Disziplinarbehörde. Der Kultusminister hat also an mir Vorbeigeredet. Beim Kapitel Provinzialschulkollegium wünscht Abg. Ernst siLp.) Verschärfung der Aufnahmeprüfung für die Seminare. Abg. Dr. v. Woyna sfl.) spricht die Hoffnung auZ, daff die Viel- gestaltigkeit des Bildungswesens, insbesondere die humanistische Bildung, dazu beitragen werde, den Materialismus niederzuhalten. (Bravo ! rechts.) Abg. Schmitt(Z.) verlangt Aufhebung eines Erlasses, wonach es den Eltern freisteht, ob sie ihre Kinder am Schulgottesdienst teil- nehmen lassen wollen. Abg. Cassel(Vp.) kritisiert die Art, wie das Berliner Provinzial- schulkollegium sein Aussichtsrecht ausübt. Die moralische Qualifikation der Rekloratskandidaten werde durch Schutzleute festgestellt. Einem Rektorarskandidaten, der bei einem Schuhmachermeister einkaufte, gramlierte dieser und auf die erstaunte Frage: wozu? sagte er: Ja. eben war der Schutzmann hier und hat sich nach Ihren moralischen Fähigkeiten erkundigt und ich habe so gute Auskunft über Sie ge- geben, dag Sie die Stelle sicher bekommen.(Grosse Heiterkeit und Hört! hört I links.) Ein solches Verfahren ist unwürdig für die Lehrer und für die Selbstverwallung.(Bravo ! links.) Ein Ministerialdirektor sagt Prüfung dieser Beschwerde zu. Abg. Hi»tzmann(natl.) gibt dein Abg. v. Woyna zu, dass bei der Vielgestaltigkeit des BildungSwesens der Individualität der einzelnen Schüler besser Rechnung getragen werden kann, als bei der Einheitsschule, hält es aber für bedenklich, dass auch nicht ge- nügend begabte Kmder in die Gymnasien geschickt und dort bis zum Examen durchgeschoben werden. Es folgt das Kapitel Elementarunterrichtswesen. Abg. Graf Clairo» d'Haussonville(k.) begrüßt die Einstellung des Fonds für die Jugendfürsorge in den Etat und wünscht Schaffung von mehr Lehrerinnenseminaren. Abg. Glattseltcr($.): Die sittliche Erziehung des Volkes ist die Hauptsache; hier müficn Familie, Schule und Kirche zusammen- wirken. Wissenschast bei einem unreifen Menschen ist gefährlich; deo et patriae(Für Gott und für das Vaterland) muss das Ziel der Erziehung sein. Religion, Deutsch und Rechnen sind die Hauptfächer in der Volksschule. In der Provinz Branden- bürg sollte ein katholisches Lehrerseminar errichtet werden. Bei der Schulaussicht müssen die kirchlichen Interessen mehr berücksichtigt werden.(Bravo ! im Zentrum.) Abg. Dr. v. Campe(natl.): Die Durchführung des Lehrer- Besoldungsgesetzes ist im allgemeinen liberal erfolgt. Nur find viele Gemeinden mit den Ortszulagen nicht einverstanden und die Miels entichädigungeu halten sich vielfach auf dem niedrigsten Niveau. Die Abtrennung der niederen Küsterdienste vom Lchreramt sollte energischer durchgefühlt werden. Abg. Freiherr v. Zedlitz(frei!.): DaS Ziel der Volksschule, gute Christen, gute Bürger und gute Patrioten zu erziehen, kann nur er« reicht werden, wen» die Lehrerschaft zahlreich und leistungsfähig genug ist. Noch immer aber müssen besonders in den gemischt- sprachlichen Gegenden Lehrer hundert bis zweihundert Schüler in einer Klasse unterrichten.(Hört I hört l) Unverständlich ist mir, wie die Regierimg angesichts der einstimmig angenommenen Resolutionen beim Lehrerbeioldungsgesetz jetzt die Regelung der Umzugs- und Reisekosten der Lehrer in einer Weise vornehmen kann, die sie schlechter stellt, als die Subalternbeamlen.(Sehr richtig!) Dem berechtigten StandeSbewusstfein der Lehrer kommen wir auch am besten entgegen, wenn die geistliche Schulaufsicht immer mehr durch die fachmännische Schulaussicht ergänzt wird.(Sehr richtig! links.) Die Weiterbcratung wird vertagt auf abends?>/<, Uhr. Schluss 4'/« Uhr._______ parlamcntanfcbcö. Aus der Reiihsversicheruugsordnungs-Kommission. Sitzung am Donnerstag, den S. März. gltr Arztsroge werden die Anträge der Kompromissparteien unverändert angenommen. Hinzngcsligt wurde nur noch die Bestimmung, daß dem Versicherten die Auswahl unter den von der Kasse bestellten Aerzten frei steht, wenn der Versicherte die Mehr- kosten selbst übernimmt. Die von den Sozialdemokraten gestellten weitergehenden Anträge wurden von den bürgerlichen Parteien ab- gelehnt. Krankenkassen und Krankenhäuser. Nach den Kommissionsanträgen kann die Satzung den Vorstand ermächtigen, die KrankenhauSbehandlung nur durch bestimmte Krankenhäuser zu gewähren und, von dringenden Fällen abgesehen, die Bezahlung anderer abzulehnen. Dabei dürfen Krankenhäuser, die lediglich zu wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken bestimmt oder von öffentlichen Verbänden oder Körperschaften errichtet, und die bereit sind, die Krankenhauspflege zu den gleichen Bedingungen wie die anderen Krankenhäuser zu leisten, nur auS einem wichtigen Grunde mit Genehmigung des OberversicherungSamteS ausgeschlossen werden. Die Sozialdemokraten beantragten, dass auch die Krankenhäuser zur Aufnahme von Kassenpatienten, soweit es not- wendig ist, verpflichtet sein sollen. Denn bei Konflikten der Kassen mit Aerzten haben manche Krankenhäuser, um einen Druck auf die Kassen auszuüben, alle Kassenpatienten grundsätzlich abgewiesen. Auch diesen� Antrag stimmten die Kompromissparteien nieder. Bezug von Arzneimitteln soll durch folgende Bestimmungen geregelt werden: Die Satzung kann den Vorstand der Kasse ermächtigen, wegen Lieferung der Arznei mit einzelnen Apothelenbesttzern oder-Verwaltern oder, soweit es sich um die freigegebenen Arzneimittel handelt, auch mit einzelnen anderen Arznelmittelhändlern Vorzugsbedingungen zu vereinbaren. Alle Apothekenbesitzer und-Verwalter im Bereiche der Kasse können solchen Vereinbarungen beitreren. Die Apotheken haben den Kranken- kossen für die Arzneien einen Abschlag von den Preisen der Arznei- taxe zu gewähren. Die oberste Verwallungibehörde bestimmt feine Höhe. Die höhere Verwaltungsbehörde letzt unter Rücksicht auf die örtlichen Berhältnisse und die im Handverkauf üblichen Preise die Höchstpreis- von solchen einfachen Arzneimitteln fest, die ohne ärztliche Verschrc-bung im Handverkauf ab- gegeben zu werden pflegen. Beziehen die Kassenpatienten diese Arzneimittel zii einem Preise, der die Fefffetzung nicht über- steigt. auS einer Apotheke, so kann die Kasse die Bezahlung nicht deshalb ablehnen, weil sie mit Arzneihändlern anderer Art niedrigere Preise vereinbart hat. Die Sozialdemokraten bekämpften diese Bestimmungen. die geeignet sind, die Kassen zu zwingen, den Apotheken höhere Preis- zu bezahlen, als cS sonst der Fall wäre. Auch die Vertreter der württembergische» und bayerischen Regierungen wenden sich aeaen die letzte jener Bestimmungen. Dagegen treten namentlich die Abgg. Dr. Fleischer(Z.). Graf v. Westarp(k.) und Dr. M i, g d a n für die Kompromissanträge«n. Nächste Sitzung Fleitag._ Aus der Budgetkommission des Reichstages. Die am Dienstag abgebrochene Debatte über die Verwendung der Gelder, die aus oen Abgaben vom Absatz von Kali stammen, wurde am Donnerstag fortgesetzt. Die Sozialdemokraten Srderten. dass die Summe von 4,8 Millionen, die als Einnahme in oranfchlag des Etats steht, auf 5,4 Millionen erhöht werde. Gen. Hue weist darauf hin, dass im laufenden Jahre mit emer Kali- Produktion von 10 Millionen Doppelzentnern zu rechnen fei, so dass, da für jeden Doppelzentner 60 Pf. Abgabe zu entrichten sind. 6 Millionen an Einnahmen zu verzeichnen sein würden.« Mit- I tonen von den Einnahmen könnten zu Propagandazwecken der- »vendet werden, die übrige Summe müsse dem Reiche zur Erfüllung von Kulturaufgaben zufltehen. Der freisinnige Abg. H e ck s ch e r «Sab im Kamen feiner Parteifreunde Bedenken dagegen. Nittel , die aus der Besteuerung einer Industrie stamnien, für das Reich zu verwenden. Er stellte den Antrag, die Verbündeten Regierungen möchten dem Reichstage baldigst eine Vorlage machen, nach der >5 27 des Kaligesetzes dahin abgeändert werde, dass statt 60 Pf. Abgabe für den Dopeplzcntner 30 Pf. gesetzt und eine entsprechende Ermässigung der Kalipreise für das In- und Ausland(§§ 20, 21 und 24 des Kaligesetzes) herbeigeführt werde. Unterstaatsfckretär Richter machte Mitteilungen über die Verwendung der Propa- gandagelder. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die Ein- nahmen aus der Kaliabgabe nach Abzug der dem Reiche entstehenden Kosten wieder dem Kalisyndikat zufließen. Das Syndikat soll die zurückfließende Summe zur Propaganda für den Kaliabsatz per- wenden. Es erhalten: Bund der Landwirte 57 000 M., Landwirtschaftsgesellschaft 134 000 M.. Westfälischer Bauernverein 17 000 M., Reichsverband landwirtschaftlicher Vereine in Darmstadt 150 000 M. und d'ie Landwirtschaftliche Darlehens- zentralkasse 57 000 M. Im ganzen hat das Syndikat im verflösse- nen Jahre 2,9 Millionen für Propaganda ausgegeben, davon 300 000 M. für die Propaganda im Auslande. Der Unterstaats- sekretär ivieS ferner darauf hin, dass die zurückfließenden Gelder nicht bedingungslos gegeben würden. DaS Syndikat werde einen genauen Verwendungsplan vorlegen müssen. Der Antrag tzeckfchcr fei nicht annehmbar. Abg. Erzberger wies auf die eigentümliche Propaganda im Auslande hin. Für die Reise eines Herrn nach Amerika zur Propaganda seien 150 000 Mark ausgegeben worden. Der Vorsitzende v. Gamp teilte aus- zugsweise ein Schreiben des Syndikats mit, das lebhaft bestreitet, die Propagandagelder seien ein Geheimfonds. Im Laufe der wci- teren Diskussion stellte sich eine erhebliche Differenz zwischen den Angaben der Reichsverwaltung und denen des preußischen Handels- Ministeriums über die Höhe der ausgegebenen Propagandagelder heraus. Nach der einen Angabe beläuft sich die an die landwirt - schaftlichen Vereine gegebene Summe auf 488 000 M., nach der anderen auf rund 300 000 M. Abg. Heckscher protestiert, daß eine so ausgesprochen politische Organisation wie der Bund der Landwirte Gelder erhalte, die in der Form von Abgaben dem Reiche zufielen. Freiherr v. Richthofen und der Vorsitzende des Bundes der Landwirte, Abg. R o e s i ck e, bestreiten, daß dem Bunde aus der Zuwendung von 57 000 M. ein Vorteil erwachse; er habe im Gegenteil davon nur Lasten, weil der Bund die Propa- ganda für den Kaliabsatz betreiben müsse. Abg. Hue wies auf die Tatsache hin, daß andere landwirtschaftliche Verbände, z. B. der Schlesische und der Bayerische Bauernbund keinen Pfennig erhielten. Wenn man sage, nur große Verbände, die Verkaufsstellen hätten, sollten Gelder aus den Kaliabgaben erhalten, müsse auch die Groß- einkaufsgesellschaft deutscher Konsumvereine berücksichtigt werden. Der Bund der Landwirte sei eine ausgesprochen politische Organi sation, wie Minister v. S y d o w erst neulich im Preußischen Land tage ausgeführt habe. Die landwirtschaftlichen Verbände, die jetzt Zuwendungen aus der Kaliabgabe erhalten, seien vor dem Kali- gesetz vom Kalisyndikat subventioniert worden; der Charakter der jetzigen Zuwendungen sei also klar.— Die Debatte wurde hierauf abgebrochen und wird am Freitag fortgesetzt werden. AuS der Kommission für die Schiffahrtsabgaden. In der Donnerstagssitzung wurde nach mehrtägigen Debatten die Diskussion über den§ 1 zu Ende geführt. Die Abstimmung ergab die Ablehnung sämtlicher zu Artikel 1 gestellten AenderungSanträge, darunter auch des sozialdemokratischen An- träges, der verhindern wollte, daß bei einer Vereinbarung mit Holland und Oesterreich diesen Landern günstigere Bedingungen geboten würden, als der inländischen Schiffahrt. Mit 13 gegen 10 Stimmen wurde dann die Beseitigung der ver- fassungsmäßigen A b ga b e n f r e i h e i t beschlossen. Dafür stimmten die Vertreter des Zentrums, der Konservativen. der Wirtschaftlichen Vereinigung und von den Nationalliberalen die Abgg. HauSmann-Hannover und Wetzel und ferner der Abg. Haußmann- Württemberg. Die Minderheit setzte sich aus den übrigen Nationalliberalen, den Vollsparteilern, Sozial- demokraten und Polen zusammen. Zu Artikel 2.§ 1 und 2. wurden von sozialdemokratischer Seite Anträge eingebracht, die die Einbeziehung der Mosel - und Saar-Kanalisation in die Vorlage fordern. Er habe es sich zur Aufgabe gemacht, Las Geheimnis des Komtzer Mordes aufzuklären und sich die ausgesetzte Belohnung in Höhe von 25 000 M. zu verdienen. Er sei gerade im Interesse Lewys zu diesem gegangen, um von diesem noch nähere Daten über Ein- zelheiten zu erlangen. Lewy sei aber gleich furchtbar aufgeregt ge- Wesen und habe dadurch die Lärmszene verursacht. Das Ehepaar Lewy bestritt diese Darstellung und vertrat die Ueberzeugung. daß es auf eine Erpressung abgesehen gewesen sei. Die Verhandlung, bei welcher dem Angeklagten der Rechtsanwalt Dr. Ostberg als Offizialverteidiger beigegeben war, gestaltete sich teils� stürmisch, teils tragikomisch. Die alte Gehrmann erzählte in allem Ernste, daß ihr seit ihrem fünften Lebensjahre die Gabe zuteil geworden sei, Geister zu sehen, daß sie sich aus dem ff. auf das Prophezeien verstehe und ihre Weissagungen aus dem Zinkguß noch niemals falsch gewesen seien. Gors erwähnte u. a. beiläufig, daß, als in einer russischen Kirche einmal die goldene Krone von dem Haupte der heiligen Jungfrau gestohlen worden, er genau gewußt habe, wo die Diebe sie vergraben hätten. Er habe sich schriftlich angeboten. den Ort persönlich zu bezeichnen, man habe aber nicht auf rhu gehört. Später habe es sich herausgestellt, daß die Krone tatsach- lich dort vergraben gewesen, nun aber nicht mehr zu finden war. Solch krauses Zeug wurde noch massenhaft in der Verhandlung produziert.— Der als Sachverständige geladene Medizinalrat Dr. Stocrmcr stellte den Antrag, beide Angeklagte zur Beobachtung ihres Geisteszustandes einer Irrenanstalt zu überweisen, da. wie der Sachverständige eingehend begründete, ernste Bedenken gegen ihre Zurechnungssähigkeit vorliegen.— Das Gericht kam zur Frei- sprechung der beide» Angeklagten. Es nahm bezüglich des Gor«, dessen Straftaten es für erwiesen hielt, an. daß dieser im Sinne des? 51 sich in einem Zustande krankhafter Störung der Geistes- tätigkeit befunden habe, der die freie Willensbestimmung aus- schloß. Frau Gehrmann wurde freigesprochen, weil bei ihr die An- klage wegen Hausfriedensbruchs nicht aufrecht erhalten werden konnte. Ob Gors erst verrückt geworden ist, nachdem er aus dem Amt geschieden war, ergab die Verhandlung nicht. Der Deutzcr LandfriebenSbruch-Prozeß. Vor dem Kölner Schwurgericht beginnt am Montag die Wer- Handlung gegen zwölf Arbeiter, meistens Bauarbeiter, die be» schuldigt sind, sich am 5. Oktober 1310„an einer öffentlichen Zu- sammenrottung einer Menschenmenge beteiligt zu haben, die mit vereinten Kräften Gewalttätigkeit begangen habe". Unter den.In- geklagten befindet sich auch der Genosse G. Fröhlich, Lokalbeamtec des früheren Bauhilfsarbeiterverbandes. Er und auch die meisten anderen Angeklagten befinden sich schon seit längerer Zeit in Unter- suchungshaft..... Der Prozeß hat folgende Vorgeschichte: Die Kolner Grund- und Abbrucharbeiten hatten mit den Unternehmern ihres Gewerbes nach der Beendigung des Kampfes im Baugewerbe im bonge-, Jahre einen besonderen Tarif abgeschlossen, nach dem der Stunden- lohn vom Juli 1310 an 58 Pf. betragen sollte. Der Banunter- nehmer TataS, der im September die Abbruch- und Ausschacht- arbciten für einen postalischen Neubau in Köln-Deutz übernommen hatte, zahlte seinen 60 bis 70 Arbeitern aber nur 42 bis 45 Pf. � für die Stunde und weigerte sich hartnäckig, die Lohnbestimmungen des Tarifs anzuerkennen, an dessen Abschluß er selbst mit beteiligt war. Die Arbeiter legten deshalb die Arbeit nieder. Am 2. Ol- tober kam auf dem Kölner H-mptbahnhof ein Transport von Ar- beitern aus der Eifel an. die als Arbeitswillige dienen sollten. Als die Arbeiter erfuhren, daß sie Streikbrecherdienste leisten sollten, erklärten sie den Streikenden, sie seien bereit, wieder in die Heimat zurückzukehren. Am nächsten Tage, einem Montage, kamen die Eifelarbeiter auf die Baustelle, um sich vom Unter- nehmer ihre Auslagen zurückerstatten zu lassen. Inzwischen hatte sich das falsche Gerücht verbreitet, es seien Arbeitswillige in größerer Zahl eingetroffen. Vor dem Bauplatz kam es zu einer Ansammlr»ig von Neugierigen, die noch größer wurde, als sich am Abend die Tore der in der Nähe gelegenen Fabriken schlössen. Bis zu diesem Tage hatte die Polizei Ruhe und Zurückhaltung beobachtet und die Streikposten konnten ungehindert ihres Amtes walten. An diesem Abend aber zeigte sich die Polizei nervös. Nach den Aussagen Unbeteiligter ist von den Schuhleuten in unnötig Gerichts- Zeitung, Ein verrückter Kriminalkommissar a. D. Um„Liborius , MandroviuS. SignoriuS". den Konitzer Mord und andere schöne Dinge handelte es sich bei einer Anklage wegen versuchter Nötigung, Beleidigung und gemeinschaftlichen Haus- friedensbruchs, die den Privatdetektiv Gors aus Danzig und dessen Pflegemutter, die Kartenlegerin und Zinndcuterin Elisabeth Gehr- mann geb. Kulakowski gestern vor die 132. Abteilung des Schöffen- gerichts unter Vorsitz des Assessors JaSper führte. GorS ist früher Kriminalkommissar gewesen, hat den Chinafeldzug mitgemacht und ernährt sich jetzt als Privatdetektiv oder wie er sich nennt,„Jon- zessionierter" Privatdetektiv. Er und die Mitangeklagte sind eines TageS aus Danzig nach Berlin gekommen und haben hier dem auS dem Konitzer Prozeß bekannten Schlächtermeister Adolf Lewy, der jetzt als Privatier in Berlin lebt, einen sehr merkwürdigen Besuch abgestattet. Dieser verlief nach der gestrigen Bekundung des alten Lewyschen Ehe- vaareS wie folgt: Am 14. Oktober erschienen die Angeklagten in der Lewyschen Wohnung und GorS, im schwarzen Gehrock und Zylinderhut, verlangte Herrn Lewy in einer wichtigen Angelegen- heit zu sprechen und stellte sich diesem als direkt aus Danzig ge- kommener Beamter vor, der von seiner Behörde den Auftrag er- halten habe, eine noch immer schwebende Sache zur Erledigung zu bringen. Er legte dann ein Aktenbündel aus den Tisch, entnahm diesem ein Schriftstück und verlangte lategorisch, daß Lewy dieses unterschreiben solle. Ms der alte Mann sich dessen weigerte und verlangte, zunächst zu wissen, wen er vor sich habe und was in dem Schriftstück stehe, kam es zu lebhaften Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Gors immer wieder in befehlendem Tone verlangte, daß Lewy das Schriftstück unterschreiben solle. Als Lewy nach der Tür ging, um sein Dienstmädchen herbeizuholen, herrschte ihn Gors an: Ich bin Beamter, Sie haben hierzubleiben! Wer ich bin und was ich will, das wird Ihnen sofort klar werden, wenn ich Ihnen drei Namen nenne: Liborius , MandroviuS, SignoriuS! Er nannte diese drei Namen in einem Tonfalle, als ob er eine Bcschwörungs- forme! hersagte, dann trat die alte Gehrmann an den Tisch, stellte plötzlich ein von ihr aus Zink gegossenes unbestimmtes Gebilde, welches sie hervorholte, auf den Tisch und fing an. das Gebilde in einer auf die Konitzer Mordsache bezüglichen Art zu erläutern und nach jedem dritten Satze murmelte sie mit Grabesstimme:„Winter! Winter! Winter!" GorS aber unterstützte diesen Hokuspokus noch durch die Worte:„Der Geist des ermordeten Winter steht ja hinter Ihnen und würgt Sie schon!" Nun wurde es dem alten Lewy zu viel; er forderte die beiden sonderbaren Heiligen energisch und wiederholt auf. sofort seine Wohnung zu verlassen und als dieser Aufforderung nicht Folge geleistet wurde, schickte er zur Polizei. Als Gors auf die Wache gebracht war, fand man bei ihm ein Schrift- stück mit einer ganzen Reihe protokollartig nebeneinandergereihten Schuldbekcnntnissätzen, etwa in folgender Fassung: Sie geben zu, den Konitzer Mord begangen zu haben, Sie haben das Blut des ermordeten Winter an 7 Juden verteilt, Sie geben zu, den Leich- nam zerstückelt und ins Wasser geworfen zu haben usw. Der Angeklagte bestritt entschieden, baß er den alten Lewy habe zwingen wollen, ein Schriftstück zu unterschreiben. Was da auf dem bei ihm gefundenen Schriftstücke stehe, sei eine wörtliche Abschrift aus einem in Könitz verbreiteten Buche:„Die Blutschuld von Könitz", in welchem alle Schuld auf Lewv geworfen werde. Er aber wisse, daß Lewy nicht der Mörder sei. Der Zinkguß der Frau Gehrmann habe auch deutliche Fingerzeige gegeben, daß zwei christliche Männer die Täter seien, er habe aus dem Zinkgutz auch deutliche Hinweise auf die Namen der betreffenden und sei ihnen schon auf der Spur: der eine wohne in Berlin , der andere in Slbing. schroffer Weise gegen die Neugierigen eingeschritten worden. ES kam zu einer lebhaften Erregung, die schließlich zu einem Zu- sammenstoße zwlsckcn Polizei und Publikum flihrte. Eine Anzahl Personen wurde durch Säbelhiebe verletzt; die Angegriffenen setzten sich zur Wehr; dabei wurde auch ein Schutzmann so schwer verletzt. daß er einige Zeit darauf im Krankenhause starb. Als angebliche Haupttäter wurden die Angeklagten ermittelt und unter Anklage gestellt. Dem Genossen Fröhli» wird zur Last gelegt, er habe die streikenden Arbeiter zu Gewalttätigkeiten aufgereizt und den An- griff auf die Schutzleute inszeniert. Genosse Fröhlich hat aber sellssiverständlich die � Streikenden zur Ruhe und Besonnenheit er- mahnt und wiederholt daraus hingewiesen, daß man sich keiner Gewalttätigkeit gegen Arbeitswillige schuldig machen dürfe. Den Vorsitz führt Landgerichtsrat Westermann, der als „scharfer" Richter bekannt ist. Es sind gegen 100 Zeugen geladen. unter denen sich auch der von der Anklagcbehörde geladene.Ar- bciter" Robert Hauptmann befindet, ein übelbeleumdeter Mensch, der Streikbrecher war und als Hauptbelastungszeuge auftreten soll. Hauptmann muß auS dem Gefängnis vorgeführt werden, wo er wieder einmal wegen allerhand Schwindeleien sitzt. Di« An- geklagten werden von den Rechtsanwälten Heine-Berlin und Schrammen I-Kvln verteidigt. Die Verhandlung wird Voraussicht- lich die ganze Woche währen. Unter den 28 Geschworenen befinden sich 7 Kaufleute, 6 Fabrikanten. je 3 Direktoren und Architekten, je 2 Rentner und Ingenieure, und je 1 Generalagent, Prokurist, Ziegeleiüesitzer, Hauptmann a. D. und Landwirt. Ueber den Ausfall der Verhandlungen werden wir berichten. i?ttter>>na»«!>erNct,« vom 9. März 1911, Ctetton en ..tZ Iis? h Setter 765 Still 765 SSO 765 W swwemde r>amt>urv verlin .Inmfta PI 764 NO Viüncbe»> 766O Äie» 765 NW Dunst 1 heiter 1 bedeckt 1 Nebel INcbel Halb bd. was rii »». 8? w* 0 1 0 -1 — 0 1 ää= c 2 i« "C Saparanda 76t Still eterSburg 762 SW Sctllii 764 NNW Äerb««« Parte Setter «jx t.!l ** Schnee—7 1 Schnee—7 ........ 7 halb bd. 6 755 WSW l halb bd. 3 764 SSO 1 bedeckt> 1 Wetrerproquose'ür Freitag, den 10. März 1911. Vorwiegend wollig mit geringen Regen- und Schneesällen bei wenig veränderter'Tagestemperatur und schwachen Winde» auS vorwiegend süd« weltlichen Nichluugen. Berliner Wetterbureau. Wasserstands. Rackirtcki»«« der LandeZanstalt für Gewässerkunde, mitgeteilt vom Berlin « Wetlerburcau. Wasserstand W e m e l. Tilsit IZ r e g e l. Insterbmg Weichsel, Thoru Oder. Rattbor , Krossen . Franliurt Warthe, Schrimm , Landsberg Netze. Vordamm Elbe, Leitmerttz , Dresden , varb» . Magdeburg Wasserstand Saal«. Grochlitz Havel. Svandaust , Rathenow ') Spr»«. Spremberg ») » BeeZIow Weser, Münden . Minden R h e i u, Maximiltaysau • Kaub . Köln Neckar, Heilbromi Main, Wertheim M o j e l, Tri« am 8.3. am 263 172 186 214 102 226 456 357 448 163 286 101 leit 7.8. am*) -13 0 -8 -r4 -23 —24 —20 —17 —25 -12 —15 -33 + dedeulet Wuchs.-» Fall.») Unlerpegel. W Eltflii.
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