It. 84. 38. Jahrgang.1. Keilage des„ZonNbelid. 8.Z�rillSll.SozisISemoliratieiinck lüiiitungzbeichfälikling.Von G. Ledebour.(Schluß.)Wir haben gesehen, daß das klassenbewußte Proletariatein Machtfaktor ist, der an sich lähmend einwirkt auf diekapitalistische Kriegslüsteruheit und Rüstungswut. Aber esgibt auch sogar kapitalistische Faktoren, die in gleicher Richtungwirken. Friedlich gerichtet ist vor allem dasjenige Industrie-kapital, das den Inlandsmarkt, aber auch den Auslands-markt mit Gebrauchsartikeln versorgt, sowie das Hand inHand mit ihm über die ganze Welt hin arbeitende Handels-kapital. Wie völlig unser Kritiker in der„Bremer B.-Z."diese Tendenz verkennt, geht aus einer'Bemerkung hervor, derKapitalismus sei genötigt,„neue Märkte zu erobern,was ohne Militär- und Marinerüstungen un-v$j glich i st".Mit diesen Worten macht er sich ein Argument zu eigen,das nicht marxistisch, nicht sozialistisch ist. über das selbst auf-geklärte bürgerliche Nationalökonomen die Achseln zucken unddas nur noch in den plumpsten Sudelschriften der Flotten-treiber sein Unwesen treibt. Denn mit Waffengewalt schlagenwir die kapitalistische Konkurrenz anderer Staaten auf demWeltmarkt nicht aus dem Felde. Den Absatz unserer Warenerzwingen wir auch in unerschlossenen Ländern nicht mit dergepanzerten Faust. Wir haben ja ein klassisches Beispiel dafüran unserem Kolonialkleinod Ltiautschou. Für dessen Okkupationund für Hafenbauten haben wir etwa 150 Millionen Markbisherausgegeben und verpulvern noch jetzt etwa 8—9 MillionenMark jährlich. Unser Handel mit Kiautschou beträgt aber inder Einfuhr dorthin(Eisenbahnmaterial einbegriffen) jährlich3Vs Millionen Mark, wie die Ausfuhr von dort nur den kläg-lichen Wert von 100 000—200000 M. Der Handel, der sichdort entwickelt hat. ist Handel anderer Völker, derJapaner, der Chinesen, der Amerikaner und Engländer. Dieschwertbewehrte Panzerfaust unter der schwarz-weiß-rotenFlagge hat uns dort also kein Absatzgebiet geschaffen, wie siedas nirgends in der Welt vermag. Nicht Wehr und Waffen,sondern die Leistungsfähigkeit unserer Industrie und die Tüch-tigkeit unseres Handels schaffen und sichern uns Absatzgebietein fremden Ländern.Soll aber mit dem zitierten Satz nur gesagt werden, dieGroßmächte bedürften der Land- und Seerüstungen, um diebisher unabhängigen halbbarbarischen Staaten zur Oeffnungihrer Märkte für den Welthandel zu zwingen, so wird damitdas fragliche Argument aus dem Rahmen einer Auseinander-setzung über Rüstungsbeschränkung ausgeschaltet, denn zu jenerPolitik— gegenüber Halbbarbaren—, deren Notwendigkeitich übrigens nicht minder bestreite, bedarf keine Großmachtder gegenwärtigen ungeheuren Rüstungen. Bei der Fragegegenseitiger Rüstungsbeschränkung handelt es sich vielmehrausschließlich um das jetzt bis zum Weißbluten getriebeneWettrüsten der Mächte untereinander.Wie sehr dieses Wettrüsten aber auf alle Staaten, aufalle Völker drückt, dafür hat der„Vorwärts" ja erst am5. April nach der Schrift des Professors K o b a t s ch überdie„Volks- und staatswirtschaftliche Bilanz der Rüstungen"interessantes Beweismaterial beigebracht, wie ich mich gleich-zeitig auf den Engländer Norman Angell beziehe, derin seinem Buch„Die große Täuschung" mit anderen Argu-menten der Rüstungsfanatiker aufräumt.Im Zusammenhang damit kann ich auch auf das ver-weisen, was ich in meiner Rede im Reichstage zur drittenLesung des Etats am 3. April über die unvermeidlichenWirkungen der stetig zunehmenden amerikanischen Konkurrenzauf Europa gesagt habe, daß sie nämlich auf den wirtschaftlichen Zusammenschluß Europas und damit auf die Ver-Minderung der produktionslähmenden Rüstungen hinarbeitet.Kurz. es sind so viele und so starke kriegsgegnerischeTendenzen im Schöße der kapitalistischen Gesellschaftsordnungselbst am Werke, daß der Kapitalismus als restlos kriegerischin seinem Gesamtwirken nicht mehr angesprochen werden kann.Kriegerische und friedliche Tendenzen wirken auf- und gegen-einander. Es ist mindestens zweifelhaft, ob die ResultanteXlemes feuiUerou.Antikes und modernes Theater. Ueber dieses Thema sprachin W i e n der neue Burgtheaterdirektor B e r g e r. Er entwickelteeinige Gedanken, die uns Sozialisten vertraut sein sollten, aberunter dem Schutt des Alltags, der über de» Tag nicht hinaus-schaut, manchmal verdeckt werden.Nachdem Herr Berger das griechische Theater als„Freilicht-und Freilufttheater" im Gegensatz zum modernen„Gewächshaus-thoakcr" charakterisiert hatte, führte er— nach der„Neuen FreienPresse"— weiter aus:Zwei Eigenschaften aber waren eS besonders, die das alteTheater zu seinem Vorteil von dem unseren unterschied: zunächstseine nationale Volkstümlichkeit, die von keinen« Theater je wiedererreicht wurde. Eine festlich und religiös gestimmte Menge lvardas attische Publikum. Und der Dichter holte seinen Stoff ausder heimatlichen Ueberlieferung. Die Bedeutung dieser Wirkungist unermestlich. Di« deutsche Bühne hat riach ihrem Stoff nienationalisiert werden können. Das wichtigste aber ist: die Auf-führung in Athen war ein durch Sitte und Gebrauch geheiligtesFest, ein Fest für das ganze Volk. Das ist es, ivas unseremTheater ani meisten fehlt. Denn tvelch ein Unterschied: heute istdas Theater eine Unterhaltung, eine tägliche Unterhaltung gegenEintrittsgeld! Das Theater ist eine k a p i t a l i st i s che Unter-n e h m u n g geworden, und damit hängt wesentlich auch der Tief-stand unserer dramatischen Dichtkunst zusammen. Damals hatteder Dichter auszusprechen, was den Empfindungsiiihalt seinesVolkes ausmachte. Das kann der moderne Dichter nicht öder nichtganz. TaS Theater ist ein Geschäft, das auf Geldgewinn zielt, in-dem es dem Volke Unterhaltung(im weitesten Sinne) leistet. Kann«in Haus zugleich Kirche sein und Unterhaltungslolal? Und wenndas Theater das Ideal verfolgt, die festlich gestimmte Menge zurEinheit der Nation zu verschmelzen— kann es sich dafür bezahlenlassen? DaS wäre die Welt auf den Kopf gestellt! So aber muhes die Kunst in einer kapitalistischen Zeit. Dem griechischen Dichterwurde seine Schöpfung diktiert allein von seinem Genius, von demEmpfinden seines Volkes. Der Dichter von heute ist durch seineRücksicht auf das kapitalistische Theater von solcher Freiheit weitentfernt. Sein Schaffen hat Fesseln, von denen er sich nicht be-freien kann. Viele Erscheinungen unserer modernen Literaturkann man damit erklären, dah der Gedanke rar wurde und so demGesetz von Angebot und Nachfrage unterliegt. Wir sehen so oft dasbetrübende Schauspiel, daß der moderne Dichter zwei Herren dient,dem Diktat seines Genius und— dem Erfolg der Saison, Oft habedieses Parallelogramms der Kräfte mehr dem Weltkrieg odermehr dem Weltfrieden zustrebt.Bliebe noch die Frage zu erörtern, ob dann, wenn dieNotwendigkeit der Rüstungsbeschränkungen sich allgemein An-crkennung verschafft hat, sie auch durchführbar sein würden.Auch da kann ich mich kurz fassen, ohne mich mit demoft zitierten Satze zu begnügen: Wo ein Wille ist, da ist auchein Weg I Von verschiedenen Seiten. so vom GenossenBebel in seiner jüngsten Hamburger Rede, wie später vonmir im Reichstag ist auf das einfachste Auskunftsmittelverwiesen, mit dem man die Nüstimgsbeschränkung einleiten kann; eine Abmachung der Mächte dahin, daß sieüber das Maß ihrer gegenwärtigen jährlichen Geldausgabenfür Rüstungszwecke zu Wasser und zu Lande keineswegs hin-ausgehen werden. Nur wer aus irgend welchen Gründen sichauf Rüstungsbeschränkungen überhaupt nicht einlassen will,wird die Durchführbarkeit eines solchen Abkommens bestreitenkönnen. Käme es aber dazu, dann würde die bösartigste,gerade dem Wettrüsten entstammende Kriegsgefahr aus derWelt geschafft und nach einiger Zeit würde dann auch derweitere Gedanke der Einschrällkung der Rüstungen sich Bahnbrechen.So weit also, was die tatsächlichen Vorbedingungen fürdie Möglichkeit der Rüstungsbeschränkungen innerhalb desKapitalismus und ihre Durchführbarkeit anbetrifft.Wie ist die sozialdemokratische Reichstagsfraktion nunaber dazu gekommen, ihrerseits die Initiative zu solchen inter-nationalen Abmachungen zu ergreifen? Etwa bloß auf Grundähnlicher allgemeiner Erwägungen, wie sie im vorstehenden an-gedeutet wurden? Nein I Sie erhielt dazu, wie das eigent-lich bei jeder parlamentarischen Aktion der Fall sein sollte,den ersten Anstoß durch ein politisches Ereignis, aus dem klarhervorging, daß die Frage der Rüstungsbeschränkung aus demGebiete theoretischer Erwägungen in das Vereich positiven par-lanientarischen CHngreifens hinübergetreten war.Im März 1909 beklagte sich der englische PremierministerA s q u i t h dalüber, daß die Bemühungen der englischen Re-gierung, mit der deutschen Fühlung zu nehmen wegen derEinleitung von Rüstungsbeschränkungen, an der ablehnendenHaltung der Reichsregierung gescheitert seien. In der Budgetkommission verlangten wir Auskunft, erhielten aber ausweichende Antworten. Der psychologische Moment für einenAntrag im Plenum des Hauses war damit gekommen.B ü l o w erteilte eine ähnliche Antwort wie dieses JahrBethmann; nur war sie anmutiger geschnnnkt und frisiertDie bürgerlichen Parteien ließen uns völlig im Stich. Aberdie Frage der Rüstungsbeschränkungen war damit auf dieTagesordnung der praktischen Politik gesetzt. In Englandging im selben Jahre die Labour Party in gleicherWeise vor. Der Ausgang der Debatte war ähnlichwie bei uns. Im Sommer 1910 machte auch derintemationale Sozialistenkongreß in Kopenhagen dievon uns beantragte Forderung der Beschränkung derRüswngen in Verbindung mit der Abschaffung des Seebeuterechts zum Bestandteil seiner Friedensresolution.Im Frühjahr 1911 erklärten dann unter Mitwirkung derSozialisten das englische und das französische Parlament ihreBereitwilligkeit zu Abrüstungsverhandlungen. Damit warwieder der Anstoß für uns gegeben. Unser Antrag, derReichskanzler-solle die Initiative ergreifen, wurde zwar ab-gelehnt und ein rein platonischer Antrag der Fort-schrittspartei mit knapper Mehrheit angenommen. Magnun bei der Abstimmung der bürgerlichen Parteienin allen drei Parlamenten und bei einzelnen bürger-lichen Politikern auch noch so viel Heuchelei mit-gewirkt haben,— so viel erhellt doch aus diesen Vor-gängen: die Abrüstungsidee ist aus dem Marsch, nicht dankder Reden irgend welcher Minister oder Parlamentarier oderbürgerlicher Friedensschwärmer, sondern dank jener dem Ka-pitalismus immanenten, stetig an Einfluß zunehmenden Kräfte,die auf den Frieden hindrängen. Die Rüstungsbeschränkungist auf dem Marsch, wenn auch der Weltfrieden noch keines-wegs gesichert und die Gefahr eines Weltkrieges kaum ge-mildert ist.Und was in aller Welt sollte nun uns Sozialdemokratenabhalten, in diese Entwickelung fördernd und richtunggebend ein-zugreifen? Jenes ganz unmarxistische Schema von der angeblich.ich Dramen daraufhin studiert und festgestellt: Hier spricht derPoet— hier der Kaufmann, oft weiß er gar nicht, daß es so ist,und es kommt ein Werk heraus, bei dem man mitten in der Er-Hebung den Widerlvillen nicht unterdrücken kann. Und durch denWarencharakter der geistigen Schöpfung erklärt sich auch derPlakatstil, das Streben nach groben, sensationellen Wirkungen, dieSucht, zu erraten, was im nächsten Jahr die Nerven am meistenreizen kann. Neben den Eingebungen des Genius spielt die Spe-kulation eine Rolle, der Gedanke an den materiellen Erfolg, mußihn sogar oft spielen— und daher kommt es, dah die Dichtkunstnicht die Stellung hat, die ihr gebühren würde und die sie in Athenzum Beispiel als eine Nationalangclegenheit auch hatte.Als Heinz Sperber an dieser Stelle ganz verwandte Gedankenentwickelte, da gerieten verschiedene Parteizöpfe ins Wackeln. Viel-leicht beruhigen sie sich wieder, da de" K. K. Direktor der erstendeutschen Bühne— die die Wiener Burg immer noch sein dürfte—«in Fachmann, der ebensoviel Erfahrung in diesen Dingen hatwie— Genosse Sperber, dessen Ansichten bestätigt.Die Lesehalle der Barfüßler. In Nishni-Nowgorod besteht eineLesehalle für den in russischen Romanen häufig geschilderten Tvpusder Boßjaken, der Barfüßler. Sie ist im Jahre 1900 auf städtischeKosten neben dem Nachtasyl auf den Namen Tuschnius gegründetund eroberte sich in kürzester Zeit die Sympathie der ärmsten undelendesten Vagabunden. Tie Halle ist für diese Ausgestohenen einBildungszentrum, ein Ort in einer anderen Welt. Das Zimmerist klein und schmutzig, die Luft unmöglich; es gibt keinen freienPlatz— alles ist besetzt. Kinder, Greise, Entgleiste.� Arbeitslose.alle sitzen sie da auf Stühlen, auf der Diele, auf Bänken, stehenoder lehnen an der Wand, gesangen vom Zauber des Buches, dassie lesen. Sie lesen mit äußerster Hingebung, mit brennender Auf-merksamkeit; sie vergessen Zeit, Raum und Elend; sie erlebenalles, was da in ihrem Bute steht. Lautloses Schweigen herrschtin dem Zimmer, nur zuweilen vom Seufzen oder einem kurzenAusruf unterbrochen, der durch das hocherregte Gefühl sich aus derBrust ringt. Die Leute wählen nicht nach dem Katalog, sie nehmendas erste beste Buch oder lassen sich vom Einband, einem Bilde aufdem Teckel oder einem lockenden Titel beeinflussen. Der Andrangist immer, im Winter und Sammer und zu allen Tageszeiten sogroß, daß schon längst weitere Räume� hätten geschafft werdenmüssen.?lber die finanziellen Verhältnisse der Stadt sind schlecht,und es ist bei dem einen dürftigen Zimmer geblieben.Die Papicrnot. Der Papierverbrauch in den Ländern der euro-päischen Zivilisation schwillt ungeheuerlich an. Während 1904 dieProduktion 4600 Millionen Kilogramm betrug, wovon auf die Ver«unüberwindlichen Kriegstendenz des Kapitalismus doch nicht,deren unbedingte Gültigkeit ich hinlänglich widerlegt zu habenglaube?!Doch unsere Kritikker in der„L. V.-Z." und der„B. B.-Z."haben gleichmäßig da noch ein Argument eingeschaltet, das inder„L. V.-Z." vom 16. März so ausgedrückt wird:Angenommen, die großen kapitalistischen Länder würdendie Welt in Ausbeutungszonen verteilen, damit sienicht gegen einander mehr zu rüsten brauchten, so würden dieRüstungen deshalb nicht aufhören.„Sie würdensich nur gegen die Länder der jungen kapitalistischenEntwicklung richten. Welchen Unterschied es aber ausmacht,ob Deutschland und England gegeneinander oder gegen Chinaund Persien rüsten, das können wir vom proletarischen Stand-Punkt aus nicht herausfinden. Auf jeden Fall haben wirnicht die kleinste Ursache, den englisch-liberalen Ruf nach einerdeutsch-englischen Verständigung zur Losung des deutschenProletariats zu machen, ebensowenig wie wir zurAufhebung der kapitalistischen Konkurrenzdie Trusts dem Proletariat empfehlen."Diese Gleichstellung einer Verständigung der kapitalistischenLänder untereinander zum Zweck der gegenseitigen Rüstungs-einschränkung mit der Vertrustung einer Industrie zum Zweckder Konsumentenausbeutung ist so schief wie irgend möglich.Unter allen Umständen würde doch die Rüstungsbeschränkungden Volksniassen der koalierten Mächte eine enorme Erleichte-rung verschaffen, während die Vertrustung einer Industriedie Volksmassen erhöhter Belastung und stärkerer Ausbeutungaussetzt. Dann ist aber auch das nicht einmal richtig, daß einesolche Mächteverstäudigung notwendigerweise die Einteilungder übrigen Welt in Ausbeutungszonen bedingen würde.Die nämlichen wirtschaftlichen Kräfte und politischen Organi-sationen, die die Mächteverständigung erzwingen können,würden auch stark genug sein, um jene Zuschneidung fremderLänder in monopolistische Ausbeutungspferche zu hindern.Ist doch jetzt schon eine solche monopolistische Handelspolitikim Abflauen begriffen. In China, wo B ü l o w mit seinemPlatz an der Sonne sie in die Wege leiten wollte, ist sie glücklicher-weise kläglich gescheitert. Sie wird langsam, aber sicher ver-drängt durch die Politik der offenen Tür. Es sind überallEntwickelungstcndenzen am Werk, die dem Gemeinsamkeits-gedanken Raum verschaffen und der sozialistischen Weltwirt-schaft vorarbeiten. Also auch mit dem Trust-Gespcnst ist es nichts.Doch unsere Kritiker verlassen sich nicht nur auf ihreeigene Denkarbeit. Sie führen auch eine Autorität für sichins Gefecht, einen Philosophen und Staatsmann zugleich, dendeutschen Reichskanzler, Herrn Theobald v. BethmannH o l l w e g.Ich muß gestehen: es hat mir die peinlichste Ucberraschungbereitet, als ich in ernsthaften sozialdemokratischen Blätternzu lesen bekam, die banausische Raubtierphilosophie despreußischen Oberbureaukraten sei eigentlich eine feine Blütemarxistischer Denkweise.Ueber Bcthmanns Auffassung selbst habe ich mich im Reichs-tage hinreichend ausgesprochen. Man>mrd hoffentlich von mirnicht erwarten, daß ich hier noch ein Wort der Polemik gegensolches Zeug verschwende.Also die ganze Voraussetzung, von der unsere Kritiker aus-gegangen sind bei ihren Angriffen auf die Reichstagsfraktion,ist falsch. Unsere Aktion war berechtigt, denn unsere Forde-rung ist erfüllbar sogar in der kapitalistischen Gesellschaft.Daß sie sofort zur Ausführung gelangen würde, hat niemandvon uns behauptet, daß Herr v. Bethmann Hollweg gar siein die Hand nehmen würde, hat niemand gehofft. Die Forde-rung aufzustellen, wirkt aber an sich im Sinne der Friedens-sicherung, wenn auch immer noch und vielleicht auf längereZeit die kriegerischen Tendenzen des Kapitalismus die Ober-Hand behalten werden und zur Eutzüudung eines Weltkriegesführen können.Der wichtigste Erfolg auch bei dieser Aktion ist aber ihreagitatorische Wirkung. Indem die Sozialdemokratie in denVordergrund der Bewegung für den Frieden und gegen dasvolksverderbliche Wettrüsten tritt, gewinnt unser Kampf gegenden Kapitalismus neue Stärke, denn um so leichter wird inden Volksmassen die Ueberzeugung Fuß fassen, daß erst durchUeberwindung des Kapitalismus und durch den Sieg desSozialismus alle Kriegsgefahr beseitigt sein wird.einigten Staaten 1300 Millionen, ans Deutschland 800 Millionenkamen, stieg sie 1907 aus 7000 Millionen. Fast die Gesamtheitdieser Erzeugung besteht in Holzpapier, das teils auf mechanische.teils aus chemische Weise hergestellt wird. Das Holz liefert Haupt«sächlich Skandinavien, deren Fichtenwälder einem wahren Raubbaufreigegeben sind. Die Produktion von 1908 repräsentiert etwa7 300 000 Bäume, was einem Wald von 600 000 Hekiar ent«spricht. Die Hälfte davon entfällt ans Schweden. Wenn«S indiesem Tempo fortginge, würde dieses Land in 70 Jahren völligentwaldet sein. Für Amerika liefert namentlich Kanada daSHolz. Wie Marcel M a g n a n in der„Revue de Paris" ausführt,haben die französischen Wahlen deS letzten Jahres 815 355 Kilogramm an Plakaten und 611 688 Kilogramm an Wahlflugblätternverbraucht. Der Mangel an Robstoff wird bald den Ersatz deSHolzes durch andere Stoffe erzwingen. Das Lumpenpapierkommt dabei nicht in Betracht. Schon 1801 genügten die Lumpennicht mehr für die Produktion, und man nahm Weizenstroh alsErsatz. Lumpen werden nur für teuere Sorten verwendet. Manzahlt jetzt in der Pariser Umgebung 65 Fr. für 100 Kilogramm. Chinaund Japan benutzen(seit 105 v. Chr.) den Bambus, Japan auch denMaulbeerbaum. In Amerika werden Abfalle des Zuckerrohrs benutzt.Für Frankreich koininl besonders das Alfa in Betracht, ein in de»trockenen Gegenden Nordafrikas wild wachsender Strauch. In Tunisallein könnte man eine jährliche Ernte von 300 Millionen Kilogrammerreichen. Der Hafen von Sfax exportierte 1909 16 Millionen Kilo-gramm, davon 13 Millionen nach England. Auch Algerien exportiertschon. In Tunesien wären weiter die Abfälle des dort für Ocl-gewinnnng angebauten LeinS zu gebrauchen. Auch könnte man aufden Papyrus der Alten zurückkommen, der im tropischen Astika,am oberen Nil, im Kongo und im Sudan gedeiht. Im Altertumwar er in Sizilien alklimatisiert worden, und in der Tatgibt es noch heute in Syrakus eine Familie, die sichvon der Erzeugung von Papier aus der Papyrusstande ernährt.Endlich könnte auch noch das— Lagerstroh der Pferde benutztwerden. Von Bedeutung ist, daß Papier, daS aus Lein, Hanf,Baumwolle und Alfa hergestellt wird, eine bessere Gewähr der Dauerbietet als Holzpapier. Ein Spezialist in London hat bekanntlich ge-sagt, daß ein in unseren Tagen gedrucktes Buch in 30 bis 40 Jahrennicht mehr lesbar sein wird. Endlich wäre noch Edison zu er«wähnen, der an die Stelle des Papiers Nickelblätter vonVwoo Millimeter Dicke setzen will. Ein derartig hergestelltes Werkhülle bei einer Seitenzahl von 40 000 nur zwei Zentimeter Dickeund käme nur auf ö Frank zu stchen. Es wäre obendrein immateriellen Sinne— unsterblich. Werke von 46 666 Seiten? VaSsteht unseren Nachkommen bevor?