Ein Erfaß des KriegSministerS hat unseren vollen Beifall. Er derbietet die Verwendung von Soldaten zu gewerblichen Zwecken. Schade nur, daß der Erlaß in der Praxis wenig befolgt zu werden scheint. In den königlichen Theatern hier in Berlin werden Soldaten als Statisten, Theaterarbeiter usw. gebraucht, während zahlreiche Zivilisten arbeitslos herumlaufen. En Elberfeld, in Essen etablieren sich die Bezirkstonimandos direkt als StreikbrecherburcauS. Gie verweisen mit Vorliebe die entlassenen Soldaten an Betriebe, in denen gestreikt wird. sHört l hört l bei den Sozialdemokraten.) Auf die Beschwerde der Gewerkschaften erklärte die Militärverwaltung: da« geschehe nur aus Humanitären Gründen.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Eitrige Worte über die Reform des MilitärstrafrechtS. Der Reichstag bat oft diese Forderung erhoben. Die Militär Verwaltung hat nickt darauf geachter. Die neue Militärvurlage wäre der geeignete Zeitpunkt gewesen, Ernst hinter diese alte Forde rung zu sehen. Es ist nicht geschehen, und nachdem die Militär- Vorlage bewilligt worden ist, wird die Militärverwaltung erst recht nicht an eine Reform denken.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokr.) Und doch wäre eine solche Reform dringend notwendig. Ich will übrigens bei dieser Gelegenheit die alte Unwahrheit zuriickloeiscn, daß die Sozialdemokratie die Soldaten zur Insubordination anreizt. Die Statistik beweist das Gegenteil. Die allerwenigsten Verstöße gegen die Subordination kommen im sächsischen Kontingent vor. (Lebhaftes Hörtl hört! bei den Sozialdemokiaten.) Tagtäglich erleben wir, daß drakonische Urteile gefallt werden, die die Notwendigkeit einer Reform des MilitärstrafrechtS beweisen. Ich erinnere an die ttitgeheuerliche Bestrafung jenes Sektierers, der sich weigerte, am Sonnabend Dienst zu tun. Ich erinnere an die zahlreichen Urteile, durch die oft wegen Lappalien Leute für ihr ganze« Leben ruiniert loerden. Damit kontrastieren dann mtfs grellste die milden, spaßhaft milden Urteile gegen Soldateitschinder. Da wird ein Soldat von einem Offizier mit der Reitpeitsche durchs Gesicht geschlafen.(Hört I hörtl bei den Sozialdemokraten.) Der betreffende Offizier wurde zu ein paar Tagen Stubenarrest verurteilt. Das ist keine Strafe für die infame Mißhandlung eines Wehrlosen.(Lebh. Zttst. bei den Sog.) Man spricht von einem besonderen Ehrgefühl des Offizier- korps. Dann sollte das Offizierskorps selbst dafür sorgen, daß solche Leute, die in feiger Weise wehrlose Untergebene mißhandeln, aus gestoßen werden.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Herr Erzberger hat uns erzählt, daß die Zahl der Soldaten Mißhandlungen abgenommen hat. DaS wäre auch noch schlimmer, wenn die jahraus, jahrein im Reichstag geübte Kritik an den Soldatenschindereien gar nichts geholfen hätte. ES kann aber gar keine Rede davon sein, daß die Soldatenmißhandlungen auf gehört haben.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Die privilegierte Stellung der Offiziere kommt auch zum Ausdruck in dm Ehrengerichten. Ich will auf die Frage hier nicht näher eingehen. Wir find Gegner aller solcher privilegterten StandeSgerichte. Ihren Zweck der Säu berung des Offizierstandes von unsauberen Elementen scheinen die Ehrengerichte sehr unvollkommen zu erfüllen. Der Graf Pfeil, der abwechselnd seine schwangere Ehefrau und seine Burschen prügelte, ist ja jetzt ausgemerzt. Aber der Hauptmann Weller, der seine Sol- baten u. a.— die allerhundsgemeinsten Ausdrücke(Heiterkeit.) will ich hier nicht vortragen— mit»AaS ', Schweinehund-,.krummer Hund",.Biest-,.scheeles Judenaas-,„Gehirneunuche-(Heiterkeit und Pfui l-Rufe) anredete, ist in der Armee geblieben und kann es noch weit bringen auf der Staffelleiter der militärischen Würden.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Die Fortschrittler haben einen Antrag eingebracht, wonach politische und religiöse Rücksichten nicht von der Beförderung ausschließen sollen. Die Antisemiten haben dazu einen Antrag eingebracht, der ihn in sein Gegenteil verkehrt. Nun läßt uns der Streit um die Reierveoffizierswürde ziemlich kalt. Wir nehmen lächelnd Kenntnis von Fällen, wie dem Vorgang mit dem Dr. I ä n e ck e- Hannover, der seiner Reserve- offizierSwürde entkleidet wurde, weil er mit Maximilian Horden freundschaftlich verkehrt hatte. Solche Fälle beweisen nur, wie putzig es in manchen militärischen Hirnen aussieht.(Heiterkeit und Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Wir Sozialdemokraten wissen «S ja längst, daß wir als Leute minderen Rechts in der Armee und anderswo behandelt werden. ES finden sich auch oft genug Denunzianten, die Nicktiozialdemokraten bei der Militärbehörde denunzieren, um ihnen Uiigelegeiiheiten zu bereitet!. Uebrigens wird der KriegSminister kaum wissen, wie viele j�ozialdemokratischeVorgesetzte eS schon in der deutschen Armee gibt.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Ich glaube. der Herr KriegSminister dürste sich auch sehr scheuen, betm Kriegs- falle nach der sozialdemokratischen Gesinnung von Feldwebeln und Unteroffizieren zu forschen, und noch weniger möchte eS ihm ein- fallen, zu dekretieren, daß alle Sozialdemokraten als unznverlSssig zu Hause gelaffen werden.(Große Heiterkeit.— Sehr gut! bei den Soztaldemokraten.) Ueber die Stellung des Militarismus uns gegenüber haben wir UNS nie Illusionen hingegeben. Auch der bekannte Bisflngfche Gchewterlaß hat unS nichts besonders Neues gebracht Aber bezeichnend ist eS doch, daß in dem Erlaß auch die Verhaftung von Abgeordneten in Aussicht genommen wird.(Lebhaftes Hört I hört I bei den Sozial- demokraten.) Die Immunität der Abgeordneten, erklärt Herr v. Bissing kurz, soll nicht respektiert werden.(Lebhaftes Hört I hörtl bei den Sozialdemokraten.) UnS ist es nur zu klar, daß eS in solchen Fällen gar nicht erst de» Oldenburgschen Leutnants mit den zehn Mann bedürfen würde. Wie leicht lann es einmal zu einer Berhängung des Belagerungszustandes kommen! Die Polizei braucht ja nur noch etwas «ehr Spitzel und AchtgroschenjungenS auf die Straße schicken, als fie in Moabit getan hat.(Stürmische Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Dann ist der Borwand da, um womöglich alle sozialdemokratischen Abgeordneten zu er- greifen und nach irgend einer ostelbischen Festung zu schleppen, wie man 1870 unsere Genossen nach der osipreußiscden Festung Lützen geschleppt hat I(Stürmische Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Interessant ist in dem Bissings-Ven Erlaß auch die Rolle, die den Maschinengewehren und dem Reichstage zugedacht ist.(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) Selbstredend werden wir unseren Feinden nicht das Vergnügen machen, ihnen die Gelegenheit zu geben, daß der Säbel haut und die Flinte schießt.(Stürmische Zustimmung bei den Sozialdemo. kraten.) Wir entziehen uns dem Vaterlande nicht, wenn wirklich einmal ein auswärtiger Feind es bedrohen sollte. Aber gegenüber dem volksseindlichen Militarismus kann eS für uns nur eine Parole geben, die Parole: Krieg bis aufs Messer 1(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Müller-Meiningen (Bp.): Wenn wir auch in vielen Punkten nicht mit den Ausführungen des Abg. N o S k e überein- ftimmen, so z. B. bestreiten müssen, daß allein die Sozialdemokratie fich um die körverliche Ausbildung der Arbeiterjugend bekümmert. und wenn wir auch manche Verbesserungen und Fortschritte im Militärwesen anerkennen, so haben leider doch auch wir mehr zu tadeln als zu loben. Auch wir bedauern, daß das Zentrum nicht mehr seinen besten Fachkenner, den Abg. Häusler, zum Militär- Etat sprechen lassen zu wollen scheint. An seine Stelle ist der Abg. Erzberger getreten, der ja überhaupt im schwarz« blauen Block die Führung zu übernehmen scheint.(Meckernder Widerspruch de» Abg. Erzberger.)— Redner empfiehl» sodann die von seiner Fraktion beantragte Resolution auf So- g ü n st i g u n g der Soldaten, die sich vor ihrer Dienst- zeit turnerische Kennwiffe erworben haben, und bekämpft scharf einen Ministerialerlaß, der sich dagegen wendet, daß Offiziere den Par- lamentariern Mitteilungen über militärische Fragen machen. Even erst ist wieder eine Militärvorlage bewilligt worden, die dem deutschen Volk schwere Lasten auferlegt. Der Reichstag hat ein Recht daraus, sich Informationen zu verschaffen.(Lebhafte Zustimmung links.) Wir protestieren aufs schärfste dagegen, daß es in jenem Erlasse als schmachvoll bezeichnet wird, wenn Offiziere sich an Abgeordnete wenden. Ist denn der Reichstag nur dazu da, Milliarden zu bewilligen?(Sehr gut! links.) Redner empfiehlt sodann die fortschrittliche Resolution, wonach politische und konfesfionelle Rücksichten bei der Beförderung keine Rolle spielen sollen und die Bevorzugung des Adels aufhören soll. — Eigentlich enthält unsere Resolution selbstverständliche Forderungen; aber es fehlt leider noch viel, daß selbstverständliche Forderungen auch erfüllt werden. Der ritterliche Herr v. Einem hat uns Erfüllung unserer Forderungen zugesagt. Aber die Macht des Adels scheint größer zu sein, als die des Ministers.(Sehr wahr! links.) Die rechts- und verfafiungswidrige Nichtzulassung der Juden zu Offizicrsstellen dauert fort. Nur die Juden werden zw gelassen, die sich taufen lassen. Ist die Armee denn dazu da. Proselhtenmacherei zu treiben?(Sehr gut! links.) Unserer Forderung nach Reform der Ehrengerichte, für welche die Verfassung keinen Raum läßt, und die der Reichstag schon siebenmal angenommen hat, sollte man dadurch Nachdruck verleihen, daß man das Gehalt des Chefs des Militär- kabinetts streicht.— Unsere Militärjustiz leidet daran, daß drakonische Strafen gegen Mannschaften verhängt werden, viel zu gelinde Strafen gegen Vorgesetzte, welche die Soldaten schinden und peinigen.(Lebhafte Zustimmung links.)— Die Kompetenz der Ehrengerichte wird ausgedehnt, statt eingeschränkt; dabei find sie durch die Verordnung von 1874 zu lediglich gutachtender Behörde für das Zivilkabinett geworden. Die Armee ist nicht und soll nicht sein ein persönliches Instrument eines wohlmeinenden Monarchen. In der Armee soll jeder zu den höchsten Stellen ge« langen können, ohne Ansehen der Geburt, nur nach seiner Tüchtig- keit. Deshalb nehmen Sie unsere Resolution an.(Bravo I bei der Volkspartei.) Kriegsminister v. Hecringeu: In dem Ziel bin ich mit dem Vorredner einverstanden, aber wahrscheinlich nicht in den Mitteln; denn in der Armee darf die Disziplin nickt leiden, eine undisziplinierte Armee ist keinen Pfennig wert.(Lebhafter Beifall rechts). Herrn Erzberger bemerke ich, daß die Erwägungen, ob die Frühjahrs- kontrollverjammlung fortfallen kann, noch nicht ab- geschloffen sind; viel spricht dagegen. Nach Möglichkeit werden wir der Bevölkerung entgegenkommen.— Die Waffenpreise kann ich mit Rücksicht auf unsere Industrie nicht öffentlich nennen.— Daß ich keine Erhöhung der Mannschaftslöhue in den Etat einsetzen konnte, ist mir sehr schmerz- lich; aber ich protestiere dagen, daß Herr N o s k e das benutzt, um die Mannschaften gegen die Offiziere aufzuhetzen.(Bravo I rechts.) Daß ich keine Reformen im Sinne des Herrn NoSke eingeführt habe. ist für mich ein Lob, eS kann keinen Kriegsminister geben, der sozialdemokratische Reformen einführt.(Lebhafter Beifall rechts.) Die Jugenderziehung im nationalen Sinne ist unbedingt nötig. Aber der Antrag des Abgeordneten Müller, turneriscb ausgebildeten Leuten Vergünstigungen bei der Dienstzeit zu gewähren, geht zu weil; wir brauchen die zweijährige Dienstzeit für die Infanterie, die dreijährige für die Kavallerie. — Herr NoSke erwähnte die Rede des Kaisers bei der Rekrutenvereidigung in Potsdam . In ähnlicher Weise spreche ich auch, wenn ich zu meinem Regiment spreche; ein gesunder RegimentspatriotismuS ist nötig zu einein guten Soldaten.(Lebhaftes Bravo! rechts.)— Ueber das Duell der Grafen v. Goltz und v. Wartensleben kenne ich die Akten noch nicht.— Ueber den Ton ist gesprochen worden. Gewiß ist der Ausdruck.Lümmel- nicht angenehm; aber dagegen muß ich mich doch wenden, daß bei uns, wie Herr Noöke sagt, die Mannschaften schlimmer behandelt werden wie die Hunde. Das ist nicht der Fall.(Zust. rechts.) Der militärische Boykott über Lokale wird nur zur Aufrecht- erhaltung der Disziplin verhängt, und kann nur nach der Kenntnis der lokalen Verhältnisse beurteilt werden. Dasselbe gilt ftir die Ver- Wendung von Soldaten als»Streikbrecher-. Soldaten werden als Arbeiter nur verwendet, wo ein öffentlicher Notstand vorliegt. In Minden lag die Gefahr vor, daß sämtliche Pferde einer Brauerei verbungerien, weil gestreikt wurde, und deshalb traten drei Soldaten als Arbeiter ein.(Bravo I rechts.)— Die hohen Strafen des Militär st rafgesetzbuchS, über die geklagt wurde, find notwendig, iveil wir auch schlechtes Material bekommen; daß aber drakonische Urteile vorkommen, ist nicht wahr.(Widerspruch links.) Keine Armee, die auf Disziplin hält, kann darauf eingehen, daß vom Kriegsgerichte Vorgesetzte und Untergebene gleich behandelt werden(Hört! hört I bei den Sezialdemokraten.), dann der Vorgesetzte repräienliert die Autorität.(Sehr richtig I rechts.) Mein Erlaß, daß Offiziere sich nicht an Abgeordnete wenden sollen, ist erwähnt worden; auch dieser Erlaß dient der Disziplin, die Armee und die einzelnen Offiziere sollen sich von Politik fern» halten. Eine Mißachtung des Parlaments liegt hierin nicht, und daß der Ausdruck gefallen ist»gegen diese Kerls soll etwas ver- anlaßt werden- glaube ich nicht.(Große Heiterkeit links.)— Es ist über die Bevorzugung des Adels geklagt worden. Die Annahme der Offiziere ist Regimentssache. Ich gebe zu. daß eS bei vielen Regimentern den Anschein hat. al» ob nur adlige Offiziere aufgenommen werden, und ich halte da» nicht für richtig. Wir find auch auf' dem Wege. Wandel zu schaffen, nur geht das nicht ganz plötzlich, die Geschlossenheit der OsfizierkorpS muß erhalten bleiben; tatsächlich nimmt im Generalstab und bei den Regimentskoinmandeuren das bürgerliche Element mehr zu wie das adlige.— Herr NoSke forderte die Beseitigung der Ehren- gcrickte, weil die Offiziere keine besondere Ehre haben. DaS stimmt; aber wir fordern vom Offizier volle Unbeicholtenheit. (Bravo I rechts) Taml ist der Erlaß des Generals� v. B i s s i n f erwähnt worden. Dieser Erlaß ist nicht gegen die Sozialdemokrat« gerichtet, sondern gegen Aufstände, welche die Freiheit der Mitbürger bedrohen. ES wäre eine grobe Pflichtverletzung, wenn wir unS nicht dagegen vorbereiteten.(Sehr richtig! recht».) Der ganze Erlaß baut sich auf einer historischen Studie der kriegsgeschichtlicken Abteilung des großen Generalstabes über die Aufstände in den verschiedenen Ländern und zu den verschiedensten Zeiten auf. Es bestehen gegen den Erlaß nicht die geringsten Bedenken, außer gegen den Paisus über dieJm- m u n i t ä t der Abgeordneten. General v. B i s s i n g hat mir zwar gesagt, daß er den Artikel 30 der Versafiung, der ist e«. glaube ich, nicht hat verletzen wollen, aber eine Diskusston darüber st gegenstandslos, denn der Passus ist längst von dem komman- dierenden General deS siebenten Armeekorps herausgestrichen. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten.) In gefährlichen Zeiten muß die Armee das Rückgrat des Staates sein, und sie dazu vorzubereiten, dazu sollte auch dieser Erlaß dienen.(Lebhaftes Bravo I rechts.) Württembergischer Bundesratsbevollmächtigter General v. Dorm: Ueber den Fall W e l l e r. den Herr NoSke erwähnte, ist es zum Prozeß gekommen. Den Zeugen, die gegen Hauptmann Wellcr aus- sagten, standen ebensoviel Zeugen gegenüber, die zu seinen Guilsten aussagten. Wer süddeutsche Verhältnisse kennt, wird eS nicht für recht glaublich halten, daß jahrelang so grobe Beschimpfungen und Mißbandlungen in einer Kompagnie vorkommen können. Es läßt fich schwerlich aus dem Fall die Folgerung ziehen, daß unser Be- schwerderecht ungenügend ist oder ungenügend funktioniert. Wir müssen abwarten, was bei der gegen Wcller angeordneten Untersuchung herauskommen wird. Jedenfalls hat das deutsche Offizierkorps in keiner Weis« das Licht des Tages zu scheuen.(Leb- Haftes Bravo I rechts.) Abg. v. Lieber«(Rp.): Wem» wir dazu schreiten würden. Unter- osfiziere zu Offizieren aussteigen zu lassen, so würde die Homogenität unsere« OsfizierkorpS gestört und sein Niveau herabgedrückt werden.— Die Militärverwaltung sollte auf Mittel bedacht sein, der Landflucht zu steuern. Bielleicht wirkt di« Per- von Kavallerieregimentern in idyllische Landstädte. Es ist sehr gut. daß das Gardekorps sich aus Landesteilen rekrutiert, deren Ansichten denen der Mehrheit der hauptstädtischen Bevölkerung diametral entgegengesetzt sind. Eine Dreimillionenstadt bedarf einer solchen Garnison. (Beifall reckts.) Abg. Werner(Antii.) verlangt, daß auch mittlere Postbeamten zu Reserveoffizieren befördert worden. Das Haus venagt die Weilerberatung auf Sonnabend 11 Uhr. Schluß VU Uhr._ HbgcordmtenbaiiSo 35. Sitzung am Freitag, den 24. Februar 191 l» vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: Dr. Lentze. Die zweite Lesung des Etats wird beim Etat der König» lichen Seehandlung fortgesetzt. Der Etat wird nach un- wesentlicher Debatte bewilligt, ebenso der Etat der Zölle und indirekten Steuern. Es folgt der Etat der direkten Steuern. Abg. v. HennigS-Techlin(k.): Die jetzigen prozentualen Zu- schlüge können nicht beibehalten werden. Wenn sie aufrechterhalten werden müssen. Dieser hat große Mängel, die ausgeglichen werden müssen. Der Reiorniierung bedarf die Besteuerung der Gesellschaften. Notwendig tst eine strenge Besteuerung der Konsum- vereine. Wenn wir auch ihre EntWickelung nicht verhindern können, so dürfen sie doch nicht ungerecht bevorzugt werden. Die Sicherung der Selbsteinschätzung mutz mit allen Mitteln der Gesetzgebung und Verwaltung erreicht werden; wir dürfen dabei auch vor rigorosen Mitteln nicht zurückscheuen.(Sehr richtig! rechts.) Die jetzigen gesetzlichen Bestimmungen in dieser Beziehung genügen nicht.(Hört! hörtl) Wir sind ehrenhalber verpflichtet, hier mit größter Strenge vorzugehen, nachdem wir den ß 23 angenommen und dadurch die Arbeitgeber ver» pflichtet haben, die Lohnvcrhältnisse ihrer Arbeiter der Steuer» bchbrde genau anzugeben.(Sehr richtig!) Als Vorsitzenden der Steuereinschätzungskommissionen auf dem Lande halten wir den L a n d r a t nach wie vor für die g e e i g n e t st e Person. (Widerspruch liukS.) Den Weg einer Vermögcnszuwachssteuer halten wir für nicht gangbar. Den Herrn Finanzminister ersuche ich, unS vor Uebergriffen deS Reiche? in die uns verfassungsmäßig zugewiesenen Steuerquellen zu bewahren. Einen solchen Ueber- griff, und zwar von hinten herum, bedeutet die Erbanfall» st e u e r und ihre Ausdehnung auf Kinder, denn sie ist in der Tat eine Vermögenssteuer.(Bravo ! rechts.) Abg. Frhr. v. Zedlitz(k.>: Dem letzten Wunsche deS Vorredners kann ich mich nur anschließen; die indirekten Steuern ge- hören dem Reich, die direkten den Einzelstaaten und den Ge» meinden. Eine Vermögenszuwachs st euer könnte nur in Betracht kommen, wenn sie nicht auch daS durch Einschränkung des Lebensgenusses für das Alter ersparte Vermögen trifft und wenn sie wirklich ertragreich ist. In dieser Beschränkung ist der Gedanke sehr erwägungswert. Abg. Dr. Keil(natl.): Bei der Revision der Einkommensteuer im nächsten Jahre sollte der KreiS der steuerpflichtigen Subjekte ausgedehnt werden, z. B. auf Stiftungen nicht wohltätigen Cha, wkters. Gegen eine Sonderbe st euerung, der Gesell» schaften müßten wir unS aber entschieden wehren. Auch sind wir gegen die Beibehaltung des LandratS als Vorsitzenden der Ver- anlagungskommission. Von diesem Privilegium oäiosum sollte man die Landräte befreien. Steuerhinterziehungen kommen auf dem Lande wie bei der Industrie vor. Die Tatsache, daß bei den schweizerischen Banken die deutschen KapitalSanlagen stark zugenommen haben, ist wohl nur mit drr Absicht der Steuer» Hinterziehung für diese Kapitaliften zu erklären.(Hörtl hörtl) Der erste Schritt zur Vermögensbesteuerung durch da» Reich ist ja schon gemacht, und ich bin überzeugt, daß auch die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Deszendenten und Ehegatten über kurz oder lang kommen wird.(Bravo ! links.) Abg. Kirsch(Z.)t Den Optimismus des Vorredners in bezug auf die Erbschaftssteuer teile ich nicht. D e r Z 2 3 des Einkommen» steuergesetzes sollte am besten wieder beseitigt werden. Eine Deklarationspflicht bei der Ergänzungssteuer lehnen wir ab. Finanzminister Dr. Lentze sagt Prüfung der Anregungen zu. Abg. Gyhling(Vp.): Herr Kirsch meinte, es sei nicht Aufgabe der Abgeordneten, neue Steuern vorzuschlagen. Nun, bei der Reichsfinanzreform hat sich der b l a u- s ch w a r z e Block in dieser Beziehung als erfinderischer OdysseuS bewiesen und hat der Regierung eine ganze Reihe von Steuern statt der ab- gelehnten vorgelegt.(Zurufe rechts t Sie haben sich davor ge- drückt!) Eine Partei, die die Erbanfallsteuer abgelehnt hat, wie die Konservativen, sollte nicht davon sprechen, daß andere sich drücken.(Sehr gut! links.) Wir bedauern, daß der Minister uns gar keine Aufklärung über seine Grundanschauungen für die kommende Einkommensteuernovelle gegeben hat. Wir erwarten, daß man dabei die Einkommcnstufe von SM bis 12M M. angesichts der steigenden Belastung der unteren Volksschichten frei lasse» und die vorübergehend beschlossenen Zuschläge für die Einkommen bis 3M0 M. wieder beseitigen wird. AlS das Beste ver- langen wir nach wie vor die Ouotisierung der Ein» kommen st euer je nach der finanziellen Lage im jedem Jahre. Die Gewerbesteuer muß ebenfalls reformiert werden durch Er- leichterung der unteren Stufen und stärkere Belastung der höheren Stufen. Der Gedanke einer Vermögenszuwachs st euer ist ein vortrefflicher, nur fürchte ich, daß er ebenso mangelhaft durchgeführt werden wird, wie wir daS bei der Reichswertzuwachssteuer erlebt haben. Dasselbe würde übrigens mit einer stärkeren Progressierung der Vermögenssteuer erreicht werden.(Bravo ! links.) Finanzminister Dr. Lentze: Ich habe immer betont, daß die Steuerzuschläge unbedingt organisch eingearbeitet werden müssen, weil wir diese 60 Millionen nicht entbehren können. Ueber die Einzelheiten der kommenden Novelle habe ich zunächst die Meinungen des Hauses abwarten wollen. Auch hängt die kommende Novelle im einzelnen von der Gestaltung der Finanzlage in diesem Jahre ab. Im übrigen sollen die Hauptgrundsätze des bisherigen Gesetzes bestehen bleiben; es sollen nur Unklarheiten und Unzu- träglichkeiten beseitigt werden und eS soll für die Beschaffung der nötigen Mittel gesorgt werden.— Die Ouotisierung der Einkomensteuer halte ich nicht für praktisch. Sie würde dieselben Schattenseiten zeigen, wie heute bei den großen Ge- meinden.(Sehr richtig! rechts.) Dort bewilligt man hohe AuS- gaben und dann kommt jede Partei mit Anträgen auf Herabsetzung der Steuerquote.(Sehr richtig! rechts.) Abg. StrSbel(Soz.): Der Schwindel von der Hebung der Massen wird durch die Statistik über die Ergebnisse der Einkommensteuer völlig wider- legt. 42,8 Proz. der Bevölkerung erreichen nicht einmal das Ein- kommen von S00 M.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Zahl der Kinder wohlhabender Eltern, die dabei in Betracht kommen, ist wirklich nicht allzu groß. Wären es selbst einige 100 000, so blieben doch noch 42 Pr»z. Proletarier mit unter 900 M. Einkommen übrig. Und auch im übrigen gibt eS Millionen mit ganz unzulänglichem Einkommen. Biele Tausende sind in die Klasse von 900 bis 3000 M. überhaupt nur durch die genauer« Ein- schätzung auf Grund des Z 23 gekommen. Es ist ein grvstcS soziales Unrecht, daß gerade die Arbeiter bis auf den letzten Pfennig be- steuert werden, während die Besitzenden daS Recht der Selbstein. schätzung haben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Daß daS ein Unrecht ist, hat man auch bei Schaffung dieses Para» graphen eingesehen und beantragte daher, daß die B a n k e n A u»» k u n f t geben müßten über di« dort hinterlegten Vermögen. Dieser
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