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Präsident v. Kröcher: Ich rufe Sie zur Ordnung! Hoffmann(Soz.): Die Beschlüsse des Hauses sind eben unter aller Kritik.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Herr Hoffmann, ich rufe Sie zur Ordnung. Abg. Ströbel: Der Schluß der Debatte verrät mit aller wünschenZwerten Deutlichkeit das böse Gewissen der Mehrheit.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Präsident v. Kröchcr: Ich rufe Sie zur Ordnung und entziehe Ihnen das Wort zur Geschäftsordnung. Das Kapitel wird bewilligt. Beim Kapitel»Zucht- und Dressuran st alt für Polizeihunde' spricht Abg. Bartsch«:(Z.) sich lobend über die Erfolge mit Polizei- Hunden aus und wünscht die Unterstützung privater Bereine, die die Zucht solcher Hunde betreiben. Abg. Hoffmaun(Soz.): Wir haben nichts dagegen, wenn staatliche Mittel zu diesem Zwecke hergegeben werden. Doch sollten solche Polizeihunde nur verwandt werden zur Auffindung der schwer st en Per- b rech er. Bielleicht können zwei der intelligentesten Köter der Mordkommisston beigegeben werden und ihrer In- telligenz etwas nachhelfen.(Heiterkeit.) Sind doch eine Reihe von Morden in Berlin   von dieser Mordkommission noch nicht entdeckt. Wohin wir kommen, wenn wir allein uns auf die Intelligenz unserer Polizeibehörde verlassen, beweist das Vor- gehen der Polizei in der Mord fache Blumenthal wo sie die Haus- und Korridortüren sämtlicher Berliner   Häuser danach ausprobieren läßt, ob zwei in der Wohnung der Witwe Blumenthal gefundene Alumininmschlüssel hineinpassen. Wenn der Verbrecher schließlich die Frechheit hat, in Luckenwalde   oder Treuenbrietzen   zu wohnen, so wird es vielleicht gut sein, diese Sache gleich dem neuen Zwangszweckverband zu überweisen.(Große Heiterkeit.) Vielleicht kann man die Intelligenz eines Polizeihundes auch dazu benutzen, um den Urheber eines Briefes herauszubekommen, der gestern an den Abg. Hirsch gekommen ist. Ich will die Worte, die da drin stehen, hier nicht vprlesen, da ich auch nach allen Kräften bemüht bin. den Ton des Hauses zu heben.(Große Heiterkeit.) In dem Briefe wird dem Abg. Hirsch gedroht, daß ihm eine Kugel durch den Schädel geschossen werden soll, wenn er nochmal wagt, etwas gegen die Berliner   Polizei zu sage». Der Kasernenhosstil des Briefes und die Aufgabe in der Nähe des Alexanderplatzes zeigt, daß der Hund vielleicht gar keinen weiten Weg hätte, wenn er den Schreiber ermittelt(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten), natürlich liegt uns nicht daran, eine» solchen Narren dem Strafrichter auszuliefern. Die un- entdeckten Mörder in Berlin   sind so zahlreich, daß sie demnächst einen Klub werden gründen können.(Heiterkeit.) Wenn sie es in möglichster Nähe des AlexanderplatzeS tun, dann sind sie am sicher st en vor Entdeckung.(Sehr gut I bei den Sozial- demokraten.) ' UebrigenS sollte man sich nicht allzu großen Illusionen hingeben über die Zuverlässigkeit der Polizeihunde. So ist es bei G l e i w i tz vorgekommen, daß ein Polizeihund gleich mehrere Personen stellte, von denen keiner der Mörder war.(Hört I hört!) Bor allein muß jedem Mißbrauch mit Polizeihunde» entschieden entgegengetreten werden. So hat im Friedrichshain   ein Polizeibeamter einen Hund auf einen obdachlosen Arbeiter gehetzt, der diesem das Bein zerfleischte und den Arm zerriß, so daß er 14 Tage krank lag.(Hört I hört I bei den So» zialdemokraten.) Ein ganz skandalöser Fall wird aus Altona  von dem Organ des Vereins zur Förderung der Zuöht von Polizeihunden berichtet. Danach hat ma» Kinder auS der Fürsorgc- anstalt in Altona   zu Experimenten mit Polizeihunden benutzt, und einem Ki".de ist dabei eine tiefe Bißwunde beigebracht worden. Hört I hört!) Als die Sache in der Stadtverordneten« Versammlung vorgebracht wurde, meinte der Stellvertreter des Polizeichefs, das gehe da« Stadtverordneten- kollegium gar nicht« an. weil die Polizei dem Regierungs- Präsidenten unterstehe. Deshalb bringe ich den Fall hier vor. Wenn Fürsorgezöglinge zu solchen Zwecken mißbraucht werden, können Sie sich nicht wundern, wenn die Kinder nicht gerne in Fürsorge- anstalten hinein wollen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) ES ist skandalös, daß so etwas unter den Augen der Polizei passieren kann. Der Staatsanwalt hat das Verfahren eingestellt, weil kein Schuldiger festzustellen sei.(Hört I hört I) Zum mindesten ist doch aber der Direktor der Fürsorgeanstalt und derjenige. der die Kinder zu dem Zwecke entliehen hat, der schuldige Teil. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Statt solchen Mißbrauch mit Polizeihunden zu treiben, sollte man sie lieber zur Auffindung der Spur des Mörders des in Moabit   von der Polizei getöteten Herrmann benutzen(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), um endlich diesen Fall aufzu« klären, über den der Minister und der Polizeipräsident hartnäckig schweigt. In Dortmund   hat die Polizei solche Hunde dazu mißbraucht, uin Unruhen infolge eines Streiks zu begegnen. Man hat in skandalöser Weise die wilden Bestien auf ganz'Unbeteiligte losgelassen, ja man ließ die Hunde selbst den Fliehenden nach in ein Theater, wo gerade Vorstellung war, laufen. (Hört! hört!) Ich ersuche den Minister, eine Instruktion zu erlassen, in welchen Fällen und wie die Polizeihunde zu verwenden sind. -xdingS muß er sie so abfassen, daß die Intelligenz der P»,izeibeamten sie auch begreisen kann.(Bravo I tei den Sozialdemokraten.) Hierauf vertagt das Hau? die Weiterberatung auf abends ?'/, Uhr. Schluß 4'/z Uhr._ parlarocntarifcbes* sa« Militäretat in der Budgetkommission. Die stark differierenden Anfertigungskosten für militärische Bekleidungsstücke führten zu einer längeren Aussprache. An Macher- lohn werden bezahlt: z. B. für einen feldgrauen Wasfenrock 72 Pf., wenn er von Oekonomiehandwerkern angefertigt wird; 3,88 M. für die Anfertigung in S t r a f a n st a l t e n, 8,23 M. an kleine Handwerker und Heimarbeiter und 8,21 M. an Z i v i l h a n d« w e r k e r in den Belleidungsämtern. Bei allen anderen Beklei- dungsstücken sind die Preisunterschiede ähnlich. Abg. Erzberger  schien Lust zu haben, für die Beschäftigung von Gefangenen Stimmung zu machen, wogegen Genosse Noske lebhaften Einspruch erhob. Der durchschnittliche tägliche Verdienst für Schneider in den Belleidungsämtern betrug 1L09 beim Gardekorps   5,87 M., beim 5. Korps 4,42 M., beim 8. Korps 4,04 M., beim 9. Korpö 5,40 M., beim 10. Korps 4,70 M., beim 15. Korps 5,03 M. und beim 17. KorpS 4,30 M. Für Schuhmacher betrugen die Löhne in den genannten Korps der Reihe nach 8.75 M.. 4.81 M.. 4,54 M.. 8.69 M.. 4,92 M.. V.85 M. und 4,93 M. Auf eine Anfrage gab die Militärverwaltung zu, daß die preußische Justizverwaltung im Kriegsfalle sofort 10 0 0 weibliche Gefangene zur Anfertigung von Uniformen stelle. Auch dagegen legte Genosse Noske mit dem Hinweis Verwahrung ein, dah im Kriegsfälle Massen von Arbeitern b e s ch ä f t ig u n g S« los würden und ihnen durch Gefangenenarbeit nicht die Möglichkeit geraubt werden dürfe, bei der Beschaffung von Uniformen etwas zu verdienen. Lebhaft wurden auch sie hohen Aufwendungen für Flurbeschädigungen aus Anlaß der Manöver erörtert. Im nächsten Etat sind dafür 2 239 880 M. eingesetzt. Vom Kriegsminister wurde betont, aile Korpsführer hätten strenge Anweisung, Flurschäden nach Möglichkeit zu verhüten; großer Schaden werde aber durch die Massen von Manöverbummlern angerichtet, den zu verhüten gar michr in der Macht der Verwaltung liege...Dirigieren Sie mal den deutsöb-n Staatsbürger hei solchen Nnlässenl"«einte her Herr Minister. Für den Ankauf von Nemontepferden wird die Summe von 1612318S M. gefordert. Diese Gelegenheit benutzten der mecklenburgische Junker v. Treuenfels und der ostelbische Re- montenzüchter N e h b e l zu einem erneuten profitgierigen agra- rischen Vorstoß, v. Treuenfels prophezeite geradezu den Untergang der Zucht von Warmblütern, an deren Stelle die Zucht der schweren und militäruntauglichen Kaltblüter trete, wenn die Preise für die Remonten nicht erhöht würden. Auf frühere Vorstellungen der Remontenzüchter habe das Kriegsmimsterium die Preise erhöht, aber es müsse mehr geschehen. Dabei ist zu beachten, daß innerhalb weniger Jahre der Preis der Remonten von 900 auf 1085 M. g e st i e g e n i st. Der Kriegsminister beeilte sich, den Agrariern freundliches Entgegenkommen in Aussicht zu stellen, während der Schatzsekretär Mermuth   mit Entschiedenheit vor Annahme einer vom Junker Treuenfels im Interesse der Pferdezüchter eingebrachten Resolution warnte. Dafür wurde er von Herrn N e h b e l als wenig landwirtschaftsfreundlich" angesprochen, d. h. dem Schatz- sekretär wurde die Freundschaft gekündigt. Genosse Noske betonte zunächst, wie die Agrarier die Zeit der Kommission zur Befriedigung ihrer eigenen Profitinteressen mißbrauchten und geißelte dann das Vorgehen der Herren v. Treuenfels und Nehbel, die systematisch auf Preissteigerungen hinarbeiteten. Von einer Not der Pferde- züchter könne keine Rede sein; unter sich freuten sie sich nicht wenig über das glänzende Geschäft, das sie mit der Militärverwaltung machen. Der Vorsitzende v. G a m p stimmte der Kritik Noskes über den Mißbrauch der Zeit der Kommission ausdrücklich zu; er allein vermöge dem aber nicht mehr zu steuern. Gestützt auf die Zusagen des Kriegsministers zog v. Treuensels seine Resolution zurück. Bei der Forderung von 5,4 Millionen Mark für Reise- und Um- zugskosten wurde die Ausgabe von 60 000 M. zur Reise von 4 Offi- zieren nach Japan   bemängelt. Im ganzen kostet diese Reise an- nähernd 100 000 M. Eingehend wurde dw Zerstörung des Luft­schiffs Z II bei W e i l b u r g besprochen. Die Angelegenheit wird auch das Plenum beschäftigen. Jim der parte!* Sozialdemokratische GemcindcratSmrhrhelt in Gera  . Bei der Gemeinderatswahl in Gera   wurden 15 sozialdemo- kratische Kandidaten gewählt; sie erhielten 2837 bis 3179 Stimmen, während die Gegner 2442 bis 2793 Stimmen zählten. Da dem Gemeinderat bereits 11 Sozialdemokraten angehören, erlangen unsere Genossen dort die Zweidrittel-Mehrheit. Aus den Organisationen. Der Sozialdemokratische Verein für da? Fürstentum Lippe hielt am Sonntag seine Halbjahrs-Generalversammlung ab. Der Verein hatte im zweiten Halbjahr 1910 mit dem Kasicnbestand von 457.39 M. 1661,53 M. Einnahmen zu verzeichnen, Ausgaben 946,40 M., so daß am 31. Dezember 1910 der Kastenbestand 665,13 M. betrug. Die Mitgliederzahl stieg um 105; von 807 auf 912, und die Zahl der ,Volkswacht"-Abon»enten um 170. In 14 Orlen sitzen jetzt 26 sozialdetuokransche Gemeindevertreter. Reichötagskandidat Genosse Becker hielt zum Schlüsse ein Referat über die nächsten Reichstagswahlen. In der Generalversammlung de? 18. sächsischen Wahlkreises(Zwickau  ) wurde ein erheblicher Zuwachs der Mitgliederzahl festgestellt. Sie stieg von 4040 auf über 5000, eine Zunahme von über 24 Prozent! Die Generalversammlung soll künftig aus Vertretern der einzelnen Ortsgruppen bestehen auf je 50 Mitglieder entfällt ein Delegierter. Die Mitglieder des Vereins können sich an den Debatten der Generalversammlung beteiligen. Als ReichStagSkandidat wurde der jetzige Vertreter im Reichstage, Genosse Stolle, wieder ausgestellt. Märtyrertm» der Arbeiterpresse in Grufien(Kaukasus  ). Man schreibt uns aus T i f l i S: Wohl nirgends im ganzen Reiche hatte die Arbeiterpresse solche Verfolgungen zu erdulden wie in Grufien, wo die legale marxistische Presse bereits vor 1905 festen Fuß gefaßt halte. Der Kampf"wurde aber ohne Unterbrechung fortgeführt und an Stelle des gefallenen Kämpfers trat stets ein neuer auf den Plan. In dem kurzen Zeitraum der.konstitutionellen" Periode wurden in dem kleinen Grufien nacheinander 46 Arbeiterblätter heraus­gegeben, von denen aber nur 4 bis Nr. 52 und nur 1 bis Nr. III lebten. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß bei der Schließung des Blattes die Redaktion und Expedition versiegelt wurden, so daß man für ein neues Blatt die Einrichtung wieder neu anschaffen mußte. Sämtliche Blätter wurden auf admini- strativem Wege aus Grund des Kriegszustandes gsschlossen, während die Redakteure, meist nach längerer Gefängnishaft, aus dem Kaukasus  ausgewiesen wurden. In der letzten Zeit wurden die Redakteure aber noch außerdem zur gerichtlichen Verantwortung gezogen und zur Gefängnishaft auf ein Jahr verurteilt. Gegenwärtig verbüßen noch sechs von ihnen ihre Strafe in der hiesigen Metech- Zitadelle. Alle diese Maßnahmen erwiesen sich aber für die Administration noch als ungenügend. In der letzte» Zeit wird bei Schließung des Blattes das gesamte Redaktions- und Expeditionspcrsoual verhaftet. So wurden im November v. I. bei der Jnhibierung des Blattes .Achali-Asri' sämtliche Mitarbeiter und Angestellte, insgesamt elf Personen, verhaftet. Und als eine Woche darauf ein neues Blatt erschien, wurde das gesamte Personal nach fünf Tagen nach der Metech-Zitadelle geschafft... Polizeiliche Saaladtrcibung. Mit erfreulicher Offenheit hat der Gastwirt Northoff in H e e r e n, Kreis Hamm  , den Schleier von gewissen Praktiken der dortigen Polizeibehörde gezogen: Er warf den sozialdemokrati- schen Verein aus seinem Lokal. In einem Schreiben an den Vorsitzenden des genannten Vereins gibt Herr Northoff unter anderem als Grund an, daß er als Parteiwirt allen Schikanen der Aufsichtsbeamten ausgesetzt sei und durch hohe Strafen leiden müsse. Der Zwist in der tschechischen Sozialdemokratie. Auf der Landeskonferenz der tschechischen Sozialdeniokratiein Nieder- Oe st erreich kam es zu so heftigen Aus- einandersetzungen über die Zersplitterung der Ge- werkschaften und die Haltung des vom Abgeordneten Tomaschek geleiteten Wiener   tschechischen sozialdemokratischen Tage- blattes»Djelnitzke listy"(»Arbeiterzeitung"), daß die Konserenz schließlich ergebnislos abgebrochen werden mußte. Hiia Induftnc und Rande!. Schiffahrtsabgaben. Von welcher Beschaffenheit das der ReichStagskommission von der Regierung neu vorgelegte Material ist, dafür kann folgendes Beispiel als Beleg dienen: In der Drucksache Nr. 11 über die wirt- schaftliche Lage der Kleinschiffahrt und über die Beteiligung der Groß- und Kleinschiffahrt nach Swiffsgrößen heißt es Seile 2: »Die kleinen Leute, die ihr ganzes Vermögen oder den größten Teil davon in einem Fahrzeug angelegt haben und darauf mit ihrer Familie leben, besitzen rm Durchschnitt ungefähr ebenso große oder wenig kleinere Schiffe wie die Reedereien..... Für die Rheinflotte gibt es ein von der Versicherungsgesellschaft Providentia" in Frankfurt   a. M. herausgegebenes und auf dem laufenden erhaltenes Verzeichnis aller Fahrzeuge und Schiffs- eigentümer, au« welchem zu ersehen ist, daß die sogenanulen Partikuliere ungefähr ebenso große Schiffe haben wie die Reedereien. Nach einer auk Grund de? angegebenen Registers derPro» videntia" gefertigten Zusammenstellung ergibt sich aber folgende Ver- teilung der Schiffe nach Größengruppen: In der niedrigsten Klasie deutscher Rheinschiffe bis zu 400 Tonnen besitzen die Partikulierschiffer 1013--- 84°/g, die Reeder 198---16%. Es ist also das Gegenteil von dem richtig, was in der aml  - lichen Drucksache gesagt ist.(Wegen Raummangels zurückgestellt.) Gegen das Hefesyndikat nahm am Mittwoch eine Versammlung von Bäckermeistern Stellung. Es besteht der begründete Verdacht, daß der unter die Kontrolle der Bäckeriiinung gestellte Hcfeverschleiß als Ptessionsmittel gegen die Arbeiter mißbraucht werden soll, indem bei eventuellen Konflikten den Meistern, die mit den Arbeitern in Frieden leben, sich mit ihnen verständigen, die Hefe entzogen wird. Um solchen Eventualitäten zu entgehen, wollen die dem Jnnungs- terrorismus abholden Meister den Bezug syndikalSfreier Hefe ge- nossenschaftlich organisieren. Ware ist in genügender Menge zu haben. In einer angenommenen Rosoiution erteilte die Bersamm- lung dem bereits früher gewählten Hcfe-AktionsauSschuß den Auf« trag, die Vorarbeiten schleunigst zu erledigen. Die Genossenschast soll spätestens am 1. April de» Hefevertrieb aufnehmen; die Anteil- scheine dürfen nicht über 100 M. lauten. Jedem Bäckermeister soll Gelegenheit gegeben werden, sich zu beteiligen. Anteilscheine sind bei Bäckermeister Wilh. Hagen  , Rixdorf, Hennannstr. 159s. zu haben. Der Arbeitsnarkt. Berechnet man für die an den..Arbeitsmarkt" berichtenden Arbeitsnachweise das Angebot Arbeitsuchender auf je 100 offene Stellen, so ergibt sich für die Entwickelung des An- d r a n g e S folgendes Bild. Den Monat Oktober des Vorjahres zum Ausgangspunkt genommen, gestaltete sich der Andrang im Reichs- durchschnitt wie folgt: Oktober November Dczcnzber Januar 1909/10... 135,6 156,6 165,1 155,5 1910/11... 131,0 146,5 151.3 140,1 Gegen 1909/10 4,6 10,1 13,5 15,4 An der Besserung gegenüber dem Vorjahre hat der Arbeitsmarkt für Männliche den Hauptantcil, während im Vergleich zum Vormonat der Arbcilsmarkt für Weibliche besser abgeschnitten hat. Die Besse- rung des ArbeitsmarkteS im Januar hat in erster Linie ihren Grund in der Gestaltung der Witterung. Wenn auch hier und dort Frostwetler lageweise die Arbeiten unterband, so herrschte doch die warme Witterung vor und begünstigte die Bautätigkeit außerordentlich. Weiter trug auch die Gunst im Schisfahrts« g e w e r b e zu der Besserung deS Arbeitsmarktes bei. Auch in anderen Berufen wie in den landwirtschaftlichen B e» rufen, in der Gärtnerei usw., hielt sich die BeschäftigungSlosigkest in weit engeren Grenzen als vor einem Jahre. Weniger günstig als auf die verschiedenen Arbeiten im Freien wirkte die milde Witterung auf die Beschäftigung im Kohlenbergbau und w der Textilindustrie zurück. Im Kohlenbergbau ließ die vorüber« gehende Belebung der Nachfrage, die durch die Streikunruhen in Belgien   hervorgerufen war, im Januar bald wieder nach, und die Beschäftigung flaute etwas ab. Die Mattigkeit in der Textil» i n d u st r i e währt bereits seit längerer Zeit; sie nahm aber im Berichtsmonat unter dem Einfluß des warmen Wetters noch zu. Die Erleichterung am Arbeitsmarkte war, von der Rheinprovinz   ab- gesehen, in sämtlichen Landesteilen zu verspüren. Oesterreichs   kapitalistische Entwickelung ist in den letzten Jahren bedeutend fortgeschritten während die Volksvermehrung nur sehr gering und die Auswanderung groß gewesen ist. Die Zahl der Aktiengesellschaften ist von 449 im Jahre 1396 auf 693 in 1907, ihr Kapital von 1577 Millionen Kronen auf 2766 Millionen gestiegen, es hat sich also fast verdoppelt. Die Ausbeutung der Erzeuger und Käufer durch die großen Berg« und Hüttenwerks- gesellschaften ist auch immer großartiger geworden. 35 Gesell- schaften verteilten 1901 an Dividenden erst 215 Millionen Kronen, gleich 10,05 Proz., 42 Gesellschaften im Jahre 1907 schon 42,8 Milli- oncn, gleich 13,56 Proz. Im Betrieb standen Dampfkessel: 1900 erst 27 937, 1903 schon 33 930. Es gab 1895 833 Maschinenfabriken, 1903 schon 1656 solche Betriebe; die Lohnsumme in ihnen war in diesem Zeitraum von 67 auf 98 Millionen Kronen gestiegen. Und erst die Entwickelung der Kartelle! Das erste, das Schienenwalz- werkkartcll, auL dem das Elsenkartell hervorging, entstand 1873, aber erst 1903 schloffen sich die Eisenmillionäre Oesterreichs   und Ungarns   zusammen. Seither sind, um nur die größten zu nennen. entstanden: Kartelle der Fabriken von Kupferdraht, Maschinen, Emailgeschirr, Armaturen, Spiritus der landwirtschaftlichen Brennereien, Gummi, Glühlampen. Und die Unternehm erorgani- sation gegen den sozialen Fortschritt hat in ihrem EntwickelungS- tempo die industrielle Entwickelung, zu der freilich auch etwa? mehr Grütze gehört als zur landläufigen Scharfmacherei, noch überholt. 1897 erst ist in dem großen Neunkirchener Streik der dortige Unternehmerverband entstanden, 1909 der Reichenberger Verband nordböhmischer Industrieller. Der 1897 gegründete Bund öfter- reichischer Industrieller mit seiner Hauptstelle der Arbeitgeberver- einigungen. umfaßt heute ein dichtes, das ganze Land umfassendes Netz von Unternehmerorganisationen, während, wie in Parenthese zu bemerken ist, die Gewerkschaften in der Provinz noch recht schwach sind. DaS gesamte Bürgertum und Kleinbürgertum steht heute hinter dem Scharfniachertum. Die technische Vervollkommnung der Landwirtschaft hat ihren Ertrag geegn 1870 gewaltig gesteigert. Die DurchschnittSernte- erträgnisse sind in diesen 40 Jahren gestiegen bei Weizen von 9300 auf 15 500 Meterzentner. Roggen 18 700(26 000), Gerste 10 600 (16 300), Hafer 13 700(22 200). DaS landwirtschaftliche Kredit- Wesen hat sich im letzten Jahrzehnt enorm entwickelt: auS 2055 Raiffeifenkassen sind 6627 geworden, aus 180 000 Mitgliedern 786 389, und auS 93 Millionen Spareinlage» 615 Millionen. Ganz ebenso die gewerblichen Kreditvereine. VomKampf gegen das mobile Kapital" ist keine Rede mehr, seitdem binnen einem Jahre (19071908) die Mitgliedcrzahl von 173 000 auf 199 000, die Ge- schäftSanteile von 9,4 auf 11,3 Millionen, die Spareinlagen von 0,56 auf 3,38 Millionen gestiegen sind. Nur begreiflich, daß diese rasche Entwickelung die Geister verwirrt, in Verbindung mit dem von den Spießerführern schon zur Verdeckung ihre» Nichts ge- brauchten Nationalkrakeel die ökonomische und soziale Orientierung ungemein erschwert hat. Hus der frauenbeweefung* Arbcitcrinnenschutz und Säugliugssterblichkcit. In der Budgetkommission des Reichstags hat kürzlich ein nationalliberaler Abgeordneter bei der Beratung der Militär- Vorlage den Kriegsminister über die Zahl der deutschen Militär- tauglichen interpelliert und darauf die Anttvort erhalten, bei uns gelangten 53 Prozent von rund 540 000 Mann zur Aushebung. in Frankreich   etwa 267 000 von 315 000 Mann, d. h. 84 Prozent. Während aber in Frankreich   der überschüssige Rest völlig untaug- lich sei, könne in Deutschland   noch ein großer Teil für die Mobil» machung Verwendung finden. DaS muß natürlich den Anschein erwecken, als ob bei uns die Heerespflichtigen wer weiß wie zivil behandelt würden und als ob man in Frankreich   noch halb Lahme und Bucklige für Kuhfuß und gepackten Affen für würdig befände. In Wirklichkeit steht die Sacke anders. Die Aus» Hebungskommissionen lassen sich nie gern lemanden entgehen. ES läßt sich aarnicht leugnen, daß der Prozentsatz der Militärtaug. Ilchkeit bei Ms   ganz außerordentlich im Niedergang begriffen ist.