Wer öefJerrctcT) nicht fctTnf, wird diese letzte lähmende Krise einfach nicht begreifen. Natürlich stürzt auch das Par- lament des allgemeinen» Wahlrechts an einer tschechischen Obstruktion zusammen, aber wer hätte erwarten können, dast dieselben die tödliche Obstruktion beginnen werden, die vor anderthalb Jahren die(sjeschäftsordnungsreform durchgesetzt haben, deren Ziveck es sein sollte, die unrühmliche und alles Produktive Schaffen hemniende Zeit der Obstruktion a it s> zuschliesten? Und wie soll diese Obstruktion begriffen werden, nachdem die Tschechen das Mnisterium Bienerth durch zweieinhalb Jahre toleriert haben, ihm die„Staatsnotwendigkeit" nie blockiert hatten, da sich doch das jetzige, daS dritte Ministerium Bienerth, in seiner Zusammensetzung ganz unverkennbar zugunsten der Tschechen geändert hat? Aber wer wird bei tschechischen Aktionen nach Logik fragen? Ofsenbar glaubten sie, dast Bienerth mit dem Budgetprovisorinm in einem Engpah steckt, in einer schweren Verlegenheit, die zu ihrer Gelegenheit werden könnte. Aber wie so oft, haben sie auch diesmal, statt der Negierung zu schaden, das Parlament verwundet, diesmal so gründlich, daß es sich von der Ver- letzung nimmer erholen wird. Denn es wird nicht bloß das Abgeordnetenhaus aufgelöst, was ja schließlich eine ver- fassungsmäßige Maßregel bleibt, sondern die vcrfassungs- mäßige Tätigkeit des Reichsrates wird vom Z\i, dem Verfassungsbruch, abgelöst! Wir halten in Oesterreich nun bei den» Zuständen des kkurienparlamentS! Wie ist es zu der Plötzlichen Krise, zu der anscheinend alle sachlichen Voraussetzungen gemangelt haben, nur gekommen? Die Krise hat sich an dem sogenannten Budgetprovisorium entzündet. Dieses Provisorium ist, da man zu der rechtzeitigen Erledigung des Staatsvoranschlages(Etat) nie gelangt(auch an sie nicht denkt, wie dies schon daraus hervorgeht, daß der Reichsrat Heuer für den 24. November einberufen wurde, das Mnanzjahr aber am 1. Januar beginnt, die rechtzeitige Er- ledigung des Etats also vorwegs ausgeschlossen war), dieses Provisorium ist deshalb eine ganz regelmäßige Einrichtung geworden. Es besteht darin, daß der Regierung die Ermäch- tigung gegeben wird, die Steuern für die Dauer des Pro- visoriüms einzuheben und die Auslagen nach Erfordernis zu bestreiten: für gewöhnlich wird es jetzt für sechs Monate ange- »sProchen. Nun befand sich die Regierung im Dezember im Zustande der Demission; ihr also eine sechsmonatige Er- mächtigung(die überdies die Ermächtigung zu einer Anleihe von mehr als hundert Millionen einschloß) zu geben, wäre also doch gar zu seltsam gewesen. Also kürzte das Parlament die Ermächtigung auf drei Monate. Nun meinte man, bis Ende März mit der Erledigung des definitiven Voranschlages fertig zu werden, was sich aber infolge der langausgesponnenvn Delegationstagung als untunlich erwies. Es sollte also ein neues dreimonatiges Provisorium beschlossen werden, das natürlich bis Ende März fertiggestellt werden sollte. Die Regierung konnte aber, und das ist wieder echt österreichisch, die Erledigung nicht betreiben, weil sie eines Teiles der Regierungsparteien nicht sicher war. Auch diese Vorlage enthielt nämlich die Bewilligung einer Anleihe, und zwar von fünfzig Millionen als erste Rate der Drcadnought- kosten und sechsundzwanzig Millionen zur Schuldentilgung (in Oesterreich geschieht die Schuldentilgung auf Pump); die Deutschfreiheitlichen wollten» aber aus unbekannten Gründen nur einen Teil bewilligen. Darob verging die Zeit, und erst am 24. März trieb Bienerth seine Regierungsmanieluken mittels Demissionsdrohung zusammen». Nun verfielen die Tschechen auf die Idee, die Regierung sei wegen der vorge- schrtttenen Zeit in einer Zwangslage, und es wäre möglich, die Zwangslage zu benützen, um ihre alten Wünsche nach »tschcchischen Ministern der Erfüllung zuzuführen� Sie be- gannen daher am Samstag im Budgetausschuß eine Lang- rededebatte, die sie Montag fortgesetzt haben, so daß all- mählich jede Aussicht schwand, daß die Vorlage bis Ende März erledigt werden könnte. Nun wäre nichts einfacher ge- wesen, als diese Obstruktion, die so geschämig auftrat leugneten die Tschechen noch auch heute, daß sie obstruieren, sie hätten nur eine gründliche Debatte gewollt— zu überwinden. Man hätte sie einfach auslaufen lassen müssen, wozu nur die Geduld von zwei, drei Wochen nötig gewesen wäre. Und diese Geduld hätte sich auch gelohnt, well dann »endlich einmal eine Obstruktion all absurdum geführt worden wäre, was ihr noch nie Passiert ist, was sie aber sicherer ausrotten würde, als alle Geschäftsordnnngsfvrmen zusammen. Die Geduld hätte auch gar keine Störung ge- bracht, denn die rechtliche Folge des Mangels jener Erniäch. •tigung reduziert sich darauf, daß die Steuern, deren Ein- Hebung nicht bewilligt ist, mittels Pfändungen eingetrieben werden können(die Zahlungspflicht wird dadurch natürlich nicht berührt, denn sie erwächst aus den Steuergesetzen), woran man sich eben zu halten gehabt hätte und unschlver hätte halten können: und was die Bestreitung der Ausgaben betrifft, so hätte di»e mangelnde Ermächtigung eine nachträgliche Indemnität natürlich ausreichend wettgemacht. Aber auf so viel verständige Geduld ist weder bei Bienerth, noch bei der Krone zu rechnen; man kapituliert vor der Obstruktion, und statt das Parlament zum Siege über sie zu führen, jagt man es von bannen» und schafft sich die Ermächtigung, die allein das Gesetz verleihen kann, durch den berüchtigten 8 14 selber. Man vermeidet den„ex I«Z!"-Zustand, indem man die Ver- fassung bricht. Der Reichsrat ist vertagt worden, und die gesetzlich notwendigen Ermächtigungen werden alle mit dem § 14 zur Stelle geschafft werden. Der Reichsrat ist tot, es lebe der Verfassungsbruch! Nach der Vertagung wird unweigerlich die Auflösung kommen, mit der alles in den Brunnen fällt, was in den vier Jahren an nützlichen Vorarbeiten zustande gekommen war und nun der gesetzgeberischen Erledigung zugeführt werden könnte! Darunter befindet sich auch die Sozialversiche» r u n g. di»e nun im Ausschuß erledigt ist und bei normalem Verlauf der Legislaturperiode sicher auch erledigt worden wäre! Ist es nicht ungeheuerlich, daß alle Volksinteressen» unbefriedigt bleiben müssen, weil das tschechische Strebervolk den Appetit nach Ministerportefeuilles nicht unterdrücken kann? Selbstverständlich hat auch die Regierung Bienerths, die unfähig ist, die schweren Probleme Oesterreichs zu meistern, von den Ministerstühlen aber nicht weichen will, ein gerüttelt Maß an dieser Katastrophe. Aber das beseitigt nicht die Schuld der Tsdjechen, die wieder einmal die demokratffihe Ent- Wickelung gebrochen und zum Totengräber des österreichischen Verfassungslebens geworden sind. *• • Die Auflösung vollzogen. Wien , 30. März. Durch kaiserliches Patent ist das Ahgeord- netenhaus aufgelöst und die sofortige Vorbereitung der Neu- Wahlen angeordnet worden. Die Neuwahlen werden in den ersten Wochen des Juni stattfinden� wahrscheinlich am 8. oder IS. LiAli. poUtilcbc GeberHcbt* Berlin, den 30. März 1911. Religionsunterricht oder nicht? Soll der Religionsunterricht in dm Lehrplan der Pflicht- fortbildungsschulen eingeführt werden oder nicht? Von der Beant- Wartung dieser Frage hängt anscheinend das Schicksal des Gesetz- cntwurfs über die Pflichtfortbildungsschulen ab, das das Abgeord- netenhaus am Donnerstag einer Kommission zur Vorberatung überwiesen hat. In der voraufgegangenen Debatte betonten die Redner der konservativ-klerikalen Mehrheit mit allein Nachdruck, daß es ihnen nicht so sehr auf die Bildung der Jugend, als vielmehr auf ihre Erziehung zu guten Christen und treuen Untertanen ankommen und daß sie zu diesem. Zwecke deS Religionsunterrichts nicht entbehren können. Im Gegensatz dazu will die Regierung, die Linke einschließlich der Nationalliberalen And auch die Frei- konservativen von dem Religionsunterricht in der FortbildungS- schule nichts wissen. Unseren Standpunkt bertrat Genosse Hirsch, der eingangs seiner Rede der Regierung das Kompliment aussprach, daß sie es fertig gebracht habe, eine Vorlage, die einen gesunden Kern«nt- halte, so zu vcrballhornisicren, daß ihr schließlich selbst die Freunde nicht mehr zustiinmcn können. Er zeigte im einzelnen, wie es sich hier wieder um ein Kampsgesetz gegen die Sozialdemokratie handle, wie der Solbstverwaltung Fesseln angelegt werden und wie man den Gemeinden ein Recht nach dem anderen nehme. Der Grund- tendcnz des Entwurfs stimmte er zu, bedauerte aber lebhaft, daß es nicht möglich sei, in Preußen ein vernünftiges Gesetz zu ver- abschieden, ohne es gleichzeitig mit reaktionären Bestimmungen der schlimmsten Art zu bepacken. Der Freitag soll wieder für Kommissionen fteibleiben. Aus der Tagesordnung der Sonnabendsitzung stehen Mir kleinere Vorlagen. Flottentreibereien. Die Zeiten, wo unsere Junker von der„gräßlichen Flotte" sprachen, sind längst vorüber. Heute gehört die„Deutsche TageSztg." zu den Blättern, in denen für neue Flottenrüstungen die skrupelloseste Progaganda gemacht wird. So finden wir in der Donnerstag- nummer des AgrarierblatteS wieder einen Leitartikel, in dem darüber geklagt wird, daß eine mit dem Jahre 1312 beginnende Herabsetzung deS Bautempos(nach dem Bauplan des Flottengesetzes sollen von dem Jahre 1S12 ab statt der bisherigen vier nur noch zwei Schlacht- schiffe in Bau gegeben werden)„große Mißlichkeiten, ja Bedenken" in sich berge. DeS weiteren wird aber darauf hin- gewiesen, daß die letzten Flottengesetze für die 17 Jahre nur„Heber- gangSzeiten" geschaffen hätten, nach der ein Flottenäternat, daS heißt ein für alle Zeit feststehender Flortenbauplan, in Kraft treten werde. Dann vom Jahre ISIS ab seien infolge der Be- stimmungen über den nach 20 Jahren erfolgenden Ersatz der Linien- schiffe und großen Kreuzer jährlich drei Schlachtschiffe in Bau zu geben. DaS ist richtig. Auch von sozialdemokratischer Seite ist ja be- reltS hervorgehoben worden, daß die Festsetzung des Höchstdienst- alters der Schlachtschiffe auf 20 Jahre bei 58 Linienschiffen und Panzerkreuzern den Bau von jährlich drei neuen Schiffen notwendig mache. So ist in der Tat durch die Flotten- bewilligungSwut unserer bürgerlichen Parteien dafür gesorgt, daß die Niesenausgaben für unsere Flotte sich nie- malS vermindern we rdenl Im übrigen aber bezweckt der Hinweis des AgrarierblatteS auf ein Flottenäternat offenbar, daß auch für die»U e b e r g a n g s z e i t" bereits statt der fälligen 2 Schlachtschiffe deren jährlich 8 gebaut werden möchten. Der auch in nationalliberalen Kreisen ge- heuchelte Optimismus in Sachen der Flottenrüstung ist also so unbegründet wie nur möglich. Liegen erst die ReichLtagSwahlen hinter uns, so werden unsere Panzerplattenpatrioten mit ihren Forderungen schon hera»lsrücken. Und nach der Haltung der Re- gierung, nach der Rede des Reichskanzlers vom gestrigen Tage ist die Besorgnis nur zu berechtigt, daß die Regierung dem Drängen unserer Flottenfexe nur zu will- fährig nachgeben wird! Herr» v. Kröcher ins Stammbach . Der Berliner Korrespondent deS Stolypinschen OffiziosuS „ R o s s i j a", dessen Berichte„AnS dem Leben der deutschen Sozia- listen" sich durch eine gewisse Objektivität von den übrigen Teilen dieses Blattes abheben, charaklerisiert die Tätigkeit der sozial- demokratische»Fraktion des preußischenAbgeord- netenhaus eS mit folgenden Worten: „ES könnte scheinen, daß der bewaffnete oder unbewaffnete Kampf voir sechs Personen gegen einige hundert unmöglich wäre oder auf jeden Fall nicht von langer Dauer sein könne. In- dessen wird ein solcher Kampf, der in der vorjährigen Session im preußischen Landtage begann, in diesem Jahre nichk nur fortgeführt, sondern noch mehr verschärft, und man kann nickt gerade behaupten, daß der zahlenmäßig überwiegenden Majorität der Sieg immer leicht würde. Gewiß, dieser Kampf erinnert»ehr stark an den Kamps zwischen der Mücke und dem Löwen, aber so weit erinnerlich ist, hat dieses kleine Insekt durch sein beharrliches Summen und seine zahlreichen giftigen Stiche daS große Tier zur Raserei gebracht. So hat auch hier die kleine sozialdemokratische Fraktion durch dieselbe Taktik sämtliche Parteien des Hauses gegen sich aufgebracht, die. zu der Mehrzahl der zur Beratung stehenden Fragen unter- einander kämpfend, durch das gemeinsame Bestreben vereint find. diesem kleinen, herausfordernden Gegner aus irgend eine Weise den Garaus zu nrachen, der niemand Pardon gibt und die Nerven so sehr angreift, daß selbst die ehrwürdigen Bürger und stolzen Aristokraten sich mitunter vergessen und sich Ausschreitungen erlauben, die nicht nur mit der Parlamentsetikette, sondern auch mit der einfachen Wohlerzogenheit u>t vereinbar sind." Nach dieser Charakteristik der Geschäftsführung und der Mehr- heit der preußischen Duina liefert der Korrespondent deS russischen Regierungsblattes eine Erklärung der sozialdemokratischen Taktik, die durch ihre politische Einsicht die deS blau-schwarzen Blocks kirchturmhoch überragt:„Diese sechs Mann— so fährt er fort— wären in der ihnen feindseligen Menge verschwunden, und hätten nie eine so systematisch herausfordernde Taktik gewagt, wenn nicht das Bewußtsein, daß sie außerhalb deS Paria ncentS von einer solchen Macht unterstützt werden, die bei dem außergewöhnlichen Stimmungsaufschwung, der die Partei gegenwärtig beseelt, ihre Bedeutung verzehnfacht."_ Handlangerdienste für Herr» v. Jagow. Bekanntlich hatte der preußische Minister deS Innern, Herr v. Dallwitz, vor einigen Tagen behauptet, daß Anzeichen dafür Vorläge», daß der ermordete Aroeiter Herrniann nicht zu einer Zeit und unter Umständen das Opfer des Polizeisäbels geivorden sei. wo von Zusammenstößen überhaupt keine Rede hätte sein können, sondern, daß er bereits gegen 7 Uhr abends inmitten eines Menschengewühls seine tödlichen Verletzungen erhalten habe. Jetzt bringt die„Tägliche Rundschau" die Zuschrift«ine».Augenzeugen", der gleich« falls behauptet, daß bei einer Polizeiattacke auf einen großen Menschenhaufen ein Mann erschlagen worden sei, der offenbar mit Herrmann identisch sei. Der Vorgang habe sich'/s� Uhr, spätestens 3/48 Uhr ereignet. Es sei also„keine Frage, daß die Tötung des Herrmann sich im Kainpsgewühl oder im allerunmittelbarsten Anschluß daran ereignet habe". Es ist nur höchst eigentümlich, daß dieser Zeuge erst jetzt mit seiner Wissenschaft hervortritt, obwohl doch seinerzeit Herr von Jagow selbst durch einen öffentlichen Auftuf zur Zeugnis- ablegung für die Polizei aufgefordert hatte. Warum meldete sich dieser Zeuge nicht auf diesen Aufruf hin; warum nicht damals, als der Fall Herrmann in der Verhandlung in so breiter Weife zur Sprache kam? Mau wird also gut tun. den Bekundungen dieses Zeugen«inst- weilen mit der größten Skepsis zu begegnen I Die Unterernährung der Arbeiterklasse. Wie die„Freisinnige Ztg." auf Grund der Darlegungen des„Rcichsarbeitsblattes" feststellt, hat sich gegenüber dem Jahre 1909 eine Verminderung des Fleischkonsums für eine fünfköpfige Familie um 13 Pfund ergeben. Nehme man an, daß sich der Fleischkonsum der wohlhabenderen Klassen trotz der Flelschteuerung nicht vermindert habe, so könne man ohne Uebertreibung annehmen, daß eine Arbeiterfamilie im Jahre 1910 etwa 20 Pfund Fleisch weniger habe ver- zehren können als im Jahre vorher. Und dabei sei schon im Jahre 1909 eine kleine Verminderung des Fleischkonsums gegen 1908 eingetreten. Angesichts solcher Zahlen kann nur agrarische Und erftoren- heit behaupten, daß von einer Fleischnot keine Rede sei. Agrarische Wünsche werden prompt erfüllt. Vor kaum einer Woche verlangte der Bauernbündler Dr. R ö s i ck e im Reichstag, daß die Sperrmaßregeln gegen die Verschleppung der Maul- und Klauenseuche von den verseuchten Gehöften in unverseuchte Bezirke gemildert würden, und schon jetzt hat der preußische Landwirtschaftsminister eine entsprechende Anweisung an die Regierungspräsidenten ergehen lassen. Diese Maßnahme würde verständlich und im Interesse der Landwirte, die durch die Sperrmaßrcgeln geschädigt werden, zu begrüßen sein, wenn ein Rückgang der Seuche zu verzeichnen wäre. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Nach den Veröffentlichungen des Reichsgesundheitsamts waren verseucht am 16. Februar 2206 Gr- meindcn mit 6013 Gehöften, und am 16. März 2680 Gemeinden mit 3223 Gehöften.»Greist man aber, weil die Verordnung ja nur für Preußen gilt, diesen Staat heraus, so wird das Verhält- nis nicht günstiger. Di« Zahl der verseuchten Gemeinden stieg in Preußen vom 16. Februar bis 16. März von 1803 auf 1873 und die Zahl der verseuchten Gehöfte gar von 4330 auf 6.79. Be- zeichnend ist es auch, daß gerade m den nördlichen pr chischen Provinzen die»Seuche besonders verbreitet ist. Nach de r Nach- Weisungen vom 16. März betrug die Zahl der verseuchten Gehöfte in der Provinz Posen 771, in der Provinz»Sachsen 306. in Hon- nover 1012, hingegen in Westfalen nur 82, in Hessen -Naffau 128, Rheinprovinz 879, in Bayern aber nur 420; während in Württem- berg die Zahl von 468 auf 1636 in die Höhe schnellte. Badem . das zuerst die Einfuhr französischen Viehes zugelassen hatte, hat 461 verseuchte Gehöfte gegen 166 im Februar. Jedenfalls beweisen diese Zahlen, daß die Absperrung gegen das Ausland das Umsichgreifen der Seuche nicht hat verhindern können. Mildert man jetzt die Sperre im Inland, ohne zugleich für bessere sanitäre Verhält. nisse in den Vicchställen zu sorgen, so dürfen wir bald mit einem weiteren Umsichgreifen der Krankheit und damit auf einen Rückgang in der Viehhaltung zu rechnen haben. Die Verfassung für Elsass -Loth ringen. Dem Zustandekommen der Verfassungsreform haben sich in der Kommissionssitzung vom Donnerstag beim Wahlgesetz neue Schwierig- ketten entgegengestellt. Die Zweite Kammer soll nach der Rc- giernngsvorlage aus 60 Abgeordneten bestehen. In den vier großen Städten soll die Wahl von zwei und mehr Abgeordneten in einem Kreise zulässig sein. Von unseren Parteigenossen ist beantragt. diese Bestimmung zu streichen, so daß auch in den Städten iür jeden Vertreter ein besonderer Wahlkreis zu bilden ist. Das Zentrum beantragte. die Zahl der Abgeord- neten auf 61 zu erhöhen und die WahlkreiSeutteilung nichl der Regierung zu überlassen, sondern durch Gesetz in der Weise festzulegen, daß als Wahlkreise die bestehenden Ver- waltungSkreise gelten. Unsere Genossen wiesen nach, daß eS den, Zentrum mit seinen Anträgen nur darauf ankomme, sich in der Zweiten Kammer die Mehrheit zu sichern. Emmel rechnete den, Zentrum vor, daß nach seinen Anträge» auf einen Abgeordneten in einem Bezirk 20 600, in anderen industriellen Bezirken bi» über 37 000 Einwohner kommen würden. Die WahlkreiSeiuteilung der Regierung sei gerechter als der Zentrumsantrag. Staatssekretär Delbrück versicherte nochmals, die Re- gierung bestehe darauf, daß die WahlkreiSeiuteilung im Ver« ordnungSwege vorgenommen würde. Der sozialdemokratische An- trag wurde daraus gegen die Stimmen unserer Genosse» und die der Freisinnigen abgelehnt; abgelehnt wurde auch der Zentrums- antrag und zwar mit S gegen 13 Stimmen. Dafür stimmte außer dem Zentrum nur das polnische Mitglied; die Konservativen ent- hielten sich der Abstimmung. Endlich wurde mit 14 gegen 13 Stimmen auch der§ 1 der Regierungsvorlage abgelehnt. Die Mehrheit setzte sich zusammen aus Zentrum, Konservative«, Anti- semiten und Polen._ Der Kampf um das Erbe Bassermanns. Wassermann, dem eS bekanntlich nach vielen OdhsseuSfahrten endlich gelungen ist, einen Wahlkreis zu finden, hinterläßt ein Erbe, um das ein eigenartiger Kampf entbrannt ist. Als man bei der letzten Hottentottenwahl den Wahlkreis Frankfurt -LebuS für den nationalliberalen Führer nicht mehr für ganz sicher hielt, bot die Alockpaarung ihn, in dem Wahlkreis Rothenburg --HoyerSwerda in Schlesien einen„absolut" sicheren Kreiö. Es war eine Domäne der konservativen Partei, jahrelang durch den Grafen Arnim- MuSkau vertreten, der, nebenher gesagt, der Urheber der berühmten Worte:„Der Vater hat alles versoffen!" ist. Mit Hilfe der Frei- sinnigen(Nationaliliberale kannte man damals überhaupt nicht im Kreise) wurde dann Bassermann mit 13 937 Stimmen gewählt gegen 4846 sozialdemokratische und 840 Zentrumöstimmen. Nunmehr glaubten die Freisinnigen daS Erbe Bassermanns antreten zu können. Sie präsentierten einen Gutsbesitzer Scheu- mann aus Niklassee und glaubten mit diesem Kandidaten einen den Nationalliberalen genehmen Mann gefunden zu haben. Die Konservativen stellten den Landrat Dr. Hegenfcheidt-HoherSwerda auf und buhlten ebenfalls um die Gunst der Nationalliberalen. und zwar mit Erfolg. Die Freisinnigen erhielten von den National- liberalen einen Korb. In einer Sitzung des.Nationalliberalen Vereins für den Wahlkreis Rothenburg- Hoyerswerda", wurde be- schlössen, folgenden Brief an den Freisinnigen Verein zu senden: „In, Namen des Ausschusses unseres Vereins teile ich Ihnen mit, daß wir es ablehnen, die Wahl des Herrn(Scheumann als Reichstagskandidaten zu unterstützen. Hochachtungsvoll E. Knaudt, AmtSgerichtSrat. Kationalliberalcr Verein f. d. Wahlkr. Rothenburg -HoyerSwerda ." Also die Nationalliberalen lehnen ein Zusammengehen mit dem Freisinn im Kreise für die Reir�tagSwahl rundwag ab. Zweifel- loS werden sie Sit des Ksvsexvstiv« Hand In Hemd gehe«.»Das
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