organisierte liest alles Gewerkschaft-lichc._ Ter Borsitzende stellt dann auch bei FrieSner noch fest,daß dieser nicht mehr in einer Gelverkschaft ist. den„Vorwärts"nickt hält und vom Streik nichts wußte.' Lube soll in der Nacht zum 30. Oktober bor dem Hause Scherer-straße 12 gestanden und mehrfach beim Herannahen der Polizeimittels seines Hausschlüssels sich und andere in den Hausflurhincingerettet haben. Wieder auf die Straße tretend, soll er„Blut-Hunde" geschimpfr haben. Er sagt, daß er von nachmittags 4 Uhran gekneipt habe und sich daher nicht erinnern könne, geschimpft zuhaben, auch nichts davon wisse, daß die Menge mit Steinen geworfenhabe. Er gibt an, in vier Kneipen zusammen 29 GlaS Bier und19 Kognaks getrunken zu haben. Vom Streik habe er gewußt; voneinem Flugblatt gegen Morgenstern und einer Aufforderung zumBoykott habe er erst am nächsten Tage erfahren. Er sei im Zentral-verband der Schmiede, gehöre zum sozialdemokratischen Wahlver-ein und habe das zur Ruhe mahnende Extrablatt des„Vorwärt»"mit ausgetragen. Der Vorsitzende fragte ihm alle diese Einzel»heiten ab.Der noch jugendliche Schulz wird beschuldigt, am 29. Oktobergegen Mitternacht an der Ecke der Reinickendorfer und Wiesenstraßeaus einer Menschenmenge heraus nach Schutzleuten mit einem Steingeworfen zu haben. Er versichert, das habe ein neben ihm stehenderjunger Mann getan, der gleich ihm eine graue Mütze trug. Ver-haftet wurde er erst später und in der Nähe der Gottfchedstratze.— Vors.: Weshalb liefen Sie denn?— Angekl.: Weil die anderenauch liefen.— Bors.: Sie sollen bei der Verhaftung sofort gesagthaben:„Ich war cs nicht!"— Angekl.: Ich fragte:„Was sollick gemacht haben?" Er sagte:„Sie haben mit Steinen geworfen!"Da sagte ich:-Sie irren sich." Auch dieser Angeklagte wird ge-wiffenhaft befragt, ob er vom Streik wußte.Mißhandlungen auf der Wacheerduldet zu haben, gibt auch Schulz an. Es handelt sich um dieWache Ecke Utrechter und Maxstraße. Auf nachträgliches Befragentkagt Gierjch über ähnliche Srlebnijfe. Kie er dort gehabt habe:Auf der Wache gab inan mit einen Fußtritt, mit einem Fußtritt jbrachte man mich auch in die Zelle. Wenn meine Frau nicht dabeigewesen wäre, hätte ich soviel Keile bekommen...— Bors.: Wennsie nicht dabei gewesen wäre!— Rechtsanw. Cohn: Der AngeklagteRehaab wird sagen, daß er die ganze Nacht hindurch gehört habe,wie nach jeder Einlieferung Wehgeschrei ertönte.— AngeklagterGiersch: Auch ich war bis!43 Uhr auf der Wache. In der Zeitwurden nacheinander etwa 8 Mann gebracht. Immer wieder hörteich schreie».— Bors.: Wie denn?— Angeklagter„Hilfe! Ich habedoch nichts gemacht!"— Bors.: Wenn einer sagt:„Ich habe nichtsgemacht!" Dann....— Angeklagter: Geschrien haben sie.—Vors.: Ja, was?— Angeklagter: Au, au, au!— Vors.:„Ich habenichts gemacht!" würde nicht ohne weiteres darauf schließen lassen,daß geprügelt wurde.— Staatsanw. Brüning findet, daß das nichtsmit den Straftaten der Angeklagten zu tun hat. Er beanstandetauch, daß die Angeklagten weiter hierüber befragt werden.Sind die Mißhandlungen gleichgültig?Staatsanw. Linde: Die Glaubwürdigkeit der Beamten, die dieAngeklagten auf der Straße festnahmen, könnte nicht durch Miß-Handlungen, die etwa aus der Wache von anderen Beamten begangenworden wären, beeinträchtigt werden.— Rechtsanw. Cohn: Einigeder Sistierten wurden auch schon auf der Straße mißhandelt. DieZulassung dieser Frage ist wichtig noch aus einem anderen Gesichts-Punkt. Die Polizei nimmt ein disziplinares Züchtigungsrecht inAnspruch. Es ist möglich, daß das Gericht bei der Festsetzung desStrafmaßes das berücksichtigt.— Rechtsanw. Puppe: Werden dieAngaben über Mißhandlungen erwiesen, so spricht das für dieGlaubwürdigkeit der Angeklagten.— Rechtsanw. Karl Liebknecht:Wenn der allgemeine Teil der Anklage überhaupt einen Sinn hat,so mutz, um die Situation sozusagen bei den beiden Parteien undihre Stimmung zu beleuchten, auch die Frage der Mißhandlungenerörtert werden. Können die Objekte der polizeilichen Erziehungs-methode die Mißhandlungen auf der Wache nachweisen, so läßt sichdaraus auch auf das frühere Verhalten der Schutzleute schließen.—Staatsanw. Brüning beanstandet den Ausdruck„polizeiliche Er-ziehungsmcthode" und bleibt dabei, das Verhalten der Schutzleutenach der Festnahme sei unerheblich für die Beurteilung der An-geklagten.— Das Gericht beschließt, Fragen nach Mißhandlungenzuzulassen.— Auf Befragen gibt dann noch Angeklagter Schulz an,nach seiner Festnahme sei er von 4 Kriminalbeamten mit Stöcken undGummiknüppeln auf dem Wege zur Wache und auch auf der Wachegeschlagen worden.Der Angeklagte Rehaab wird beschuldigt, in der ReinickendorferStraße am Abend des 29. Oktober aus einer Menge heraus„Blut-stunde" gerufen zu haben. Bei seiner Festnahme fand man in seinerHand ein geschlossenes Taschenmesser. Er sagt, er habe kurz vorherWurst geschnitten, das Messer in den Paletot gesteckt und es unbe-wüßt ergriffen. Dieser Angeklagte war auf der Wache etwa vonabends$t8 Uhr bis nachts 3 Uhr. Er gibt an, von zwei Unifor-mierten sei er mit einem Stoß ins Genick hineinbefördert worden,und eine Gruppe von 8 bis 10 Schutzleuten habe dann auf ihn ein-geschlagen. Schläge und Hilferufe habe er später wiederholt gehört.— Staatsanw. Brüning: Wie kommt es, daß die Angeklagten erstjetzt hiermit hervortreten?— Angeklagter Giersch: Ich habe frühernicht daran gedacht.— Angeklagter Pagel: Auf dem Alexanderplatzhabe ich es gesagt, es mutz doch dabeistehen.— Bors.: Beim Unter-suchungsrichter haben Sie nichts gesagt.— Angeklagter: Jawohl, dahabe ichs auch gesagt.— Vors.: Es steht aber nichts im Protokoll.—Angeklagter Friesner: Ich hielt das beim Untersuchungsrichter fürwertlos.— Angeklagter Schulz: Ich war damals zu ängstlich.— An-geklagter Rehaab: Mir sagte der Untersuchungsrichter:„Ich werdeIhnen schon zeigen!"Brandt ist nur der Beleidigung angeklagt. Aus einem Lokalheraustretend, soll er Schutzleute beschimpft haben:.Räuberbande!Räuber, Hallunken! Spitzbuben!" Er gibt nur zu, im Scherz ge-rufen zu haben:„Zum Schluß die Räuber!", ohne jemand diHnitgemeint zu haben. Auf Befragen gibt er an, er habe nichts vomStreik gewußt, sei nicht gewerkschaftlich organisiert, gehöre nichtzum Wahlverein, lese nicht den„Vorwärts". Bei seiner Verhaftungaus dem Lokal heraus habe man ihm einen Genickstoß und einenFußtritt gegeben und ihm die Sachen total zerrissen. Auf derWache sei er nicht mehr mißha/idelt worden.Wolter wird der Polizeib'eleidigung und der an eine Mengegerichteten Aufforderung zur Begehung strafbarer Handlungen be-ichuldigt. Er war in der Nacht des Ä. Oktober mit seiner Frauspät nach seiner Wohnung im Hause Reinickendorfer Straße 36heimgekehrt und beobachtete vom Fenster auö die Vorgänge aufder Straße. Er gibt an, gesehen zu hab>..i. wie ein aus einer Be-dürfnisanstalt tretender Herr auf fast menschenleerer Straße vonKriminalschutzleuten geschlagen wurde. In der Erregung habeWolter gerufen:„Pfui! Schämt Euch was! Der Mann hat janichts getan I" Die Anklage behauptet Ausdrücke wie:„Bluthunde!Spitzbuben! Verbrecher! usw., aber Wolter bestreitet sie. Er be-streitet auch, eine Menge durch Rufe aufgereizt zu haben, sich da«nicht gefallen zu lassen.Frau Wolter ist der Polizeibeleibiguns angeklagt. Sie gibtnur zu. aus dem Fenster„Pfui!" gerufen zu haben, weil einPolizist mit dem Revolver drohte. Sie bestreitet Rufe wie:„Ihrblauen Hunde. Ihr kriegt was auf den Kopf!"Tietz soll aus seinem Fenster herau. in eine Menge hinein-geschrien haben:«Bluthunde! Strolche!" usw., er bestreitet dasaber.„Bluthund!"-Rufe aus dem Fenster waren auch der FrauRohloff zur Last gelegt. Sie gibt sie zu. entschuldigt sich mit Er-regung und sagt, sie wisse nicht, wen sie damit meinte.Frau Haupt soll auf der Straße, weil man sie nicht durch-ließ,„Bluthund!" geschimpft haben. Sie bestreitet das und gibtan, ein Schutzmann habe ihr gesagt:„Gehen Sie, sonst haue ichIhnen eins in die Schnauze!" worauf sie nur geantwortet habe:„Na, Sie werden uns doch nicht gleich in die Schnauze hauen!?"Der Frau Platow wird zur Last gelegt, auf der Straße beimAnblick eines Gefangenentransports„Bluthunde!" gerufen zuhaben. Sie bestreitet das. Auch das bestreitet sie, bei ihrer Fest-nähme von der Seite ihrer Freundin weg sich verteidigt zu haben:„Nicht ich war es, die war's!"— Angekl. Brandt gibt an, er selbersei damals vorbeitransportiert worden, habe aber von den beidenFrauen kein Schimpfwort gehört.Rudolph ist angeklagt der Sachbeschädigung. Er soll in derNacht zum 30. Oktober gegen 2 Uhr an der Ecke der Reinickendorferund Wiesenstratze Laternen vorsätzlich zertrümmert haben. Er.sagt: Vorsätzlich? Ich bin aufgereizt worden, meiner Ansicht nachvon einem Lockspitzel, und nahm dann einen Stein. Ich warf auch,traf aber nicht. Unterwegs wurde ich von dem angeblichen Kriminal-beamten in Rücken und Nacken geschlagen, von dem angeblichenKriminalbeamten! Auf der Wache wurde ich an l>en Ofen gestoßenund mit Knüppeln bearbeitet. Angeklagter gibt auf Befragen an.daß in jener Nacht ein Zeuge, der gegen ihn auftrat, sich alsKriminalbeamter bezeichnet habe.Beleidigung und Widerstand wird dem Angeklagten Kuppervorgeworfen, der vor Schutzleuten mit einem„Pfui!" ausgespucktund bei seiner Festnahme sich gegen den Boden gestemmt habensoll. In der Voruntersuchung hat er es als möglich zugegeben, erkann sich aber nicht erinnern, weil er bei seiner Festnahme an-getrunken war. Die übliche, an alle Angeklagten gerichtete Frage,ob er was vom Streik gewußt habe, beantwortet Kripper mit Nein.— Vors.: Dann ist es ja noch weniger zu entschuldigen, daß Sie„Pfui!" riefen.Sühring soll„Bluthunde!" gerufen haben. Er bestreitet eS;der Vorsitzende hält ihm aber vor, die eigene Frau des Angeklagtenhabe angegeben, ihn wegen des Rufes„Bluthunde!" vom Fensterweggezogen zu haben.Der Angeklagte Hellwig wird beschuldigt, gegenüber einemGefangenentransport durch ein„Pfuil Haut ihnl" die Polizei be-leidigt und eine Menge zur Begehung strafbarer Handlungen auf-gefordert zu haben. Er bestreitet das. Vor den angreifenden Schutz-leuten sei mit anderen auch er geflohen; in einem Hause habe einKriminalbeamter ihn ergriffen, und der habe ihm sofort einenStockhieb über den Kopf gegeben.Aach Schluß der Vernehmung beantragt Rechtsanwalt Cohn,die Angeklagten Hartman«. Pagel, Frlesner, Lube nunmehr auSder Untersuchungshaft zu entlassen. Das stürmische Tempo, mitdem hier wie in den anderen Prozessen die Staatsanwaltschaft dieAngeschuldigten habe festsetzen lassen, sei durch nichts gerechtfertigt,da die zu erwartende nicht hohe Strafe nicht Fluchtverdacht be-gründe. Der Staatsanwalt Brüning widerspricht. Das Gerichtbeschließt hierüber erst am Ende der Sitzung und kommt zu einerAblehnung des Haftentlassungsantrages,der jetzt noch nicht am Platze sei.DieBeweiserhebungbeginnt mit der Vernehmung von Zeugen, die dem Gericht ein Bildvon derEntstehung des Streiks bei Morgensterngeben sollen.Schlächtermeister Morgenstern hat den Vortritt. Er bekundet,mit dem Zentralverband der Fleischer habe er einen Tarifvertragabgeschlossen, durch den er sich verpflichtete, Leute vom Verbandeinzustellen. Zu Differenzen sei es gekommen wegen eines vonihm eingestellten Erstgesellen, eines Bekannten von ihm, des frühe-ren Schlächtermeisters Kuppert, der nicht im Verband war. DerVerband habe zunächst sich einverstanden erklärt, hinterher abersei gefordert worden, daß er ihn entlaste, weil er für seinen Postennicht geeignet sei. Morgenstern nahm ihn dann aus dem Ge-schüft Schercrstraße hinüber nach seinem Geschäft Kaiser-Wilhelm-straße. Zum Streik kam es nachher wegen der Entlassung zweierdem Verband angehörenden Gesellen Giers und Fenske. Diesebeiden seien ihm als erbittertste Gegner bekannt gewesen, die dafür— so behauptet Morgenstern— gesorgt hätten, daß das Verhältniszwischen Arbeitgeber und Gesellen unerträglich wurde. Daß er sieentlassen werde, habe er vorher dem Verbände gemeldet, auch habeer gefordert, ihm zwei andere Gesellen zu schicken, was freilichnicht geschehen sei. Dem Gesellen Giers war auch für einen Mon-tag, an dem er nicht gearbeitet hatte, der Lohn gekürzt worden,um 3 Akark für ein paar Montagsstunden. Das hatte zu einerDifferenz mit dem Geschäftsführer Stiller geführt, doch erfuhrMorgenstern hiervon, sagt er, erst nach der Kündigung. Zeugegibt auf eine Frage des Rechtsanwalts Cohn nach der im Morgen-sternschen Betrieb üblichen Ueberstundenwirtschaft noch an, frühersei bei ihm so lange gearbeitet worden, wie zu tun war. Gierssei„ein guter Mensch" gewesen, ehe er dem Verband beitrat, undvon da an erst seien von ihm und-anderen die Ueberstunden ver-weigert worden.— Rechtsanwalt Cohn: Weshalb verweigerten siedenn- Ueberstunden?— Zeuge: Sie sagten, ich solle mehr Leuteeinstellen.— Auf Befragen sagt Zeuge, daß bei ihm in der Wochetäglich lll�h Stunden, am Sonntag drei Stunden gearbeitetworden sei.Sein Geschäftsführer Stiller äußert sich ähnlich über die Ur«fache des Streiks. Die beiden Gesellen Giers und Fenske habe erauf Veranlassung Morgensterns gekündigt. Giers sei seit seinemEintritt in den Verband nicht mehr zu brauchen gewesen. Vorallem sei-r gegenüber ibm, dem Geschäftsführer frech gewesen.und das könne er sich doch nicht gefallen lassen. Nach Ausbruchdes Streiks sei am 27. Oktober ein Schaufenster im Morgenstern»schen Laden in der Schcrerstratze zertrümmert worden. Die Arbeitswilligen seien durch Polizei zur Straßenbahn gebracht worden,einmal- habe man sie auch über Nacht im Geschäft behalten. DieKundschaft habe sofort sich vermindert.Als Beauftragter des Verbandes hat Böhlmann mit Morgen»stern und Stiller verhandelt. Zenge ist am Berichterstattertischnoch weniger als die beiden vor ihm vernommenen Zeugen zu ver»stehen. Er bekundet, der Einstellung Kupperts zugestimmt, abersogleich Bedenken gegen dessen Leistungsfähigkeit geäußert zu haben.Tatsächlich habe dann Kuppert nicht verstanden, die Arbeit so einzu»richten, dag sie rechtzeitig fertig wurde, darum bätten die Gesellennicht mehr mit ihm arbeiten wollen. Giers habe am Sonntagnicht gearbeitet, sich aber mit Krankheit entschuldigt. Daß ihmdann für die paar Stunden ein so erheblicher Betrag abgezogenworden sei, habe man um so mehr für unrecht gehalten, da doch amSonntag ohnedies nicht gearbeitet werden solle. Zeuge widersprichtder Bekundung Stillers, daß wegen dieses Abzuges eine Arbeits-nirderlegung in Aussicht gestellt worden sei. Er widerspricht auchder Bekundung Morgensterns, daß dieser die Entlassung der beidenGesellen dem Verband vorher angemeldet habe. Diese Entlassunghabe dann den Streik der anderen Gesellen veranlaßt, da diese sichsolidarisch mit ihnen erklärten. Gegen eine Frage des Vorsitzenden,wer für ein vom Verband unterzeichnetes Flugblatt gegen Morgen-stern verantwortlich sei, wendet Rechtsanwalt Cohn ein, eS gehedoch nicht an, den Zeugen so über die Angelegenheiten seiner Or-ganisation auszufragen. Zeuge gibt an, er sei nur aushilfsweisebeim Verband tätig gewesen und habe am Tage des Erscheinensdes Flugblattes schon wieder in seinem Beruf als Geselle ge»arbeitet.Durch diese? Flugblatt und ein zweites, das gleichfalls vomVerband unterzeichnet war, soll eine Erregung in dre Bevölkerunghineingetragen worden sein. Sie werden verlesen. Das ersteäußert sich über die Ursachen des Streiks, über Meister Morgen»sterns Haß gegen die Organisation, seinen„Herr im Hause"»Standpunkt. Es fordert die Arbeiterschaft zur Unterstützung derStreikenden auf. Ein zweites Flugblatt, das mehrere Wochenspäter erschienen ist, sagt, es werde dafür gesorgt werden, daß manHerrn Morgenstern das nicht so bald vergessen werde. Streikendehabe er als„Verbrecher" bezeichnet. Verbrecher seien ihm orga-nisierte Arbeiter, aber als Kunden seien ihm die Arbeiter an»genehm.Der Vorsitzende vertagt dann die Sitzung auf heute 9 Uhr.Sericdts- Leitung.Pfemfert wider Breitscheib.Im„Freien Volk" veröffentlicht der Beklagte Breitscheid fol»gende Erklärung, der wir ebenso wie der neulich vom Kläger ab»gegebenen Raum geben. Unsere Bemerkungen zu dem Ausschlußder Oeffentlichkeit in dem Prozeß werden hierdurch nicht geändert.Die Erklärung geht dahin:Da in verschiedenen Blättern der Ausschluß der Oeffentlich-?eit während der Vergleichsverhandlungen bemängelt worden ist.fei hier folgendes festgestellt: 1. Als ich den Gerichtssaal(ver-spätet) betrat war niemand im Zuhörerraum anwesend. ES istmir unbekannt, ob zuvor Zuhörer entfernt worden sind. 2. Erstim Verlauf der Verhandlungen teilte der Vorsitzende mit, daß esseine Gewohnheit sei, während der Vergleichsverhandlungen dieOeffentlichkeit auszuschlagen. Ich erhob dagegen ebensowenig wiedie Gegenpartei ausdrücklich Einspruch, zumal da das Gericht eSablehnte, auf die materiellen Grundlagen des Prozesses zurückzu-gehen. Wäre der Vergleich nicht zustande gekommen, so wäre dieSache, wie der Vorsitzende andeutete, ohnedies aufs neue vertagt.worden, da der Zeuge Jlgenstein verreist war. 8. Hätte ich gewußt, daß zahlreiche Pressevertreter vor der Tür auf Einlaß war-teten, wurde ich natürlich die Herstellung der Oeffentlichkeit auS-drücklich gewünscht haben. Die Herren Vertreter der Presse aberwaren nicht von uns, sondern von der Geyenseite geladen loorden.Daß ich nichts zu verbergen hatte, ergibt sich aus dem Vergleich.Oeffentliche Tanzlustbarkeit.Genosse Pollak und der Gastwirt Schirner in Brieg waren wegenMhaltens einer nicht genehmigten öffentlichen Tanzlustbarkeitim Lokal Tschirners von der Strafkammer zu Geldstrafen ver-urteilt worden. Der Gastwirt sollte außerdem die Polizeistundeübertreten haben. Und Pollak hatte wegen Beleidigung einesPolizeisergeanten noch eine GesLngnisstrafe von zwei Wochen er»halten. In dem Urteil hieß es: Die vom sozialdemokratischenOrtsverein in Brieg veranstaltete Maifeier sei zweifellos eineöffentliche gewesen. Die Frage tonne nur sein, ob die abends imSaal abgehaltene Tanzlustbarkeit ebenfalls den Charakter eineröffentlichen Veranstaltung gehabt habe. Das sei anzunehmen.Allerdings seien zum Tanz nur solche männlichen Personen zuge-lassen worden, welche Mitglied des veranstaltende» OrtSvereinS