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|t. 61. 28. Iahtgaag.' 1. Keilißt des Jonuirts" Knlim KsIksdlM Zottutag. 13. Marz 1911. R.eicdstag. 145. Sitzung. Sonnabend, den H. März. mittags 12 Uhr. Am BundeSratstisch: Dr. Delbrück. Zweite Beratung des Etats für das Reichsamt des Innern. Die Beratung beginnt beim TitelStaatssekretär". Hierzu liegen eine grötzere Anzahl von Resolutionen bor . Die Sozialdemokraten verlangen in einer Resolution einheit- l»che Regelung der Verhältnisse der für die industriellen Werke bestehenden Pensionskassen, in einer anderen die Vorlegung eines Reichsberggesetzes. Zentrum und Konservative wünschen Ergänzung und Ver- schärfung der Bestimmungen über die Wanderlager, das Zentrum außerdem für die Einzelstaaten die Möglichkeit, die Be- stimmungen über die Detailreisenden und Hausierer weitgehend einzuschränken. Weiter wünscht das Zentrum die Schaffung einer Zentral- stelle zur Förderung der Tarifverträge. Eine Resolution, die von Mitgliedern aller großen Parteien unterzeichnet ist, wünscht, daß im Verein mit Oesterreich eine deutsche Einheitsstenographie geschaffen wird. Abg. Dr. Pieper(Z.) verbreitet sich zunächst über die Baum- Wollkultur in unseren Kolonien, dann bittet er um Beschleuni- gung der Erwägungen über den vom Reichstag schon 1907 an- genommenen Antrag, der einen Gesetzentwurf über die Kartelle und Trusts verlangt; weiter polemisiert der Redner gegen den Hansabund. Meine Freunde, fährt der Redner fort, wollen dem Handwerk helfen durch Zuweisung guter Arbeit; deshalb haben wir schon früher verlangt, daß dem Reichstag eine Nach- Weisung über den Umfang der vom Reich an Handwerker ver- gebenen Lieferungen vorgelegt wird. Ebenso wünschen wir, daß mit Energie Ermittelungen über die Lage des kaufmännischen Mittelstandes angestellt werden. Wünschenswert ist, daß alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um das Gesetz über die Versicherung der Privatbeamten und das über die Gleichstellung der technischen mit den kaufmännischen Angestellten zu fördern. Die Reichsversicherungsordnung beschäftigt alle Parteien; hoffentlich gelingt es, durch Zurückstellung von Einzelwünschen sie zustande zu bringen. Zu bedauern ist, daß das Arbeitskammer- gcsetz wohl scheitern wird. Ueber ein Reichstheatergesctz schweben Erwägungen; es ist Zeit, daß endlich ein Entschluß gefaßt wird, ob es erlassen werden soll oder nicht. Zum Schluß dieser Ueber- ficht möchte ich mit warmer Anerkennung der Tätigkeit der G e- werbeaufsichtsbeamten gedenken; sie sollten das Recht erhalten, in Einzelfällen Verfügungen zu treffen. Im Jahre 1908 hat meine Fraktion einen Antrag auf AnSbau der Tarifver- träge eingebracht. Der frühere Staatssekretär v. Bethmann Holl- weg und auch der jetzige haben sich svmpathisch dazu ausgesprochen; wir haben deshalb die Resolution beantragt, welche die Schaffung einer Zentralstelle zur Förderung der Tarifverträge wünscht. Wir hoffen, daß das Reichsamt des Innern energisch die Führung in dieser Angelegenheit übernimmt.(Bravo ! im Zentrum.) In bezug auf die Fortführung der Sozialreform macht sich in manchen ein- flußreichen Kreisen eine gewisse Ermüdung geltend. Aber diese Fortführung ist eine nationale Aufgabe, zu der die bisherigen Erfolge nur ermutigen können.(Beifall im Zentrum.) Abg. Panli-Potsdam(k.): Die Ermüdung, von der der Vor- redner sprach, ist nicht verwunderlich; sie rührt von dem schnellen Tempo unserer Sozialpolitik her, in der wir viel weiter gegangen sind, als die kaiserlichen Erlasse einst im Auge hatten. Dem Gedanken der Tarifverträge stehe ich sympathisch gegenüber; aber ihr Abschluß wird immer s ch w i e r i g e r, weil die Vertreter der Arbeiterorganisationen Wochen- und monatelang die VerHand- lungen hinziehen sie werden ja für ihre Tätigkeit be- zahlt und die Arbeitgeber die Last solcher Verhandlungen nicht auf sich nehmen können. Daß das Reich die Führung in dieser Frage übernehmen soll, wie der Vorredner will, wäre für die Arbeitgeber sehr bedenklich. Sozialpolitik gibt es eigentlich nur in Deutschland . Wir dürfen den Bogen aber nicht überspannen, sonst zerspringt er.(Bravo I rechts.) Die Privatbeamtenversiche­rung erfreut sich der wärmsten konservativen Sympathien. Redner sucht alsdann in langen Ausführungen nachzuweisen, daß die Konservativen ihre Mittelstandsanträge nur aus reiner, un- eigennütziger Liebe zum Handwerk, und nicht etwa zu Wablzwecken einbringen.(Heiterkeit links.) Immer und immer(laut schreiend) sind die Handwerksinteressen von der(noch lauter schreiend) rechten Seite des Hauses wahrgenommen worden.(Ironisches Bravo! links Rufe: Siehe Finanzreform l) Wir werden stets für die Interessen des Mittelstandes in Stadt und Land nachdrücklichst ein- treten.(Bravo ! rechts.) kleines fcirillcton. Die Europäer und Mischlinge in den Tropen. Es gibt ge- schichtliche Beweise dafür, daß in Nordafrika wiederholt hellfarbige Europäer eindrangen, aber sich dort nicht einzuleben vermochten. In Palästina soll es ebenfalls viele Blonde gegeben haben; jetzt sind sie verschwunden. Nach Ostindien drangen Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung dieArier" ein, ein Zweig der europäischen Menschenform. Noch heute ist ihre Aufsaugung nicht ganz voll- zogen, doch schreitet sie unaufhaltsam weiter. Auf Ceylon ist keine Spur der Holländer verblieben. In Westindien , Mexiko , Mittel- und Südamerika repräsentieren die Nachkommen der europäischen Einwanderer einen fortwährend abnehmenden Teil der Bevölke- rung. Am schlagendsten erscheinen aber für die Frage, ob Euro- päer sich in den Tropen auf die Dauer akklimatisieren können, die Ersahrungen der Neuzeit; Hans Fchlinger, der sie in derPolit.- Anthropol. Revue" zusammenstellt und untersucht, kommt zum Resultat, daß sich die europäische Bevölkerung in den Tropen auf längere Epochen überhaupt nicht halten kann. Aber auch die Misch- lingsrassen, die als Ersatz für Europäer die Besiedelung und Er- fchließung tropischer Länder unternehmen könnten, sind auf die Tauer nicht lebensfähig. Vor allem sind sie biologisch minder- wertig, da ihre Fruchtbarkeit gering ist und sicherlich im Verlauf einiger Generationen Sterilität eintritt. Die Griqua, Mischlinge zehnten Jahrhunderts zahlreich, aber um 1825 waren sie schon ver- zehnten Jahrhunderts zahlrech, aber um 1825 waren sie schon ver- schwunden. Holländer-Malaien-Mischlinge auf Java und Sumatra sind in der dritten Generation steril. In Indien sind dieEura- sier" Schwächlinge und kommen um. Mulatten von Negerinnen und französischen oder spanischen Vätern erhalten sich am längsten, aber schließlich sterben sie auch aus. Mischlinge von Japanern und Aino oder Chinesen sind in der Regel unfruchtbar. Die spanischen Mischlinge auf den Philippinen sind eine dem Untergange geweihte Bastardraffe. So werden die braunen Rassen, die heute die Tropen bewohnen, nie daraus verdrängt werden können, sondern in ihrem Besitze bl-iben. Die Europäer können sie nicht verdrängen, weil die, welche den Versuch machen, selbst vernichtet werden. Neben den weit-»: Gebieten Nordasiens und Nordamerikas kommen noch SMtralien, Südafrika , das außertropische Südamerika und kleine Hochlandsgebiete als Kolonisationsfeld für die europäische Menschen- form in Betracht, obgleich auch von Australien berichtet wird, daß dort ansässige Familien englischen Stammes in wenigen Genera- tionen degenerieren, wenn nicht Vermischung mit neuzugezogenen Volksgenossen stattfindet, Abg. Fischer(Soz.): Auf die Ausführungen des Herrn Pauli einzugehen, der- lohnt sich wirklich nicht.(Lebhafte Zustimmung links.) Man kann höchstens die charakteristische Tatsache zur Notiz nehmen, daß die konservative Partei ausgerechnet Herrn Pauli- Potsdam als ihren Sprecher in der sozialpolitischen Debatte vorschickt. Das ist bezeichnend für den Tiefstand konservativer Sozialpolitik. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Herr Dr. Pieper erging sich in langen Lobpreisungen der deutschen Sozial- Politik. Was in der Sozialpolitik erreicht worden ist, mußte durch- gesetzt werden im harten Kampfe gegen die Unternehmer. Nur die größte Bescheidenheit, die ich einem so klugen Manne wie Dr. Pieper gar nicht zutraue, kann sich in Lobsprüchen über die offizielle deutsche Sozialpolitik ergehen. Jetzt, da wir am Schluß dieser Legislaturperiode stehen, ist es am Platze, einmal einen Rückblick auf die Leistungen dieses Reichs- tages auf dem Gebiete der Sozialpolitik zu werfen. Was war das hier für ein Jubel unter den Staatserhaltenden, als die So- zialdemokratie angeblich niedergeritten war! Wenn Fürst B ü! o w in der Villa Malta sich einsam fühlt, kann er sich ja die Zeit mit der Lektüre der damaligen Siegesi-Rodomontaden vertreiben. lHeiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) In der Thronrede wurde damals die Fortführung der Sozialpolitik ver- heißen. Bezeichnend Ivar es allerdings, daß mir von der Sozial- PolitikWilhelms des Großen", nicht von den Februarexlassen des jetzigen Kaisers die Rede war.(Hört! hört!) Aber überall er- klang es damals: nun erst recht Sozialpolitik, Sozialpolitik gegen die Sozialdemokratie. So sprach der rcdelustige B ü l o w, so sprach Herr Bas s ermann, der sich sonnte in den Strahlen der Re- gierungsgunst, so sprach Bülows nachmaliger Nachfolger, der 'Kanzler der gottgewollten Abhängigkeitsphilosophie. (Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Die bindend- sten Zusagen wurden gegeben, die größten Versprechungen wurden gemacht: Privatbeamtenversicherung und Arbcitskammergesetz und wer weiß, was sonst noch. Der Benjamin des Bülowblocks, Herr Mugdan (große Heiterkeit), verhöhnte das Zentrum wegen der Ergebnislosigkeit seiner papiernen Sozialpolitik.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Und was ist nun das positive Er- gebnis gewesen? Wir hören Worte, Worte, Worte, Taten aber sehen wir nicht. Der gute Wille wurde mit dem Munde bezeugt, er war aber nicht zu entdecken, wenn er sich in Leistungen umsetzen sollte.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Ein Beispiel: Herr v. Gamp, der heute wieder nicht da ist(Heiterkeit), bekannte sich als Anhänger der Fort- führung der Sozialpolitik und als Gegner jedes Schrittes nach vorwärts. Das war jene Art von Sozialpolitik, deren Vertreter nicht ruhten, bis sie den wirklichen Sozialpolitiker, den Grafen Posadowsky, gestürzt hatten. Graf Posadowsky wußte, was ihm bevorstand: er sprach von den »giftigen Angriffen", denen er ausgesetzt sei, die ihn jedoch nicht bewegen würden, Staatssekretär gegen Sozialpolitik zu sein.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das war Po- sadowskys Sclpvancnsang. Auf Posadowsky folgte Theobald. (Heiterkeit.) Was versprach nun Theobald: Zehn stundentag. Im Grunde nur gesetzliche Festlegung dessen, was die Gewerkschaf- ten aus eigener Kraft schon errungen hatten. Ueberhaupt ist im Grunde unsere ganze offizielle Sozialpolitik nichts als nachträgliche gesehliche Fixierung der Errungen- schaften der Gewerkschaften. (Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Daher auch der wütende Haß der Scharfmacher gegen die Gewerkschaften. Weiter: Ausdehnung der Sonntagsruhe, das Arbeits- kammergesetz, das heute noch nicht erreicht worden ist. Warum nicht erreicht? Weil die Regierung in Erfüllung der Wünsche der Scharfmacher, speziell des Zentralverbandes, keine genügende Ber- tretung den Zlrbeitern zubilligen will, weil sie namentlich ihre eigenen Betriebe nicht einbezogen wissen will. So setzt der Staats- felretär von 1911 seinen Fuß auf die kaiserlichen Erlasse von 1890. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Weiter die Reichsversichernngsordnung. Daß diese Reichsversicherungsordnung nur das Attentat ver- schleiern soll, das auf die proletarische Selbstverwaltung der Krankenkassen verübt werden soll, daran zweifelt wohl niemand. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Auf alle die schönen Worte sind keine Taten gefolgt, oder das G eg e n t e i l des Versprochenen. Also: Bluff und Humbug. (Stürmische Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Dann ist ja auch das Zentrum noch hier, das damals oppositionell war. Herr T r i in b o r n führte aus:Was nützen uns allgemein gehaltene Bekenntnisse zur Sozialreform, wie wir sie in Botschaften, Thron- reden und gelegentlichen Ansprachen von Bundesratsmitgliedern und noch höheren Stellen gehört haben.(Sehr gut! in der Mitte.) Diese allgemeinen Bekenntnisse verlieren allmählich jeden Wert, wir ivollen endlich Borlagen sehen." Können Sie es uns ver­denken, wenn auch wir sagen, diese allgemein gehaltenen Bekennt- nisse zur Sozialpolitik verlieren allmählich jeden Wert, wir wollen Vorlagen, wir wollen ihre Durchführung, wir wollen Gesetze sehen. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Herr Trimborn verlangte damals die Witwen- und Waifenversicherung, die Sonn- tagsruhe im Schiffahrtsgewerbe, die Regelung der Arbeitsverhält- nisse der Angestellten in Rechtsanwaltsburcaus, den Schutz der Frauen und Jugendlichen in gesundheitsschädlichen Betrieben, kurz ein ganzes sozialpolitisches Prograinm. Auch Herr Spahn ent- warf ein solches Programm der Zentrumspartei . Namentlich ver- langte er die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine, die Sicherung und den Ausbau des Koalitionsrechtes, ebenso der Tarifgemeinfchastcn. WaS hat die Zentrumspartei in diesen 4 Jahren getan, um dies Programm zu erfüllen? Wenn es nur die Hälfte des Einflusses aufwenden wollte, den es zur Durchführung der Finanzreform auf- brachte, so wäre dies Programm längst erfüllt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Nach den Fcbruarerlassen sollten die Staatsbetriebe illhisterbetriebe sein. Das Zentrum läßt eS zu. daß sie aus dem Arbeitskammcrgeletz herausgenommen werden. Als bei der F i n a n z r e f o r m die besitzenden Klassen und die Junker zum Zahlen herangezogen werden sollten, setzte das Zentrum seinen Einfluß ein, damit die Regierung und der Kanzler über die Klinge sprangen. Beim Arbciterschutz geht es jedem Kampf mit der Regierung aus dem Wege.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Als 1897 Stumm beantragte, eine Witwen- und Waifenversicherung für alle Arbeiter einzuführen, kam das Zentrum mit dem Antrag, diese Versicherung nur auf die Fabrikarbeiter zu beschränken. In den letzten Tagen hielt Herr Gröber eine prächtige Rede für unsere Resolution zum Marineetat, wonach zur Regelung der Arbeitsver- Hältnisse auch die Arbeiterorganisationen herangezogen werden sollen. Dann aber stimmte das Zentrum geschlossen gegen dieselbe Resolution beim Militäretnt.,(Sehr wahr! b. d. Soz.) In der Reichsversiche- rungsordnung beantragte die Regierung neben der Entrechtung der Arbeiter in den Krankenkassen doch wenigstens auch die höhere Be- lastung der Unternehmer; in der Kommission strich das Zentrum diese erhöhten Lasten, trat aber ein für die Entrechtung der Arbeiter. (Lebh. Sehr richtig! b. d. Soz.) Solange der konscrvativ-liberale Block bestand, schwitzten Regierung und Blockparteien förmlich sozial- rcformerische Versprechungen, aber Sozialreform wurde nicht getrieben. Jetzt beim blauschwarzen Block hören wir auch keine Verspre- chungen mehr, das Gefühl der sozialen Ermüdnnz ist über das Zentrum gekommen. Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo, heißt es im Zentrum; der Osten hat über den verseuchten Westen gesiegt, die Berliner Richtung über die christlichen Arbeiter des Westens, welche die Sozialreform ernst genommen haben, die Ritter und die Heiligen wollen nichts davon wissen, das Zentrum ist aus dem demokratischen Lager ins konservative abmarschiert. (Sehr wahr! b. d. Soz.) Auf feinem letzten Münchener Parteitag hat es als erste Forderung erhoben: Kampf gegen die Sozial- dcmokratie der ist ja beim Zentrum selbstverständlich und ist auch sein gutes Recht. Aber das Zentrum ging weiter und sprach sich offen aus für Ausnahmegesetze gegen die Arbeiter. Die Partei, die groß geworden ist in den Ausnahmegesetzen des Kulturkampfes, die groß geworden ist in Klagen über das mindere Recht der Katholiken, die beständig den Toleranzantrag einbringt, und über die Zurücksetzung ihrer Glaubensgenossen im Staat und in der Verwaltung klagt, diese Partei fordert ein Ausnahmegesetz gegen die Arbeiter.(Zuruf im Zentrum: Wer hat das gefordert?) Sie forderten, daß jedem, der sich offen zu den Grundsätzen und Zielen der Sozialdemokratie bekennt, die Aufnahme in den Staatsdienst versagt wird.(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten. Zuruf im Zentrum: Nur Leuten mit staatsfeindlicher Gesinnung!) Waren Sie denn nicht Jahrzehnte lang die Reichsfeinde. Die Neichsfcindschaft und Staatsfeindschaft der Sozialdemokratie hat Sie doch nicht gehindert, bei den letzten Wahlen Wahlabkommen mit der Sozialdemokratie Eine Volkszählung unter den Sternen. Die Erfüllung des Wunsches, die Zahl der für das menschliche Auge am Himmel wahr- nehmbaren Sterne zu wissen, wäre von fraglichem Wert. Nicht nur ist es an sich verhältnismäßig nebensächlich, ob diese Zahl um einige Tausende kleiner oder größer ist, und außerdem würde sie durch eine neue Steigerung der optischen Hilfsmittel, also durch die Schaffung noch kräftigerer Fernrohre, wieder umgestoßen werden. Es wäre ein Zufall, wenn die heutige Grenze des mensch- lichcn Sehvermögens in den Weltraum hinein gerade dort läge, wo das Heer der Sterne selbst seine Grenze findet und ein leerer Raum beginnt. Die Astronomen haben also allen Grund, bei einer Volkszählung unter den Sternen andere Zwecke zu verfolgen als die Gewinnung einer einzelnen Gesamtziffer. Wichtiger ist schon die Verteilung der Sterne auf die einzelnen Größenklassen, weil dadurch bestimmte Andeutungen auf die Anordnung der Gestirne im Weltenraum gewonnen werden können. Noch bedeutsamer aber ist die Feststellung, in welcher Richtung sich der einzelne Stern be- wegt. In dieser Hinsicht können auch kleine und lichtschwache Welt- körper ein hohes Ansehen erreichen, wenn sie sich durch besonders schnelle Bewegung auszeichnen. Es hat lange gedauert, bis man. die Bewegung der fälschlich so genannten Fixsterne überhaupt sicher nachweisen und messen konnte. Vor einem halben Jahrhundert ge- hörte dazu noch die in jeder Beziehung ungewöhnliche Begabung eines Bessel. Jetzt hat die Zahl der Fixsterne, deren Eigenbewcgung nach Richtung und Größe bekannt ist. schon die Höhe von einigen Tausenden erreicht. Schließlich würde mit einer Aufnahme des ge- samten Sternenhimmels auch die Suche nach Doppelsternen ver- bunden sein. Im Jahre 1885 berechnete man die Zahl der Sterne bis zur Helligkeitsklasse von Q'A auf 300 000. Jetzt sind bereits mehr als eine Million genau bestimmt, und die Gesamtzahl wird auf 24 Millionen veranschlagt. Humor und Satire. EinneuerBriefJagowS. Geehrte Frau Herrmann! Da ich das Amt eines Polizeipräsidenten auszuüben habe. suche ich Fühlung mit Bürgerkreisen. Wäre mir Freude. Ihnen herzlichstes Bedauern darüber auszusprechen, daß Ihr Mann völlig unschuldigerweise von zwei Schutzleuten totgesäbelt wurde. Fühle Verpflichtung, Schuldige schnellstens zu eruieren, und amtlich für Verbesserung Ihrer unverschuldeten Notlage Schritte zu tun. Halte das für den richtigen Instanzenweg der Menschlichkeit und Pflicht. Wann wäre Ihnen Besuch angenehm? Vielleicht Sonntag nach- mittag halb fünf Uhr?. Antwort bxaucht nichteigenhändig" adressiert zu werden._ v. Jagow. Der Brief ist höchst lobenswert. Schatze nur, baß Jagow nie auf den Gedanken kam, ihn zu schreiben, noch sich der darin ange- deuteten Pflichten erinnerte._."(Jugend".) Notizen. Die AmtSkette. Man kennt Wilhelms H Vorliebe für daS Dekorative. ES war daher nicht verlv»nderlich daß einer seiner rsten Gnadenakte für die neugegründete Gesellschaft für wissen- schaftliche Forschung die Verleihung einer Amtstracht war. Nicht genug damit, sind den Mitgliedern jetzt auch»och besondere Tressen und Schützenschnüre Pardon: Abzeichen und Amtskelten verliehen worden. Ein Professor vom Kunstgewerbemuseum hat die Sache heraldisch und dekorativ gestaltet. Besonders verziert wird der Bor - sitzende des Senats: er bekommt eine einen Meter lange Kette auS vergoldetem Silber um die Brust. Er kann also den Berliner Stadtverordneten erfolgreiche Konkurrenz machen. Im Gegensatz zu deren Sklavenkette ist die neue Kette aber aufs zierlichste mit Ver- gißmeinnichtblüten(wie sinnig I) und weiblichen Köpfen in bunter Emaillcarbeit gescknnnckt. Auf einer Cartouche prangt im Lorbeer- kränze das Bildnis Wilhelms. Gewöhnliche Mitglieder bekommen bloß dieses. Fan st'amNach mittag und abends. Die Aufführung von GoethesFaust II ", die nächsten Mittwoch im Deutschen Theater stattfindet, beschränkt die Kürzungen auf daS notwendigste. Die Vorstellung wird durch eine einslündige Pause unterbrochen und be« ginnt daher schon nm 4>/z Ubr nachmittags. Das enthüllte Geheimnis des Geigenbaus?, Es wird alle paar Jahre neu enthüllt, aber es stimmt immer noch nicht. Jetzt will der Nürnberger Chemiker A. Bechmann herausgebracht haben, daß die Ueberlegenheit der alten Geigen auf der Behandlung der Holzplatte und nicht bloß auf dem Lack be- ruhte. Durch eine bestimmte Imprägnierung des Holzes foll es auch heute noch möglich sein, den alten Geigen in jeder Werse ge» wachsene, neue, billige Instrumente herzustellen. Festes Petroleum herzustellen ein Problem, das die Technik schon länger beschäftigt soll jetzt in England ge- lungen sein. Es wird darüber aus London gemeldet: Die Pctroleummasse hat das Aussehen eines schmutzigen Eisblockcs. Für Automobile kann das feste Petroleum in Würfelform her- gestellt und bequem in einem Kasten untergebracht werden. Ein solcher Würfel entspricht ungefähr 5 Liter flüssigem Petroleum. Ein großer Vorteil des festen Petroleums ist seins vollständige Un- gefährlichkeit in der Handhabung. Für die Schiffahrt ist diese Erfindung von großer Wichtigkeit. Das geringe RaumerfordernlS des festen Petroleums wird gestatten, ohne Erneuerung des Heiz- Materials eine Reise um die Welt auSzuflihren. Die genaue Zu» fammenstellung des festen Petroleums ist bis jetzt noch nicht bekannt.