gegen diese ungeheueren Ausgaben wehren? Freilich kiirde»Sie(nach rechts) diese Lasten nicht Ihren eigeucn Klasseilgenostenans, sonst würde sich ein Sturm der Entrüstug gegen dieRüstungen im Lande erheben.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial-deinokräten.) So wie die Dinge sich gestaltet haben» so kann unddarf es nicht weiter gehen.Im englischen Ageordnetenhause sind von den MinisterbZnkenAeilsteruiigen gefallen, wie sie in Deutschland unerhörtwären; der M i n i st e r G r e y sprach davon. daß nurdurch eine iimerr Revolution die Umwandlung kommen kann,und das sagte er, in einem Lande, in welchem Einkommen-st euer er st bei eine in Einloinmen von 3200Markbezahlt wird und indem eine starke Erbschaftssteuer besteht.Er führte aus, es würde zur Revolution kommen, wenn man den-jenigen die Kosten ansbürdete, die das Leben der Arbeit zu führenhabeir.(Hört! hört l bei den Sozialdemokraten.) Das heißt dochnichts airdeveS, als daß er die Ueberzeugung aussprach, das englische�oll wnrt'e»'ich nicht gefallen lassen, was das deutsche Volk sichin seiner uivildlichen Schafsgeduld gefallen läßt.(Lebhafte Zu-stimN�lng bei den Sozialdcmokralen. Unruhe rechlS.) Vor40 Jahren ,v4 c>n schrieb die„Vossische Zeitung*, die Lastensind k a» m u ertragen, und damals betrugen dieWtilitär- und iÄ arinclasten 800 Millionen Mark. Heute dagegen1548 Millioneil.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) DieBevölkerlmg hat i,V r um 47 Proz. zugenommen,die Lasten für Herr und Marine um mehr als 500 Proz.Und überall, in Jiall-n. in Oesterreich ist es dasselbe. Dieser Ge-schichte muß ein Ende gemacht werden, oder man muß wenigstensden Anfang inach.'.n. um zu einem Ende zu kommen. Aus allendieseit Gründen haben wir unsere Resolution beantragt. In ihremganzen Inhalt le.dnt sie sich an die englischen Beschlüssean. Bor zwei Jahren wurde ein ähnlich formulierter An-trag hier abgelehnt— nur ein einziger bürgerlicherAbgeordneier erhob sich für ihn mit uns—, er wurdemit der Begründung abgelehnt, er fei danials nicht opportun.Jetzt fällt dieser Einwand fort; nachdem in England undFrankreich ähnliche Rei'oh'.tionen beschlossen sind, ist eS unsereverflnchte Pflicht und Schuldigkeit, in die Hände einzuschlagen, diesich über deil Kanal und über die Vogescn uns entgegenstrecken.(Lebhaftes Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Das eng-tische Unterhaus bedauert in feiner Resolution die Notwendigkeitdes Fortbestehens der Rüstungen und würde eineinternationale Bcrciubaruirg über die Beschränkung der Nüstongenwillkommen heißen.(Hört! hört! ber den Sozialdemokraten.) Inder französischen Kammer wurde der Antrag unserer Freunde,die Regicrung solle mit Deutschland und England in Vorberatungenüber die Einschränkung der Rüstungen treten und so lange soll dieSpezialberatung über'die Forderungen zum Bau neuer Panzerschiffeausgesetzt werden, zwar abgelehnt, aber ein Drittel der Ab-geordneten hat sich doch für den Antrag erhoben und mit über-wältigendcr Mehrheit wurde dann eine Resolution angenommen,die Regierung möge sich bemühen, im Einverständnis mit den be-freundeten und verbündeten Mächten die gleichzeitige Einschränkungder Rüstungen ans die Tagesordnung der nächsten HaaaerKonferenz zu setzen. Ich denke, das ist deutlich. Luch wir dürfenes nicht dabei bewenden lasten, daß der Reichskanzler sich in fried-fertigen Worten ergeht, er müßte weiter gehen und freudig unsereResolution begrüßen. Er wird doch mindestens so weit gehen, wiesein Leiborgan, die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung*, die von einerbedeutsamen Kundgebung des englischen Ministersdes Acußern im englischen Unterhause sprach und von einer erfreulichenPerspektive für die deutsch-englischen Beziehungen. Jetzt darfman wohl erwarten, daß der Reichskanzler sich nnt dem Grund-gedanken der sozialdemokratischen Resolution einverstanden erklärt.Auch die EntWickelung im Dreibund drängt zu einer Entscheidungin der angedeuteten Richtung. In früheren Zeiten hat der Drei-buud sicherlich zur Erhaltung des Friedens gewirkt; aber er hatnicht in der Richtung der Einschränkungen der Rüstungengewirkt; Oesterreich baut Dreadnoughts. Italien baut Dread-noughts, und wieweit Italien sie gegen Oesterreich baut,will ich nicht untersuchen. Die wachsende friedliche Stimmungin bürgerlichen Kreisen erklärt sich wohl aus der Entwickelung derinnere» Verhältnisse. Jedenfalls find wir Sozialdemokratenstolz darauf, daß wir die ersten waren, die den Gedanke» derFriedenspropaganda in die Masse» hineingetragen haben, daß derinternationale Kongreß in Paris im Jahre 1L80 mit der Einsetzungde« 1. Mai eine große Knlturtat vollbracht hat.(LebhafteZustimmung bei den Sozialdemokraten.) Was wollen denn dieSchriften der FriedcnSpropagandisten und ihre Verbreitung besagengegenüber der Tatsache, daß an demselben Tage, in derselbenStunde sich Millionen in allen Kulturländern zusammenfinden, um ge-meinsam die Forderung des Weltfriedens aufzustellen(LebhafteZustimmung bei den Sozialdemokraten.)Das Expansion«best reden macht sich vor allem inLändern mit starker kapitalistischer Entwickelung geltend. Bei Deutsch-land kommt noch hinzu, daß es trotz seiner ungeheuren industriellenEntwickelung keine eigenen Kolonien hat. Deshalb müssen wir aufdem Plane sein, um alle Versuche, uns in Abenteuer zu verwickeln.z u d u r ch k r e u z e n. F r a n k r e i ch ist seiner ganzen ökonomischenStruktur nach friedensbedürftig. wozu noch kommt, daß die prole-tarisch« Klasse dort größeren Einfluß hat. Frankreich als Rentnerlandkann in eine», Kriege nichts gewinnen. Seine friedliche Gesinnunghat es auch bei der Orientkrise und bei seinem verständigen Ent-gegenkommen in der Maroikoauseinandersctzung bewiesen. Diesefriedliche Stimmung müssen wir als Hebel für eine internationaleVerständigung benutzen. Ich plädiere, wie schon früher, für einEinverständnis mit Frankreich.Wir haben für Frankreich und für die große franzSfische Revolutiondie denkbar weitgehendsten Sympathien.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Lachen rechts.)Ein Bündnis Deutschlands und Frankreichs würde uns auchEngland nähern, und Frankreich von, Zarismus ablösen.ES würde einen Kristallisationspnnkt bilden, an den sichauch die kleine» Staaten anschließen würden; daß auchihnen Gefahren drohen, hat Holland bei der Befestigung Vlissingenserfahren. Eine auswärtige Politik, wie wir Sozialdemokraten siefür richtig halte», kann»nr gemacht werden, wenn die arbeitendenKlassen den herrschenden Einfluß gewonnen haben; die Voraussetzungdessen, was wir wollen, ist,daß Europa und in erster Linie Deutschland demokratisiert wird.Wer dem widerstrebt, trägt die Verantwortung für die Kriegs-gefahren, die aus dem Konkurrenzkampf des Kapitalismus entstehen.Mit dieser Verantwortung ist auch die Mehrheit dieses HauieS be-lastet, wenn sie unsere Borschläge ablehnt.(Lebhafter Beifall beiden Sozialdemokraten.)Abg. Bassermann(natl.) spricht zunächst sein Bedauern über dieKrankheit des Freiherrn v. Hertling, des FraktionSrednerS desZentrums für ausivärtige Politik, aus, freut sich, daß auch der Ab-geordnete Scheidemann die Verdienste des Dreibundes um Erhaltung des Friedens anerkannt habe, und gratuliert Italien zuseinen, Jubiläum.(Lebhaftes Bravo!) Die Potsdamer Zusammen-kunst hat erfreuliche Resultate gezeitigt, trotz der Quertreibereien,die versucht wurden, um das gute Einvernehmen zwischenRußland und Deutschland zu stören. Höchst erfreulichist, daß in der Vlissinger Befestigungsfrage der vonDeutschland eingenommene Standpunkt zur allgemeinen An-erkennung gelangt ist. Die nicht zum wenigsten durch die Pots-damer Entrevue geschaffene günstige Weltlage steht in, erfreulichenGegensatz zu der Situation zur Zeit der EinkreisungspolitkEduards VII.— Möge es gelingen, bei der Bagdadbahn.diesen, hervorragenden Kulturwerk, die deutschen Jntereffen imvollsten U», fange zu wahren.— Redner erkundigt sich nach demStande unserer diplomatischen Beziehungen zu Portugal. DieInteressen der deutschen Textilindustrie sind, wie gerade vonnationalliberaler Seite mit Nachdruck hervorgehoben ist, im deutsch-portugiesischen Handelsvertrag nicht genügend gewahrt. Nun zu denResolutionen. Dem Teil der einen sozialdemokratischenResolution, der auf Abschaffung des Seebeuterechtsdringt, stimmen wir zu. wenn wir auch gelinde Zweifel daranhegen, ob England sich darauf einlaffen wird. Anders steht eS mitden übrige» Forderungen der sozialdemokratischen Resolutionen. HerrG rey hat sehr schön gesprochen. Aber wie steht es in der Praxis? Wirdürfen uns nicht zu sehr verlassen aus Stimmungen im Auslande.Gewiß ist die friedliche Strömung in Frankreich sehr stark; aber eswar stets der Stolz des französischen Volkes, ein kriegerisches Volkzu sein, und die Epoche Delcassö liegt nicht sehr weit zurück.Darum müssen wir ein starkes Heer und eine starke Flotte haben.Die ErkennmiS dieser Notwendigkeit erobert ja auch erfreulicherweiseimmer weitere Kreise; ich erinnere an die überaus starke Majorität,mit der die letzte Militärvorlage angenommen wordenist.— Ich glaube, die Gefahr eurer neuen Flottennovelleist vorüber und wir können uns darauf beschränken, imRahmen des bestehenden Flottengesetzes unsere Marine auszubauen.Es wird kaum möglich sein, die stärke von Heer und Flotte durchinternationale Abmachungen festzusetzen, denn über ihrevitalen Lebensinteressen wird schließlich jede Nation autonom ent-scheiden wollen. In Marokko bleibt die Politik der offenen Türleitender Gesichtspunkt der deutschen Politik.— Redner spricht dieHoffnung aus, daß P e r s i e n einer Aufteilung entgehen undder iungtürkische Parlamentarismus sich befestigen möge.— Wirsind für den Ausbau der internationalen Schieds-g e r i ch t e. unter der BorauSsetznng. daß sich ihre Kompetenz nichtauf vitale Lebensfragen der Nation bezieht.Run zur inneren Politik. Der Scniorenkonvent hat jaein außerordentlich reichhaltiges Programm ausgestellt. Es wirdaber kann, möglich sein, alle die Gesetze, die fertig sind oderden Kommissionen vorliegen, zu erledigen. Es wäre aberaußerordentlich bedauerlich, wenn so viel Mühe umsonst aufgewandtsein sollte. Eine Reihe kleinerer Gesetze mögen ohne Schaden vomnächsten Reichstag erledigt werden, aber die Reichsvcrsicherungs-orduung und die Privatbeamtcnverfichcrung sollten doch auf alle Fälleerledigt werden. Auch iväre es sehr zu bedauern, wenn die Straf-Prozeßreform nicht zustande kommen sollte.Wir wünschen ebenfalls dringend, daß auch der elsaß-Ioth-ringische Verfassungsentwurf in dieser Session zurVerabschiedung gelangt. Von konservativer Seite ist gegen den Ent-wurf oder doch gegen wichtige Bestandteile des Entwurfs mit sehreigentümlichen Argumenten operiert worden. Wir wünschen um sodringender die Verabschiedung des elsaß-lothringischen Verfassungsentwurfs. als sein Scheitern nur den elsaß-lothringischen Nationalistenvon der Färbung W e t t e r l ö und B l u m e n t h a l zugute kommenwürde.(Sehr wahr! bei den Liberalen.)Eine große Rolle in den politischen Erörterungen der letztenJahre haben die Nachwahlen gespielt. Von konservativer Seitewird fortgesetzt auf die Verluste bingewiesen, die die National-t i b e r a l e n erlitten haben. Gewiß sind eine Reihe national-liberaler Mandate an Sozialdemokraten verloren gegangen. Aberdie Parteien, die die Reichsfinanzreform gemacht haben, haben beiden Nachwahlen seit 1009 kein Mandat gewonnen, dagegen ver-schiedene Mandate verloren, so Z s ch o p a u und E i s e n a ch andie Sozialdemokratie und Labiau-Wehlau und Immen-st a d t an die Liberalen.(Hohngelächter rechts und im Zentrum.Zurufe: Erobert l Aber wie? Gegenrufe links: Und wie habendie Antisemiten Gießen behauptet? Sehr gut I links.)Ich muß nochmals auf die R e i ch S f i n a n z r e f o r m zurückkommen.(Lärm und Zurufe rechts.) Die Erbitterung über dieReichs finanzreforn, ist mcht von liberalen Agitatoren hervorgerufenworden,(Wütende Zurufe rechts: Doch, doch I) sondern sie ist dadurchhervorgerufen worden, daß bei der Reichsfinanzreform jede Rücksicht-nähme auf soziale Gesichtspunkte außer acht gesetzt wurde.(Lebhafteanhaltende Zustimmung links, stürmischer Widerspruch imZentrum und rechts.) Man hat die Erbschaftssteuer ab-gelehnt und Herr v. O l d e n b u r g hat nachher offen erklärt.daß ihm die Reichswertzuwachssteuer nur dazu gedient habe, um derErbschaftssteuer ei» Bein zu stellen.(Stürmisches Hört! hörtl) Eben-falls nach Eingeständnis der Herren der Rechten war die B r a n n t-weinliebeSgabe für diese Herren der Angelpunkt.(LebhafteZustimmung rechts, wütender Lärm beim Schnapsblock.)— Manwirft den Nationalliberalen LandwirtschaftSfeindschast vor. Hat dienationalliberale Partei nicht mitgewirkt bei in Zu stände-kommen deS Zolltarifs von 1902?(Schlimm genug!bei den Sozialdemokraten.) Es ist nicht wahr, daß der Hansa-b u n d eine uationalliberale Gründung ist. Er ist spontan ent-standen durch Zusammenwirken von Kreise» des Handels, derndustrie und des Mittelstandes.(Hohngelächter rechts und imentrum. K r e t h schreit dazwischen: Und unser Rießer I)bensowenig ist der Hansabund eine freisinnige Gründung.(Erneutes Hohngelächter rechts. Glocke des Präsidenten.)Vizepräsident Dr. Spahn scheint den Redner aufzufordern, nichtzu weit vom Etat abzuschweifen, bleibt aber im einzelnenunverständlich.(Rechte und Zentrum schreien minutenlang: Er hälteine Wahlrede! Eine Wohlrede I Wahlrede I Stürmische Zurufelink«: Und Hahns Wahlreden! Rufe bei den Sozialdemokraten:Die konservariven AnstandShüter I Lärm und Unruhe im ganzenHause. Erst allmählich gelingt es dem Redner, sich wieder verstand-lich zu machen.)Abg. Bassermann(fortfahrend): Auf die fortgesetzten Angriffevon recht? her müssen wir doch das Recht haben, zu antworten.(Lebhaste Zustimmung links. Rufe rechts: Sie haben angefangen!)Wir NationaMberalen sind eine Mittelpartei, aber eine liberaleMittclpartei.(Zuruf rechts: Daher auch das Bündnis mit derSozialdemokratie! Heiterkeit links.) Wir sind überzeugt, wennwir dem Liberalismus den ihm gebührenden Einfluß im Dreibundsichern, damit auch der Monarchie den besten Dienst zu leisten.(Hohngelächter rechts. Zuruf: Badischer Grotzblock!) Kommen Siedoch mcht immer mit dem Großblock! In Frankfurt a. O., inLandau haben ländliche Wähler durch Stimmenthaltungden Sieg der Sozialdemokraten � herbeigeführt.(Hört I hört!bei den Liberalen.) Die fortgesetzten Angriffe von rechtswerden uns nicht abbalten, stets unseren nationalen wieunseren liberalen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen.(Lebhafteranhaltender Beifall bei den Liberalen. Zischen rechts und im Zen»trum, erneuter stürmischer Beifall links, erneutes Zischen rechts, er-neuter Beifall links. Im Lärm gehen die ersten Sätze des folgendenRedners verloren, der von einem Teil der Rechten mit unartiku-lierten Lauten empfangen wird.)Abg. Dr. Wiemer(Vp.): Im Gegensatz zu den Ausführungendes Grafen Kanitz sind wir enffchieoene Anhänger lang-fristiger Handelsverträge. Wir ziehen aus den gegen-wärtigen Verhandlungen zwischen Amerika und Kanada, die übrigensnicht vor das Forum des deutschen Reichstags gehören(Sehr wahr!links), eine andere Folgerung als der Graf Könitz. Uns scheinen sieein deutliches Anzeichen zu fein, daß die Zeit der Hochschutzzöllnereiallgemach ihrem Ende zuzuneigen scheint.(Sehr wahr! b. d. Vp.) Wirbegrüßen die guten Folgen der Potsdamer Entrevue für die Welt-läge, aber wir protestieren dagegen, daß die konstitutionellen Ein-richtungen Deutschlands denabsoluttstischen InstitutionenRußlands gleichgesetzt werden.(Lebhafte Zustimmung links.)Wir sprechen Italien zu seinem Jubiläum unsere herzlichstenGlückwünsche aus(Lebhafter Beifall) und wir würden wünschen,daß der Kaiser persönlich seinem Bundesgenossen die Glückwünschedes deutschen Volkes überbringen wollte.(Sehr gut l links.)— Dieschärfste, politische Gegnerschaft hält uns nicht ab, Herrnv. H e r t l i n g von ganzen Herzen baldige Genesung zu wünschen.(Allseitige Zustimmung.)Wir halten es nicht für angebracht, über die AbrüstungS-beftrebungeN so ohne weiteres mit der Kennzeichnung„Utopisterei* zur Tagesordnung überzugehen. Was heute Utopie ist,kann morgen vielleicht Wirklichkeit sein.(Sehr gutl b. d. Volksparteiund Sozialdemokraten.) Wir haben uns gefreut über die Rede GreySund über die Anerkennung, die sie von offizieller deutscher Seite ge-funden hat. Wir bitten mu Annahme unserer zu dieser Materie ge-stellten Resolutionen, können uns aber nicht entschließen, für diesozialdemokratischen Resolutionen zu stimmen, trotz der tempe»ramentboVen Deglündllnz, die sie seitens des Abg. Schetdemanngefunden haben.Nun zur inneren Politik. Die Geschäftslage des Hauses istwenig erfreulich und über die gesundheitsschädlichen Dauer-sitzungen sind hier mehrfach sehr beachtenswerte Ausführungen ge-niacht worden. Die Schuld liegt bei mehreren Faktoren und zumTeil auch bei den Mehrheilsverhältnissen dieses Hauses. Fraglich istes, ob das Arbeitspensum abgearbeitet werdenwird, das wohl im Einklang mit der Regie-rung— aufgestellt worden ist. Es ist schon über dieZeit bis Weihnachten verfügt worden. Danach scheint mandieWahlen sehr weit hinausschieben zu wollen. Siesollen im Januar oder vielleicht erst im Februar stattfinden.(Zuruflinks: Gar nicht! Stürmische Heiterkeit.)— Wahlen im Januarund Februar sind sehr ungünstig.(Zuruf rechts: Für wen?) Aberwir werden nicht erlahmen in unserer Organisations- und AgitationS-tätigtest. Wir bezweifeln sehr, daß das Pensum abgearbeitet werdenwird. Wir sind jedoch bereit, mitzuarbeiten, namentlich auch,trotz aller Bedenken, an der Rcichsversicherungsordnung.—Bei der Gelegenheit möchte ich mich übrigens nach dem SchicksaldeS Arbeitskammergesetzes erkundigen.(Sehr gut I links.)Das Zentrum, das noch im vorigen Jahre dem Reichskanzlersein Vertrauen ausdrückte, zeigt ihm jetzt sein Mißfallen, weiler in der Modernistenangelegenheit ihm nicht gefügig genugw a r. Herr Erzberger hat schon seine schwäbischen Fausthand-schuhe angezogen und Lethmann Hollweg beschuldigt, die Wege deralten Freiinaurerhäuptlings Schräder zu wandeln.(StürmischeHeiterteit links.) Wir denken nicht daran, dem Zentrum denGefallen zu tun. einen neuen Kulturkampf zu entfachen, aberwir verlangen von der Regierung, daß sie aus dem Grenzgebietedie Rechte des Staates energisch wahrnimmt.(Zustiinmung bei denLiberalen.)Die Konservativen gefallen sich jetzt wieder sehr in der Rolleder Hüter der preußischen Traditionen und derMonarchie. Sie berufen sich auf Bismarck und Roon. Aberwie scharf haben Roon und Bismarck den parlikularistischen Egois»mus der Konservativen gegeißelt! Einer ihrer Führer, Herrv. Erfsa, hat im preußischen Abgeordnetenhaus behauptet, dieVolkspartei habe ein Bündnis auf Leben und Tod mit der Sozial-demolratie abgeschlossen. Davon kann gar keine Redesein. Wenn aber die Herren sich als die geborenen Belämpfer derSozialdemokraten hinstellen, wie paßt dazu ihre Stichwahl»tattik!(Sehr gut! bei der Lolkspartei.) Sie enthalten sich derWahl und unterstützen dadurch die Sozialdemolralie(Sehrrichtig I bei der Volkspartei), wie Sie sich auch sozialdemo»kratische Wahl Hilfe gern gefallen lassen. Wir werden unserenWeg gehen und mit der nationalliberalen Partei geschlossen(Aha lrecht») eine einheitliche Front gegen die Reaktion bilden.(Lachen undLärm rechts.) Ob ivir Erfolg haben werden, darüber wird dasdeutsche Voll entscheiden.(Lebhaftes Bravo! bei der Volkspartei.)Reichskanzler v. Bethmann Hollweg! Auf die parteipolitischenErörterungen des Vorredners werde ich nicht eingehen. Ich bin ihmaber d a n l b a r für die arbeitsfreudige Mitwirkung, die er mir bisin den nächsten Winter hinein versprochen hat.(Heiterkeit.) Ich willauch nicht auf den Nachbericht über die Reichsfinanzreform ein»gehen. Sehr viel wird dabei nicht herauskommen.(Lebhaste Zustimmung rechts und im Zentrum, Widerspruch links.)Der etgeniliche Kampf ist längst auögefochten.(Lebhaftes Oho!links.) Seine Folge sind gute Reichsfinanzen.(LebhafteZustimmung rechts und int Zentrum. Starker Widerspruch links.)Ich habe um das Wort gebeten, um einige kurze Ausführungen zuden Fragen derAbrüstung und der Schiedsgerichtezu sagen. Der sozialdemokratische Antrag verlangt, ich soll Schrittetun, um eine internationale Verständigung in der allgemeinen Ein»schränkung der Rüstungen herbeizuführen. In der Tat wird derAbrüstungSgedanke in Parlamenten, auf Kongressen von Friedens-freunden unausgesetzt weiter erörtert. Auch die erste HaagerFriedenökonferen, hat die Frag» behandelt, hat sich aberschließlich mit dem Wunsche begnügen müssen, daß dieRegierungen das Problem andauernd studieren. Deutschland hat diesem Wunsche entsprochen. Aber wir haben keinebranchbare Formel gefunden. Daß andere Regierungen glücklichergewesen wären, ist mir nicht bekannt und auch die sonstigen Studienhaben zu einem praktischen Ergebnis meines Wissens noch nicht ge»führt. Ich bin wenigstens noch nirgends einem irgendwie greif»baren Vorschlag, einem Borschlag, der auch nur einigermaßenins Detail ginge, über den sich ernsthaft diskutieren ließe.begegnet, und auch aus der heutigen Debatte habe ich einen solchenVorschlag noch nicht berauSgehört.(Sehr richtig!) Ich glaube�Sie haben sich eine vielleicht ideale, aberpraktisch nicht durchführbar« Aufgabegestellt. Ich will damit nicht über den Wert der Arbeit der Freundedes Friedens und der Abrüstung aburteilen. Die Zeit, wo inEuropa die Kriege durch die Kabinette gemacht wurden, ist vorüber.(Sehr richtig I) Die Stimmungen, aus denen jetzt bei uns nochKriege entstehen können, liegen wo anders, sie wurzeln in Gegen-sähen, die vom Volksempfinden getragen werden. Jedermannweiß, daß sich dieses Empfinden sehr leicht beinflussen läßt, auchdurch unverantwortliche Preßtreibereien. Ein Gegengewicht gegenalle solche und ähnliche Einflüsse ist sehr erwünscht, und ich werdeder erste sein, der es dankbar begrüßt, wenn esder internationalen Arbeit gelingt, solche Gegengewichte z« schaffen.Wenn ich aber praktische Mahregeln ergreifen, wenn ich denanderen Mächten Vorschläge auf Abrüstung unterbreiten soll, danngenügen dazu nicht allgemeine Friedensbeteuerungen. Deren istDeutschland überhoben durch eine vierzigjährige lonstante Politik,die zeigt, daß wir kein« Händel in der Welt suchen.(LebhafterBeifall) Dann muß ich ein festumrissenes Arbeitsprogramm vor-legen können, dann muß ich auch sachlich prüfen, ob ein solchesProgramm überhaupt aufgestellt und, wenn es aufgestellt, auch durch-sübroar ist. Wer unsichere verschwommene Vorschläge macht, kannsehr leicht anstatt zum Beruhiger, zum Störenfriede werden.(Sehrrichtig!) Nicht ganz soweit wie der sozialdemokratische Antrag gehtdie Resolution, die die Herren von der Fortschrittlichen Volks-Partei vorschlagen. Auch der Abg. Spahn hat sich, wie ich glaube.in ähnlichem Sinne ausgesprochen. Da wird beantragt, wirmöchten in Verhandlungen eintreten, wenn un« von andererSeile Vorschläge gemacht werden. Ich bin den Herren aufrichtigdafür dankbar, daß sie mir nicht die Aufgabe zuschieben ivollen,formulierte Anträge auszuarbeiten(Heiterkeit), sondern daß Sie dasanderen zuweisen möchten. Wenn die Großmächte ein Abtonimcnüber allgemeine internationale Abrüstungen treffen wollten, dannmüssen sie sich zuerst darüber einigen, welche Geltung überhaupt dieeinzelnen Rationen im Verhältnis zueinander haben sollen.(Zurufbei den Sozialdemokraten: Sehr geistreich!) Es muß eine Art Rang-orduung aufgestellt werden, in die fede Ration nummerumäßig mit ihrerzngchörigcv Einflußsphäre eingetragen wird. Vielleicht kann e« so ge-macht werden, wie es bei den industriellen Syndikaten geschieht.Ich würde es ablehne», ein solches Formular zu enlwcrsen. Praktisch,könnte man sagen, ist ein Ranganspruch schon erfüllt. Englandist davon überzeugt und hat es wiederholt erklärt, daß trotz allerseiner Wünsche auf Einschränkung der Rüstungen und auf Schlichtungetwaiger Streitigkeiten durch schiedsgerichtliche Verfahren keine Flotteunter allen Umständen jeder möglichen Kombination i» der Weltgewachsen oder sogar überlegen sein müsse.(Sehr richtig! rechtS.)Diesen Zustand anzustreben, ist ein gutes Recht Englands, undgerade,>oie ich zur Abrüstungsfrage stehe, würde ich der letzte sein,dieses Recht auch nur irgendwie anzuzweifeln. Ganz etwas anderesaber ist eS, einen solchen Anspruch zur Grundlage eines Abkommenszu machen, das von den anderen Mächten in friedlicher Zustimmungangenommen weiden soll. Wenn dagegen Ansprüche gemacht werdensollten? Wenn andere Mächte mit den ihnen zugewiesenen Kontin»genten nicht zufrieden sind? Man braucht bloß diese Fragen auf-zutoerfen, um zu wissen, wie eS auf eiitent Weltkongreß— ein europäischer würde ja nicht ausreichen— zugehen würde, der über der»