Einzelbild herunterladen
 
SMS.?8. Jahrgang. 1. Itijf ko.Hmärls" Kerlim WÄxlt. ?MKi>I«S, 27. April MI. Sa; BnglikK auf 2echeLukas". Man schreibt uns: Die ZecheSufas' macht ziemlich viel von sich reden. Der Streik im vorigen Winter, der die Folge von allerhand schweren Mißständen war, erregte die allgemeine Aufmerksamkeit- Die Verwaltung versprach zwar Abhilfe der Mißstände. Schließlich aber gab sie eine Denkschrift heraus, durch welche alle Miß- stände best ritten wurden, der Streik als leichtfertig heraufbeschworen und als das W e r k von Hetzern be- zeichnet wurde. Aehnlichcs ist auch zu lesen im Bericht der Berginspektio», der aus der Denkschrift abgeschrieben sein könnte. Die«verhetzenden Artikel" der Dortmunder  «Arbeiterzeitung" werden besonders hervorgehoben. Natürlich I Wenn eine Zechen- Verwaltung die Existenz von Mißständen bestreitet, dann sind sie einfach nicht vorhanden. Wer anderer Ansicht ist, ist ein Hetzer. So war es auch seinerzeit im Falle.Radbod". Fatal war es allerdings, daß die«Arbeiterzeitung" die Katastrophe vonRadbod" schon vorher angekündigt hatte I Das konnte sie doch nur auf Grund der herrschenden Zustände. Im Falle der ZecheLukaS" ist es genau so. DieArbeiter- zeitung" hat auch diesmal vorher berichtet, daß schon tagelang ein Grubenbrand herrsche und die untliegetiden Betriebspunkte ge- fährdet seien! Sie hat verlangt, daß das Arbeiten an den be- drohten Punkten untersagt werde. Noch in einer Zu- schrift in der letzten Sonnabendnummer derArbeiter- zeitung" heißt es: .... Es ist noch nicht lange her, wo wir von dieser Stelle aus auf das Unglück, dem die zwei Kameraden zum Opfer ge- fallen sind, hingewiesen, und auch die Ursachen des Unglücks dar- gelegt hoben. Heute machen wir die Behörde darauf aufmerksam, daß auf derselben Stelle, wo jenes Unglück geschehen, durch die hereinbrechenden Kohlenmasscn ein großer Hohlraum entstanden und nun ein Brand ausgebrochen ist. Es ist zu befürchten, daß das Feuer überhaupt nicht zu dämpfen ist, wenn es von der Steinrutsche aus auf irgend eine Weise Luft bekommt. um auflodern zu können. Wie aber, wenn der Hohl- räum voll Wetter steht? Das Gegenteil ist noch nicht bewiesen. Mittwoch war der Brand so stark, daß dicke Rauchwolken, wie von brennendem Holz, bis in den nebe«liegenden Ouerschlag drangen. Trotz- dem ließ man die Arbeiten, die dicht neben der Brandstätte, im Unterbau, begriffen sind, ver- richten. Wir fragen die Bergbehörde, ob dies erlaubt ist. Zu bemerken ist noch, daß der Wetterzug, der den Unterbau bewettert, die Brand st ätte st reift und so den entströmenden Qualm mit sich führt. Wir bitten, daß hier schleunigst eine Untersuckiung eingeleitet wird. Ferner bitten wir die Bergbehörde, daß sie den vielgenannten Sicherheitsmann an seine Pflicht erinnert, denn sonst müssen wir in einer Belegschaftsversammlung dazu Stellung nehmen. ES sei nochmals darauf hingewiesen, daß der Mann verichiedene Betriebs­punkte selten oder gar nicht befährt. Zur Charakteristik des Manne« fei hier angeführt, daß er vorige Woche vor einen Betriebspunkt gerufen wurde, wo nach Angabe der Arbeiter Wetter standen. Daraus kam der Sicherheitsmann und sagte:«Ach, das ist nicht fchlimml DieWetter könnt Ihr mit demHemd wegtreibenl Ich habe so manches Hemd schon hier kaput geschlagen!" von dem Ortöältesten wurde ihm begreiflich gemacht, daß da, wo Wetter stehen, nicht gearbeitet werden darf. Darauf wurden diese Leute von dem SicherheitS- mann für die Schicht verlegt. Wenn so ein Sicherheitsmann dann ins Fahrbuch schreibt:«Alles in Ordnung", trotz der rigorosen Mißstände, dann ist begreiflich, daß diese nicht abgestellt werden, bis wieder mal die Bergleute zur Selbsthilfe greifen müssen. Dies mögen sich die bürgerlichen Zeitungen und auch die Revier- beamten merken. Wenn es zum äußersten kommt, ist nicht die Verhetzung durch die Presse oder durch den sozialdemokratischen Bergarbeitervcrband schuld daran, sondern die Schuld ist ganz wo anders zu suchen." Gleims Feuilleton. Ludwig Burbong. Der Pariser.Matin' trat' kürzlich mit der Behauptung hervor, im Berliner   Geheimen Staatsarchiv befänden sich Urkunden über den Fall Naundorfs, deren Geheimnis aufs ängstlichste gehütet würde: denn sie bewiesen, daß Preußen verhindert habe, daß jener Krossener Uhrmacher Naundorfs, der in Wirklichkeit Ludwig XVI  . Sohn gewesen sei, die Anerkennung als berechrigter Erbe des bourbonischen Thrones fand. Auf die Anfrage eines HerrenhäuSlerS ward der offizielle Bescheid, daß die umfang- reichen Naundorffaltcn deS Staatsarchivs durchaus nicht geheim ge- halten würden. Zufällig veröffentlichte unlängst gerade auf Grund dieser Akten Otto Tschirch   in der«Historischen Zeilschrist' eine Studie über die Naundorff-Legende, und cS gelingt ihm. eine Angelegenheit zur hin- reichender Klarheit zu fördern, über die schon eine umfangreiche Bibliothek zusammengeschrieben worden ist. Die Legende knüpft an die Tatsache an. daß in der französischen  Revolution der Thronfolger, Ludwig XVII  .. im Temple in Haft ge- halte» wurde und dort 17gö an einer Krankheit starb. Die geschicht- liche Forschung zweifelt heiite nicht daran, daß der Dauphin damals wirklich gestorben ist. Nichts destoweniger hat sich bis heute die Sage erhalten und findet immer noch Verteidiger, daß Ludwig XVII. aus dem Temple entführt worden sei. Es' sind eine ganze Anzahl Bewerber um den Thron des geköpften Ludwig aufgetreten, die weniger nach der Krone als»ach dem bourbonischen Kronschatz lüstern waren. Der erfolgreichste dieser siebzehnten Louis war der Deutsche   Naimdorff. Ein Mensch dunkler Herkunft, taucht er nach 131« im Brandenburgischen auf. Er lebt 1810181.2 in Berlin   als Hausierer mit hölzernen Uhren. 1824 wird er zu Brandenburg   wegen Falsch- münzerei in einem nicht ganz schlüssigen Jndizienprozeß ver­urteilt. Im Zuchthaus beginnt er sich zunächst nur als Mitglied der Bourboncnfaniilie aufzuspielen. Aber seine geschichtlichen Kenntnisje find ebenso mangelhaft wie seine Orthographie; in dieser Zeit pflegt er fick Ludwig Burbong zu unterichreiben. Nach seiner Freilassung erwirbt er das Bürgerrecht in Kroffen und heiratet ein einfaches Mädchen. Allmählich" spinnt er seine Phantasien immer realistischer aus, aber erst nach 1331 beginnt er seine bestimmten Rechte als Ludwig XVII.   geltend zu machen. Die guten Krosscner nehmen sich ihres großen Einwohners mit Feuereifer an. Naimdorff vervoll- kommnet allmählich seine französischen Sprach- und Geschichts« kenntttisje. und so ausgerüstet taucht er iin Mai 1833 in Paris   auf. Er bezaubert die legitimistislhe Welt: man findet in seinen Zügen da« echte Boiirboncntum. Der arme Hausierer und Falschmünzer spielt nun jahrelang die behagliche Rollo eines Thronprälendenten. Naundorff selbst ist eifrig tätig, um seine Ansprüche zu beweisen. Er verfaßt seine Lebensbeschreibung, einen wahren Karl Mayschen Kolportageroman, in dem von Zeugen für seine Abstammung nur so wimmelt. Klugerweise aber sind seine sämtlichen Zeugen tot; er läßt sie durchweg vergiftet werden. Und all der strotzende Unsinn wurde geglaubt und wird geglaubt. Tschirch stellt den Brandenburger Prozeß nach den erhaltenen Mm dar. Seine Darstellung ist einleuchtend. Raundorff war offen- Der hier erwähnte Sicherheitsmann ist, das muß zum Ver- ständnis betont werden, ein Liebling der Zeche und Krön- zeuge gegen die Organisation und gegen die �Hetzer". Seit Dienstag voriger Woche hatte die Verwaltung Kenntnis vom Brande, man ließ aber ruhig weiter arbeiten. Schon am Mittwoch erkannten einige Arbeiter die große Gefahr und verweigerten dieArbeit. Am Donners- tag früh war die ganze Sohlenstrecke voll Qualm, so daß eS der Nachtschicht kaum möglich war, sie bei der Abfahrt zu passieren. Es wurde dann versucht, den Brandherd durch eine dünne Mauer zu dämpfen. Am Sonnabend nachmittag aber schlugen die Flammen hervor. Die Bergleute zweifeln überhaupt, daß das Feuer abgedämmt werden kann, weil es Luftzufuhr durch mangelhaft geführten Bergversatz erhalten. Und sie befürchten, daß die Flammen Hohlräume erreichen, die voller Schlagwetter stehen. Wie die Dinge liege», gibt eL keine Entschuldigung für diese Katastrophe. Irgend welche Ausreden müssen an den Tatsachen scheitern. Trotzdem man die Gefahr kannte, trotzdem öffentlich durch die Presse gewarnt worden war, hat man die Katastrophe nicht abgewendet. Wie will man das verantworten? Nun, ja I Der Verantwortliche, der Betriebsinspektor Kleine-Limburg, gehört zu den Toten, er hat sein Leben bei der Katastrophe lasten müssen. Er ist als Träger des Systems auch der Schuldige, er hatte die Macht und auch wohl die Pflicht gehabt, die Arbeit an den bedrohten Betriebspunkten zeitig einstellen zu lassen. Er hat eS nicht getan, er hat die Katastrophe nicht ver- hütet und ist schließlich selbst Opfer derselben geworden. Be- zeichnend für die Gesinnung einer gewissen Presse ist, daß sie diesen Mann noch feiert und ihm nachrühmt, er sei den Heldentod" gestorben. Die Bergleute haben über den Helden- tod dieses Mannes ihre eigene Meinung. Freilich, die bürgerliche Presse war der Verwaltung von«Lukas" immer günstig gestimmt, und noch vor wenigen Tagen veröffentlichte sie mit wahrer Wollust Abschnitte aus dem Berginspektorenbericht unter der Ueberfchrift:«Ein leichtfertiger Bergarbeiter- a u s st a n d." Am Donnerstag, den 20. April, antwortete die Arbeiterzeitung" in einem Abwehrartikel, der gerade durch die Katastrophe der Montaguacht besondere Bedeutung erhält. In dem Artikel heißt es: ... Weil alle Beschwerden nichts nutzten, die Mißstände nicht bcseittgt wurden, deshalb ist es schließlich zum Streik ge- kommen. Wir wundern uns keineswegs, daß der Bergbehörde diese Einsicht fehlt. Wie die Dinge in Wirklichkeit liegen, erfährt sie ja nur selten, die Angaben der Verwaltungen werden von ihr als wahr unterstellt. Die Vettoaltungen bestreiten natürlich alle Mißstände, folglich existieren auch keine. Bricht eine Katastrophe herein, dann ist ein böser Zufall schuld. Wer die Bergleute zu Worte kommen läßt, ist ein Hetzer. Und weil wir über Mißstände auf.Lukas" berichtet haben, sollen wir zum Streit gehetzt haben. Man sollte es wirklich nicht glauben, wie weltfremd eine Bergbehörde sein kann. Zugegebe daß ihr viele Mißstände verborgen bleiben, s t e muß doch von den Unfällen, von Schlag lvetter« explosionen usw. schon Kenntnis erhalten haben. Dafür ist sie doch Bergbehörde. Und hat sie davon Kenntttis erhalten, dann würde sie doch gut tun, die Berichte der Arbeiterpresse nicht kurzer« Hand beseite zu legen, sondern auch die Arbeiter zu hören, ob die Berichte der Wahrheit entsprechen. Will die Bergbehörde sich das Vertrauen der Arbeiter erwerben, muß sie auch die Arbeiter hören, und dann würden die einseitigen Jnspektorenberichte un« möglich. ES scheint aber, daß die Bergleute noch schwereOpfer werden bringenmüssen, ehe eSin dieser Beziehung besser werden wird. DaS Mar- thrinm der Bergleute ist entsetzlich!" Die«Arbeiterzeitung" hatte recht, da! Martyrium der Bergleute ist entsetzlich! Schon vier Tage später, nachdem noch am Sonn abend abermals gewamt worden war, brach die Katastrophe herein I Nun mag die Oeffentlichkeit über den Wert von Denkschriften der Zechenverwaltungen und über den Wert von Berichten der Bergbehörde urteilen. bar eine Mischung von Hochstapler und Geisteskranken; er gehörte zu jener Menschengattung, die häufig Macht über die Gemüter ge- Winnen. In der Einsamkeit des Zuchthauses auch eine bekannte Erscheinung mag ersein System" bis in alle Einzelheiten durch- dacht haben und schließlich mag der Betrüger sich selbst betrogen und an seine Mission geglaubt haben. Den Erfolg schildert Tschirch also:«Au» Bern   ausgewiesen, wandert er ganz mittellos ohne große Sprachkenntnifse nach Paris  , um mit der tollkühnen Sicherheit eines Nachtwandlers die steile Höhe des französischen   Thrones zu erNimmen. Und siehe I ihm ge- lingt Wunderbares. Er schart einen andächtigen Kreis von Gläubigen, eine ergebene Partei von legitimistischen Aristokraten um sich, von denen er unerniüdlich lernt und neue Mittel gewinnt. An- Hänger anzuziehen. Er bildet sich immer mehr nach dem Königs- ideal der Royalisten um und bietet seinem vornehmen Publikum das, was eS verlaugt.... Er ist keinen Augenblick aus seiner Rolle gefallen; ja die Rolle ist ihm so zur anderen Natur geworden, daß er in seinen letzten Augenblicken, selbst in den Ficberphantasien deS Todeskampfes, von seinem könig  - lichen Vater gesprochen hat, mit dem er nun endlich vereinigt zu werden hoffte." Nun, gar so tollkühn war daS Beginnen und gar so wunderbar da? Gelingen NaundorffS doch nicht. Der Fall beweist lediglich, wie leicht es ist, die Rolle eines Dynasten auS allerältestein Geschlecht zu spielen, sofern man nur ein bißchen betrügerisch und hinlänglich ver- rückt ist. Und sür Leute, die an daS Gotiesgnadeutum glauben oder auS spekulativen Interessen wenigstens vorgeben, daran zu glauben, ist es wirklich gleichgültig, ob es sich um echteS oder nur nach- gemachtes Goitesgnadcntum handelt. Die Urmenschen von Australien  . ES gibt heute nicht mehr viele Gegenden auf der Erde, die von Menschen in einem eigent- lichen Naturzustand bewohnt werden. AlS solche werden immer wieder die Eingeborenen von Australien   genannt, aber durch die zunehmende Kultivierung diese« zuletzt entdeckten Erdteils sind sie stark zurückgedrängt, umgemodelt oder ausgerottet worden. Immer- hin lohnt es noch, nach Australien   zu fahren, um einen Urmenschen zu sehen und zu beobachten. Im äußersten Hinterland des Staates Queensland   leben von ihnen nach genaueren Feststellungen noch rund 20 000 Seelen, und die Regierung dieses Staates hat eS als eine Ehrenpflicht erkannt, diese Leute besonders zu schützen. Wenn eS auch nicht richtig wäre, diese Eingeborenen zu einer Art von freilebendem Museumsgegenstand zu machen und nur als eine Sehenswürdigkeit zu erhalten, so ist ihr Bestand für die Wissen- schasl jedenfalls von großem Wert. ES sind die einzigen Menschen, die noch heute ganz auf dem Standpunkt stehen, auf dem sich die Erd- bevölkenmg überhaupt vor Jahrtausenden im Steinzeitalter befand. Dadurch ist Gelegenheit geboten, die Entstehung und Vervollkommnung der Steiuwerkzcuge unmittelbar zu beobachten, die sich als Ueber- bleibsel alter Zeiten nur in fertigen Formen vorfinden. Auch die Ursprünge aller höheren Kultursormen künstlerischer Neigungen, eigentlicher Industrien; ferner die EntWickelung religiöser An- schauungen und höherer Weiensbegriffe alles läßt sich an den Urmenschen von Australien   studieren. Der Trieb zu künstlerischer Betätigung ist auch bei diesen Menschen schon in starler Ausprägung Uebrigens verunglückten vor etwa drei Wochen schon an der jetzigen Brandstätte zwei Bergleute tödlich. Mehrere Kameraden waren schon aufgefordert worden, ein dort noch anstehendes Stück Kohle abzubauen. Sie erklärten aber, wer sich in das Loch begebe, komme lebend nicht mehr heraus, und verlveigerten die Arbeit. Dafür mußten sie sich den Vorwurf der Feigheit gefallen lassen. Der Be- amte fand auch zwei andere Kameraden, die willig in die Menschenfalle hineingingen. Und es geschah wirklich, was die anderen Kameraden vorausgesagt hatten, dieFalle klappte zu und diebeiden dien st willigen Bergleute konnten nur mit großer Mühe als Leichen geborgen werden.... Sollte unter diesen Umständen der Staatsanwalt auf Zeche.Lukas" nicht auch noch andere Aufgaben zu erfüllen haben als nur gegen Streikjünder vorzugehen?_ Die Säugliligsfüllorge der Stadt Berlin  hat im Jahre 1909/10, wie der kürzlich erschienene Jahresbericht ergibt, sich auf eine geringere Zahl von Kindern als im vorher« gehenden Jahre erstreckt. Zum ersten Male seit dem Bestehen der Säuglingsfürsorge st ellen haben diese jetzt eine M i n d e- rung der ihnen zugeführten Säuglinge zu ver- zeichnen gehabt: in 1908/09 hatten sie 14 943 Säuglinge auf- genommen, in 1909/10 nahmen sie nur 13 494 auf. Werden die je aus dem Vorjahr übernommenen Säuglinge hinzugezählt, so standen im vorletzten Jahre 13 144 Kinder, tm letzten Jahre 17 133 Kinder unter der Kontrolle der Säuglingsfürsorgestellen. Zur Erklärung des Rückganges führt der Bericht an, daß im letzten Jahre die Zahl der Arbeitslosen geringer geworden sei. so daß in der Arbeiterbevölkerung auch das Bedürfnis, für die Säug- linge die Hilfe einer Fürsorgestelle in Anspruch zu nehmen, sich vermindert habe. DaS sei die Hauptursache der bei den Säuglings- fürsorgestellen eingetretenen Frequenzabnahmc, daneben komme aber noch in Betracht, daß die Witterungsverhältniffe in 1909/10 dem Gesundheitszustande der Säuglinge besonders günstig waren. Unerwähnt bleibt in dem Bericht eine dritte Ursache, die Minderung der G e b u r t e n, die in den letzten Jahren ganz besonders stark war. Wenn in 1908, 1909, 1910 die Zahl der Lebendgeburten herabging auf 49 205, 45 949, 44 108, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß diese Abwärtsbewegung auch die Frequenz der Säuglingsfürsorgcstellen beeinflußt haben wird. Die Säuglingsfürsorgestellen gewähren den Müttern oder Pflegemüttern schwächlicher oder kränklicher Kinder des ersten Lebensjahres unentgeltlich Rat über Wartung und Pflege, bei Be- dürftigkeit den stillenden Müttern von Brustkindern als«Still- Prämie" eine Unterstützung in barem Gelde, für Flaschenkinder gute Milch oder andere Nährmittel zu ermäßigtem Preis oder ganz umsonst. In 1909/10 hat trotz der Minderung der in Für- sorge genommenen Säuglinge doch die Summe aller Leistungen der Fürsorgeftellen sich weiter erhöht. Die Gesamtzahl der von den Säuglingsfürsorgestellen gewährten Konsultationen, bei denen die Mütter den Rat der Aerzte einholten, belief sich dies- mal auf 150 510, im vorhergehenden Jahre nur auf 150689. Die Hausbesuche durch recherchierende Schwestern haben sich gleich- falls gemehrt: im vorhergehenden Jahre waren nur 34 388 Be- suche gemacht worden, diesnial wurden 38 166 gemacht. Weiter gemehrt haben sich auch die Gewährungen von Stillprämien. Während im vorletzten Jahre an 7739 Mütter 150 603 M. gezahlt worden waren, wurden int letzten Jahre an 8430 Mütter 167 518 M. gezahlt. Der Durchschnittsbetrag der Stillprämien hat sich freilich nur um ein Winziges erhöht, von 19,50 M. im vorletzten Jahre auf 19,85 M. im letzten Jahre. Wieviel pro Tag und pro Woche gezahlt wird und wie viele Wochen die Unterstützung mit barem Gelde dauert, darüber schwelgt der Bericht. Gezahlt werden, soviel wir wissen, pro Tag 20 3 0 P f., pro Woche etwa 1,50 2,00 M., so daß ein Durchschnittsbetrag von 19,85 M. auf eine durchschnittliche Unter st ützungsdauer von 2 Bis 3 Monaten schließen ließe. Manche Mütter von Brust- kindern ziehen dem baren Gelde die Gratislieferung guter Milch vor. Für Flaschenkinder wird nur Lieferung von Milch oder anderen Nährmitteln gewährt, zum geringen Teil gegen volle Zahlung, größtenteils zum ermäßigten Preis oder ganz um- vorbanden, wie ttidfi nur ihre Holzschnitzereien, sondern auch zahl- reiche Zeichnungen und Malereien an Felswänden beweisen, wie ja auch der steinzeitliche Mensch in seinen Höhlen bereits einen der- artigen Schmuck angebracht hat. Es ist nur zu fürchten, daß selbst unter dem Schutz der europäischen   Kultur der Urztistand der Australier sich nicht rein erhalten wird. Mufik. Die Aufführungen des Berliner   Volks-Chore« gehSren bereits zu den musikalischen Hauptereignissen Berlins  . Und die Szenen aus R. Wagners«Fliegenden Holländer", die am Montag und Dienstag gesungen wurden und die wir am DienS« tag hörten, trugen dem Dirigenten E. Zander Ehrungen von echt spontaner Art ein, die namentlich nach dem Doppelchor deS 3. Aktes zu einer Demonstration im besten Sinne wurden. Hier hatte eben auch der Chor eine besondere Stärke gezeigt. Anfangs war er mäßiger gewesen und einmal sank auch die Tonhöhe einiger Stimmen; überdies kann weder vom Orchester noch vom Chor die Wucht des Klanges erwartet werden, die für den Riesen» räum der«Neuen Welt" wünschenswert wäre, und die nur bei günstigeren Mitteln und Umständen überhaupt mög- lich ist. Gilt eS, zwischen einem.soliden" und einem.genialen" Dirigenten zu wählen, so kann man hier sür Solidität nur sehr dankbar sein. Doch derlei Gedanken schreibt man sich vom Leibe weg, weil man stolz ist auf diese Kunstgesellschaft, die hohe Ansprüche verträgt, und weil das Ganze von Szene zu Szene hin- reißender herauskam. Herr Zander findet stets beste Solisten; dies- mal aber war cS besonders feine.Senta"(Frau M. Schauer» Bergmann  ), deren Temperament und Klangkraft, abgesehen von einigem wilden Fortissimo, anfeuernd wirkte. Immer näher kommen wir der Zeit, da WagnerS Werke all- gemeinfrei" werden. Damit aber dann die Direktoren nicht gar zu viel Unfug treiben, wird mehr und mehr eineErziehung" des Publikums zu R. Wagner   und hiermit auch zu scharfen Ansprüchen an seine Wiedergabe nötig. Ein besseres Mittel dazu als die aktive Teilnahme an unserem VolkSchor wird allerdings nicht so bald zu finden sein._ bz. Notizen. EineWikingerfahrtnachRouen. Zuder Tausend­jahrfeier der Normandie   wollen fünf norwegische Studenten eine Bootfahrt von Norwegen   nach Ronen unternehmen; sie wollen sich dabei einer eigenartigen Fischerbarke bedienen. Ihr Kahn ist nach einem alten Modell gebaut worden und hat eine Länge von 18 Meter; er gleicht den berühmten Schiffen, auf denen einst die Wikinger   ihre EroberungSfahrten nach Schottland  . England und der Normandie  unternahmen. Diese Schiffe sind sehr stark und können sich auch wahrend der heftigsten Sturme auf dem Meere halten. Die fünf nor- wegtschen Studenten haben die Absicht, genauso ,u fahren, wie einst die alten Wikinger fuhren: sie werden ihre Reise an der Westküste Norwegens   beginnen, von hier nach Schottland   zu gelangen suchen. dann an der Küste Großbritanniens   entlang fahren und sich zuletzt nach der Normandie   begebea,