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Nr. 32. 28. Jahrgang. �tJeilU b« Joraätls" Domlerstllg. 2. Mar; 191L Reichstag  188. Sitzung. Mittwoch, den 1. März 1S11, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratstisch: v. Heeringen. Zweite Beratung des Militäretats. Fünfter Tag. Die Beratung deginnt bei dem Kapitel.Bekleidung und Aus- rüstnng der Truppen". Hierzu liegt eine Resolution des Abgeordneten Wiedeberg u. Gen.(Z.) vor, bei der Vergebung der Lieferungen von Bekleidungsstücken tunlichst Vereinigungen von Heim- a r b e i t e r n zu bevorzugen, und eine Resolution des Abgeordneten I r l u. Gen.(Z.>. bei der Anfertigung von Bekleidungsstücken die selbständigen Handwerksmeister, die Handwerkergenossenschaften und Innungen besonders zu berücksichtigen. Wg. Albrecht(Soz): An den Bekleidungsämtern ist immer noch recht viel zu kritisieren; eS wird noch immer viel zu viel reglementiert und kommandiert. Auch an Sachkenntnis fehlt es den den Handwerkern vor­gesetzten Offizieren oft recht sehr. Daß der Apparat so teuer arbeitet, liegt an der Menge des Aufsichtspersonals. In einem Amt sind bei 300 Arbeitern angestellt 3 Stabsoffiziere, 3 Hauptleute, 1 Rendant, 6 Inspektoren, 1 Unterinspektor und 17 Unlerbeamte (Hört I hört! bei den Sozialdemokraten); dazu kommen noch 17 Handwerksmeister, also 60 beanrtete Personen bei 300 Arbeitern.(Hört I hört l bei den Sozialdemokraten.) Interessant ist auch der Arbeitsplan in diesem Bekleidungsamt. Die Stabs- offiziere haben eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich oder b Stunden täglich, die Hauptleute 35 Stunden wöchentlich, also etwa 6 Stunden täglich, die Inspektoren, der Unterinspeklor und der Rendant 41 Stunden wöchentlich, also etwa 7 Stunden täglich, die Handwerksmeister und Arbeiter dagegen haben eine wöchentliche Arbeitszeit von 54 Stunden oder neun Stunden täglich. Wenn die Offiziere nur 5 oder 6 Stunden arbeiten, dürsten für die Arbeiter wohl auch 8 Stunden genügen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ist es übrigens unbedingt nötig, an der Spitze eines Bekleidungsamtes einen Stabsoffizier mit dem Range eines Regimentskommandeurs und 78(X1 M. Gehalt nebst Neben­bezügen zu haben und dazu zwei Stabsoffiziere mit je 6500 M. Gehalt und Nebenbezügen. Sollte statt dessen nicht ein Major a. D. genügen? Es wird jetzt der Versuch gemacht, das System der erweiterten Bekleidungsämter mit Zivilarbeitern unmöglich zu machen. Für die Arbeiter ist dieses System das beste; denn sie haben da eine geregelte Arbeitszeit, eine eimgermasten anständige Werkstatt und auch einen annehmbaren Lohn. Erst die Hälfte der Bekleidungsämter ist in solche mit erweitertem Betrieb mit Zivilarbeitern umgewandelt. Trotzdem findet sich im Etat kein Posten für die weitere Um- Wandlung der Bekleidungsämter mit erweitertem Betrieb, wahr> scheinlich, weil der Kriegsminister sich vor den Militärparteien fürchtet, die jetzt die Umwandlung der Bekleidungsämter nicht mehr wollen. Die Arbeiter bei dem Bekleidungsamt in Straßburg   sind in großer Aufregung, weil ihnen gesagt ist, die Budgetkommission habe be« schlösse», die Tuchhosen künftig in den Strafanstalten herstellen zu lassen und deshalb habe der Kriegsminister angeordnet, es solle eineni Fünftel der Arbeiter gekündigt werden. Wie verhält eS sich damit? Die Budgetkommission hat jedenfalls solchen Beschluß nicht gefaßt, sondern ein Zentrumsmitglied wünschte, daß die Ar beiten in Strafanstalten gemacht werden. Ist die Nebenregierung des Zentrums schon so stark, daß ein solcher Wunsch.dem Kriegs- minister genügt, um Arbeiterentlassungen anzuordnen? Von den Militärparteien wird jetzt behauptet, die umgewandelten Bekleidungsämter arbeiten zu teuer. Aber das trifft nicht zu. In der Denkschrift ist nachgewiesen, daß gerade das System der Her siellung der Sachen im Kleingewerbe und mit Heimarbeitern am teuersten ist, und daß dabei auch nicht so sauber und akkurat ge arbeitet wird wie in den Bekleidungsämtern. Am schlechtesten ist die Arbeit in den Strafanstalten. Wer diese Arbeiten in die Straf- anstalten vereisen will, will damit gleichzeitig Tausende von Arbeitern brotlos machen und somit neue Tausende auf die Straße werfen und in die Gefängniffe bringen.(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemo traten.> Es ist ein Bergrhen an der Menschheit, wenn Arbeiten, die von Zivilarbeitcrn gut geleistet werden können, wegen der Ersparung von einigen hunderttausend Mark am Militäretat in die Straf anstalten gegeben werden sollen. Wenn Sie mit dem militä- rischen System schon so weit herunter sind, so sagen Sie lieber gleich den Bankrott an.(Lebhafte Zw Kleines feuilleton. Der Sieg der westeuropäischen Zeit. Die Franzosen haben ein schwere« Opfer ihres Nationalismus gebracht, sie haben den Meridian (Mittagskreis) von Paris   aufgegeben. Am 10. Februar hat der Senat das Gesetz verabschiedet, wonach Frankreich   die westeuropäische Zeit, oder mit anderen Worten, den Meridian von Greenwich   an- genonnnen hat. Mit dem Augenblick, wo das Gesetz in Kraft ge- treten sein wird, müssen alle Uhren in Frankreich   um 9 Minuten und 21 Sekunden oder, noch genauer, 20,6 Sekunden nachgestellt werden. Dies ist nämlich der Unterschied zwischen dem Meridian von Paris  und dem von Greenwich  . Nach einem Zusatz zu dem Gesetz wird die westeuropäische Zeit nur für die Marine noch nicht ein- geführt, damit nicht alsbald alle Karten und Hilfsbücher der Schiff- fahrt neu gedruckt werden müßten. Im übrigen ist eine voll- kommen Einheit geschaffen, und auch die merkwürdige Einrichtung der äußeren und inneren Stunde bei den Eisenbahne» hat aus- gelebt. Wenn es sich nicht lediglich um eine vernünftige und des- halb auch vorteilhafte Entscheidung handelte, könnte man hier von einer Niederlage Frankreichs   sprechen, denn es ist nicht einmal gelungen. England als Entgelt für die Er- Weiterung des Machtbereiches des Greenwicher Meridians die Annahme deS MelersyftemS aufzuzwingen, die eigentlich als Gegenbedingung gelten sollte. Darüber kann man sich freilich trösten, denn selbst die englischen Dickschädel werden schließlich vor dem unaufhaltsamen Siegcszng des Meters und der Celsiusgrade die Waffen strecken müssen. Skoch näher würde England freilich die Verpflichtung liegen, nun wenigstens in den ihm am engsten verbundenen Ländern den Grundsatz der Zeitzonen zur Durchführung zu bringe», denn bisher ist sogar Irland   von der Be- folgung dieser Regel noch ausgenommen, von Indien   und anderen weiter entlegenen Ländern der britischen Krone ganz zu schweigen. Es ist deshalb um so mehr anzuerkennen, daß die Franzosen  , nachdem sie einmal die Widerstände der Ueberlieferung und ihres Nationalismus überwunden haben, nun auch ganz reinen Tisch zu machen bestrebt find. Die Greenwicher Zeit wird in Frankreich   fortan mit der ge- nannten Ausnahme für alle Verhältnisse gelten. Der Pariser Kosmos stellt eine Betrachtung über die daraus sich ergebenden Folgen an. Wer sich bisher etwa nach einer Sonnenuhr gerichtet hat, wird außer der in den Tabellen angegebenen Zeitgleichung noch jene Ver- besserung anzubringen haben, um die güllige westeuropäische Zeit zu erhalten. Ausgenommen sind davon die Ortschaften, die mit Greenwich  auf demselben Meridian liegen. Zur westeuropäischen Zeit haben sich nunmehr bekannt: Groß-Britannien, Frankreich  . Belgien  . Holland  , Spanien  , Portugal   und Algier  , zur mitteleuropäischen Zeit die skan- dinavischen Länder, Deutschland   und die Schweiz  , Oesterreich und stimmung bei den Sozialdemokraten.) Die beiden vom Zentrum eingebrachten Resolutionen sind überflüssig, nehmen Sie lieber die von uns zu einem späteren Kapitel eingebrachte an, die- selbe, die wir beim Marineetat beantragt hatten, daß bei der Ver- gebung der Arbeiten auf Jnnchaltnng der tarifmäßigen Löhne und der gesetzlichen Bestimmungen geachtet wird. Darauf kommt eS an und nicht darauf, wer die Arbeit erhält, zumal bei den kleinen Gewerbetreibenden und den Heimarbeitern die Heeresverwaltung die Garantie für einen vernünftigen Lohn nicht übernehmen kann. Auch sie selbst zahlt übrigens keineswegs gute Löhne.   Die Arbeiterschaft des Bekleidungsamtes in Breslau   sowie die des Bekleidungsamtes in Leipzig   haben petitioniert, es möge für Ver- vollkommuung und Erweiterung der Bekleidungsämter Sorge getragen werden. Die Budgetkommission empfiehlt, darüber zur Tagesordnung überzugehen. Wir beanrragen im Gegenteil, diese Petitionen dem Reichskanzler zur B e r ü ck s i ch t i g u n g zu überweisen. Die Arbeits- ordnung eines württembergischen Beklcidungsamtes bestimmt, daß von der Einstellung Personen ausgeschlossen werden, die sozialistischen  oder sonstigen staatsfeindlichen Bestrebungen Vorschub leisten. Was sollen solche Kindereien! (Unruhe rechts.) Die Arbeiter stellen ihre Arbeitskraft zur Verfügung und nach etwas Weiterem hat die Verwaltung nicht zu frage».(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Was sind über- Haupt staatsfeindliche Bestrebungen? Man sieht wohl auch die g e- werkschaftlichen als staatsfeindlich an?(Zuruf rechts: die sozialdemokratischen Gewerkschaften.) Was heißt sozialdemokratische Gewerkschaften? Die freien Gewerkschaften fragen nicht nach dem politischen oder religiösen Glaubensbekenntnis.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Aber wie es scheint, will man gewerkschaftlich organisierte Arbeiter von der Beschäftigung aus- schließen. Ebenso ungehörig ist ein anderer Paragraph der Arbeitsordnung, welcher bestimmt, daß die Arbeiter verpflichtet sind, sich von ordnungsfeindlichen Bestrebungen und Vereinen fernzuhalten. Dabei sind gerade wir Sozialdemokraten es, die erst einigermaßen Ordnung in die Arbeitsverhältnisse gebracht haben. (Lebhaste Zustimmung bei den Sozialdemokraten, Widerspruch rechts.) Selbst Bismarck   hat anerkannt, daß ohne Sozialdemo- kratie keine Sozialreform, dieser kümmerliche Anfang einer Besserung, vorhanden wäre. Am schönsten sind die Be- stimmungen über die A r b e i t e r a u s s ch ü s s e, die der Kontrolle der Beamten unterstehen und somit wahre Zuchthausansschüsse sind. Beseitigen Sie derartige Mißstände und bauen sie die Be- kleidungsämter im Sinne meiner Darlegungen aus.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Vogel(natl.) bittet, den Bedarf an Militärleder bei den Vereinigungen der kleinen Gerber zu decken. Abg. Vogt-Hall(wirtsch. Vg.) schließt sich diesem Wunsche an, während Abg. Wehl(natl.) in sehr langen Ausführungen gegen seinen Fraklionsgenoffen Vogel polemisiert und erklärt, daß die Gerberervereinigungen zu teuer arbeiten. Generalmajor Staads: Wir können nur das allersolideste, widerstandsfähigste Ledermaterial gebrauchen und müssen am loh- gegerbten Leder festhalten. Doch machen wir auch Ver- suche mit schnellgegerbtem Leder.   Der Abgeordnete A l b r e ch t hat die zu teure Organisation der Bekleidungsämter bemängelt. Wenn man bedenkt, daß die gesamte Kleidung eines Soldaten einschl. Schuhwerk auf 66 M. zu stehen kommt, kann man doch wirklich nicht davon sprechen, daß zu teuer gearbeitet wird. Es kann keine Rede davon sein, daß die in den Bekleidungsämtern beschäftigten Offiziere zu wenig zu tun haben. Es kommen 11-, ja, 12 stündige Arbeitszeiten vor.(Hört! hört!) Wir werden daran festhalten, aktive Offiziere zu den Bekleidungsämtern zu kommandieren, denn das System hat sich, wie die Leistungen zeigen, vorzüglich bewährt. Der Abg. Albrecht hat hie Arbeiter- entlassungen in Straßburg   bemängelt. Die Entlassungen waren unvermeidlich, weil in einer Zeit gesteigerten Bedarfes so viele Arbeiter eingestellt worden waren, daß sie jetzt nicht mehr be- schäftigt werden konnten. Die Entlassungen sind aber auf das Mindestmaß beschränkt worden(bis jetzt sind sieben Arbeiter ent- lassen worden) und in der humansten Weise vorgenommen worden; es sind keine Verheirateten entlassen worden, die Kündigungsfrist wurde ausgedehnt usw. Ans die Zuziehung der Strafanstalten zu Lieferungen kann die Militärverwaltung nicht verzichten. Das kleine Handwerk wird bei Aufträgen von der Militärverwaltung nach Mög- lichkeit zugezogen.(Bravo  ! rechts.) Würtrembergischer Generalmajor v. Dorrer: Es trifft nicht zu, daß im Bekleidungsamt in Ludwigsburg   keine gewerkschaftlich organi» sierten Arbeiter geduldet werden. Allerdings werden keine sozial- demokratischen Agitatoren geduldet.(Beifall rechts.) Abg. Edler Gans zu Putlitz(!) erklärt, daß seine Partei für die Italien  , zur osteuropäischen Zeit bisher nur Bulgarien  , Rumänien  , die Türkei  , Aegypten   und Südafrika  . Für Nordamerika   gibt es fünf Zeitzonen, während für Südamerika  , das von dem nördlichen Teil des Erdteils erheblich nach Osten ablveicht. wenigstens eine neue Zone wird geschaffen werden müssen, an der von anderen Ländern nur noch Grönland   teilnehmen könnte. Das Ende einer Wiener   Straßcnfignr. Man schreibt uns auS Wien  : Das Abgeordnetenhaus hat es beschlossen, und vom Juli an gibt es in Wien   keine Hausierer mehr; im großen Ganzen wenig- stens, denn neue Lizenzen iverden nicht mehr ausgestellt, und die altetz nur Personen mit dreijähriger Seßhaftigkeit belassen.Der kleine Mann" so heißt das Schlagwort, der Gewerbetreibende,- der seine selbsterzcugten Produkte selbst an den Konsumenten ver- kauft der sollgerettet" werden. Und so wird ihm der noch kleinere Mann, der Hausierer, geopfert. Der Hausierhandel: man kann sehr viel für und gegen ihn sage», man kann einlvenden, daß durch ihn ansteckende Krankheiten verbreitet, Leute zu unWirtschaft- lichen Gelegenheitsausgaben verleitet. Unkundige übervorteilt werden; man kann für ihn geltend machen, daß viele Angestellte und Dienstboten ihre Einkäufe in anderer Weise nur schwer be- sorgen können, daß vielen Menschen ihr Erwerb entzogen wird und sie so in Not gebracht, manchmal gar dem Verbrechen zuge- trieben werden. Schön. Aber darauf kommt es uns hier gar nicht an. Die Sache ist entschieden. Und der Chronist will nur eine flüchtige Skizze von den Tgpen geben, die eine einzige Abstimsnung im Parlament aus dem Wiener   Leben fegt. Der Hausierer ist der Adjutant der Köchin, er bringt ihr Obst und Gemüse, Geflügel und Bier ins Haus; der Hausierer ist der Freund der Kinder, der bei allen Volksbelustigungen, an allen Plätzen der Volksfreude, im Prater, in Schönbrunn  , auf der Ring- straße und rings im Wiener Wald  , seine Luftballons, Trommeln, Pfeifen und weiß Gott  , welche Quiek- und Ouietschinstrumcnte in verlockendster Weise hochfliegen, knarren, klappern, piepen und brüllen läßt; bald fährt er mit seinem kleinen Handwägelchen durch die StraßenHeißeste Frankfurter  , Heißeste mit Kreen", bald postiert er sich mit seinem schwarzen ruirden Ofen als Maroni- bratcr an den Kreuzungsplätzcn; hier bringt er Blumen, da Sticke- reien, Blusen, Schürzen, dort wiederum Bijouterien, Fingerhüte, Pfeifen, Spazierstöcke... Ein Mädchen aus der Fremde. Und wirklich stammt er aus aller Habsburger  -Herren-Länder; aus der Slovakei, weshalb man sie Krowaten nennt; sie tragen kleine runde lederne Hüte auf dem Kopf, darauf den Strohkorb mit all den kleinen holzgeschnitzten Dingen für die Küche und das Kinder- zimmer; sie kommen mit wundervollen Spitzen aus dem Eger  - laich; mit Zuckerln, Prominzen und allerlei Näschereien aus Gott- schee, der deutschen   Sprachinsel in Krain  ; oder mit Feuerzeugen, Zigarrenspitzen und Spazicrstöcken aus Bosnien  . Diese exotischen Hausierer in der bosnischen, krainischen und flovaiischen National-. Resolutionen Irl und Wiedeberg stimmen werden.(Bravo I rechts.) Abg. Sommer(Vp.) wünscht kaufmännisch ausgebildete Leiter an der Spitze der Bekleidungsämter. Abg. Duffner(Z.) polemisiert gegen den Abg. A I b r e ch t. Wir sind noch heute für die Besetzung der Stellen mit Zivilhan werkern, aber in Rücksicht auf die Reichsfinanzen muß die Umgestaltung langsam vor sich gehen. Auf die Vergebung von Arbeiten an Strafan st alten würden wir im Interesse des Handwerks gern verzichten, aber die Beschäftigung der Sträflinge ist doch eine Frage der Humanität, sie liegt im gesundheitlichen und geistigen Interesse der Sträflinge.(Bravo  ! im Zentrum.) Wg. Wöhle(Soz.): Gegen den Antrag Irl, Berücksichtigung der Innungen bei Vergebung der Arbeiten, wenden wir uns nicht aus Feindlichleit, sondern weil dadurch die Löhne der Arbeiter gedrückt werden. Und was den Autrag Wiedeberg anlangt, so weiß doch das Zentrum auch, daß die Heimarbeiter die schlimmste» Lohndrücker sind. Die Arbeiterentlassungen in Straßburg   empfinden die Arbeiter außerordentlich hart, wenn es auch nicht ein Fünftel ist, sondern nur so viele, wie der General Staads angegeben hat, und sie sind auf keinen Fall zu billigen. Daß die von meinem Freunde Albrecht angeführten Bestimmungen der Arbeitsordnung in Württemberg   nicht bloß dort gelten, sondern in ganz Deutschland  , darin hat Herr Generalmajor Dorrer recht. Aber wenn Sie sich so ängstlich vor Sozialdemokraten hüten nun im Heere sind doch Sozialdemokraten viel gefährlicher als in den Werkstätten. Also geben Sie nur die Parole aus: Sozialdcmo- traten, heraus aus dem Heere! Das würde die beste Agitation für uns sein, verehrter Herr Kriegsminister l(Heiterkeit.) Gar viele würden dann erklären, sie sind Sozialdemokraten, und die Soldaten werden dann recht dünn gesät sein.(Sehr wahr I und Beifall bei den Sozialdemokraten.) Kriegsminister v. Heeringen: Gegen Herrn Böhles Ausführungen über das Bekleidungsamt in Straßburg   legten die dar- tigen Arbeiter in einem schriftlichen Protest Verwahrung ein; Herr Böhle behauptete im vorigen Jahre, die Arbeiter seien durch die vorgesetzten Offiziere und Beamten zu ihrer Unterschrift gezwungen worden, und forderte mich in heftiger Weise auf, dafür zu sorgen, daß die Arbeiter nicht zu Unwahrheiten gezwungen würden. Ich habe darauf eine Untersuchung wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt und Nötigung gegen Unbekannt eingeleitet; die Unter- suchung wurde eingestellt, nachdem durch die beschworenen Aussagen aller in Frage kommenden Personen sich herausgestellt hatte, daß keine Beeinflussung ausgeübt worden ist. Ich stelle daher fest, daß das, was der Abg. Döhle im vorigen Jahre gesagt hat, unrichtig ist. Nachdem noch Abg. Wiedeberg(Z.) kurz für seine Resolution ge- sprachen hat, wird ein Antrag aus Schluß der Debatte an» genommen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinnigen. Abg. Wöhle(Soz.): Ich behalte mir bor  , auf die Ausführungen des Kriegsministers morgen bei einem anderen Titel zurückzukommen. Abg. Albrecht(Soz.): Ich bedauere, durch den Schluß der Debatte verhindert zu sein, dem Kriegsminister und den anderen Rednern zu erwidern. Dem Herrn Generalmajor S t a a b s be­merke ich, daß ich nicht gesagt habe, daß die Arbeit der Handwerker schlecht sei, sondern nur betont habe, daß sie nicht genügend Arbeiter bekämen, um so exakt und einheitlich zu liefern, wie das Be« kleidungSamt. Der Titel wird bewilligt, die beide» Resolutionen werden an» genommen. Der Rest des KapitelsBekleidungsämter" wird nach unwesentlicher Debatte bewilligt. Es folgt das Kapitel»Garnisonverwaltung und S e r v i s w e s e n". Abg. Kölle(wirtsch. Vg.) wünscht möglichst diele kleine Gar- nisonen, insbesondere eine Garnison für Goslar  (in seinem Wahl» kreis  ). Abg. Werner(Antis.) wünscht ebenfalls kleine Garnisonen, inS» besondere eine für Hersfeld  (in seinem Wahlkreis). Abg. Irl(Z.) wünscht Zuziehung von Sachverständigen auS dem Handwerkerstande bei der Vergebung von Bauarbeiten usw. für Garnisonen und Kasernen. Abg. Dr. Weber(natl.) bittet die Militärverwaltung, dafür zu sorgen, daß auf den Schießplätzen nicht einzelne Firmen das Monopol für die Lieferung von Getränken usw. erhalten, wodurch die kleinen Geschäftsleute in den Städten und in der Nähe der Schießplätze stark geschädigt werden. Abg. Schöpflin(Soz.) fragt die sächsische Militärverwaltung, ob der Anregung derLeipziger Volkszeitung  " Folge geleistet und eine Verordnung deS Kriegsministeriums erlassen sei, wonach bei Ge» tracht, die werden uns durch Ausnahmebestimmungen des Gesetzes erhalten bleiben, aber der Strohmann, der Sandmann, der Po- meranzenmann, alle diese Hausierer mit den Märchennamen, das Lawei�elweib, der Figurini mit den Tonbüsten berühmter Männer, der aromatische Waldmeistcrverkäufer: die werden verschwinden. Notizen. Wie Herr v. Jagow zitiert wurde. Nachdem er durch seine Zensurverfügungcn nicht minder wie durch seine Plakate und Verkehrshinderungen überall Anstoß erregt hatte, beschloß Herr von Jagow, sich von nun ab über die Dinge erst genauer zu orientieren, ehe er sie regelte. Zuerst suchte er begreiflicherweise ein Verhältnis zur Kunst zu geivinnen, und so schrieb er einen Brief an Frau Tilla Durieux  . Der Gatte der Künstlerin ant- wartete darauf, wie wir hören, mit einem klassischen Zitat, mit Jagows höchsteigenen Worten:Ich warne Neu gier ige!" Die Auswanderung der Schlachtenbilder. Bei der Besprechung der bevorstehenden Umänderungen in der Nationalgalerie hatten wir des öfteren angeregt, die großen Maschinen von Schlackitenbildern, die edlerer und höherer Kunst den Platz beengen, in passendere Umgebung zu versetzen. Wir schlugen das Zeughaus und das Hohenzollernmuseum vor. Unsere Anregung ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Im Erdgeschoß des Zeughauses find die Ouadratmeterbilder der Bleibtreu, Camphausen u. a. vor» läufig provisorisch und hoffentlich dauernd in einem entsprechenden Milieu untergebracht. Andere Historienbilder wurden in den oberen Sälen passend eingeordnet. Die geplanten Umbauten in der Nationalgalerie sollen begonnen werden, sowie der Landtag die Mittel belvilligt hat. Sie werden nur in leichtem Material ausge- führt werden, damit sie nach Bedarf leicht wieder beseitigt werden können. Die Bevölkerung deS russischenReicheS. Nach­dem soeben die Ergebnisse der füngsten Volkszählung im Deutschen  Reiche bekannt geworden sind, ist es interessant, die Bevölkerungs- ziffer des russischen Reiches nach der Aufnahme vom 1. Januar 1910, deren Resultat jetzt auch vorliegt, zu vergleichen. Rußland   hatte an dem genannten Datum 160 095 200 Einwohner, was eine Zunahme von 26,2 Proz.(33 199 000 Personen) seit 1897 bedeutet. Im einzelnen verteilt sich die Bevölkerung des Reiches folgendermaßen: europäisches Rußland 116 505 000  , Polen   11671800, Kaukasien 11392400, Sibirien   7 878 500, Zentralasien   9 631 300 und Finn» land 3 015 700. Die mittlere Dichte der Bevölkerung ist schwach; sie beträgt nur 8,3 auf den Ouadratwerst und schwankt außer- ordentlich: Provinz Jrkutsk 0,1, Gouvernement Archangel 0,5, Gouvernement Moskau   96,3, Gouvernement Petersburg 69,8, Gouvernement Petrikan(Polen  ) 166,6. Nur 21 Millionen Russen, Vn der Bevölkerung, leben in Städten.