Mwlkgung der Gewerlschaften. Ich will zu Ehren des Staatssekretärs annehmen, daß er aus einem gewissen Scham- und Anstandsgefüh! heraus zu diesen Wünschen schwieg, daß er sie nicht der Widerlegung sür würdig hielt.(Sehr wahr! Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ebenso schwieg der Staatssekretär sich aus über die doch wirklich interessante Kali-Aiigelegc»heit. die seil mehreren Tagen nun schon die Budgetkommission beschäftigt. Die Angelegenheit zeigt aufs neue, daß, wenn Synditat und Staat zusammenkommen. das Syndikat es ist, das den Vorteil davon trägt, nicht der Staat. (Sehr wahr! links.) Die Parteien der Rechten schicken, wie es scheint, mit Vorliebe Handwerksmeister als sozialpolitische Redner bor. Die Hoffnung, irgendwelche erhebliche Teile der Arbeiterschaft für sich einzusaugen, haben diese Parteien wohl schon aufgegeben; uin so krampfhafter suchen sie die Handwerker, die ihnen noch folgen, bei ihren Fahnen festzuhalten. Wie lange ihnen das noch gelingen wird, stehl dahin. S*.�ch in den Kreisen der Handwerker, des Mittelstandes beginnt es aftu mblich zu tagen, Herr Linz. (Sehr gut I bei den Sozial- Vemo.'raten.) Auch dort ivird man es allmählich satt, sich als Sk'rfpailN für kapitalistische und agrarische Interessen miß- brauchen ZU lassen. Allzu deutlich predigt die Selbstsucht der Agrarier, der industriellen Kartelle dem Mittelstande, wie«er- hängnisvolt die sogenannte„untionalc" Politik des Hochschuhzolles ihm ist. Auch im Mitlelstande bricht sich mehr und mehr die Ueber- zeugung durch, MB allein die Arbeiterklasse die Gewähr gegen eine Unter- jochung des ganzen Kolkes dnrch de» Grostkapitalismus, den agrarischen, industriellen und konnnerziellen, bietet. Darum auch die heftige Wut der Scharfmacher, der Bueck und Konsorten, gegen die organi- sierte Arbeiterklasse, darum die Bestrebungen, die'Arbeiterschaft zu knebeln, die Gcwerkschastc» zu zerstöre», darum die Angst vor dem Erwachen der Landarbeiter, darum der rechts-»ud gesetzwidrige LegitiiuationSzwailg, den mit hohem staatlichen Privileg die Feld- arbeiterzentrala ausübt.(Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Die Sozialdemokratie kann allen diesen krampfhasten An- firengmigen ihrer Gegner mit Seelenruhe zusehen. Sie weiß, daß alle Anschläge der Scharsmacher zun. Scheitern bestimmt sind. Die so sehr gepriesene voltswinschastliche Blüte Drutschlauds hat zur Boraussetiung eine intelligente, geschulte, selbstbewußte Arbeiter- schaft. Mit einer versklavte» Hetotemchasl läßt sich feine moderne Industrie aufrecht-erhalten. Der Kapitalismus selbst schafft die Bor- bedingimgeu seiner Beseitigung, seines Ersatzes durch eine andere, höhere Gesellschaftsform. Der Kapitalismus kann selbst nicht der intelligenten Arbeiterschaft entraten. Die ganze Kultur steht aus dem Spiele, wenn die Anschläge, die Knebelungsversuche der Scharfmacher mit Erfolg gekrönt sein würden. Aber die Kwltur der Arbeiterschaft steht zu hoch, als daß ein solcher Erfolg zu fürchten wäre. So können wir Sozialdemokraten mit Ruhe denr gegnerischen Treibe» zusehen. Indem wir die Jntercffeu der Arbeiterschaft vertreten, vertreten wir die wahre» Juteresse» der Kultur, vertreten wir die Zukuuft der Ratio,».(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Staatssekretär Dr. Delbrück: Dem Vorredner war interessant in meinen Ausführungen, waS ich nicht gesagt habe. Er vermißte, daß ich nichts darüber gesagt habe, daß ich beim Zentralverbanb deutsche? Industrieller zu Gast geladen war. Was geht denn das das Parlameut an?(Sehr richtig! rechts.) Der Abg. Fischer schloß aus dein Umstände, daß Herr Bueck zwischen mir und dem Handels- minister saß, auf vollständige Abhängigkeit der Regierung von dem Zentralverband.(Große Heiterkeit.) Das ist doch eine sadenscheinige Beweissührung.(Zustimmung rechts.) Wir und die Parteien im Hause gehe» auseinander in der Beurteilung dessen, was man für die arbeitenden Klassen tun kann und WaS nicht. Aber wir alle habe» ein Lebensinteresse an der kulturellen und wirtschaftlichen Hebung des Arbeiterstaudes und nicht nur die Freunde des Herrn Hoch.(Lebhafte Zustimmung bei den bürgerlichen Parteien.) WaS auf sozialpolitischem Gebiet geschehen ist. ist auch nicht von Ihrer (zu den Sozialdemokraten) Seite geschehen.(Abg. Stadthagen fSoz.): Alles Vernünftige ist vou uns angeregt.— Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wir wissen, daß ein gut ent- lohnter Arbeiter das Beste ist, was wir uns in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht nur wünschen können.(Zustimmung bei den bürgerlichen Parteien.) Wem ander» verdanken Sie denn cmä> unsere Kultur, als dem uneigennützigen deutsche» Staat.(Schallende Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Gar manchmal sagt man mir..wenn Ihr nicht so ständig an der Hebung der Kultur und Verbreitung der Intelligenz gearbeitet hättet, so hättet Ihr nicht mit den Schwierigkeiten zu kämpfen".(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Wer sagt das?) Leute, die mit der Polen - Politik der preußischen Regierung nicht einverstanden sind. Das Maß vou Bildung im Volte, die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben, die Möglichkeit, physikalische und technische Probleme zu verstehen. ist eben zurückzuführen auf die Fürsorge des Reichs und der Bundes- staaten.(Sehr richtig I rechts.) Die Legende muß zerstört werden, als wenn diese Kultur in erster Linie Ihr Werk(zu den Sozial- demokraten) wäre, sie ist in erster Linie Werk des Staates.(Lebhafte Zustimmung rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Tann sagen Sie, der letzte Reichstag hat nichts geleistet. Nun, wir haben ein außerordentlich liberales BereinSgesrh bekommen. (Schallende Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Daß einzelne Mißgriffe vorkommen, ist sa ganz selbstverständlich.— Herr Hoch behauptete dann bei Erwähnung der Börse und der Syndikate, wir seien in völliger Sklaverei des Großkapitals und der Börse. Wir können volkswirtschaftliche Probleme nicht auffassen vom Siand- Punkt einer wirtschaftlichen Anschauung aus, die sich außerhalb unserer Verhältnisse stellt.(Sehr richtig! rechts.) Gewiß wachsen die Staatsaufgaben, dehnt sick der Wirkungsbereich des Staates immer weiter aus. Aber die Staatsomnipotenz bedeutet das Ende der individuelle» Freiheit und das Ende der Kultur.(Lebhafte Zustimmung bei den bürgerlichen Parteien.) Ich lasse mir von niemand die Direktiven meiner Amtsführung vorschreiben. Aber ich bin nicht so erzogen, daß mich politische Differenzen abhalten, mich mit jemand an einen Tisch zu setzen. (Heiterkeit und Sehr gut! rechts.) Eine Disziplinaruntersuchung über meine Tischgesellschaft(Stürmische Heiterkeit) wird mich nicht ab- hallen, die Interessen der Industrie zu fördern, wie iÄ die Interessen aller Zweige der Volkswirtschaft und aller Berufe fördere, soweit die Ausgaben meines Ressorts eS mit sich bringen. (Bravo ! rechts.) Redner wendet sich dann den Ausführungen deS Abg. Grafen Kanitz zu. AuÄ wir beklagen die bedauernswerten Vorkommnisse in: Bankwesen. Ob aber auf dem Wege der Gesetzgebung oder verstärkter Staatsaufsicht ausgiebiger Wandel zu schaffen ist, steht Noch dahin. Abg. Wieland(Vp.): Vor Weihnachten beschäftigte uns hier ein konservativer Antrag betreffend den angeblichen Niedergang des Handwerks. Man kann nicht so ohne weiteres von einem allgemeinen Niedergang des Handwerks sprecden. (Sehr wahr! bei den Freiiinnigeni) Wenn manche Gewerbe von der Großindustrie beeinträchtigt oder gar verdrängt worden sind, so hat dafür auf anderen, neu erschlossenen Gebieten des gewerb- lichen Lebens der Kleinbetrieb einen günstigen Boden gefunden, zum Beispiel im Jnstallationsgewerbe.(Hört I hört! bei den Liberalen.) Selbsthilfe tut das meiste, aber auch die Hilfe der Gesetzgebung muß hinzutreten. Am wichtigsten ist für den Handwerker billiger Kredit. — Die von sozialdemokratischer Seite erhobenen Klagen über Ausnutzung der Lehrlinge treffen im allgemeinen nicht zu. Die Einschnürung widerstrebender Handwerker in die Zwangsjacken der Zwangsinnungen emsprichl nicht den wahren Interessen des Handwerks.(Sehr wahr! links.)— Die Klagen der Kollegen Fischer und Hoch, daß die Sozialpolitik stillstehe, find in dicscin Umfange nicht als berechtigt anzuerkennen. Die Fortschrittliche Volkspartei wird stets für die berechtigten Interessen des Handwerks eintreten.(Beifall links.) Abg. Frhr. v. Garnp-Massaunen(Rp.); Der Abg. Fischer hat sich neulich darüber beklagt, daß ich bei seiner Rede nicht hier im Saale War. Rgn kann doch nicht allein von ReichstagSreden leben.(Heiter- keit.) Wenn die Herren von der Linken frühstücken, während Redner der Rechten sprechen, dann können wir doch frühstücken, wenn die Linke redet.(Bravo I rechts.) Der Abg. Hoch hat wieder einmal die Sozialpolitik Deutsch- lands heruntergerissen. Aber die glänzende materielle und geistige Entwickelung der Arbeiterschaft, wem wird sie verdankt? Dem Deutschen Reich und namentlich auch dem preußischen Staat.(Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Der Abg. Hoch sprach auch von Ausnahmegesetzen, die beabsichtigt seien. Mir ist von solcher Absicht nichts belannt. Wen» etwa ein Rrbcitswilligeugesctz als Ausnahmegesetz aufgefaßt werden sollte, so ist das nicht richtig.(Gelächter bei den Sozialdemokraten.) UebrigenS ist ein solches dringend notwendig. Es wäre sehr wünschenswert, wenn der Staatssekretär sich dazu äußern wollte, ob er die den elemeutarsten Begriffe» des Rechtsstaates widerstreitende himmelschreiende Mißhandlung der Arbeitswilligen länger dulden will. (Sehr wahr! rechts.) Es giebt nichts Gemeineres, als einen Familienvater brotlos machen, weil er sich nicht organisieren will. (Zurus bei den Sozialdemokraten: Kümmern Sie sich nur um den Nnternehmcrtcrrorismus! Wie oft werde» von Unternehmern Familienväter aufs Pflaster geworfen!) Selbstredend mißbillige ich auch solche Fälle, wenn sie vorkommen sollten.(Zurns bei den Sozialdemokraten: Sie kommen massenhaft vor!) Es ist nicht wahr, daß wir Scharfmacher (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten) Gegner der Privatbeamten- Versicherung sind. Allerdings müssen die Kassen, die die Industrie- und Handelsbetriebe selbst errichtet haben, erhalten bleiben. Die Frage der Tarifverträge ist noch keineswegs geklärt. Von einer sozialen Ermüdung in Deutschland kann keine Rede sein. Rur aus dem Gebiet der Wohnungsreform konnte mehr geleistet werdeu.(Sehr richtig! links.) Wenn ganze Familien zusammengepfercht hausen in wahren Kellerlöcher», ohne Licht und Luft, so müssen daran all unsere Bestrebungen auf Schaffung eines gesundcu und kräftigen Arbeiter- stände» scheitern.(Bravo !) Abg. Junck(natl.): Den letzten Ausführungen des Vorredners kann ich mich nur anschließen. Der Resolution des Zentrums aus Förderung des Tarifvertraggedankens werden wir zustimmen. Der Tarifvertrag ist ein wichtiger Akt der sozialen Selbsthilfe. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Tarifverträge öffentlich-rechtlicki unterstützt werden. Die Klagen über schikanöse Handhabung des RrichsvcrcinsgesetzeS iu Preuße» wollen nicht verstummen.(Sehr wabr' links) Um die einzelnen Fälle kann sich der Reichskanzler natürlick nicht kümmern, aber aus der Reichsaufsicht folgt doch die Not- wendigkeit einer Verständigung mit den einzelsiaatlichen Zentralinstanzen, eine Berstäudigiing, die zwischen dem Neichskaiizlcr und dem preußischen Ministcrpräfldenten nicht allzu schwer sein dürfte.(Heilerkeit.) In der Frage der Umzüge steht die Anschauung des preußischen Ministers des Innern mit dem Gesetz in direktem Widerspruch. Nach seiner Meinung find sie ausnahmsweise erlaubt und in der Regel verboten, während das Gesetz sie umgekehrt in der Regel erlaubt. Man wüßte ein Neichsvcrwaltungsgerichl haben, an das man sich wenden kann, wenn iu den Bundesstaaten ein Äeichsgesetz in falschem Sinne an- gewandt wird,(sehr gut! links.)— Redner betont zum Schluß die Notwendigkeil von Maßnahmen zum Schutze des Mittelstandes. Staatssekretär Delbrück : Eine Zentralstelle sür Tarifverträge hesteht heute schon. Die Errichtung einer besonderen außerhalb des Neichsamts des Innern stehenden Zentralstelle ist daher nicht not- wendig. Eine Mitwirkung dieser Zentrale bei Abschluß von Tarif- Verträgen hat die Erfahrung in den meisten Fällen als überflüssig erwiesen. Wo es notwendig war, haben wir es an Rat nicht fehlen lasten. Auch eine Bermittelung von Streitfällen bei Auslegung von Tarifverträgen ist aus Ansuchen beider Teile wiederholt erfolgt. Darüber hinaus halte ich eine solche Bermittelung nicht für an- gebracht. Was hilft ein Schiedsspruch. wenn er nicht befolgt wird und vollstrecken können wir ihn doch nicht. Also ich leihe meine Hilfe stets, wenn ich darum gebeten werde. Abg. v. Strombcü(!.) wendet sich gegen die Resolution seiner Fraktion auf Beschränkung des Hausierhandels und erklärt, daß mehrere seiner Fraktionsgenossen, z. B. die Abgg. Wellstein und Wallenborn , ebenfalls gegen diese Resolution sind.(Hört! hört!) Es handelt sich bei der großen Mehrzahl der Hausierer unbestreitbar um ehrliche, rechtschaffene Leute(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten), die schwer um ihre Existenz zu ringen haben und die man doch wahrhaftig nicht durch Schikanen ruinieren sollte.(Bravo ! links.) Abg. KZlle(Wirtsch. Bg): Der im Herrenhaus zurückgezogene Antrag, betr. die überaus notwendige sachliche Aufklärung des Volles durch die Regierung über die Reichsfinanzreform, sollte vom Reichs- tag e i n st i m m i g angenommen werden.(Vizepräsident Dr. Spahn: Das gehört zum Etat des Reichskanzlers.) Ja, ich komme auf etwas anderes. Das Automobilwesen(Große Heiterkeit.) bedarf auch dringend der Regelung. Die Ursache der Margarine- Vergiftungen sollte genau untersucht werden. Hierauf vertagt sich das HauS. Abg. Hoch(Soz. persönlich): Der Staatssekretär hat gesagt, er hätte sich darüber gewundert, was ich für ein großes Interesse daran hätte, wo er diniert habe. Ich habe durchaus kein Interesse für den Appetit des Staatssekretärs (Heiterkeit), aber ich habe vermißt, daß der Staatssekretär sich über die politische Stellung der Regierung zum Zentralverbande geäußert hat.— Weiter habe ich es nicht als Verdienst meiner Partei rekla- miert, für die kulturelle Hebung der Arbeiterklasse einzutreten, sondern habe gesagt: Wir sprechen uns dafür auS und handeln da- nach, unsere Gegner sprechen sich auch dafür aus, handeln aber da- gegen.(Sehr wahr! bei de» Sozialdemokraten.) Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr.(Fortsetzung und Gesetz bc- treffend Hinausscknebung der Witwen- und Waisenversicherung.) Schluß 7-/z Uhr. _ Hbcfeordmtenbaiiö. 48. Sitzung vom Dienstag, den 14. Marz, vormittags 10 Uhr. Am Ministertisch: v. T r o t t z u S o l z. Die zweite Beratung des K u l t u s e t a t s wird beim Elementar- schulweseu fortgesetzt. Die Kommission beantragt, die Regierung zu ersuchen, die unter- geordneten Behörden zu veranlassen, auf Vermehrung von Hilfs- schulen für schwachbeanlagte Kinder der Volksschule hinzuwirken und darüber zu wachen, daß der konfessionelle Charakter dieser Schulen geioahrt werde. Der Antrag wird nach längerer unwesentlicher Debatte über Einzelheiten der Lehrerbesoldung und deS MittelschullvesenS gegen die Stimmen der Linken a n g e n o m m e n. Zu einem weiteren Titel beantragen die Abg. Dr. Maure r(natl. und Gen.) die Regierung zu ersuchen, eine neue Berechnung de" O st m a r k e n z u l a g e sür erste und alleinstehende Lehrer und Schulleiter auf Grund der neuen GehaltS- regelung herbeizuführen. Nach unwesentlicher Debatte wird der Antrag an die Budget- k o m m i s s i o n verwiesen. Beim Abschnitt Taubstummen- und Blindcnwesen protestiert Abg. StyczynSti(Pole) dagegen, daß in den Taubstummen- anstalren in den polnischen Provinzen den Kindern Deutsch und nicht ihre Muttersprache gelehrt werde. Ein Regienmgskommiffar erwidert, daß nicht GermanisationS- gründe, sondern pädagogische und ökonomische Gründe für den Unterricht der polnische» Kinder in der deutschen Sprache maßgebend seien. Es folgt der Abschnitt: WohItätigkeitSanstalteu. Volks- bibliotbeken und Jugendpflege. Abg. Engrlbrecht(fl.) begrüßt die Einsetzung von 100 000 M. zur Förderung der VolkZbibliotheken. Abg. Dr. Kaiifwaun(Z.) bittet um Unterstützung deS BorromäuZ- Vereins, der zur Beftiedigung des Lesebedürfnisses des Volkes sehr viel tue. Durch Förderung der Volksbibliotheken könne am besten dem Unwesen der Kolportageromane gesteuert werden. Anzuerkennen sei auch, daß der sozialdemokratische'Bildungsausschuß viel für die Verbreitung guter Lektüre unter der Arbeiterschaft tue. Bedenklich sei es aber, daß zu den am meisten gelesenen Büchern in den sozialdemokratischen Bibliotheken Zola, Anzengruber, Maupassant und unter den Geschichlswerken Corvlns Pfaffenspiegel und Blos, Ge- schichte der französischen Revolution gehörten! Wenn ein Schmarren wie Corvins Pfaffenspiegel von den Sozialdemokraten so eifrig ge- lesen werde, seien manche Reden des Abg. Hoffmann mit ihren An- griffen gegen Kirche und Religion nicht weiter verwunderlich.(Heiterkeil und Bravo I im Zentrum.) Der Titel.Förderung der Volksbibliotheken" wird bewilligt. Zu Beihilfen zwecks Förderung der Pflege der schulentlassenen männlichen Jugend ist neu eingesetzt ein Fonds in Höhe von 1 Million. Abg. Heckenroth(k.) begrüßt die Schaffung dieses Fonds. Das heranwachsende Geschlecht muß zu christlich-sittlichen Charakteren erzogen werden. Diesen: Ziel streben vor allem zu die christlichen Jünglingsvereine und die patriotischen Turnvereine. Es handelt sich darum, die Gefahr zu beseitigen, daß die heranwachsende Jugend dem Vaterland, unserem Volk und unserer Religion verloren geht. (Bravo I rechts) Abg. Kesternich(Z.): In dem Bestreben, die Jugend zu echt christlicher, valerländncher Gesinnung zu erziehen, findet der Kultus- minister unsere freudige Unterstützung. Die Keime der Religion und Vaterlandsliebe, die in der Schule gelegt werden, müssen in der Zeit von der Schulentlassung bis zum Militärdienst weiter gepflegt werden. Den Gefahren dieser Sturm- und Drangperiode der Jugend, die die Entwickelung der sozialen Verhältnisse mit sich gebracht hat, hat die Regierung bisher zu wenig Beachtung ge- schenkt. Die heutige Jugend hat einen geradezu krankhaften Hang zur Selbständigkeit. Aufgabe der Jugendpflege wird es sein, die Jugend in dieser entscheidenden Zeil der inneren Kämpfe ihrem Gott und ihrem Vaterlande zu erhalten.(Bravo ! im Zentrum.) Herr Ströbel behauptete bei der Generaldebatte, das Zentrum sei der ärgste Feind jeder wirklichen Volksbildung. Er behauptete, in allen katholischen Ländern befinde sich die Volksbildung im trostlosesten Zustande, diese Länder wiesen die meisten Analphabeten auf. Dem- gegenüber stelle ich fest, daß nach der gewaltsamen Unter- drückung der Ordensschulen in Frankreich die Zahl der Analphabeten rapide zunimmt.(Hört! hört l im Zentrum.) Die Folge des religionslosen Volkssckiul- Unterrichts in Frankreich - Italien und Belgien ist eine Zunahme der Kriminalität in diesen Ländern gewesen- Es gehört die kulturhistorische Ignoranz des Abg. Ströbel dazu, die katbolische Geistlichkeit verantwortlich zu nmchen für den Tiefstand der Volksbildung in solchen Ländern, die überhaupt keine katholische Schule mehr haben.(Bravo I rechts.) Wir wollen die Jugend nicht knebeln, wie Herr Ströbel meinte, sondern>vir wollen sie befreien aus den Fesseln derer, die sie ihrem Glauben, der Familie und dem Vaterland entfremden wollen: wir wollen die Jugend ftei machen von den Fesseln einer Partei, die keine wahre Freiheit kennt.(Lebhaftes Bravo! im Zentrum und rechts.)— Redner rühmt des weiteren die Tätigkeit der katholischen Gesellenvereine. die sogar Abg. Bebel in seinen Jugenderinnerungen anerkannt habe, und der katholischen Jünglings» vereine. Die Weiterberatung wird auf abends VU Uhr vertagt. Schluß i'/i Uhr._ parlamentarilekes. Aus der Budgetkommission des Reichstages. Am DienStag nahm die Kommission die bereits schon zweimal abgebrochene Debatte über da» Kaligesetz und die Ver, Wendung der Kaliabgaben wieder auf. Abg. Got« Hein wies auf die wüste Gründertätigkeit hin, die seit Schaffung des Kaligesetzes eingesetzt habe. 79 neue Werke sind errietet worden, 2b weitere neue werden vorbereitet. Ueber 290 Millionen Kapital ist in der Kaliindustrie neu angelegt worden. Trotz einer riesig gesteigerten Produktion seien die Kali. preise immer noch sehr hoch und das reize natürlich zu immer neuen Unternehmungen. Es könne nur noch eine Frag» ganz kurzer Zeit sein, bis über die Kaliindustrie eine schwere Katastrophe hereinbreche. Seit der wüstsn Gründertätigkeit seien die Kurse, von einer Ausnahme abgesehen, mindestens um 50 Prozent, bei vielen Werken um 190 bis 160 Prozent gestiegen. DaS müßte zur Katastrophe führen.(Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß auch Abg. Gothein beim Kallgesetz gegen alle sozialdemokranschen Anträge gestimmt hat. die die sinnlosen Neugründungen von Werken verhindern sollten.) Gothein forderte vom Bundesrat, daß er die NabaUstufen beim Kaliabsatz festsetze und zwar so. daß nicht nur wenige große land- wirtschaftliche Verbände den Rabattnutzen erhalten können, sondern daß der Nutzen der ganzen deutschen Landwirtschaft zugute komme. Daß die Propagandagelder, die aus den Kaliabgaben fließen, zu politischen Zwecken mißbraucht würden, könne doch garnlcht be. stritten werden. In den Mitteilungen des Bundes der Landwirte sei wörtlich geschrieben worden: „Durch die geschäftliche Verkaufsstelle(die auch den Absatz von Kali zu besorgen hat) des Bundes der Landwirte fließen— trotz der hohen Rückvergütung an die Bundesmitglieder— der Buiidcskasse größere Mittel zu und kommt der Bundesvorstand dadurch immer mehr und mehr in die Lage, die bei weitem wichtigste Aufgabe des Bundes— Einfluß auf Gesetzgebungund Staatsverwaltung — zu erfüllen.... In die Bundeskasse fließen bedeutende Rabatte(so hohe Kalirabatte), die er(der Bund) von seinen Lieferanten erhält, und die dann zwischen Bezieher und Bundes» kasse. geteilt werden." Die offizielle Mitteilung des Bundes bestätigt somit den poli- tischen Charakter des Bundes und zugleich, daß die der Bundes. Verkaufsstelle zufließenden Gelder vom Bunde zur politischen Aai- tation benutzt werden. Dagegen müsse energisch gekämpft werden, daß Abgaben, deren Verteilung der Bundesrat vornehmen kann. einzelnen Interessenten zur Verfolgung politischer Ziele über- mittelt werden. Abg. Arendt betonte, im letzten Jahre seien für 12 bis 16 Millionen Mark Kali nach Amerika geliefert worden. Hoffentlich werde die Verwendbarkeit des Kali in den deutschen Kolonien gründlich erprobt, um dadurch die dortige landwirtschaftliche Pro» duktion zu heben. Hinter diesem Borschlage witterte Abg. Speck den Versuch, auch dem kolonialwirtschaftlichen Komitee Propa- gandagelder zuzuführen. Unterstaatssekretär Richter toandte sich dagegen, daß bei der Debatte über die Propagandagelder politische Erwägung eine Rolle spielten, deshalb(!!) dürfe man nicht fordern, daß dem Bunde der Landwirte fortan keine Propagandagelder mehr gegeben werden sollten. Abg. R o e s i ck e, Direktor des Bundes der Landwirte, er- klärte, von ihm sei niemals behauptet worden, der Bund sei nicht politisch; er bestreite aber, daß der Bund parteipolitisch sei. All Propagandageldern habe der Bund von 1993—1999 jährlich etwa 36 999 bis 37 990 Mark erhalten. Zu dieser Summe müsse der Bund zur Propaganda für den Kaliabsatz«über noch zufchiexen. Abg. Heim(Z.), dem die Polen ihren Sitz abgetreten haben, betonte, daß er in der Kalifrage auch heute noch die gleiche Stellung einnehme, wie bei der Schaffung des Kaligesetzes. Da» mals feien auch feine Parteifreunde mit seiner Stellungnahme einverstanden gewesen, während ihre jetzigen Anträge mit ihrer früheren Haltung in Widerspruch ständen. Mit besonders scharfer Betonung führte Heim aus, sein Fraktionskollege Speck werde eS verstehen, wenn er(Heim) sage:„Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ihre Stellungnahme von äußeren Umständen abhängig machen."— Heim deutete damit an. daß das Zentrum mit Rücksicht auf seine Stellung als Regierungspartei und auf sein Bündnis mit den Junkern scinx Haltung in der Kslifragc geändert habe. Hein;
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