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ständige Mensch geschildert ist, der seinen Pflichten aufs peinlichste nachkommt und ruhig und geordnet sein Leben führt. Dies schwere Urteil ist erfolgt wegen eincr Aeuherliilg. die er getan haben soll: in Preußen darf man alles tun, nur darf man sich nicht erwischen lassen, die er aber bestreitet, getan zu haben. Man hat in dein Prozeß von dem TerroriZmus des Verbandes gesprochen, obgleich nur ein ganz kleiner Teil der be- treffenden Leute überhaupt organisiert gewesen find.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten) Das Urteil in diese», Prozeß beweist wieder, daß wir mit Recht von einer Klassenjustiz in Deutschland rede» müssen. Ich hielt esfür notwendig, dies noch in dritter Lesung vorzubringen. Freilich glaube ich ja nicht, daß von diesem Hanse irgend welche Anregungen, die der Billigkeit und Gerechtigkeit ent- sprechen, ausgehen werden, wie können an einen, Dorn- b u s ch Feigen wachsen?(Sehr gut I bei den Sozialdemo- kraten I) Von diesen, Hause, das durch seine Verhandlungen gezeigt hat, daß eS jede Uugcsetzlichkcit deckt, jeden schuldigen Beamten in Schutz nimmt, kann man keine Gerechtigkeit erwarten.(Lebhafte Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Justiz,,, inister Dr. Bcscler: Auf die Angriffe des Abg. Lieb­knecht kann ich in dem gleichen Tone nicht antworte«.(Sebr wahr l rechts.) Das Reichsgericht hängt mit den, Justizetat nicht zusammen. und solche Angriffe können auch seinen, Ansehen nicht schaden. (Bravo I rechts.) lieber die als Straftaten der Beamte» bezeichneten Moabiter Vorfälle hat der Staatsanwalt Erhebungen ein- geleitet, hat sie an die Polizei weitergegeben, sie jetzt wieder« erhalten und die Sache geht nun ihren Gang. Das Urteil in, Deutzer Landfriedensprozeß ist noch nicht rechts- kräftig, wir können es hier nicht materiell nachprüfen. Eine weitere Auseinandersetzung darüber hätte also keinen Zweck. Verstehen werde ich mich mit dem Abgeordneten Liebknecht doch niemals.(Bravo I rechts.) Auf seinen Ton kann ich nicht eingehen, sonst müßte ich ganz anders sprechen.(Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Böhmer(k.) protestiert gegen die Angriffe der Linken im Reichstag auf die Richter im Becker- Prozeß. Ein Schlußantrag wird angenommen. Abg. Gyßling(Vp.) bedauert, durch den Schluß verhindert zu sein, aus die Angriffe des Abg. Böhmer antworten zu können. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Der Justizminister hat geglaubt. den Ton rügen zu dürfen, in dem ich die Justizverwaltung an- gegriffen habe und wodurch ich das Reichsgericht nicht herabsetzen könne. Auf mich macht eine derartige Verurteilung nicht den allermindesten Eindruck. Ans die Sache kommt eS an, und da hat der Minister nichts ividerlegt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Lachen rechts.) Nach debatteloser Erledigung des Etatsgesetzes und des Anleihegesctzes gegen die Stimmen der Sozialdemo« kraten ist die dritte EtatSberatimg beendet. Nächste Sitzung Mittwoch 12 Uhr.(Kleine Vorlagen, erste Be- ratung des Gesetzes, betreffend die PflichtfortbildungS« schule n. Schluß ü'/« Uhr._ parlamentarifcbes* Aus der Budgetkommission des Reichstages. Die Budgetkommission tagte am Montag den ganzen Tag, um die Etatsberatimg zu Ende zu führen. Beim Etat des Auswärtigen Amtes brachte Abg. Ledebour die Ausweisung eine» russischen Staatsbürgers zur Sprache, der s e i t 43 Jahren in Berlin wohnte, dort auch die Schule besucht hat und ohne jede Ver- anlassung ausgewiesen worden ist. Der Ausgelviesene war selbständiger Geschäftsmann und gehörte zu den Aelteste» der Berliner Kaufmannschaft. Auf Veranlassung des Polizeileutnant vom 115. Revier wurde der Mai», auf der Straße verhaftet, sechs Tage gefangen gehalten und dann, ohne daß er Zeit hatte, seine geschäftlichen Angelegen- heiten zu ordnen, nach Rußland aus gelief e r t, w o e r jetzt noch in Haft i st. Der Mann hat sich politisch niemals betätigt und Strafen wegen bürgerlicher Vergehen nie erlitten. Der Rechtsanwalt hatte den Mann völlig in Stich gelaffen. Abg. Ledebour forderte, daß das Auswärtige Amt beim Polizeipräsidium nähere Erkundigungen über den Vorfall einholt und event. Abhilfe schafft. Die Angelegenheit wird noch in, Plenum zur Sprache kommen. Für den Geheimfonds des Auswärtigen Amtes werden 1,3 Millionen angefordert. Das Zentrum beantragt, die Summe zu spezialisieren. Abg. Scheide», ann wendet sich scharf überhaupt gegen jeden Geheimfonds, die Summe wird aber mit allen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Frei- sinnigen, mit Ausnahme des Abg. Eickhoff, beivilligt. In der Debatte über das Auswärtige Amt vertritt Abg. H e ck s ch e r den Standpunkt, daß der Reichstag sich nicht in die auswärtigen An- gelegen heiten einzumischen habe, gegen welche Auf- sassimg die Sozialdemokraten lebhaften Einspruch erhöbe». Der Reichstag lade im Gegenteil eine große Verantwortung auf sich, daß er das Reichsamt der auswärtigen Angelegenheiten immer erst ganz zum Schlüsse der Etatsberatung behandle. Beim PensionSfonds, der die Summe von 142,5 Millionen erfordert, gab es eine längere Aussprache über die zahlreichen und hohen Pensionen im Bereiche der Militärverwaltung. Die Regierung wurde zu sparsamerer Wirt- schaft aufgefordert. Der Staatssekretär Mermuth gibt bekannt, daß neue Be- stimmungen über die Gewährung von Veteranenbeihilfe ausgearbeitet worden sind und daß den Veteranen ö Millionen aus der Wert- zuwachSsteuer zugute kommen sollen. Die Sozialdemokraten bean- lragen 1 400 000 M. zur Uilterstützuug arbeitsloser Tabak- und Zündholzarbeiter in den Etat einzustellen; der Antrag wird vom Abg. Geher begründet. Mermuth be st reitet, daß in der Tabakindustrie»och eine besondere Notlage vorhanden sei. Viele Arbeiter hätten übrigens zu unrecht die Unterstützung bezogen. Das Zentrum lehnte eine weitere Unter- st ü tz u n g der T a b a k a r b e i t e r ab, für die nur noch die Nationalliberalen und die Freisinnigen eintraten. Gegen die sozial- demokratischen Stimmen und die des Freifinnigen D o h r n wurde der sozialdemokratische Antrag, eine Million für die Tabakarbeiter bewilligen, abgelehnt. Gegen die durch den Abg. Geyer gegründete Forderung, 400 000 M. für die arbeitslosen Zündholz- aroeiter zu bewilligen, führte Schatzsekretär Mermuth aus, daß nur»och 25 Arbeiter brotlos seien. Abg. Pichler(Z.) meint, die Zündholzarbeiter wollen gar keine Unterstützung vom Reich. Abg. Geyer bemerkt demgegenüber, daß man den Arbeitern für die erlittene Not sehr wohl eine Unterstützung gewähren könne, Der sozialdemokratische Antrag wurde indessen mit allen gegen die sozialdemokratischen Stimmen abgelehnt. Soziales. Reichskouferenz der Krankenkassen Deutschlands . Am Sonntag tagte in Berlin eine Reichskonferenz der Kranken- lassen Deutschlands , um zu dem Entwurf der Reichsversichrrungs- «rdnung Stellung zu nehmen. Vertreten waren 43 Verbände durch 60 Delegierte aus den Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die im ganzen etwa 8 Millionen Versicherte vertraten. Herr Sydow referierte über die Abänderungsbeschlüsse der Reichstagskommission zum 1. Buch der ReichsversicherungSordnung und über das vünführungsgesetz, Alb. Kohn über die Abänderungsbeschlüsse zum L. Buch der Reichsversicheruiigsordnung, Jul. Frässdorf über die Abänderungsbeschlüsse zur Neichsversicherungsordnung bezüglich der Arzt- und Apothekerfraae und Gustav Bauer über die Wände- rungsbeschlüsse zum 6. Buch der Neichsversicherungsordnung sowie über die Hinterbliebenenversicherung und das Heilversahren. Sämtliche Diskussionsredner und alle Referenten waren einig darin, daß die von der Reichstagsmchrheit ausgeklügelte Methode der Abstimmung das Selbstvetwaltungsrccht der Bersicherten völlig beseitige. Für alle wichtigen Entscheidungen im Vorstand soll be- kaimtlich nach dem Beschluß der Koinmission getrennter Majoritäts- beschlutz von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verlangt werden. Wenn diesex Beschwk Mit ismüm BMn Mt MgM tommt, £ dann soll die Bureaukratie, das Persicherungsamt oder das Ober- versichcrungsomt, entscheiden. Ten breitesten Raum in der Debatte nahm ein Borschlag ein, nunmehr in Konsequenz der KommissionSbeschlüssc. die den Arbeit- gebern und Arbeitnehmern die Gleichberechtigung in den Kassen geben, auch die Halbierung der Beiträge zu fordern. Eine Reihe von Delegierten bekämpfte den Antrag aus prinzipiellen Gründen, und er wurde schließlich gegen eine große Minderheit abgelehnt. Die Zeit bis zum Beginn der zweiten Lesung in, Plenum soll durch eine lebhafte Agitation ausgenutzt werden. Der geschästs- führende Ausschuß der Zentrale für das deutsche Krankenkassen- wesen erläßt ein Flugblatt, in dem auf die wesentlichsten Ab- änderunge.t der Reichsverficherungsordnung, deren Bestimmungen und Verschlechterungen gegenüber dem bestehenden Krankenver- sicherungsgesetz hingewiesen wird. Die Krankenkasscnvereinigung im Deutschen Reich soll für die Verbreitung deS Flugblattes unter den angeschlossenen Krankenkassen sorgen. Weiter wird eine kleine Schrift herausgegeben, in der alle Verschlechterungsbeschlüsse zu- sammengestellt sind. In der Zeit vom 18. 29. April sollen im ganzen Deutschen Reich an allen Orten Bersammlnngen von Krankenkassenmitgliedern und Arbeitgebern abgehalten werden, um gegen die Reichsversicherungsordnung Stellung zu nehmen. Zu diesen Versammlungen sollen auch die Reichstagsabgeordneten der betr. Kreise eingeladen werden. Alle Versammlungen sollen eine gleichlautende Resolution annehmen, die dem Reichstag übersandt wird. Schließlich soll am Sonntag, den 30. April, also unmittelbar vor Beginn der zweite» Lesung im Plenum des Reichstages, in Berlin ein allgemeiner Krankenkassenkongress abgehalten werden. Die für diesen Kongreß in Aussicht genommene Tagesordnung lautet: 1. Die Neichsversicherungsordnung. 2. Die Familienversicherung als Mittel zur Bekämpfung der Volkskrankheiten. 3. Praktische Verwaltungsfragen. Die Vertreter des Vorschlages der Halbierung der Beiträge, die auf der Konferenz unterlegen sind, stellten in Aussicht, daß sie ihre Forderung auf dem Kongreß von neuem vertreten werden. SchuhmannSröcke bei Wach- und Schlietzgesellschasten. Der Wächter Brändlein klagte vor dem Gewerbegericht (Kammer 8) gegen die Wach- und Schliehgesellschast vorm. Radtke auf Herauszahlung seiner restlichen Kaution von 7 M. 3 M. hatte sich Br. schon für die Hose in Abzug bringen lassen. Von den restlichen 7 M. sollte ein Teil für Beschädigung deS Mantels bezw. Uniformrockes in Abzug kommen. Drei Zeugen bekundeten, daß Br. sich eigentlich hätte schämen müssen, mit einem derartigen schlechten Kleidungsstück auf die Straße zu gehen. Da der Ver- treter der beklagten Firma den Rock zum Termin am letzten Sonn- abend mit zur Stelle hatte, konnte sich das Gericht von der.Güte" desselben überzeugen. Der Vertreter der Firma erklärte auf Be- fragen, daß diese(wie einige andere Firmen)ausgediente" Schutz- mannsröcke aufkaufe und ihren Wächtern zur Benutzung übergebe. Derausgediente" Schutzmannsrock hatte aber schon dermaßen ausgedient, daß das Gericht einmütig einen Kautionsabzug ab- lehnte und die Firma zur Herauszahlung der 7 M. verurteilte. Bei dieser Gelegenbeit kam auch zur Sprache, daß der Wächter Br. einmal ununterbrochen 62 Stunden Dienst machen mußte. Ob die Polizeibehörde die ausgedienten Röcke zu solchen Zwecken ver- kauft? Das sollten jedenfalls nur Putzlappen werden, denn wenn ein Schutzmann einen Rock abgibt, hat er als solcher nach unserer Ansicht wirklichausgedient"._ Ländliche Wohnungsverhältnisse. Ein bezeichnendes Licht auf die Praxis der agrarischen Sittlich- keitseiferer werfen oft die Wohnungsverhältnisse auf dem Lande. So schlafen beim Hofbesitzer H. Meyer in Haarstsrf(Kreis Uelzen ) in einer 2ZH Meter breiten und 4 Meter langen Kammer 16 (sechzehn) polnische Arbeiter(Frauen, Burschen und Mädchen). Die Stube für diese 16 Leute ist 3 mal 4 Meter, die Küche 3 mal 3 Meter und der Raum, der zur Ausbewahrung ihrer Sachen dient, 2 mal 2 Meter groß._ Gericbtö- Zeitung. Vom Jugendgericht. Wie dringend notwendig eine gründliche Reform der Straf- Prozeßordnung, namentlich in bezug auf eine besondere gerichtliche Behandlung jugendlicher Angeklagter ist. lassen auch die Zahlen über die bei dem Charlottenburger Jugendgericht im letzten Jahre ergangenen Urteile erkennen...... Von 222 Straftaten, welche den Grund zur Anklage bildeten, entfallen 114 Fälle auf Diebstahl. Ob es sich dabei um schwere Straftaten oder um kindlichen Leichtsinn oder Uebermut handelte, lassen die Mitteilungen nicht erkennen. 18 Fälle betrafen Polizei- Übertretungen. 16 Unterschlagungen. 13 Körperverletzungen und wiederum 13 Uebertretungen der Fortbildungsschulverordnungen. Einen politischen Einschlag hatten 2 Fälle wegen Uebertretung des Vereinsgesetzes, während man hinter den einen Straffall: Auflehnung gegen die Amtsgewalt" wohl mit Recht ein Frage- zeichen setzen darf._. Zur gerichtlichen Entscheidung kamen 205 Falle, von denen 43 mit einem Freispruch endeten, während in 54 Fällen den jugend- liehen Angeklagten ein Verweis erteilt wurde. 26 Mal wurden Geldstrafen, viermal Haftstrafen verhängt und in 78 Fällen wurde auf Gefängnisstrafen erkannt. Und zwar betrugen die letzteren in 41 Fällen 1 Tag bis zu einer Woche, in 29 Strafsachen eine Woche bis zu einem Monat, in 7 Fällen bis zu 5 Monaten und einmal über fünf Monat. Von den 217 Jugendlichen, die an- geklagt waren 5 waren doppelter Straftaten bezichtigt, waren 15 vorbestraft, von denen noch drei schulpflichtig waren. Von den Angeklagten standen 39 im Alter von 1214 Jahren, 68 waren 1416 Jahre und 110 über 16 Jahre alt. Von den angeklagten nicht schulpflichtigen Knaben waren 29 als Arbeitsburschen, 5 als Lehrlinge beschäftigt, während die übrigen sich auf die verschiedensten Berufe verteilen. Die Mädchen waren in 11 Fällen als Arbeiterinnen tätig. 10 waren im Dienst, andere im Hause der Eltern oder als Verkäuferinnen beschäftigt, während 27 noch die Schule besuchten. Die wichtigste Aufgabe ist nun, für die jugendlichen Verurteilten auch noch nach Verbüßung ihrer Strafe zu sorgen. Leider beurteilt unser heutiges Strafrecht einen Jugendlichen für seine Straftaten so hart wie den Erwachsenen. Nicht einmal eine bedingte Ver- urteilung existiert für die Jugendlichen, sondern im günstigsten Falle wird die bedingte Begnadigung angewendet. Um so not- wendiger ist es, durch eine weitere ernste Fürsorge für diese Jugend- lichen, die zumeist nur das Opfer ihrer mangelhaften Erziehung und elenden wirtschaftlichen Verhältnisse sind, tätig zu sein. Die berüchtigte preußische Fürsorgeerziehung ist aber zur Erreichung dieses Zieles das allerungeeignetste Mittel, sondern in erster Linie muß man das Kind in ddr Familie lassen, und es muß bessernd auf die Eltern und deren wirtschaftliche Verhältnisse eingewirkt werden. Es ist von Interesse, daß sich auch der Vorsitzende des Char- lottenburger Jugendgerichts in einem jüngst gehaltenen Vortrag in diesem Sinne aussprach und dabei hervorhob: Erstes Bestreben in der Jugendfürsorge mutz natürlich stets sein, den Bestand der Familie zu erhalten, kein Kind aus ihr herauszunehmen; dieses darf erst das letzte sein, wenn alle anderen Mittel versagen. Vorher aber ist es auf andere Weise zu versuchen. Und da kommt es darauf an, sich immer vor Augen zu halten, daß häufig nicht böser Wille der Eltern vorliegt, der bekämpft werden mußte, sondern mangelnde Einsicht, wirtschaftliche Notlage. Krankheit mit ihren Folgeerschei- nungen sind es, die häufig die Tatkraft lähmen. An der Jugendfürsorge, die leider, trotz der Forderung unserer Genossen in der Stadtverordnetenversammlung, nicht von der Stadt übernommen, sondern einem Privatvercin überlassen wurde, den die Stadt mit einigen Tausend Mark unterstützt, sind jetzt 57 Per- soneu beteiligt. Es ist zu wünschen, daß sich auch Angehörige der Arbeiterschaft an diesen Arbeiten beteiligten; denn es sind za die KMer der ärmeren Klassen, denen diese Fürsorge zu widmen ist, ! Polizeikampf gegen eine Zeitungsfra». ' Am 7. März berichteten wir, daß die Zeitungshändlerin Klara Fuchs in neun Fällen, wo sie vom Schöffengericht freigesprochen war, von der Strafkammer wegen Einnehmens einer festen Handelsstelle verurteilt worden ist. Im Gegensatz zum Schöffen- gericht und zur gesunden Logik hat die Strafkammer angenommen, daß Frau Fuchs an der Ecke der Invaliden- und Chausseestraße zwar fortwährend hin- und herging, aber doch eine feste Handels. stelle einnahm. Inzwischen hat die Polizei ihren Kampf mit Straf- Mandaten gegen Frau- Fuchs fortgesetzt. Dreißig neue Strafver- fügungen der Polizei hat Frau Fuchs schon wieder in Händen. Die Frau, die bereits 62 Jahre alt ist und sich durch den Zeitungs- verkauf kümmerlich ernährt, setzt auch ihrerseits den Kampf für ihr Recht fort, der wohl in diesem Falle gleichbedeutend ist mit dem Kampf für die Erhaltung ihrer ohnehin recht dürftigen Existenz. Frau Fuchs führt in allen Fällen richterliche Entscheidung herbei. Gestern waren es süns Fälle dieser Art, über welche die 142. Abteilung des Schöffengerichts Berlln-Mitte zu entscheiden hatte. Sieben Schutzleute traten als Zeugen gegen die Zeitungs- frau auf, um auszusagen, daß die Frau hin- und herging, aber nur eine so kurze Strecke, daß sie nach polizeilicher Anschauung eine feste Handelsstelle eingenommen habe. Frau Fuchs berief sich darauf, daß alle Berliner Zeitungshändler den Verkauf in der» selben Weise betreiben wie sie und daß die von derB. Z. am Mittag" angestellten Zeitungsverkäufer vom Verlage angewiesen sind, sich täglich von 1&4 Uhr an bestimmten Plätzen aufzuhalten und dort ihre Zeitungen feilzubieten und daß sie daraufhin von Angestellten derB. Z. " kontrolliert werden. Das wurde von einem Kontrolleur derB. Z. ". den Frau Fuchs als Zeugen ge- laden hatte, bestätigt. Frau Fuchs faßt es als eine Schikanierung auf, daß gerade sie mit Strafanzeigen verfolgt wird, während in allen Gegenden der Stadt in ganz derselben Weise ungehindert ge- handelt werden kann. Das Gericht sprach in allen Fällen die An- geklagte frei. Es stellte sich auf den einzig richtigen Standpunkt: Wer sich ständig hin und her bewegt, nimmt keine feste Handels- stelle ein. Noch ein sechster Fall wurde gegen Frau Fuchs verhandelt. Diesem lag folgender Tatbestand zugrunde: Als sich Frau Fuchs auf kurze Zeit von der Straße entfernen mußte, bat sie eine gerade vorüberkommende Bekannte, Frau Pitera, auf ihren Zeitungskorb, der in einer Türnische stand, Obacht zu geben. Frau Pitera tat das. Als gleich darauf ein Kunde der Frau Fuchs herantrat und eine Zeitung verlangte, verkaufte ihm Frau Pitera eine solche. Die Frau sie ist 72 Jahre alt ahnte wohl nicht, daß sie damit etwas Unerlaubtes getan habe. Aber das Auge des Gesetzes wacht. Sofort trat ein Schutzmann auf Frau Pitera zu mit den Worten: Sie verkaufen hier Druckschriften, haben Sie dazu Erlaubnis?'" In aller Harmlosigkeit holte nun Frau Pitera den polizeilchen Er- laubnisschein der Frau Fuchs, der unter den Zeitungen im Korbe lag, hervor und zeigte ihn dem Schutzmann. Die Folge war eine Anzeige wegen unbefugten Handelns gegen Frau Pitera, und gegen Frau Fuchs wurde Anklage erhoben, weil sie ihren Erlaubnisschein der Frau Pitera übergeben hatte. DaS Gericht überzeugte sich; daß Frau Pitera, gegen die das Verfahren noch schwebt, ohne Zutun der Frau Fuchs den Schein vorgezeigt hatte. So wurde Frau Fuchs auch in diesem Falle freigesprochen. Erhebend wirkt es gerade nicht, wenn man sieht, daß die Polizei wegen einer Lappalie eine so anhaltende Tätigkeit gegen eine arme Zeitungsfrau entfaltet. Würde die Polizei nur halb so viel Eifer. wie sie gegen Frau Fuchs bekundet» zur Ermittelung der Mördev deS Arbeiters Hermann aufwenden, dann mühten diese längst er« mittrlt und zur Rechenschaft gezogen sein. Berliner Nachtwach- und Schließgesellschaft. Ein auf schwindelhafter Basis gegründetes Unternehmen, welches unter einem ähnlich klingenden Titel der Berliner Wach- und Schließgesellschaft Konkurrenz zu machen beabsichtigte, gab dio Veranlassung zu einer Anklage wegen Betruges, Urkundenfälschung und Unterdrückung und Unterschlagung, welche in einer zwei, tägigen Sitzung die 2. Strafkammer deS Landgerichts l beschäftigte. Angeklagt war der Kaufmann Artnr Fackelmann und der Akquisiteur Arno Schumann. Die beiden Angeklagten, welche bei der SchneiderschenBerliner Wach- und Schließgesellschaft" alsi Mquisiteure angestellt gewesen waren, kamen eines TageS auf dio Idee, ein ähnliches Institut zu gründen und in ihrer Stellung erlangten Verbindungen zu einem Konkurrenzmanöver zu ver- Schumann ging dann in der Uniform der Berliner Wach» und Schließgesellschast auf Aboimentenfang aus. Es gelang ihm. mehrere Firnren zum Abonnement zu verleiten, da diesen vorge» spiegelt wurde, es handle sich um die bekannte erste Gesellschaft. Diesen Schwindel unterstützte Schumann noch dadurch, daß er Ver- tragsformulare derBerliner Wach- u. Schließgesellschast" ver- wairdte. Ein derartiges Formular wurde von Fackelmarm mit dem NamenErdmann", dem Mädchennamen seiner Ehefrau, unterzeichnet. DieBureauräume", die angeblich in der GÄben» straße sich befinden sollten, bestanden in einem Zimmer in der Privatwohnung des Fackelmann in der Gothenstraße in Schöne- berg. Der Staatsanwalt hielt beide Angeklagte für überführt und beantragte, da derartige Schivindelgründungen als direkt ae- meingefährlich zu bezeichnen seien, gegen Fackelmann IM Jahre und gegen Schumann 1% Jahre Gefängnis. Das Gericht erkannte gegen Fackelmann auf 6 Monate und gegen Schumann ai»f»NKi Monate Gefängnis.__ Versammlungen. Protestversammlung gegen das Kurpfuschereigesetz. In einer imGewerkschaftshaus" abgehaltenen Versammlung nahmen auch die Mitglieder des Verbandes der Lithographen, Steindrucker und verwandten Berufe auf das schärffte Stellung gegen die Gesetzesvorlage gegen die Kurpfuscherei und gegen die Schädigungen, welche die Annahme dieser Vorlag« für die graphischen Berufe im Gefolge haben würde. Genosse Dr. W e y k hielt das einleitende Referat über die Vorlage. Seinem mit starkem Beifall aufgenommenen Vortrage schloß sich ein Resewt von Haß an, der die Ausführungen des Vorredners nach der fachtechnischen Seite ergänzte. Hinweisend auf die große Abhängigkeit der gra- phischen Branchen von dem Prosperieren der Reklame schilderte er die aus der ganzen politischen Lage der letzten Jahre sich ergeben- den Bedrängungen unseres Berufe» durch die Zollpolitik und die sich daraus ergebenden Handelsverträge. Di« Ausfuhr wurde ständig erschwert, nach einzelnen Ländern unmöglich gemacht. Dazu kamen die ständigen Beunruhigungen durch den EntNnirf der Post- kartensteuer 1906, die Plakatsteuer 1909, welche aber dank der ener- «ischcn Proteste wieder in der Versenkung verschwinden mußten. »erner haben die Tabak- und Zündholzsteuer durch die Beschrän» kung der Ausstattungen uns viel Arbeitslosigkeit gebracht. Im vergangenen Jahre wehrte sich das mit unseren Eneugniffen form- lich überschwemmte Amerika durch einen Zolltarif mit exorbitant hohen Sätzen gegen einen weiteren uferlosen Absatz unserer Waren. Und kaum hatte sich das graphische Gewerbe einigermaßen mit dieser traurigen Sachlage abgefunden, da kommt die Regierung mit diesem Entlvurs, der wiederum geeignet ist, einen Teil der Kollcgenschaft brotlos zu machen. Durch das Verbot des freihän- digen Verlaufs vieler medizinischer und Schutzartikel als auch durch die eigenartige Auffassung der Fernbehandlung gehen den gra- phischen und anderen Branchen ein großer Teil der Ausstattungen dieser Ware«, deren Mrllcher Gesamtweit 30000000 W, beirägt�