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einiger Bedeutung die katholischen AuZkunstSsteNen. Ganz de- deutungSlos sind aber die AuSkunflSstellen des Neichsver- b a n d e s, die jetzt um Unterstützung bitten. Vielfach lassen auch die bei gemeindlilbon Auskunflsstellen um Auskunst Nachsuchenden die erhaltenen Austllnfte bei unS nochmal nachprüfen. Mit Aus- künften von Juristen ist solchen Leuten nicht gedient, sie wollen über ihre Verhältnisse mit Leuten aus der Praxis reden, zu denen sie Vertrauen haben.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Von den bestehenden Auskunftsstellen des ReichsoerbandeS sind überhaupt nur fünf nach der amtlichen Statistik benutzt worden. In Lauterberg ist eine solche AuSkunstsstelle eingegangen. Die Tätigkeit des Auskunftserleilenden bestand darin, daß er u m h e r r e i st e und Reichsverbandsflugblätter verteilte.(Hört I hört l bei den Sozialdemokraten.) Der Erfolg war ein enormes Ansteigen Oer Zahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter in dieser Gegend. (Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Die Gewerkschaften haben 1909 rund eine halbe Million Mark für die Rechtsbclehrung der Aroeiter ausgegeben.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Sie nehmen damit dem Staat Aufgaben ab. die er zu leisten verpflichtet wäre. Dafür werden sie durch die Regierung in diesem Hause fortgesetzt geschmäht. Das wird sie nicht hindern, ihre Kulturarbeit mit aller Energie weiter fortzuführen.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Roscnow(Vp.) betont, daß nach Ansicht seiner Freunde die Auskunftsstellen unparteiisch geführt werden mühten. Abg. Jmbusch<Z.) hebt die Erfolge der Rechtsauskunftsstellen des Verbandes christlicher Bergarbeiter hervor. Abg. Leinert(Soz.): Dem Abg. Jmbusch erwidere ich: Nach der Stasistik der General- kommiision wird von 82 Sekretariaten die Auskunft an alle Aus- kunftsuchenden erteilt, gleichviel, ob sie organisiert sind oder nicht, gleichviel, welcher Bevölkerungsklasse sie angehören. 71 von diesen Sekretariaten gewähren auch allen Personen Rechtshilfe.- Der Abgeordnete Jmbusch hat dann hier die Vorteile der Rechtsauskunsisstellen des Verbandes der christlichen Bergarbeiter zu schildern versucht. Es ist leider nicht möglich, die Erfolge der Auskünfte in jedem Falle festzustellen. Die Leute kommen, wenn sie die Auskunft erhalten haben, nicht wieder zurück in die AuSkunstsstelle, sie begnügen sich mit dem Erfolge. Aus diesem Grunde sind alle solche Feststellungen nur niangelhaft. Sie lassen sich vielleicht bei den christ- lichen Bergarbeitern ermöglichen, weil sie Mitglieder des Verbandes sind, deren Aufenthalt und Verbleib viel eher zu ermitteln ist als bei den Leuten, die aus allen Bevölkerungsschichten in unseren Sekretariaten verkehren, deren Wohnungen sich vielleicht geändert haben und die nicht mehr aufzufinden sind. Abg. Karow (k.) wünscht Gewährung von Realkredit zu niedrigem Zinsfuh an Kleingewerbetreibende, insbesondere in den Ostmarken. Damit ist die Beratung des HandelSetatS erledigt. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr(Vauetat). Schluß S'/z Uhr. _ parlamentarifcbcs* Aus der Budgetkommission des Reichstages. Bei der Festsetzung der Debatte über die Resolution Beck- Eickhoff, die für Postassistenten Zulagen in der Höhe von 100 300 M. fordert, kam es zu interessanten Zwischenfällen und zu scharfen Angriffen gegen die Agitation des Pojtassistentenver- dandes. Erzbcrger wandte sich lebhaft gegen den Verband, ebenso Abg. D r ö s ch e r, der auch von der jetzigenunglück­lichen politischen Entwickelung" sprach. Die Vertre- tung der Assistenten sei eine kindische, sei ihm doch sogar zu- gemutet worden, den Etat abzulehnen, wenn nicht bis zur dritten Lesung die Wünsche und Forderungen der Assistenten erfüllt seien. Trotzdem scheinen die Konservativen vor den Assisten- tcn ein wenig Angst zu haben; denn Dröscher suchte krampfhaft nach einem Auswege, den Assistenten wenigstens scheinbar ent- gegen zu kommen. Er regte an, die Regierung möge erwägen, ob den Assistenten nicht später doch etwas gewährt werden könne. Geheimrat Jahn bekämpfte auch diese Anregung, denn jede Besser- stellung der Postassistenten würde»n Preußen zu finanziell be- denklichen Konsequenzen führen, da sofort auch andere Beamten- kategorien Forderungen stellen würden. Schatzsekretär Mermuth stellte ein Einvernehmen mit Preußen wegen der Beamtenbcsol. dung in Aussicht. In erster Linie mühte die Deckungsfrage erörtert werden. Davon red? aber keiner der Abgeordneten, die für die Assistenten eingetreten seien. Der bequeme Hinweis. irgendwo mühten die Mittel beschafft werden, sei für einen Finanzminister das allerschlimmste. Eine Befolgung dieses Rates würde all? guten Finanzgrundsätze wieder über den Haufen wer- fcn. Dabei mache er aber nicht mit. Die Anregung Dröschers zum Beschluh zu erheben, würde bei einem Teil der Bc- amten nur Hoffnungen wecken, bei einem viel größeren Teile aber das Gefühl der Zurücksetzung auslosen. Vor solchen Beschlüssen müsse er warnen. Genosse Eichhorn erklärte, die Sozialdemokraten würden gegen die Resolution Beck-Eickhoff stimmen, wenn auch zuzugeben sei, datz das jetzige Höchstgehalt von 3300 M. nicht zu hoch sei. Die Konservativen hätten bei der Besoldungßordnung an ihrem An- trage festhalten sollen, der ein Höchstgehalt von 3000 M. forderte. Die Assistenten hätten es den Konservativen zu verdanken, wenn das Höchstgehalt jetzt nur aus 3300 M. bemessen sei. Die Beamten brauchten nicht danach zu fragen, ob sie bei der Vertretung ihrer Interessen die Sympathien ihrer Vor- gesetzten hatten oder nicht. Die Resolution Beck-Eick- �DfjL.Jea» V./ anderes als eine W a h l m a ch e. Abg.«eck richtete scharfe Angriffe gegen das Zentrum, daS einmal das WortBiegen oder brechen 1" ausgesprochen habe. Erzberger antwortete, eine Partei wie die der National- liberalen, die aus eigener Kraft bei den nächsten Wahlen nicht ein einziges Mandat erringen würde, sich viel- mehr auf sozialdemokratische Wahlhilfe verlassen mühte, tue am besten, stille zu sein und keine Vorwürfe zu erheben. Abg. D rösch er stellte den Antrag, die Regierung möge er- wägen, ob nicht den Oberpostassistenten, die vor dem 1. Januar 1900 in den Dienst getreten seien, eine persönliche Zulage von 300 M. gewährt werden könne. Die Regierung wandte sich leb- Haft auch gegen diesen Antrag; ebenso erklärte sich der Abg. v. Richthofen gegen die vorliegenden Anträge. Genosse N o S k e betonte, die Sozialdemokraten hätten die Wünsche der Assistenten anerkannt und erkennen sie auch heute noch an. Die endgültige Stellungnahme zu den Resolutionen würden sich die Sozialdemokraten für das Plenum vorbehalten, jetzt aber könne eine Zustimmung nicht erfolgen. Die Abstimmung ergab folgendes Resultat: Die Resolution Beck-Eickhoff wurde gegen 19 Stimmen des Zentrums, der Sozialdemokraten und Konservativen abgelehnt: dagegen die Resolution Dröscher mit 14 gegen 13 Stimmen(Sozialdcmo- kraten, Zentrum, 1 Nationalliberaler und 1 Freisinniger) a n g e- nommen. Hierauf wurde die Beratung des Etats der Reichspost fort« gesetzt._ Gcricbts- Zeitung. Geheimnisse aus einer Polizei-Arrestzelle. Wegen Körperverletzung im Amte hatte sich der Polizeisergcant Gustav Menzel aus Lähn vor der Hirschberger Strafkammer zu verantworten. Die Verhandlung zeigte wieder einmal, wie übel gelegentlich Arrestanten in Polizei-Arrestzellen mitgespielt wird. In den meisten Fällen gelingt es leider nicht, hierfür Zeugen auf- zubringen, weil die Polizeiwachen und Arrestzellen verschwiegene Orte find und Schutzleute sowie Polizisten von den meisten L!e- richten immer als klassische Zeugen angesehen werden. Bei der Verhandlung gegen Menzel glückte das nun ausnahmsweise einmal nicht. Denn der Hauptbelastungszeuge war ein Gefängnisauf- scher, also ein Beamter. Im August v. I. geriet ein Monteur Dittrich aus Breslau in Lähn wegen eines an sich geringfügigen Lorfalles mit der Polizei in Differenzen und wurde von dem An- geklagten Menzel und dem Gendarm Zander verhaftet. Auf dem Wege zur Wache wurde Dittrich schon mehrfach von den beiden Beamten geschlagen. Biel schlimmer aber erging es Dittrich im Gefängnis selbst. Da Lähn kein eigenes Polizeigefängnis hat, werden alle Arrestanten nach dem Amtsgerichtsgefängnis geschafft, wo für diese Zwecke eine Zelle abgemietet ist. Der Aufseher des Gefängnisses, der den beidenOrdnungshütern" und dem Arrestanten die Tür öffnen muhte, bekundete als Zeuge, daß er gesehen habe, wie im Hausflur des Gefängnisses Dittrich von beiden Beamten mit den Fäusten bearbeitet wurde, wie Menzel den Dittrich auf dem Boden bis zur Zellentür schleifte und mit einem kräftigen Stoß in die Zelle schleuderte. Das alles sei geschehen, obwohl Dittrich keinen Widerstand leistete und wiederholt flehentlich um Schonung bat. Nach Angaben des Mißhandelten hat er in der Zelle dann noch über 20 Säbelhiebe vom Gendarm Zander erhalten, gegen den die Klage vor dem Kriegsgericht wegen Mißhandlung im Amte noch schwebt. Tatsache ist aber, daß der Gefangenenaufseher, als er auf das Wimmern Dittrichs die Zellentür öffnete, diesen stark blutend und laut stöhnend vorfand. Auch die am anderen Tage erfolgte ärztliche Untersuchung zeigte, daß der ganze Körper mit grünen und blauen Flecken wie besät war. Vierzehn Tage war das Opfer der unmenschlich hausenden Polizisten arbeitsunfähig. Der angeklagte Polizist versuchte natürlich die Zeugen als un» glaubwürdig hinzustellen und will Dittrich nur einenunrechten" Stoß versetzt haben. Diesmal aber hatte der saubere Ordnungs- Hüter kein Glück. Der Staatsanwalt und auch das Gericht glaubte ihm nicht. Mit Rücksicht auf die an den Tag gelegte Roheit bean- tragte der Staatsanwalt vier Monate Gefängnis und hob dabei hervor, datz. wenn bei uns die Beamten bei Ausübung ihrer dienst- lichen Tätigkeit den weitgehendsten Schutz genießen, dann diese aber auch bei Begehung von Mißhandlungen im Amte härter als andere Leute bestraft werden müssen. Das Gericht erkannte auf nur 2 Monate Gefängnis. Duellfexerei. Einen köstlichen Beitrag zum Duellunfug lieferte eine An- klage wegen Herausforderung zum Zweikampf bezw. Kartell- trägerei, die gestern den Hauptmann der Landwehr a. D. Paul von Plocki und den Hypotheken- und Grundstücksmakler Eduard Eoenken vor die 5. Strafkammer des Landgerichts I führte. Der erste Angeklagte, der jetzt Korrespondent in einem kaufmännischen Geschäft ist, hatte es mit seiner Stellung als Hauptmann der Landwehr für vereinbar erachtet, als Darlehnsvermittler sich öffentlich anzupreisen. Er hatte im Jahre 1908 eine Annonce veröffentlicht, in welcher es hieß:Offizier diskontiert Kameraden, Beamten, Hausbesitzern Wechsel unter soliden Bedingungen, vor» schußfrei." Hinter ihm stand, wie er vor Gericht aussagte, als eigentliche Geldgeberin dieAllgemeine Kreditbank", Schickler- strahe 12. Auf diese Annonce meldete sich ein mittlerer Beamter B., der nach überstandener schwerer Krankheit Geld brauchte. Er wollte 400 M. haben und übergab dem Herrn v. Plocki ein Akzept über 500 M., wogegen er die Versicherung erhielt, daß er die per- langte Summe erhalten werde. Kurze Zeit darauf hatte er an Auskunftsgebühr die Summe von 5 M. zu zahlen, dann aber hörte er von einer Erledigung seines Gesuchs nichts mehr. Er behauptet. in einem Zeitraum von mehreren Wochen 810 Briefe an v. P. geschrieben zu haben und gänzlich ohne Antwort geblieben zu sein. Kurz vor Fälligkeit seines Wechsels habe er diesen erst ohne weitere Erklärung zurückerhalten. Dieses Verhalten erweckte in ihm Zweifel an der Offiziersquakität des Herrn v, Plocki. Er fragte beim Bezirkskommando II Berlin an, ob es tatsächlich einen Offizier dieses Namens gebe, denn nach der Art des Erwerbes zu urteilen, die in der preußischen Armee doch ungewöhnlich sei, sei er zweifelhaft, ob v. P. tatsächlich Offizier sei. Diese» Schreiben gab dem Angeklagten v. P. Anlaß, dem Schreiber dieses Briefes an daS Bezirkskommando durch den Mitangeklagten eine Forde- rung auf Pistolen bei dreimaligem Kugelwechsel und 20 Schritte Distanz überbringen zu lassen. Die Herausforderung wurde nicht angenommen, hatte aber die jetzige Anklage zur Folge. Der Staatsanwalt beantragte 3 Monate bezw. 1 Monat Festungshaft, das Gericht erkannte auf 1 Monat bezw. 1 Woche Festungshaft. Rektor Bock, dG: vielgenannte ehemalige Leiter der 40. Gemeindeschule in der Gn-'isenaustraße wird sich nunmehr am Sonnabend wegen Sitt- lichkeitsvergehen und Beleidigung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Berlin II zu verantworten haben. Mit ihm ist der Lehrer Anton Knöfel angeklagt. Der Angeklagte Bock, über dessen Verhalten seinen Schülerinnen gegenüber schon seit längerer Zeit allerlei Gerüchte verbreitet waren, war schon Anfang vorigen Jahres einmal von der Kriminalpolizei verhaftet worden, weil er von einer Schülerin beschuldigt worden war, an ihr unsittliche Handlungen vorgenommen zu haben. Bock wurde aber nach vier Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt, weil daS Mädchen die Ve. schuldigungen widerrufen hatte. Es kamen über daS Verhalten deS Rektors Bock und auch des Mitangeklagten zu den Schülerinnen der katholischen Mädchenschule in der Gneisenaustraße dann so ab» sonderliche Dinge zutage, daß die Staatsanwaltschaft die Vcrhaf- tung des Rektors in seinem Sommeraufenthalt in Glatz verfügte. Er war ursprünglich gegen eine Kaution von 10 000 M. auf freiem Fuß belassen worden, seine Verhaftung wurde aber verfügt, da man Grund zu der Annahme zu haben glaubte, daß er danach trachtete, über die österreichische Grenze zu entfliehen. Zur An- klag- steht eine ganze Reihe von Fällen, in denen, wie behauptet wird, an Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren schwere sittliche Verfehlungen vorgekommen sein sollen. Bock sitzt seit dem 39. Juli vorigen Jahres in Nntcrfuchungshaft. Die Sache hat sich dadurch verzögert, daß Bock in der Haft schwer erkrankt war und sich einer Operation hatte unterziehen müssen. In der am Sonnabend beginnenden Hauptverhandlung wird Landgerichts- direktor Forstmann den Vorsitz führen und Staatsanwalt Braut die Anklage vertreten. Bock ist 49 Jahre alt, in Gröbnick, Kreis Leobschütz geboren, verheiratet und Vater eines 16jährigen Sohnes und zweier Töchter. Er wird von den Rechtsanwälten Abramczyk und Alfred Salomon verteidigt. Lehrer Knöfel, der im Alter von 42 Jahren steht, wird vom Justizrat Wronker verteidigt. Als medi- zinische Sachverständige sind Stabsarzt Dr. Stier und der Ge- richtsarzt Medizinalrat Dr. Hoffmann, als Zeugen etwa 80 Per- gnen, darunter eine große Zahl von Schülerinnen, geladen. Die erHandlung, die drei Sitzungstage in Anspruch nehmen dürfte, wird unter vollem Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfinden. Einstellung der Hcxenverfolgung. Wie unseren Lesern erinnerlich, wurde der Genosse Münsing « beschuldigt, eine frevelhafte Majestätsbeleidigung in einer Ver» sammlung in Neue Schleuse(einem Vorort von Rathenow ) verübt zu haben. In einer dort am 22. Januar abgehaltenen Protest- Versammlung sprach er in Anlehnung an einen Ausspruch Friedrichs des Großen davon, daß der König der höchste Diener deS Staates sein soll. Die überwachenden Beamten ein Gendarm und ein Amtsdiener berichteten, der Redner habe gesagt der König sei ein Hexendiener. Darob hochnotpeinliches Verfahren wegen Majestätsbeleidigung gegen Münsinger. Die Staatsanwaltschaft in Prenzlau hat nun eingesehen, daß der den überwachenden Be- amten fremde würtlembergische Dialekt des Redners diese zu einem heiteren Mißverständnis verleitet hat und jetzt das Verfahren wegen Majestätsbeleidigung als jeglicher Grundlage entbehrend eingestellt. Tie Staatsanwaltschaft hätte Zeit und Arbeit sich und anderen erspart, wenn sie von vornherein das Ermittelungsverfahren ab- gelehnt hätte. Es wäre zu dem famosen Polizeibericht nicht gc- kommen, wenn die Behörde die höchst überflüssige Ueberwachung der Versammlung unterlassen hätte. Versamniwngen. Die Berschacherung freien Geländes in der Umgegend Berlins . Ueber dieses Thema sprach Genosse Ledebour am Diens« tag in einer Volksversammlung, die den großen Saal in der Ackerstrahe 0/7 samt der Galerie bis auf den letzten Stehplatz füllte. In dem fesselnden und lehrreichen Vortrage schilderte der Redner, wie infolge wucherischer Schachergeschäfte die für die Volksgesundheit so notwendigen Erholungsstätten, die die freie Natur in der so Wald- und wasserreichen Umgegend Berlins in großer Fülle bietet, der Bevölkerung immer mehr entzogen wer- den, wie man die Natur in barbarischer Weise verschandelt, z. B. die liebliche Gegend von Pichelswerder durch den Bau der schnür- geraden Döberitzer Landstraße, die, wenn sie nun einmal gebaut werden sollte, ebenso gut mit einer ganz geringen Biegung durch das Sumpfgelände unterhalb der Insel geführt werden konnte, -wie man auch in Berlin selbst die freien Plätze und sogar den größten Teil des alten Botanischen Gartens der Bauspekulation überantwortet. Dieser ganzen Sache werde im Volke und selbst in unserer Partei noch gar nicht genügend Wert beigemessen. Die Berliner Stadtverwaltung hat in dieser Hinsicht ihre Pflichten in unverantwortlicher Weise vernachlässigt, wie es eben nur auf Grund deS Dreiklassenwahlrechts und des Hausbesitzerprivilegs möglich war. Das Gleiche gilt natürlich vom Staat. Früher hat man Berlin glücklich gepriesen, weil man meinte, daß der Besitz des Fiskus und der Krone an Wald und Feld diese Erholungs - statten vor der Verwüstung durch die Bauspekulation schützen würde. Das hatssich ja jetzt längst als ein Irrtum erwiesen. Der Redner ging dann besonders auf die Verschacherung des Tempel- hofer Feldes durch den Reichsfiskus ein, die ja jetzt, wo es zu spät ist. in der Oeffentlichkeit große Aufregung hervorgerufen hat. Er schloß mit den Worten, daß die Bevölkerung Berlins alles auf- bieten muß, um dieses nichtswürdige System unmöglich zu machen, daß aber allerdings erst der Sozialismus die Bedingungen schaffen wird, die dem ganzen Volke das Recht und die Möglichkeit der so notwendigen Erholung in der freien Natur geben werden. Es gelte aber, den Kampf auf allen Lebensgebieten aufzunehmen, um so eher werde auch das Endziel erreicht werden. Dem Vortrag, der lebhaften Beifall fand, folgte eine kurze Diskussion. Die Genossin M a t s ch k e machte m wirksamen Worten auf den 19. März, den Weltdemonstrationstag für daS Frauenwahlrecht, aufmerksam, und Genosse D a n e e l wies auf die kommende Stadtverordnetenwahl hin, bei der eS gilt, alle Kräfte einzusetzen, um auch in dem Bezirk, wo die Versammlung tagte, daS Mandat für die Sozialdemokratie zu erobern. Mit Hochrufen auf die Partei wurde die Versammlung geschlossen. DaS EinführunzSgesetz zur ReichsversicherungSordnung und die Kassenangestellten, lautete daS Thema einer überfüllten Versammlung der Ange- stellten der Berliner Krankenkassen, die am 1. März in den Ber - liner Musikersälen stattfand. Verbandsvorsitzender Giebel gab in seinem Referat der Empörung Ausdruck, die die Krankenkassen- angestellten über das geplante Attentat auf ihre Existenz erfüllt. Das Einführungsgesetz will mit einem Schlage alle durch Privat- vertrag in jahrzehntelanger treuer Pflichterfüllung erworbenen Rechte der Angestellten vernichten. Die Angestellten sollen außer- halb der bürgerlichen Rechtsordnung gestellt werden. Man will sie mit dem Einführungsgesetz aus den Kassen herausschikanieren. Wohlwollend" sagt die Regierung: wem es nicht gefällt, der hat das Recht zu kündigen. Durch das von den Mehrheitsparteien vereinbarte Kompromiß zum Angestelltenrecht in der ReichSver- sicherungsordnung sollen die Angestellten der freiesten Willkür deS Versicherungsamtmannes, also AftneS von der Regierung ab- hängigen Bureaulraten ausgeliefert werden. Den Vorständen wird außerdem das Anstellungsrecht so gut wie illusorisch gemacht und damit der entscheidende Schlag gegen die Selbstverwaltung geführt. Deshalb sei es höchste Zeit für die Versicherten, ihr Veto einzulegen und die öffentliche Meinung gegen diesen RechtSraub aufzurufen. Die Regierung irrt sich, wenn sie annimmt, die An- gestellten würden nun ins Mauseloch kriechen. Nein, jetzt werde ein Kampf der Angestellten um ihre Existenz beginnen, der mit allen Mitteln, die zu Gebote stehen, gefuhrt werden muß. Durch lebhaften Beifall gab die Versammlung ihr Einverständnis mit den Ausführungen kund. Ohne Diskussion wurde dann einstimmig folgende Resolution angenommen: Die am 1. März 1911 versammelten Kassenangestellten Groß-Berlins nehmen mit Empörung Kenntnis von der Art. wie in dem Einführungsgesetz zur Reichsversicherungsordnung die Rechte der derzeitigen Angestellten der OrtSkrankenkassen behandelt sind. Die Artikel 2932 sind nicht nur eine unge- heuerliche Härte gegen die zum Teil im Dienste der Orts» krankenkaflen ergrauten Angestellten, sie involvieren auch einen brutalen Raub wohlerworbener Rechte, über den die Beteue- rungen der Begründung, die bezeichnenderweise vonWohl- wollen" undVermeidung jeder Härte" spricht, nicht hinweg- täuschen können. Uebrigens beanspruchen die Kassenangestcllten nicht Wohlwollen, sondern Achtung ihrer durch die gesetzliche Selbstverwaltung im Rahmen des bürgerlichen RechtS geschaffe­nen privatvertraglichen Rechte. Die Versammelten erheben namentlich Protest gegen die Artikel 31 und 32. Der Artikel 31 ist ein schlimmes Produkt kleinlich-gehässiger Engherzigkeit und Artikel 32 wird in den Händen der Aufsichtsbehörden der Krankenkassen zum Mittel tückischer Schikane gegen persönlich.oder politisch mißliebige Angestellte. Die Versammelten erwarten vom Reichstage, daß er sich nicht mitschuldig macht an dem ihm aus niedrigen Parteihaß angesonnenen RechtSraub. der in der bisherigen Geschichte des deutschen Reichstages und selbst der deS preußischen Landtages ohne gleichen wäre. Mit der Expropriation privatvertraglicher Rechte ohne jegliche Abfindung würde der Reichstag die Be- Handlung der Angestellten außerhalb der bürgerlichen Rechts- ordnung stellen. Die Versammlung fordert vom Reichstage die Respektierung der durch lange Jahre ernster Pflichterfüllung wohlerworbenen Rechte jedes Angestellten und weiter die sofortige Inkraftsetzung des§ 803 der Reichsversicherungsordnung auch für aufzulösende OrtSkrankenkassen; sie erwartet mindestens die glatte Ablehnung der in den Artikeln 31 und 32 zutage tretenden Tendenzen. Das gekennzeichnete Einführungsgesetz wird in seinen an- gestelltenfcindlichen Wirkungen durch das zetzt bekanntgewordene Kompromiß über das Angestelltenrecht der ReichSversicherungs- ordnung ins Ungeheuerliche gesteigert. Solche Gestaltung deS Angestelltenrechts bedeutet die Versklavung der Angestellten, die Untergrabung jeglicher Gewissensfreiheft und statt des vor- geschützten wirtschaftlichen Schutzes die ärgste Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz. Die Versammelten rufen die Ver- sicherten auf, sich ebenfalls gegen die verräterischen Anschläge auf ihr Selbstverwaltungsrecht energisch zur Wehr zu setzen. Zentralverbanb der Maschinisten und Heizer sowie Berufs- genossen. Die Generalversammlung der Verwaltungsstelle Berlin fand am Sonntagnachmittag in denArminhallen" statt. Der Rechenschaftsbericht der Verwaltung für das ver» flossene Jahr, der gedruckt vorlag, wurde von dem Vorsitzenden