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it. 48. ss. i Stilöge des LmMg" Ktlliller NolksdlM. Zm" �k-brmtM. R.eickstag. 184. Sitzung. Freitag, den 23. Februar 1S11, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratstisch: v. Heeringen. Mermuth . Abstimmung über die ueue MilitSrvorlage. In namentlicher Abstimmung, die gestern ausgesetzt wurde, wird der§ 1 des Gesetzentwurfs über die Friedenspräsenzslärke des deutschen HeereS mit 247 gegen 63 Slintmen bei 11 Stimm- enthaltungen angenommen. Hilfsmitglieder im Patentamt. Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfes über die weitere Zulassung von Hilssmitgliedern im Palentamt. Im Gesetz vom 18. Mai 1608 war bestimmt, dafz der Reichskanzler solche bis zum 31. März 1911 berufen kann; bis zu dieser Zeil hoffte man, die allgemeine Revision des Patentgesetzes erledigen zu können. Da dies bisher nicht möglich war, soll die Frist bis zum 31. März 1914 verlängert werden. Die Borlage wird in erster und zweiter Beratung debattelos angenommen. Zweite Lesung des Militär-Etars. Die Beratung beginnt mit einer allgemeinen Besprechung beim Titel»Gehalt des Kriegsministers 50 990 M.'. Es liegt hierzu eine von den Abgg. Ablaß und Genossen(Bp.) beantragte Resolution vor, bei der Besetzung militärischer Stellen solle allein die T ü ch ti g kei t entscheiden, insbesondere soll weder eine Bevorzugung des Adels, noch eine Zurück- setzung aus politischen oder konfessionellen Rück- sichten erfolgen. Hierzu beantragen die Abgg. Liebermann von Sonnen- berg und Genossen(Wirtsch. Bg.), hinter»Tüchtigkeit" ein- zufügen:»und die sonstige Eignung zum Vorgesetzten". Abg. Erzbcrger(Z.j: Die Zahl der Fehlstellen im Osfizierkorps ist erfreulicherweise in stetem Abnehmen begriffen. Die Budget- kommission hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die beiden Armee- inspekteurstellen aus Sparsamkeitsgründen gestrichen werden sollen. Meine politischen Freunde lehnen das a b. Das Unteroffizier- korps ist erheblich gewachsen, wir haben im diesjährigen Etat etwa 99 909 Unteroffiziere gegen 59 69 999 vor einigen Jahren. Damit wächst auch dieZahl der jährlich zu versorgenden Militäranwärter. Erfreulich ist, daß die Soldatenmißhandlungen ganz er- heblich abgenommen haben; um nicht weniger als 70 Proz. haben sie sich nach einer Statistik, die ich vor einiger Zeit sah, verringert. Die Zahl der Kontrollversammlungen sollte nach Möglichkeit e i n g e s ch r.ä n k t werden. Beim Beschaffungswesen ist es zu begrüßen, daß die Militärverwaltung dazu übergegangen ist, direkt beim Produzenten zu kaufen. Bei der Beschaffung von Waffen und Munition sieht die Heeresverwaltung sich vielfach Ringen und Trusts gegenüber; es wäre recht gut, wenn der Kriegsminister die uns vertraulich mitgeteilten Zahlen hierüber auch in voller Oeffentlichkeit wiederholte. Die deutsche Munitions- und W a f f« n f a b r i k z. B., die ein Monopol für Maschinen- gewehre besaß, hat ganz ungeheuerlich am Reiche verdient. Auch Patente könnte man doch unter Anwendung des ß 5 des Patent- gesetzeS erwerben und die betreffenden Dinge in den eigenen Werk- pätten des Reichs erheblich billiger herstellen. sBravo 1 im Zentrum.» Abg. Noskc(Sog.): Unsere grundsätzlich ablehnende Haltung zum Militarismus hindert uns nicht, auf M i ß st ä n d e aufmerksam zu machen und auf Reformen zu dringen. Früher tat das auch daS Zentrum, heute haben wir nichts davon gehört. Unstreitig ist der Militäretat sparsamer aufgestellt als in früheren Jahren; trotzdem werden die Erträge der Zuwachssteuer nicht ausreichen, um die Lasten zufolge der neuen Militärvorlage auszugleichen. Nach- dem Dr. Heim gestern auf die Mannschaftslöhne hingewiesen, muß ich scharf betonen, daß wir seit Jahren eine Erhöhung der Mannschaftslöhne gefordert haben. Seit Jahren betragen sie 22 Pf. pro Tag, obwohl Butler, Speck, kurz alles teurer geworden ist.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Die Soldaten sind auf ihre Ersparnisse und aus Zuschüsse von zu Hause angewiesen; es wäre interessant zu erfahren, wieviel das deutsche Volk auf diese Weise noch extra beisteuert für seine Söhne im Waffenrock. Es ist kein Ruhmesblatt für den Deutschen Reichstag, daß er das Versprechen der Erhöhung kleines feuilleton. tba» Wetter vor Gericht. Während die Wissenschaft der gericht- lichen Medizin in unserer Rechtsprechung seit langem eine bo- deutend« Rolle einnimmt, wird die Wichtigkeit der gerichtlichen Meteorologie erst in jüngster Zeit von den Juristen mehr und mehr beachtet. Der Meteorologe Prof. C. Kaßner erörtert nun in einem Aufsatz der»Deutschen Revue" an einer Fülle von Bei- spielen den nicht selten ausschlaggebenden Anteil, der dem Wetter und seiner wissenschaftlichen Beobachtung bei der Entscheidung der Gerichte zukonimt. Der erfahrene Meteorologe kann als Sach- verständiger über so manche Dinge exakte Auskunft geben, die dem Richter für einen gerechten Urteilsspruch bestimmte Anhaltspunkte bieten. Da bei einer solchen mcteorologffchcn Auskunft mannig­fache Momente zu berücksichtigen sind und nicht selten die Beob- ochtungsresultate verschiedener meteorologischer Stationen kombi- niert werden müssen, so werden sich die Gerichte in Norddeutschland am besten an das Preußische Meteorologische Institut wenden. Wie wichtig unter Umständen der Spruch des gerichtlichen Meteorologen in Fragen krimineller Art sein kann, beweist z. B, ein Fall, bei dem ein Assessor auf Grund der Aussagen einer alten Frau, die ihn früh um drei Uhr im Spätherbst gesehen haben wollte, eines Raubanfalles beschuldigt wurde. Seine Ehre und Karriere standen auf dem Spiel, aber er tonnte kein genügendes Entlastungs- Material beibringen, bis er auf den Gedanken kam, das meteorolo- gische Institut um Auskunft über die Helligkeitsverhältnisse in jener Nacht am Tatort zu bitten. Solche Helligkeitsprobleme, die nach den Beobachtungen über Bewöltung, Nebel und Regen, über die normale Dauer der Dämmerung und das Studium der Wetter- tatte sich häufig nur durch umfangreiche Untersuchungen und Be- rechnungen lösen lassen, sind schiver richtig zu beantworten. Doch konnte in diesem Falle einwandsfrei festgestellt werden, daß die alte Frau unmöglich in der fraglichen Morgenstunde einen Menschen vom Fenster aus hätte erkennen können, und der Assessor wurde freigesprochen. Ein anderes Beispiel, in den die Meteorologie Licht tn eine mysteriöse Strafsache bringen konnte, war eine Anklage auf Brandstiftung. An einem schönen Sommertage brach in einem Zimmer Feuer aus, und nur der Mieter konnte der Täter sein; er wäre auch verurteilt worden, wenn man nicht schließlich auf den Gedanken gekommen wäre, daß die Sonne eine mit Wasser gefüllte Karaffe beschienen hätte und daß diese Karaffe wie eine Brennkugel die Wärmestrahlen der Sonne gesammelt, gerade auf der Tischdeck« konzentriert und sie in Brand gesteckt haben könnte. Da durch meteorologische Auskunft festgestellt werden konnte, daß zu der fraglichen Zeit tatsächlich die Sonne geschienen hatte und die Ent- stehungsursache durchaus im Bereich der Möglichkeit lag, wurde die Anklage aufgehoben.».., Daß der Regen Brandstifter sein kann, zeigte sich, so unglaublich eS auch klingt, zu Anfang Februar 1910 in R i x d o r f. Dort löschte sich mit Tüchern bedeckter ungelöschter Kalk, der in emem Holzfchlag lag, durch Regen selbst und wurde dabei so heiß, der Mannschaftslöhne auch in diesem Jahre nicht einlöst und, wie ich hinzufüge, auch im nächsten Jahre nicht. Schuld daran ist das Zentrum.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Bei der Er- döhung der Offiziersgehälter sagte das Zentrum zuerst, es sei bedenklich, sie vor den Mannschaftslöhnen zu erhöhen, denn wegen der Mannschastslöhne würde man ganz gewiß keine neue Steuer einführen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Aber dann hat das Zentrum die Offiziersgehälter doch erhöht und für die Mannschaften sich mit einer Resolution begnügt. In diesen Rahmen paßt es dann auch, daß bei der Marine den Heizern die Zulage gestrichen ist.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Im übrige» haben die Sparsamkeits- bestrebungen der bürgerlichen Parteien beiin Militäretat geradezu einen komischen Beigeschmack. Die Nationalliberalen erklärten, die neue Vorlage gehe ihnen nicht weit genug; dann aber wollten sie die Führer streichen. Wir bekämpfen ja den Militarismus prinzipiell; aber den Nationalliberalen muß man doch sagen, was soll denn das größte Heer nützen ohne Führer. Sie wurden denn auch als halbe Vaterlandsverräter hingestellt, die nur ein Wahlmanöver vollführten. Sie sind denn auch mit gewohnter Gründlichteil zusammen- geklappt und die Sparsamkeitsaklion hatte ein Ende. Das Gerede von den Reformen und Vereinfachungen im Militärwesen ist geradezu zu einem Spottwort geworden, zu einer Bcrhöhnung des Reichstages! Eine Konimission ist vor Jahr und Tag eingesetzt, um die Möglichkeit von Vereinfachungen zu beraten. Hoffentlich kommt nicht schließlich heraus, daß die Einführung der Verein- fachungen neue Kosten verursacht. Zu grundlegenden Reformen wird die Militärverwaltung schließ- sich durch die Verhältnisse gedrängt werden, die Avancements- Verhältnisse in den Offizierkreisen treiben dazu, und auch mit den Militäranwärterii, deren Zahl ganz unheimlich anschwillt, kann es nicht so Weiler gehen wie bisher. Ein Mitglied der Rechten meinte in der Kommnfion, die Reichsversicherungsordnung werde Gelegenheit geben, eine größere Zahl von Militäranwärtern als staatserhaltende Elemente in den Krankenkassen unterzubringen. Wir wissen jetzt, wohin die Hetze gegen die Krankenkassen geht. Die Kommission schlägt auch vor, zu erwägen, ob man die Militäranivärler nichl auf dein Lande ansiedeln kann. Das ist eine reine Utopisterei(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten), für die man kein Geld ausgeben sollte. Von Reformen merken wir nichts, außer der Einführung von neuen Waffen; unter dem gegenwärtigen Minister geht es eher rückwärts als vorwärts. In allen anderen Ländern dringt auch in das Heerwesen ein neuer Geist ein. dort geht man zur Verkürzung der Dienstzeit über und zu einer Demokratisierung des Heerwesens, man verschließt sich eben nicht der Talsache, daß heute ein ganz anderes Menschen- material in die Kasernen einzieht als vor 20 und 30 Jahren. Nur bei uns haben wir ein starres Festhalten am alten so lange bis es eben gar nicht mehr gehen wird.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Seit Jahren spricht man über eine planmäßige Jugenderziehung; und aus den Aus- sührungen des KriegSininisters von Einem konnte man schließen, daß wirklich etwas getan werden soll. Jetzt hören wir, daß auch dazu kein Geld vorhanden ist, und der jetzige KriegSminister will noch mehr als bisher zum Hurra-Patriotismus erziehen. Aber das kann ich ihm schon jetzt sagen, die Bekämpfung der sozialistischen Ideen in der Schule und Fortbildungsschule wird Fiasko mache».(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Einfluß des Elternhauses und der gesamten Verhältnisse in den Fabriken, in denen die jungen Leute arbeiten, wird mächtiger sein als der der Schule und Fortbildungs- schule; die Sozialdemokratie ist eben nicht da» Produkt gewissenloser Leute, sondern das Produkt bestimmter wirtschaftlicher Zustände, und sie wird weiter wachsen, ehe hier nicht eine Aenderung eintritt. Wenn der Minister etwas tun will, dann mag er für Ausdehnung des TurnenS der jungen Leute sorgen und für eine Verkürzung der Arbeitszeit. (Lebhaste Unterbrechungen rechts.) Wer, wie ich, als Lehriunge 1213 Stunden bei einem kleinen Kranter in die Stube gesperrt wurde, der weiß, was da an Volksgesundheit unter- graben wird.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Herr Häusler hat vor einem Jahre sehr warm die Möglichkeit einer Verkürzung der Dienstzeit dargetan. Jetzt sagt das Zentrum, es will die neue Militärvorlage daß Tücher und Holz in Brand gerieten. Wurden hier Unschuldige vom Verdacht der Brandstiftung gereinigt, so kann andererseits durch Wetterbeobachtungen das Vorhandensein von Brandstiftung festgestellt werden. Dies war bei einer Reihe von Bränden der Fall, die in der nördlichen Provinz Posen vorkamen. In den betreffen- den Dörfern hatte es aus irgend einer Ursache gebrannt, und jedes- mal schlugen, angeblich durch Flugfeuer, auch aus dem Dache eines gut versicherten Nachbarhauses die Flammen. Die Vermutung, daß die Häuser nur zur Erlangung der Versicherungssumme angezündet worden seien, wurde durch den meteorologischen Sachverständigen bestätigt, der nachweisen konnte, daß bei der herrschenden Wind- richtung das Flugfeuer gerade nach der entgegengesetzten Richtung hätte fliegen müssen. Die gerichtliche Meteorologie hat sich sodann mit der Frage zu beschäftigen, wie das Wetter auf den Menschen wirkt. Bei trübem Wetter, das die Menschen erfahrungsgemäß traurig und reizbar macht, werden Selbstmorde und Streitigkeiten häusiger vorkommen als bei schönem; auch die höhere Temperatur im Sommer erregt den Menschen und reizt ihn leicht zu Gewalttätig- leiten. Unter den Strafsachen, bei denen die Temperatur eine Rolle spielt, kommen am häufigsten die Anklagen wegen Feil- Haltens verdorbener Waren, namentlich bei Fleisch, und wegen Unfall durch Glätte vor. In beiden Fällen wird die Meteorologie auf Grund ihrer Beobachtungötabellen die richtige Auskunft er- teilen können. Neben dem Verderben von Nahrungsmitteln, für das die Witterung so häufig verantwortlich gemacht wird, kann auch die Nahrungsmittelfälschung die Meteorologie beschäftigen. So be­hauptete ein Milchhändler in einem Vorort Berlins , in dessen Milch mehr als 10 Proz. Wasserzusatz gefunden wurde, es sei bei starkem Regen Wasser in die undichten Milchfässer gelaufen. Die Unwahr- hcit dieser Angabc konnte dadurch bewiesen werden, daß die Regen- höhe an den betreffenden Tagen festgestellt wurde. Wäre wirklich Wasser in die innen 40 50 Zentimeter hohen Fässer gelaufen, dann hätte die Rege»höhe 40 50 Millimeter betragen müssen; tatsächlich ergab sie aber nur 0,5 Millimeter Wasser und das hätte den Wassergehalt der Milch höchstens um Vi« Proz. erhöhen können. Selbst in Familienangelegenheiten mischt sich die Meteorologie. Die Auferstehung von Mesopotamien . Seit dem Altertum haben sich mit manchen Ländern ungünstige Wandlunaen vollzogen, die oft in vorschneller Weise einer Verichlechterung des Klimas zur Last gelegt worden sind. Nun ist es zwar eine von der Wisienschaft anerkannte Tat- fache, daß sich mit dem Klima der einzelnen Erdgegenden im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende Veränderungen vollziehen, die anch für die landwirtschaftliche Bodcnausnutzung von großer Bedeutung sind. Insbesondere muß selbstverständlich eine Verminderung des Regenfalles in dieser Richtung einen verhängnisvollen Einfluß ausüben. Dennoch ist es höchstens zum Teil richtig, einen solchen Vorgang als Grund dafür anzunehmen, daß Länder ivie Sizilien, die ehemalige Kornkammer des römischen Reichs, Aegypten und Mesopotamien , jetzt in ihrer ZeugungSkraft verarmt sind. Im Altertum sind namentlich in den beiden letztgenannten Ländern und wiederum vor allem in Mesopotamien . Mittel zur künstlichen Bewässerung aufgewandt nicht als Pressionsmittel benutzen. Um bloße Wünsche wird sich die Heeresverwaltung nicht kümmern, darauf pfeift sie.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Und wenn Sie schon bei der Heeres« vorläge Reformen nicht erzwingen wollten, so sollten Sie doch beim Etat darauf dringen. Der Minister will das Einjährigcn-Frei- willigen- Privileg auf die Mittelschulen ausdehnen. Wir sind prinzipielle Gegner des Privilegs und wir wünschen, daß der Kreis derer. die nach einjähriger Dienstzeit entlassen werden, erheblich erweitert wird. Diese Vollmacht erteilen wir dem Minister gern, ohne daß darin ein Uebernmß von Vertrauen liegt.(Heiterkeit.) Eine weitere Verkürzung der Dienstzeit sollte schon deshalb zugestanden werden, weil die Heeresverwaltung in den letzten Jahren durch stärkere Einberufung zu den Uebungeü systematisch zu einer Verlängerung der Dienstzeit gelangt ist. An Reformen haben wir unter dem jetzigen Minister nur von neuen Paradevorschriften gehört, von Vorschriften, wie die Militärmusik zu spielen hat. wer den Hut abzunehmen hat und der- gleichen mehr, was unstreitig zur Erhöhung der Schlagsertigkeit beiträgt. Auch der Exerziermarich, der glücklich beseitigt war, ist unter ihm wieder eingeführt worden. Im vorigen Jahre hat der Kriegsminister bestritten, daß es bevorzugte Regimenter gäbe. Ich kann ihm auch jetzt wiederzeigen, daß das nicht geschieht was er sagt, daß ein höherer Wille als der seine andere An- schauungen ausstellt, als er hier verlritt. Bei der Rekrutenvereidi- gung in Potsdam sagte der Kaiser, für die jungen Leute sei es eine besondere Ehre, in der Garde zu dienen. Also der Minister erklärt, alle Regimenter sind gleich zu bewerten; aber der Kaiser sagt, nein, die Gardrregimenter sind eine besondere Nummer. Danach ist es be- greiflich, daß auch bestimmte bürgerliche Schichten in das Offizier- korps dieser Regimenter nicht zugelassen werden. Gewundert hat es mich, daß der Redner des Zentrums nichts über das Duell gesagt hat. Ich rege mich ja nicht auf, wenn jemand so töricht ist, sich vor die Pistole zu stellen und ein Loch in den Bauch schießen zu lassen.(Heiterkeit.) Aber das Zentrum hätte Ver- anlassnng, dagegen aufzutreten, daß die Offiziere sich gegen bürger- licheS und göttliches Recht auflehnen.(Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Der Waffengebrauch sollte unter strengere Vorschriften kommen. In Berlin ist kürzlich ein Fähnrich, der einen Menschen ohne Veranlassung totschoß, freigesprochen worden; man billigte ihm Putativnotwehr zu, weil er in schlotternder Angst handelte. Wir müssen mehr Achtung für daS Leben der Zivilbevölkerung fordern. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Der Kriegs- minister ivill als Erzieher wirken und hat zum Gespött der ganzen Welt den Offizieren daS Lesen desSimplicissimus" verboten.(Große Heiterkeit links.) Er sollte lieber dafür sorgen, daß das Knotentum aus den Kasernen verschwindet erklärte doch ein Kriegsgericht einen Offizier für straffrei, der einen Unteroffizier »roher Lümmel" tituliert hatte.(Hört I hört! bei den Sozial- demokraten.) Solange auf der Kaserne den Maiuischaftcn gegen- über der rüdeste Ton angewendet wird, sollten Sie sich nicht beklagen, daß wir unsere Gegner nicht mit Glacehandschuhen anfassen. Gestern sprach der Kriegsminister von dem veredelnden Geist des Militärdienstes. Der Ton in den Kasernen läßt davon nicht viel merken.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) In das Kapitel der unzulässigen und dabei lächerlichen Bevor- mundung gehört auch das Verbot für Mannschaften, Lotale zu besuchen, in denen Sozialdemokraten verkehren. Was will man damit erreicben? Will man den Soldaten die Existenz der Sozialdemokratie verheimlichen? Oder fürchtet man Ansteckung, ivenn die Soldaten abends in einem Saale das Tanzbein schwingen, in welchem am Vormittag ein Sozialdemokrat gesprochen hat. (Heiterkeil und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Unzweifel- hast wird unter dem jetzigen Kriegsminister der Boykott wieder schärfer gehmidhabt, als unter seinem Vorgänger. In Lokalen, in denen Sozialdemokraten Versammlungen abhalten, darf die Militärmusik nickt spielen was allerdings das gute hat, daß den schwer um ihre Existenz ringenden Zivilmusikern ein wenig die Konkurrcnz erleichtert wird. Wirte verfallen dem Militärboykott, wenn sie auch nur in sozialdemolratiscken Blättern inserieren.(Hört! hört! bei dcnSozialdemokraten.) Die Saalabttciberci wird geradezu systematisch betrieben. worden, die seitdem verfallen sind. Aegypten hat nach der Schaffung der großartige» Stauanlagen am Nil bereits seine Wiederauferstehung begonnen. Der geistige Schöpfer dieses außerordentlichen Menschen- Werks, der Engländer Willcocks, hatte einen entsprechenden Plan anch für die künstliche Bewässerung von Mesopotamien ausgearbeitet. dessen AuSführmig jedoch bisher nicht in Angriff genommen worden war. Jetzt aber ist zwischen der türkischen Regierung und einer englischen Firma ein Vertrag für den Bau eines großen Staudammes im An- satz des Hindia -Kanals zustande gekommen, und damit würde ein Teil der Vorschläge von Willcocks verwirklicht werden, indem die Gewässer des Euphrat aus jenem Kanal wieder in das eigene Bett zurückgelenkt werden sollen. Der Vorteil wird ein doppelter sein, indem die jetzt trockenen Gelände zu beiden Seiten des Euphrat eine Bewässerung erhalten und die sumpfigen Gebiete längs des Hmdia-Kanals von ihrem Uebermaß an Feuchtigkeit befreit werden. Notizen. Musikchronik. Das nächste populäre Lieder- Konzert im B l ü t h n e r- S a a l Sonntag, den 26. Februar, nachmittags 4Vz Uhr, wird ein lustiges Faschings-Konzert mit Rezitationen sein. Theaterchronik. Im Friedrick-Wilhelm« städtischen Schauspielhause findet am Sonnabend, den 4. März, nachmittags 3 Uhr, eine Aufführung von Schillers »Wilhelm Teil" für die Gemeindeschulen Berlins und der Vororte statt. Felix Weingartner ist von Herbst 1912 ab als musikalischer Leiter für das Hamburger Opernhaus verpflichtet worden. Neue Berufs- und Wortbildungen. Die für die Aufiiahmejury der Internationalen Hygieneausstellung vorgeschlagenen Soziolpolitiker Minister a. D. von Berlepsck, Professor Franke und Herr von Scheven wurden von dem Ausstcllnngsdirektorium ab- gelehnt und zwarweil sie ohne festen Boden unter den Füßen in der Luft sckiveben". Dcnmach scheint eS sich hier um eine neue Gruppe von Lustschiffern, etwa um S o, i a l» aviatiker zu handeln. In Nr. 29 derB. Z. a. M." wurde das am Rhein zu er- richtende neue Bismarckdenkmal als ein p l a st i s ch- a r ch i t e k« tonischer Jnstizmord" charakterisiert. Wie wäre es in Zukunft mit einer m o n u m e n t a l- m n s i k a l i s ch e n P o l i z e i« razzia oder einem perspektivisch-koloriertem Ge- richtSbeschluß? O, wie interessant! Bezeichnend für den von der bürgerlichen Presse betriebenen Personnl-Reklameklatsch sind die aus- führlichen Berichte, über die Zahl der ausgetauschten Ohrfeigen und der in Aussicht genommenen Duelle anläßlich der Aufführung eines neuen Dranms von H. B e r n st e i n in Paris . Es würde un« gefähr ebenso interessant sein, die Kontrahagen festzustellen, die unsere mensurlustigen Studenten sich alle Abende holen oder die Jnvektiven zu numerieren, �ne gewisse ebenso randaliersüchtige Fecht» meister der Feder sich leisten.